Kulturkritik-Sendung vom 12. 12. 2008 auf Radio Lora


Was können linke Medien erreichen?

Zeitdauer: 58 Minuten - Datenumfang ca. 50 MB

Der Inhalt der Sendung ist oft eine Kürzung des entsprechenden Artikels (siehe unten).
Dort sind zudem auch die verwendeten Begriffe nachzuschlagen.


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Was können linke Medien erreichen?

Die Globalisierung hat eine neue Dimension erreicht. Völker und Staaten sind in einer beispiellosen gegenseitigen Abhängigkeit miteinander verbunden. Doch das neue Weitsystem ist bedrohlich instabil: Die Finanzmärkte befinden sich im Kollaps. Der wachsende Energiebedarf provoziert Konflikte um den Zugang zu Öl und Gas. Der Klimawandel bedroht Millionen mit Hunger, Naturkatastrophen und Vertreibung. Weil die Regierungen bei der Regulierung der globalisierten Ökonomie versagt haben, ist zugleich ein unberechenbarer politischer Brandherd entstanden: Die Menschheit teilt sich zusehends in Gewinner und Verlierer. In den Wohlstandsstaaten' verarmen die Mittelschichten, während die Eliten ihre Einkommen vervielfachen und der Besteuerung entziehen. In den Schwellenländern des Südens bleiben Milliarden von den Früchten der Globalisierung ausgeschlossen. Religiöse Heilslehren und Nationalismus sind auf dem Vormarsch. Und immer mehr Menschen rufen nach wirtschaftlicher Abschottung gegen die neuen Konkurrenten aus Asien und Lateinamerika. So droht erneut, wie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ein gewalttätiger Abbruch der Globalisierung durch Handels- und Ressourcenkriege. Die Durchsetzung von mehr Gerechtigkeit wird zur Überlebensfrage. Die globale Vernetzung zwingt den Lenkern in Politik und Wirtschaft eine planetare Perspektive auf. Eine Weltgesellschaft ist im Entstehen, und weltweite Kooperation wird politischer Alltag. Aber reicht die Zeit, um die Weichen richtig zu stellen? Der globale Countdown läuft.

An diesem zweiten Freitag im Dezember vor drei Jahren strahlten wir zum ersten Mal diese Sendung der Kulturkritik aus. 36 Sendungen haben wir seitdem gebracht. Viel Stoff wurde beackert und viele Informationen und Interviews rübergebracht. Was es gebracht hat, wissen wir aber nicht. Unser dreijähriges Bestehen soll uns heute ein Anlaß sein, die Wirkmöglichkeiten linker Medien überhaupt zu diskutieren.

Damals begannen wir mit einem Interview mit der Zeitung Freitag und erörterten darin die Möglichkeiten einer Gegenöffentlichkeit. Immerhin hat sich schon in dieser relativ kurzen Zeitspanne in dieser Thematik einiges geändert. Eine Gegenöffentlichkeit als solche muss es nicht mehr geben. Die Öffentlichkeit selbst ist so vielschichtig geworden, dass jede Veröffentlichung schon eine Art Gegenöffentlichkeit zu einer anderen darstellt. Das Internet und die vielen Möglichkeiten der Informationsübertragung haben die Bezüge der verschiedensten Botschaften, Meinungen und Wissensbereicherungen immer weitläufige und auch durchsichtiger gemacht, so durchsichtig, dass wir nicht mehr genau wissen können, wer da alles mithört und mitliest von dem, was wir übertragen.

Um Öffentlichkeit als solche geht es heute nicht mehr. Wohl aber um die Veröffentlichung von bestimmten Informationen, bestimmtem Wissen und einer bestimmten Kultur. Das Unbestimmte ist Mainstream und der läuft wie von selbst.

Über das, was die bestimmte Öffentlichkeit linker Medien sein kann, geht es in dieser Sendung. Zunächst hat sich Emanuel Kapfinger Gedanken hierzu gemacht. Dann habe ich mit einem der Gründer von Radio Lora, mit Eckhard Thiel, hierüber gesprochen. Und schließlich will ich auf neue Medien eingehen, die auch für die Linke immer wichtiger werden. Nun der Reihe nach. Zunächst der Beitrag von Emanuel.

Emanuel Kapfinger:

Beitrag für die Radiosendung vom 13.12.

Beantwortung der Fragen: Warum sind linke Medien wichtig? Inwiefern ist die Kulturkritik zu kritisieren?

von Emanuel

Warum brauchen wir linke Medien?

Ich glaube, dass diese Frage für jeden wichtig ist, der als Linker politische Arbeit macht. Sei es, weil er Öffentlichkeit für seine Aktionen sucht, oder Unterstützung und Solidarität, wenn er Repression und Ausgrenzung ausgesetzt ist. Sei es, dass man Informationen und Gedanken sucht, die in den Medien der „bürgerliche Mitte“, also den bürgerlichen Medien, schlicht nicht zu finden sind. Von daher wird auch jeder, der system-oppositionell politisch tätig ist, mit linken Medien in Berührung gekommen sein, von denen es ein ganzes Spektrum in den verschiedensten Gattungen gibt. Da sind Radioprojekte, wie hier in München das Radio Lora, auf dem auch diese Sendung läuft, dann gibt es Zeitschriften: theoretische wie etwa die analyse+kritik oder der Gegenstandpunkt, praktische wie etwa die Contraste, die über ökonomische linke Projekte informiert. Die Zeitschrift wildcat bringt sehr anschauliche Berichte v.a. über die Bedingungen von Arbeitern. Es gibt sogar eine größere linke Tageszeitung, die junge Welt, die einen zwar etwas orthodoxen linken Ansatz – aber immerhin – hat, und z.B. auch ganz auf Werbung verzichtet. Vor allem im Internet gibt es ein unheimlich großes Angebot, wovon man vielleicht die indymedia, die telepolis, aber auch so etwas weniger Tagesaktuelles wie die Kulturkritik erwähnen kann. Was ich bei all dem wichtig finde, ist ein gruppenübergreifender Anspruch von Medienprojekten. Die gerade genannten Projekte lösen das auch ein. Es gibt etliche Zeitungen und Zeitschriftlein, die eher das Selbstdarstellungsorgan einer politischen Gruppe sind. Gerade in diesem Medien- und Öffentlichkeitsbereich ist es aber wichtig, dass eine Vernetzung und Verbindung der partikularen Gruppen stattfindet. Es gibt bei den Linken so eine Tendenz, sich zu besondern und abzusondern und sich gerade durch die Abgrenzung von andern linken Gruppen zu definieren. Zum Teil gibt es aber auch einfach unterschiedliche Gesellschaftsbereiche, in denen die Leute tätig sind. Linke Medien können es schaffen und schaffen es zum Teil, hier Verbindungen herzustellen und gegenseitige Befruchtungen und Unterstützungen zu organisieren.

Nun einige theoretischere Gedanken dazu, warum wir linke Medien brauchen, und was sie effektiv für uns leisten können.

Zunächst ist es so, dass linke Medien so etwas wie eine Gegenöffentlichkeit schaffen. D.h., wenn man Öffentlichkeit als Medium für Informationsangebot und -austausch betrachtet, dann ist dieses Informationsangebot ja nicht allgemein, sondern es gibt grundsätzlich eine Auswahl, was „wichtig“ und veröffentlichungswürdig heißt und was nicht. Und das hat in der bürgerlichen Öffentlichkeit ja so eine gewisse Tendenz. Klar: Was veröffentlichungswürdig ist und was nicht, ist anders in der Süddeutschen und anders in der Bildzeitung. Allerdings fallen gewisse Ereignisse schon von vornherein aus deren Raster heraus, also sagen wir ein großer linker Kongress über Neoliberalismus, während eben so ziemlich alles was die Merkel sagt, für diese Medien von Relevanz ist. Die Tendenz ist die, dass in der bürgerlichen Öffentlichkeit gerade die Ereignisse, an denen sich eine Kritik und Gesellschaftskritik reflektieren und an denen sie auch erst entstehen kann, ausgeblendet werden. Wo nicht, so werden sie meistens mit negativer Wertung berichtet, man denke nur an die Berichterstattung über die Proteste in Heiligendamm. Für die bürgerlichen Medien war damals völlig klar, dass da nur Chaoten und Gewalttäter zugegen waren. Das wär auch das nächste: dass es eigentliche keine reine Information gibt, die einfach nur Fakten beinhaltet – wie es aber das Ideal des Journalismus ist, also die reine Objektivität zu erreichen. Objektivität entsteht aber nicht daraus, dass man sich an das pure Gegebene hält, sondern gerade indem man Gedanken und Theorien an das Gegebene heranbringt. Hier kommt deshalb auch eine theoretische Auseinandersetzung mit den Annahmen, die man über die Gesellschaft macht, herein. Und da werfe ich den Bürgerlichen vor, ideologisch zu sein. Sie haben die falschen Theorien und bekommen manchen Sachverhalt, den man aber unbedingt berücksichtigen muss, gar nicht in ihr Blickfeld. Also man kann zwar sagen, wie es die Journalisten dann tun: es gebe keine pure Objektivität und daher sei das Ideal des Journalisten gar nicht zu erreichen, und dies entspricht dem praktizierten Pluralismus der Medien. Der Punkt ist aber, dass dieses Ideal selbst nichtig ist. Es ist genau anders, und zwar kommen die bürgerlichen Medien und das bürgerliche Lager überhaupt, in den Wissenschaften usw., nicht einmal zur Wirklichkeit und wesentlichen Aussagen. Das merkt man z.B. wenn alle Naslang die Gier des Menschen an sich zur Ursache der Finanzkrise gemacht wird. Ideologisch sind die bürgerlichen Medien, weil sie ein Interpretationsmuster, das ihnen genehm ist, der Wirklichkeit überstülpen. Das ist letztlich, direkt oder indirekt, Ausdruck ihrer national orientierten, staatstragenden, wirtschaftsfördernden, bürgerlich-sittlichen Interessen, und anderer Interessen.

Man muss aber auch sehen, dass es etliche Zwänge gibt, die in ihrer Gesamtheit dann, neben dem subjektiven Faktor eigener Interessen der Journalisten, zu der Berichterstattung der bürgerlichen Medien führen. Zu nennen ist etwa die Abhängigkeit der Medien von der Werbung, was sie zu freundlichen Beiträgen über die Werbekunden zwingt, oder die ökonomische Situation der Journalisten, die in kurzer Zeit möglichst viel produzieren müssen, was natürlich einen ernsthaften Journalismus, der der Sache auf den Grund geht, sehr erschwert. Oder es sind die Informationszuträger der Journalisten, Politiker und sowas, zu denen sie ein sozusagen freundschaftliches Verhältnis brauchen, damit die sie weiter mit Infos versorgen. Wovon man sich natürlich unbedingt lösen muss, ist die Illusion der sachlich neutralen Zeitung. Es ist vielmehr so, dass jede Medienorganisation auch ihre eigenen politischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Interessen einbringt und voranbringen will.

Ich glaube, dass linke Medien gerade darin etwas bewirken können, indem sie ein kritisches Medienbewusstsein erzeugen, sei es durch direktes Aufzeigen ideologischer Berichterstattung, sei es durch ihre Beiträge, die überhaupt eine Gegenposition gegen den Medien-Mainstream einbringen und so gewissermaßen mit dem anderen Standpunkt auch den Schluss auf die Unwahrheit eines der beiden auferlegen.

Um die Kritik an den bürgerlichen Medien jetzt nochmals positiv gewandt zusammenzufassen: Linke Medien können Nachrichten bringen, die sonst unterbleiben: gerade etwa aus der Bewegung heraus, oder über kritische Bereiche – Randgruppen, Arbeitsbedingungen, Soziales und ähnliches. Sie vermitteln in ihren Urteilen eben auch reflektierte, wie soll man sagen: gesellschaftskritische Positionen. Ich weiß es ist schwierig, so platt zu sagen, dass es wahrer ist, was die linken Medien sagen. Aber sagen will ich es, wobei ich darauf verweise, dass dieser Aussage natürlich eine theoretische Auseinandersetzung und eine Kritik der bürgerlichen Standpunkte vorausgeht.

Wenn man die Medien unter dem Gesichtspunkt ihrer gesellschaftlichen Macht betrachtet, dann ist es natürlich klar, dass sozusagen das wahr ist und die öffentliche Meinung bildet, was die großen Medienkonzerne sagen. Kritische Stimmen haben dann da immer den Verdacht des Ideologischen, sie sind diejenigen, die die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen, Fakten, die von den Medienkonzernen erst dazu gemacht werden. Umso wichtiger ist es, diese Deutungshoheit der Wirklichkeit, die die Medienkonzerne haben, durch linke Medien zu durchbrechen.

Ein Grundproblem dabei ist die Zweiteilung der „Kommunikationsteilnehmer“, also all derer die an der Medienöffentlichkeit in irgendeiner Weise teilnehmen. Da sind auf der einen Seite eben die Journalisten, die Redakteure, die Moderatoren, auf der anderen Seite steht oder besser sitzt das Publikum. Und da kommen dann ein paar Sachen rein. Es ist erstmal ein gewisses Machtverhältnis. Das Publikum ist eben nur passiv an der Kommunikation beteiligt und kann seine eigenen Meinungen und Wünsche nicht artikulieren. Die Journalisten bilden wiederum eine eigene Gesellschaftsklasse mit eigenen Interessen, die sich mit den Interessen weiter Teile der Gesellschaft nicht decken, und offensichtlich gerade nicht mit denen der benachteiligten; außerdem haben viele Journalisten nur unzureichenden Einblick in gewisse Bereiche, sagen wir in Arbeitsverhältnisse oder eben in soziale Bewegungen, und von ihrer gesellschaftlichen Stellung her haben sie ja auch von vornherein wenig Bezug zu solchen Bereichen. Vielmehr bewegen sie sich in einer kulturell-geistigen Schicht. Viele linke Medien haben sich gerade zum Programm gemacht, dieses Ungleichgewicht aufzuheben, indem in ihnen quasi jeder publizieren kann und nicht bloß der Professionelle. Das hat genau den Vorteil, dass es eine basisdemokratische Berichterstattung gibt, dass die Leute aus den Bereichen selbst kommen, über die sie berichten, und von daher auch viel besser vertraut sind mit den Umständen und mit der Sache, um die es geht. Das gibt’s natürlich nicht in allen linken Medien, und es funktioniert auch nicht überall, wo der Anspruch oder die Möglichkeit da ist. Aber ich finde, es ist eine wichtige Sache, die man auf jeden Fall verfolgen und unterstützen sollte.

Jetzt noch ein letzter Punkt, den ich als die Auflösung der Isoliertheit kritischen Bewusstseins durch linke Medien bezeichnen will. Zuerst ein Beispiel. Sagen wir, es gibt einen wilden Streik, der also ohne gewerkschaftliche Unterstützung und außerhalb des üblichen Rituals der Verhandlungen und streikrechtlichen Bestimmungen gemacht wird. In den bürgerlichen Medien, d.h. von der Öffentlichkeit, wird er durch die Bank befeindet – ebenso wie ganz handfest durch Polizei und Fabrikeigentümer. Linke Medien können diesem Streik eine eigene Öffentlichkeit verschaffen, in dem die Bedürfnisse der Streikenden als legitime wahrgenommen werden, und umgekehrt können durch linke Medien auch Solidaritätsbekundungen an den Streik weitergegeben werden. Das kann die streikenden Arbeiter stärken und ihnen ein Selbstbewusstsein geben, weil ihnen gesagt wird: ihr seid nicht allein, ihr habt ein Recht bei dem was ihr tut. Ganz ähnlich kann man sich das in anderen Situationen vorstellen, z.B. bei der Unterdrückung oder dem Ausschluss von Minderheiten wie Migranten.

Allgemein ist es für kritisches Bewusstsein so, dass ihm, wenn es im eigenen sozialen Umfeld auf kein Verständnis stößt, durch linke Medien ein Spiegel der eigenen Reflexion gegeben wird. Bisschen Hegelsch gesagt reflektiert es sich nicht bloß in sich sonderen eben auch an anderen. Das kritische Bewusstsein weiß sich damit über bloß subjektive Gedanken hinaus, von denen es ja auch nicht weiß, ob sie nur ihm richtig scheinen oder ob an ihnen auch wirklich etwas dran ist. Die Bestätigung durch andere über die linken Medien, andere also, denen man auch eine gewisse Kompetenz zugesteht, nimmt dem vereinzelten Bewusstsein seine Unsicherheit.

Wer Widersprüche erfährt und sie auch thematisiert, sie in seinem Umfeld äußert, und sich schon dadurch von herrschenden Vorgaben und Verfahrensweisen absetzt, wird schnell gerade wegen seiner Nonkonformität und seines Andersseins ausgegrenzt. Das macht natürlich Schwierigkeiten, an der Kritik und an dem diskursiven Bearbeiten von Widerspruchserfahrungen festzuhalten. Oder auch bloß an moralischer Kritik festzuhalten. Und hiergegen helfen linke Medien, diese Ausgrenzung aufzuheben bzw. der Ausgrenzung ihre Gewaltsamkeit zu nehmen.

In den meisten linken politischen Zusammenhängen ist Isoliertheit immer schon aufgehoben, eben gerade durch linke Medien. Aber erst durch deren Vermittlung kann das Bewusstsein einer Linken als einer sozialen Bewegung und dem Bewusstsein der Gesellschaftlichkeit entstehen.

Zusatz, der nicht in der Sendung ist. Bis hierher wurden zur Bestimmung der Medien nur empirische Tendenzen angegeben, die der Öffentlichkeit konforme politische Positionen gibt und sie zu einer bürgerlichen Öffentlichkeit macht. Die Frage wäre, ob sich das auch erklären lässt. Wobei eine bewusste Manipulation der Menschen durch die Medien diese Erklärung nicht abgeben kann, weil sie in unserer „freiheitlichen“ Gesellschaft nicht vorliegt, in der sie vielmehr gerade durch ihre institutionelle Unabhängigkeit charakterisiert sind. Eine Erklärungsansatz könnte der sein, dass kritische Positionen in den Medien nicht dysfunktional wären und das System von innen heraus sprengten. Durch diese Negation kristallisierten sich dann diejenigen Tendenzen heraus, die ein möglicherweise zunächst ambivalentes Medium auf Linie bringen, ohne aber dass eine solche Zurichtung von Staats wegen vorgenommen würde. Freilich gibt es kaum ein „zunächst ambivalentes Medium“. Die privaten Medien müssen eine Mitte erreichen, weil sie von Werbekunden abhängig sind; die öffentlichen Medien, weil sie unter der Fuchtel des Staates stehen.

So, und wenn jetzt die Radiosendung der Kulturkritik München ihren dritten Geburtsstag feiert, dann will ich sie schon ein bisschen loben, dass sie in dieser linke-Medien-Landschaft dabei ist, und darin meine ich schon auch Sachen bringt, die man sonst nicht so hat. Dazu gehört auf jeden Fall der theoretische Anspruch der Sendung. Das macht es zwar manchmal sehr schwierig, zuzuhören, aber gegenüber tagesaktuellen Sendungen und Medien wird so überhaupt eine Ebene geschaffen, auf der größere Zusammenhänge diskutiert werden können, wo man dann gerade das Tagesgeschehen in größere Tendenzen einordnen kann und sieht, dass es bloß eine Konsequenz aus viel grundlegenderen Sachen ist, die eben genauso anzugreifen, zu thematisieren und zu bekämpfen sind. Toll habe ich zum Beispiel den Beitrag über das Versammlungsgesetz gefunden, der einerseits versucht hat konkret die Folgen für die betroffenen linken Gruppen nachzuvollziehen, auf der anderen Seite aber eine größere Perspektive eröffnet hat, gesagt hat, dass das Versammlungsgesetz nur ein Punkt ist in einer ganzen Reihe von Verschärfungen der Sicherheitsbestimmungen, und die eine Beziehung zu sozusagen gesamtgesellschaftlichen Tendenzen, vor allem hinsichtlich der Entwicklung der Wirtschaft in der nächsten Zeit, hergestellt hat. Der theoretische Ansatz der Kulturkritik hebt sie auch ab von Linken, die unter „politischer Tätigkeit“ bloß praktischen Einsatz, Infostand, Flyerverteilen, Demos organisieren, streiken, zivilen Ungehorsam usw. verstehen. Ich finde, dass da auch ganz viel Nachdenken dazugehört und dass dieses Nachdenken nicht letztlich die praktische Handlungsanweisung zum Ziel haben muss, so wie: man muss diese Partei wählen oder: man muss gegen dieses Gesetz protestieren usw.

Und besonders macht die Kulturkritik natürlich gerade ihre Verbindung von Ökonomie, Politik und Kultur, und das macht ihre Analysen auch ganz stark und interessant, weil wirklich vieles thematisiert werden kann, und der Blick nicht bloß auf Ökonomie und Politik verengt bleibt. Von so einem Ansatz aus kann man zum Beispiel den Faschismus auch in seinen subjektiven Ausprägungen begreifen und sehen, inwieweit die eine Basis für den Faschismus schaffen. Oder, was im September in der Sendung war, der Zusammenhang von Rassismus und Esoterik, und was das mit den kapitalistischen Krisen zu tun hat. Ich meine, wo erfährt man so etwas sonst? Von wem würde das sonst diskutiert? Ich finde, die Kulturkritik hat da eine gewisse Einzigartigkeit, und es ist daher ziemlich wichtig, was sie macht.

Wolfram Pfreundschuh

Informiert werden wir heute ja über ziemlich alles, manchmal sogar über das, was eigentlich in den Tresoren der Geheimdienste versteckt bleiben sollte. Aber die Informationen haben nicht unbedingt solchen Bestand, dass wir daraus auch Wissen bilden könnten. Sie sind meist von beschränkter Wahrheit und so vielfältig und gegenläufig, dass aus ihnen fast jeder Widersinn und damit eigentlich nicht sehr viel Sinn zu entnehmen ist. Wer heute die Nachrichten begreifen will, dem kann die bloße Informiertheit nicht genügen. Es stürzt die eine Nachricht schnell schon durch die nächste. Was noch vor kurzem als höchste politische Notwendigkeit dargestellt worden war, ist morgen schon wieder völlig falsch.

So ist z.B. die angebliche wirtschaftspolitische Notwendigkeit Nummer 1, dass nämlich die Sanierung des Bundeshaushalt jeder Politik voranzustellen sei und deshalb in den letzten 5 Jahren besonders im Sozialhaushalt zusammengestrichen wurde, was nur eben ging, jetzt schlagartig ins Gegenteil verkehrt worden. Weil solche Politik – wer hätte es gedacht - dazu geführt hatte, dass die Konsumenten immer weniger Geld für den Einkauf in der Tasche hatten, gilt nun im Gegensatz hierzu als höchst notwendig, dass so schnell wie möglich wieder Geld in die Taschen der Bürger kommt, selbst wenn man den Staat ad ultimo verschulden muss und ihnen das Geld sogar schenken müsste. Der Finanzcrash, der bisher „bei unserem höchstgradig abgesicherten Finanzsystem“ für unmöglich gehalten wurde, ist in kürzester Zeit abgelaufen und zieht wie ehedem die verheerenden wirtschaftlichen Folgen nach sich. Hätten wir nicht schon Autobahnen in Hülle und Fülle, so könnte schon wieder so ein Populist sich damit stark machen, dass er durch Autobahnbau die Menschen zu Arbeit und Brot bringen will. Diesbezüglich wurden ja auch Unsummen von Geld aufgenommen, deren Rückzahlung nur durch Druck auf die Bevölkerung und einen verheerenden Weltkrieg teils finanziert und teils umgangen worden war. Na ja: Wir haben immerhin noch die Automobilindustrie, die das beste Rückrad für den Kapitalismus darstellt – nicht nur wegen der Herstellung, sondern auch im Gebrauch der vielen Autos, im Verbrauch des derzeitigen Währungsgaranten Nummer 1: Dem Erdöl. Schließlich bleibt der sonstige Maschinenexport noch und die chemische Industrie, die pharmazeutischen Produkte und die Farben und Kunststoffe und auch im Waffengeschäft ist und bleibt Deutschland an der Weltspitze. Und das blüht ja in solchen Zeiten besonders gut.

Das alles wäre ja doch eigentlich leicht zu verstehen, wäre es nicht so widersinnig, was da so um die Krisen herum gesagt wird. Starkes Deutschland hin – schwaches Deutschland her. Was solls? Was ist die Erkenntnis aus alledem? Wer das sogenannte Versagen des Finanzsystems am liebsten einfach als Fehler der handelnden Personen sehen will, der will vor allem, dass das kapitalistische System dabei herausgelassen wird. Diese Personen zeigen sich daher auch selbst schnell voller Reue und treten gerne selbstkritisch auf. Doch der Fehler ist der Kapitalismus selbst, die Anhäufung von Geld als Mittel der Macht, das schon dann seinen Wert verliert, wenn man damit nichts mehr erreichen kann, wenn die Verhältnisse selbst darniederliegen, woraus es gewonnen wurde. Es gehört eben sehr viel mehr als nur Geld dazu, die Not, welche der Kapitalismus erzeugt, die Zerstörung von Lebenserwartungen, gesellschaftlichen Zusammenhängen und Naturbedingungen abzuwenden.

Um die Interessen der Menschen wirklich wieder auf das menschliche und tierische und pflanzliche Leben hinzuwenden genügen keine Schuldzuweisungen, politischen Handlungsalternativen oder eine bloß andere Art der Geldverteilung. Nötig ist hierzu, das derzeitige gesellschaftliche Verhältnis dem Verwertungsinteresse zu entziehen und endlich als gesellschaftliches Lebensverhältnis von Mensch, Kultur und Natur zu verwirklichen, also endlich als das wirklich zu vollziehen, was es seinem Wesen nach schon längst ist. Die Probleme der Welt kulminieren inzwischen auf dem Brennpunkt einer absolut zeitwidrigen Kapitalkonzentration. Die herrschende Wirtschaftsnot muss aus den herrschenden Notwendigkeiten der Kapitalverwertung heraus begriffen werden. Und es darf daher nicht bei dieser Verwertung bleiben. Sie entleibt alle Organe, die ihr verfügbar sind. Das hat sich längst erwiesen. Es muss jetzt unter den Menschen zu einer Art Selbstbesinnungsprozess auf ein gesellschaftliches Leben der Menschen ohne Verwertungszwang kommen.

Unter diesem Ziel haben linke Medien eine bestimmte Funktion. Ich sprach mit Ekkhard Thiel in diesem Zusammenhang über das Münchner Projekt „Radio Lora“, an dessen Gründung er wesentlich beteiligt war.

Gespräch mit Eckhard Thiel (ohne Text)

Die Zeit drängt. Die Sinnfrage des Systems ist gestellt. Die Revolten haben längst begonnen – nicht nur in den Köpfen und nicht nur die der Linken in Griechenland, Spanien und England, sondern auch die der Rechten in Italien und Frankreich. Die Lebensperspektiven sind für viele Menschen geschwunden, die gesellschaftliche Kultur wird immer sinnentleerter, die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Elite und Bevölkerung, nimmt stetig zu und Zurückhaltung in der Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben würde zu einer Katastrophe führen, gegen welche die derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrisen geradezu lächerlich erscheinen. Der Klima-Countdown läuft. Es sind nur noch knapp 15 Jahre Zeit – so schreibt Harald Schumann in seinem neuen Buch „Der globale Countdown“ – um die Zusammensetzung der Atmosphäre nicht unumkehrbar zu vergiften und den Klima-Crash auszulösen. Was wir hiervon gegenwärtig wahrnehmen ist lediglich das Grundrauschen. Wenn erst mal die Pole geschmolzen sind, der Golfstrom durch den damit verursachten Süßwassereintrag umkippt und die Permafrostböden in Alaska, Grönland und Sibirien auftauen, dann werden gigantische Mengen an Methan frei und es kann niemand sagen, was dann alles geschehen wird.

Es fehlt an Wissen und Vorstellungsvermögen, wodurch dieses herrschende Kapitalsystem zu überwinden ist und worauf der Widerstand hinauslaufen muss. Sollen nicht wieder die Populisten und damit die Rechten an die Macht gelangen, so muss das Wissen hierzu, das Bewusstsein des Widerstands, aus einer Selbstbesinnung über das menschliche Leben überhaupt entstehen. Und dieser Selbstbesinnungsprozess der Menschen ist auch dringlich, weil jetzt große und teuere Entscheidungen laufen. Viele Milliarden Euro und Doller werden schon wieder zur Restauration derjenigen Industrien ausgegeben, die den Kapitalismus am schnellsten und besten zur Verwertungswirtschaft zurückbringen und die alte Scheiße von neuem starten sollen. Die sozialen Probleme und die Umweltprobleme werden zurückgestellt, weil man sich auf die Restauration der Kapitalwirtschaft, auf einen schnellen Geldumlauf und die Stimulation der Geldmärkte konzentrieren will. Aber es wäre das Fatalste überhaupt, wenn diese Gelder jetzt nicht vor allem für die Erneuerung der klimarelevanten Industrie und einer Neufundierung der Wirtschaftsordnung ausgegeben würden.

Die Auseinandersetzung der Menschen mit dieser Welt und diesem Planeten ist dringend nötig und ihm stehen auch alle Mittel bereit. Es geht dabei nicht nur um Informiertheit, sondern um das auf allen Ebenen vermittelte Bewusstsein, dass die Lebenszusammenhänge der Menschen die Lebenszusammenhänge ihrer Natur und Kultur sind und dass die Zwänge ihrer Existenzformen, die sogenannten Sachnotwendigkeiten, Gewalten einer Abstraktionsmacht sind, welche alle Existenzformen durchzieht. Gegen diese müssen sie sich konkret wenden und verhalten – nicht nur im Allgemeinen, nicht nur um wirtschaftliche Besserungen bzw. Nachbesserungen zu erlangen, nicht nur in politischer Gestikulation, sondern ganz konkret in allen Lebensentscheidungen. In dieser Zielbestimmung wird jede gesellschaftliche Auseinandersetzung zur Entscheidung gebracht, wie wir und unsere Kinder noch morgen und übermorgen leben werden. Jeder gewerkschaftliche Kampf wird zu einem Kampf um diese Lebensentscheidung, jeder Protest und jeder Widerstand zu einer Lebensfrage.

Linke Medien müssen hierfür taugen. Die neuesten medialen Errungenschaften im Internet eignen sich dafür besonders deshalb, weil sie nicht mehr nur eindimensional sind, nicht nur von einem Subjekt aus sich an andere wenden, die als dessen Objekte angesprochen sind, sondern seit der Einführung des Web 2.0 auch Rückmeldung geben, das aktivierende Subjekt zugleich relativieren und ablösen können. Das Internet ist damit zu einem höchst bedeutungsvollen Kommunikationsmedium geworden, das nicht so einfach zu beherrschen ist. Die Protestbewegungen in den USA, in Frankreich und Griechenland wissen es schon längst zu nutzen. In Deutschland fängt man damit auch so langsam an.

Es gibt nicht nur zahlreiche Blogs und Foren mit entsprechenden Diskussionen, sondern auch Medienprogrammatik, die sich ausdrücklich im Zweck einer Gesellschaftsveränderung sieht. Dabei gerät allerdings das Medium leider allzu leicht und zu schnell zum Selbstzweck, wenn die Potenziale der damit ermöglichten Kommunikation selbst schon als eine gesellschaftliche Alternative angesehen werden, so, als sei die Mediennutzung selbst schon die Keimform einer anderen Gesellschaft, die darin mögliche Gesellschaftskritik schon die Veränderung selbst. Nein. Kommunikation und Öffentlichkeit können nur der Entwicklung von Bewusstsein über die Verhältnisse beistehen, indem sie dem Wissen zu neuer Substanz verhelfen und damit Politik und Revolte aus der Verfangenheit der Erfahrung in das Geschehen selbst herausheben und neue Zusammenhänge der Wirklichkeit im wahrsten Sinne des Wortes ent-decken.

Auch ich will einen Beitrag leisten. Zu Weihnachten eröffne ich unter der Adresse „Wikipool.net“ einen Blog, auf dem viele Informationen und Wissensinhalte für politische Reflexionen und Arbeiten verfügbar gemacht werden. Jeder Mensch kann hierzu beitragen, sein Wissen eingeben und seine Kontakte und Verbindungen und Ideen darin eröffnen und veröffentlichen.

Ihr seid alle herzlich eingeladen, da mitzumachen.



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