"Da die Bürokratie der »Staat als Formalismus« ihrem Wesen nach ist, so ist sie es auch ihrem Zweck nach. Der wirkliche Staatszweck erscheint also der Bürokratie als ein Zweck wider den Staat. Der Geist der Bürokratie ist der »formelle Staatsgeist«. Sie macht daher den »formellen Staatsgeist« oder die wirkliche Geistlosigkeit des Staats zum kategorischen Imperativ. Die Bürokratie gilt sich selbst als der letzte Endzweck des Staats. Da die Bürokratie ihre »formellen« Zwecke zu ihrem Inhalt macht, so gerät sie überall in Konflikt mit den »reellen« Zwecken. Sie ist daher genötigt, das Formelle für den Inhalt und den Inhalt für das Formelle auszugeben. Die Staatszwecke verwandeln sich in Bürozwecke oder die Bürozwecke in Staatszwecke. Die Bürokratie ist ein Kreis, aus dem niemand herausspringen kann. Ihre Hierarchie ist eine Hierarchie des Wissens. Die Spitze vertraut den untern Kreisen die Einsicht ins Einzelne zu, wogegen die untern Kreise der Spitze die Einsicht in das Allgemeine zutrauen, und so täuschen sie sich wechselseitig, Die Bürokratie ist der imaginäre Staat neben dem reellen Staat, der Spiritualismus des Staats." (MEW 1, Seite 248*ff) Bürokratie entsteht im "Regelungsbedarf" eines politschen Systems, also dort, wo sich die Inhalte ihrer Zwecke nicht durch den organischen Zusammmenhang ihrer existenten Formen "einregeln" können, wo sie also Absichten befolgen, die sich jnseits ihrer unmittelbar wirklichen Beziehungen verhalten können müssen: Wo ihre Beziehungen in abstrakten Verhältnissen (siehe auch abstrakt menschliche Gesellschaft) schlicht und einfach nur funktionieren müssen. Indem sich hierdurch ihre systematische Bestimmung als notwendiges Verlangen ihrer Systematik als praktische Notwendigkeit ihrer Verhältnisse wiederholt und erinnert (siehe auch Systemtheorie), verdoppelt sich ihre politische Macht zu einer inneren Macht, verselbständigt sich ihr Zweck zu einem isoliert auftretender Selbstzweck der Politik, zur politischen Funktion der Bürokratie im bloßen Funktionieren ihres politischen Systems. Bürokratie wird von daher von selbst zu einem politischen System, das von und durch die politische Ermächtigung von Menschen und Maschinen (siehe auch Automaten) durchgesetzt wird. Die Art und Weise ihrer Ermächtigung - z.B. durch die versammelte Repräsentanz von Wählermeinungen (siehe repräsentative Demokratie) oder einer direktiven Delegation von notwendigen Entscheidungen (siehe qualifizierte Delegation) - bestimmt sich die Substanz ihrer Macht. Wer es nötig hat, seine Repräsentanz in den Dienst der psychischen Interessen seiner narzisstischen Persönlichkeit (siehe z.B. autoritärer Charakter) zu stellen, kann sich hierdurch auch politisch übermächtig (siehe Übermensch) verhalten und durchsetzen (siehe z.B. faschistische Ideologie). Um die Funktionalität ihrer Macht zu beurteilen und durchzusetzen setzt Bürokratie eine Durchschnittsbildung (siehe Statistik) ihrer Notwendigkeiten voraus, an der sich das Vermögen der Verwaltung bemisst. Weil dieses Maß nur statistisch funktioniert, entsteht hieraus eine absurde Spannung zwischen dem Abweichen und der Norm. Diese muss sich gegen jenes behaupten und kann von daher ihr Vermögen nur aus der Autorität einer völlig abstrakten Masse beziehen, aus dem Vorzug einer durchschnittlichen Anpassung gegen die Wirklichkeit der funktional formalisierten Verhältnisse, die sich wie die Korporation einer blanken Zweckrationalität, der instrumentellen Vernunft einer blanken Dinglichkeit (siehe auch Verdinglichung) verhalten (siehe hierzu auch Aufklärung). Damit wird die Kultur überhaupt, der kulturelle Sinn der Politik selbst entgeistert, in seinem Geist politisch aufgehoben, kulturalisiert. "Die Bürokratie hat das Staatswesen, das spirituelle Wesen der Gesellschaft in ihrem Besitze, es ist ihr Privateigentum. Der allgemeine Geist der Bürokratie ist das Geheimnis, das Mysterium, innerhalb ihrer selbst durch die Hierarchie, nach außen als geschlossene Korporation bewahrt. Der offenbare Staatsgeist, auch die Staatsgesinnung, erscheinen daher der Bürokratie als ein Verrat an ihrem Mysterium." (MEW 1, Seite 248*ff) Bürokratie ist die Funktion einer systembestimmten Statistik, deren Zweck die Erhaltung eines Systems ist, das seinen menschlichen Sinn verloren hat und ihn lediglich in der Formbestimmung seiner Verwaltung fortbestimmen kann. Daher begründet sich Bürokratie immer aus der uneingelösten Allgemeinheit von Entwicklungsmöglichkeiten, die durch ihre Inhaltslosigkeit auseinandertreiben. Sie will und soll ihren Zusammenhang durch die Gewalt des Großen und Ganzen seiner Form, durch die Tatsachen seiner abstrakten Substanz verwirklichen, sich als Heilkraft gegen seine Selbstentfremdung durch das Heil einer Totalität der Entfremdung des Ganzen aufheben (siehe auch Heilserwartung) durchsetzen. Das Mittel ist daher die totale Erfassung seiner Statik und Struktur, die Statistik zur Bestimmung des Einzelnen durch die abstrakte Allgemeinheit seiner Lebensformationen. Bürokratie steht somit selbst im Widerspruch zwischen einer im Einzelnen personalisierten Funktionalität und der Depersonalisierung ihrer allgemeinen Eigenschaften, besteht also aus der abstrakten Persönlichkeit ihrer durchschnittlichen Prominenz, die für die Masse auch die materielle Macht bekommen hat, die den Gehorsam an ihre abgesonderte Existenz verlangen kann. "Die Autorität ist daher das Prinzip ihres Wissens, und die Vergötterung der Autorität ist ihre Gesinnung. Innerhalb ihrer selbst aber wird der Spiritualismus zu einem krassen Materialismus, dem Materialismus des passiven Gehorsams, des Autoritätsglaubens, des Mechanismus eines fixen formellen Handelns, fixer Grundsätze, Anschauungen, Überlieferungen. Was den einzelnen Bürokraten betrifft, so wird der Staatszweck zu seinem Privatzweck, zu einem Jagen nach höheren Posten, zu einem Machen von Karriere. Erstens betrachtet er das wirkliche Leben als ein materielles, denn der Geist dieses Lebens hat seine für sich abgesonderte Existenz in der Bürokratie. Die Bürokratie muß daher dahin gehn, das Leben so materiell wie möglich zu machen. Zweitens ist es für ihn selbst, d.h. soweit es zum Gegenstand der bürokratischen Behandlung wird, materiell, denn sein Geist ist ihm vorgeschrieben, sein Zweck liegt außer ihm, sein Dasein ist das Dasein des Büros. Der Staat existiert nur mehr als verschiedene fixe Bürogeister, deren Zusammenhang die Subordination und der passive Gehorsam ist, Die wirkliche Wissenschaft erscheint als inhaltslos, wie das wirkliche Leben als tot, denn dies imaginäre Wissen und dies imaginäre Leben gelten für das Wesen." (MEW 1, Seite 248) Bürokratie ist ein Kunstwort aus Bureau (frz. für Schreibtisch, Arbeitszimmer) und Krateia (griech. für Herrschaft, Gewalt, Macht), also kurz: Schreibstubenherrschaft. Damit werden Verwaltungstätigkeiten unter bestimmten Vorgaben an Kompetenzen zusammengefasst, die in einer Hierarchie von Funktionen die Bearbeitung von Zuordnungen, Zuweisungen oder Anweisungen in einem Regulierungswerk ihrer notwendigen Abarbeitung betreiben (siehe hierzu auch Technokratie). Die Durchführung ihrer Verwaltungsaufgaben bezieht sich von daher auf die Regeln und Vorschriften, nach welchen sachliche Angelegenheiten oder auch die unterschiedlichsten Subjekte in die Formationen oder Formalitäten einer Institution integriert werden sollen. "Die Bürokratie ist der imaginäre Staat neben dem reellen Staat, der Spiritualismus des Staats. Jedes Ding hat daher eine doppelte Bedeutung, eine reelle und eine bürokratische, wie das Wissen ein doppeltes ist, ein reelles und ein bürokratisches (so auch der Wille). Das reelle Wesen wird aber behandelt nach seinem bürokratischen Wesen, nach seinem jenseitigen, spirituellen Wesen." (MEW 1, Seite 248*ff) Ursprünglich im Absolutismus als Apparat des Polizeistaats entwickelt, gilt Bürokratie im Sinne von Max Weber heute als ein Resultat der Rationalisierung und Kontrolle von Produktionsabläufen oder Verkehrsbeziehungen, die durch die Sachkompetenz von Administrationen legitimiert sind. Deren Aufgabe besteht vorwiegend darin, die Gängigkeit vernetzter Tätigkeiten zu gewährleisten. Von daher wird durch Bürokraten eine Dienstleistung an Strukturen der Industrie oder des Staates betrieben. Die ist aber vor allem nur funktional für eine Ordnung, die sich nicht aus ihrem Sinn heraus in Beziehung setzen lässt, sich also in ihrer Funktionalität verselbständigt, ihre gesellschaftliche Herkunft verloren hat. So finden sich in Bürokratien auch viele autoritäre Charaktere, die darin ihren Selbstwert veredeln und oft auch ihre Egomanie beleben. Ihnen erscheint ihr Büro wie ihr Privateigentum.
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