Nation (lat. natio, „Volk, Sippschaft, Menschenschlag, Gattung, Klasse, Schar“) bezeichnet eine umschlossene Gemeinschaft von Menschen, denen gemeinsame Merkmale wie Sprache, Tradition, Sitten, Bräuche oder Abstammung zugeschrieben werden. Diese Begriffsdefinition ist allerdings inadäquat, da keine Nation diese Definition vollumfänglich erfüllt. Nation ist eben ein widersprüchlicher Begriff. Zum einen bezeichnet er eine politische Formation, einen Staat und dessen Grenze als politisch bestimmten Lebensraum mit eigener Rechtshoheit und den politischen Eigenschaften seiner Bürger (Nationalität), zum anderen umschreibt er auch das politische Resultat der Geschichte des Wirtschafts- und Kulturraums von Völkern, die sich mit der politischen Grenzziehung mehr oder weniger gut befriedet haben. Wo die Befriedung nicht gelungen ist, herrschen Bürgerkriege (vergl. Nordirland, Kosovo, Kurdistan, Palästina u.a.), die sich kulturalistisch zu begründen suchen, auch wenn sie letztlich aus ökonomischen Interessen entstanden sind. Die Nation ist also ein umgrenzter Kultur- und Wirtschaftsraum (Kulturgemeinschaft) eines oder mehrerer Völker, die als gemeinschaftliche Form auftritt, ohne dass diese auch wirklich geeint sein muss. Es ist ein politischen Begriff, der die geschichtliche, kulturelle und wirtschaftliche Verfassung eines geografischen Lebensraums erfassen soll und sich meist in einem Staat konstituiert, der die mehr oder weniger anerkannte Form der Nation ist, ihre Volkswirtschaft aussteuert, ihre Lebensbedingungen schützt, pflegt und die Infrastruktur der Reproduktion des Gemeinwesens (Verkehr, Kommunikation, Gesundheitswesen, Bildung, Kultur, Recht, Sitte, Allgemeinbesitz, Verteidigung usw.) analog seiner allgemeinen Notwendigkeiten entwickelt. Sie ist die Basis einer Reichtumsproduktion eines bestimmten Lebensraums, welche die Erweiterung und Entwicklung des Lebensstandards mit sich bringt. Der Nationalstaat reflektiert die optimalen wirtschaftlichen und kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten dieses Lebensraums, soweit diese durch ihn erfaßbar sind. Seine Grenzen waren ursprünglich auch die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Grenzen einer Lebenseinheit, die eine bestimmte Bevölkerung, ein Volk, mehr oder weniger hatte. Allerdings gab es auch Völker ohne Nation (siehe z.B. Sinti, Roma oder das Judentum). Ihr Unterschied zu nationalen Völkern rührte an Gefühle nationaler Unsicherheit, welche in den Nationen in ihren Krisenzeiten grassieren (siehe Nationalismus) Die Funktion des Nationalstaats war also die Zusammenführung von Kultur und Wirtschaft zu einer politschen Ganzheit, sowie der Ausgleich von Konflikten und Kämpfen darin. Der Bismarck'sche Nationalstaat ist bis heute noch die Vorstellung eines gediegenen Sozialsystems, durch welches Klassengegensätz in der Fürsorgeleistung eines Staates aufgehoben sind und das Mehrprodukt zu einer Verbesserung des Lebensstandards verteilt würde. Solcher Staat hatte zwar die unmittelbare Lebensnot der Besitzlosen zugunsten einer Versicherungsgesellschaft ausgeglichen, zugleich aber den Staat erst richtig als Manager der allgemeinen Kapitalverhältnisse entwickelt. Hieraus hervor ging auch seine Funktionalisierung zum Staatskapitalismus in einem Kulturstaat der Nationalsozialisten. Die Auflösung der Einheit von Kultur und Ökonomie innerhalb bestimmter Staatsgrenzen begann im 20. Jahrhundert und entwickelt mit der Globalisierung der Märkte ihre Fundamente auseinander. Weder die Ökonomie macht an den Staatsgrenzen halt oder schützt sich national und vollständig durch Zölle, noch die Kultur eines Produktionszusammenhangs verbleibt in diesem Lebensraum. Sie greift mit den wirtschaftlichen Interessen in andere Völker und verändert deren Kulturgewohnheiten. Zwar bezieht sich noch jeder Staat auf die Wirtschaftsbedingungen eines Volkes, aber die Bedingungen sind weitgehend auch bedingt durch jene anderer Völker, die sich darin einmengen (vergl. z.B. den Anteil von Ausländern in der Volkwirtschaft). Auch wenn sich ein Staat vor "seine" nationale Kultur stellt, so kann er dies nicht auf alle Menschen beziehen, die ihren Lebensmittelpunkt innerhalb seiner Grenzen haben. Die Nation als Wirtschafts- und Kulturgebilde eines bestimmten Lebensraumes drückt zunehmend immer weniger kulturelles Leben darin aus und trennt im Fortschreiten der Globalisierung zunehmend den Wirtschaftsraum der Reproduktion und Produktion von ihrem Kulturraum, dem Lebensraum von Kultur (Sprache, Lebenszusammenhang, Kunst usw.), Brauchtum und Sitte, wie sie durch völkische Selverstverständigung in Religion und Lebensgewohnheit überliefert ist. Dies birgt die große Gefahr, dass die innere Entwicklung der Völker sich abschließt vor einander, sich zu Kulturmächten verselbständigt, wo sie sich als Wirtschaftsraum nicht mehr bewähren können. Dies um so mehr, wie sie sich auf diese Weise zugleich gegen ein wirtschaftliches Ausbeutungsverhältnis zur Wehr setzen wollen. Die Verständigung der Kulturen, die nur als wechselseitige Bereicherung des menschlichen Lebens gelingen kann, vereinseitigt sich somit auch leicht zu Machtkämpfen, die als Kulturkämpfe von Nationen ausgegeben werden. Darin ist der Charakter der Gegensätze mythologisiert und ihr Antagonismus verschleiert - sowohl in den armen wie den reichen Ländern, jedoch mit umgekehrter Gewichtung von kulturellen und wirtschaftlichen Interessen. Kritik der Kulturkämpfe muss daher wesentlich Kritik der politischen Ökonomie, welche Ausbeutung verschleiert, in Einheit mit der Kritik der politischen Kultur, welche die Lebensvernutzung verschleiert, sein. Der ursprüngliche Nationalstaat ist am Ende. Zugleich ist die strukturelle Ganzheit, ein wesentliches Element des Industriekapitalismus, damit auch überwunden. Ein wirklicher Zusammenhang in den Lebensverhältnissen der Menschen, ihrer Kultur und Wirtschaft, in welcher ihre Individualität ebenso bewahrt ist, wie ihr allgemeines Zusammenwirken, könnte an dessen Stelle treten. Aber wo Kultur und Wirtschaft nur auseinanderfallen und sich gegensätzlich entwickeln, steht noch keine gesellschaftliche Erneuerung (= Revolution) an. Das Verhältnis, worin die Bewohner eines Landes sich im Staat wiedererkennen wollen, ist nichts als eine Ursprungssehnsucht, die zwar im Gegensatz zur Globalisierung des Kapitals steht, aber zugleich anachronistisch ist. Es machte eben die lokale Eigenart eines Nationalstaates aus, Kultur und Wirtschaft zu vereinen, ihre Gegensätze zu befrieden und ihren Widerspruch zum Gegenstand seiner Politik zu haben und deren beständige Befriedung zu betreiben. Mit der Globalisierung aber ist die Nation selbst unter den Zweck der Verwertung gestellt worden; ihre Kultur und Wirtschaft wird einzig im Zweck des Wertwachstums vermittelt. Der Nationalstaat ist selbst zum Unternehmer einer großen Aktiengesellschaft geworden - allerding meist nicht so groß, wie manche Transnationalen Konzerne! Das hat zum einen die Folge, dass sich keine Völker, sondern Kontinente gegenüberstehen, und zum anderen Kultur wie zu einer Individualität von Menschengruppen jenseits der wirtschaftlichen Zusammenhänge gerückt ist. NationalistInnen sehen im Staat jedoch eine ideelle Einheit und erleben ihn selbst nur ideologisch wie eine Allgemeinform kultivierter Haushaltung, also eigentlich wie eine große Familie. Der Faschismus löst diesen Widerspruch zwangsweise in einem Kulturstaat auf, in welchem der Staatszusammenhang tatsächlich wie ein Familienzusammenhang behandelt wird. In der bürgerlichen Gesellschaft ist der Nationalstaat schon immer wesentlich von den Bedürfnissen der Allgemeinheit kapitalistischer Produktion, also vom Kapital selbst bestimmt. Hierzu bedarf es keiner machtvoller Protagonisten des Kapitals: Die Allgemeinheit der Warenproduktion selbst setzt durch die Eigenart ihrer Schwierigkeiten, Krisen und Probleme die Funktion des bürgerlichen Staates durch. Das internationale Kapital hat im Zuge der Globalisierung inzwischen das Seine dazu getan, die nationale Strukturen in seine Zwecke zu stellen und teilweise aufzulösen. Die internationale Konkurrenz ist durch die Verweltlichung des Kapitals in transnationalen Konzernen weitgehend in den Interessen der reinen Wertmächtigkeit bestimmt und stellt sich im völlig losgelösten Profitinteresse inzwischen global als Ganzes eines internationalen Finanzkapitalismus gegen die Menschen. Die Kultur ist als einziger Rest einer Lebensform nationaler Allgemeinheit verblieben, der sich gerade in seiner Ausgegrenztheit als Individualität einer Volksgemeinschaft gegen die Struktur der Welt dünken kann. Daher, und weil reaktionäres Denken auf die Restauration von Ursprüngen gegen ihre Wirklichkeit aus ist, wird die Nation für die Rechten zum Fokus ihres Antikapitalismus. Von der geschichtlichen Progression her, also von Links sieht man die Nation in internationalen Zusammenhängen. Im Verhältnis zu anderen Nationen besteht ein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Verhältnis, welches in gegenseitiger Anerkenntnis und Achtung föderal sein müsste, um dieser Form der Entwicklung der allgemeinen menschlichen Verhältnisse selbst zu entsprechen. Nation wäre ein Begriff für einen Kulturraum, der Bestandteil einer Weltgesellschaft wäre. Ein weltweites föderales Verhältnis von Nationen kann daher nur gelingen, wenn kein Ausbeutungsverhältnis zwischen ihnen besteht und die Gerechtigkeit dieser Beziehungen durch ein internationales Weltgericht gesichert wird. Von dieser Seite des Begriffs wird der Staat zur notwendige Form eines Lebensraumes von Kulturen, welche nur wirklich und vital sein können, wenn sie füreinander aufgeschlossen sind. Internationale Kulturbeziehungen lösen die Selbstverstricktheiten der Kulturen auf - etwa, wie zwischenmenschliche Verhältnisse auch familiäre Beziehungen bereichern und aus ihrer Strukturmacht lösen. Vom Standpunkt des Weltkapitals aber hat der Nationalstaat sein oberster Subunternehmer zu sein und zugleich seine Selbstbestimmung (Grenzen, Handel usw) in ihrer impliziten Marktbeschränkung zu überwinden, bzw. in die Rolle eines Unternehmers zu verwandeln. Die Nation wird in den reichen Ländern zunehmend zum betriebswirtschaftlichen Phänomen eines allgemeinen Familienunternehmens. Das birgt die große Gefahr einer politischen Rückbeziehung der Rechten. Dort wird aus dem Nationalstaat ein Kulturstaat und aus einem kulturellen Allgemeininteresse ein Nationalinteresse. Gerade auch deshalb ist von Bedeutung, dass die Linke sich einen eindeutigen Begriff hiervon macht. Es wird nicht genügen, ihn einfach abzulehnen, weil man ihn mal eben mit Kleinstaaterei alias Kleinkrämerei gleichsetzt. Das Kapital selbst hat längst gezeigt, dass Nation zugleich auch Transnationalismus enthält: Es hat die nationalen Strukturen und Infrastrukturen ausgenutzt, um eine transnationale Konkurrenz durch diese kostenfreie, aber kulturnotwendige Beigabe zu bestimmen. Gerade daher muss dieser Art der Ausbeutung von nationalen Steuergeldern ein internationales Wissen von nationaler Wesententlichkeit und Eigenständigkleit entgegengebracht werden. Auch eine transnationale Entwicklung der Menschen reflektiert die Eigenarten ihrer Kulturen und somit ihr Eigentum, die Bewahrheitung ihrer Lebensäußerung. Ein Transnationalismus ohne Eigentümlichkeiten bedeutet Eigenschaftslosigkeit, Selbsteentleerung, Selbstverleugnung und Selbstentfremdung und ist also die subjektive Basis des Besitzstandes, welcher sich dadurch bereichert, dass er über die Zusammenhänge des organischen Lebens und des Stoffwechsels verfügt. Als Wirtschaftsraum ist die Nation das Ausbreitungsgebiet eines durch politische Grenzen umschriebenen Stoffwechsels, der idealiter auch die Ausdehnung der einfachen Reproduktion der Bevölkerung ist, so er am wirklichen Wechsel der Stoffe gebunden bleibt. In dieser Funktion bildet die Nation den Nationalstaat, der die Sicherheit und Stabilität der Reproduktion und die Bedingung zur Erweiterung und Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums gewährleisten muss. Wird diese eigene Lebensbasis der Völker durchbrochen, so kann dies nur den Durchbruch von Geld und Kapital bedeuten. Andererseits wird der Nationalstaat zum Kulturstaat, wenn er sich nicht in den internationalen Kulturzusammenhang einfindet und an der Weltkultur mitgestaltet. Das Gelingen einer Weltgesellschaft hängt davon ab, wie weitgehend die Kulturen sich darin zusammenfinden, ihre Bornierung zu wechselseitiger Bereicherung revolutionieren und ihre Staaten lediglich als wirtschaftliche Haushaltungen ihres Stoffwechsels ansehen. Der Internationalismus ist Kennzeichen eines progressiven Lebensverständnisses, also eines Bewusstseins von geschichtlichem Leben. Dem gegenüber besteht die Rechte auf Selbsterhalt des vergangenen Lebens durch Macht, durch verwesende Ordnungsgewalt. In der Gleichsetzung von Nation und Kultur nährt sich der Faschismus an Kulturinteressen und entwickelt seine Kraft durch diese. Andererseits ist die Nation als Kulturgemeinschaft ein geschichtliches Resultat und innerlich relativ stabil, besonders durch ihre wesentlichen Eigenarten wie Sprache, Schrift, Kunst usw., um sich in die Weltgesellschaft sinnvoll einbringen zu können. Internationalismus ist die Haltung, die dem Transnationalismus des globalen Kapitals entgegengehalten werden muss. |