Selbstzweifel ist eine Zwiespältigkeit gegenüber dem eigenen Vermögen, Wahrheit zu erkennen. Das unterstellt die Fähigkeit, der eigenen Wahrnehmung zu misstrauen, ihr anzumerken oder zu spüren, dass sie trügerisch ist, einen Widersinn enthält (siehe hierzu Selbstgefühl). Er ist die Bedingung, eine Selbsttäuschung überhaupt erkennen zu können. Zugleich eröffnet er den Blick auf die Bedingungen des Wahrnehmens, Denkens und Fühlens, damit des Wissens und die Scheinbarkeit wahrgenommener Wahrheit, um ihre scheinbare Voraussetzungslosigkeit. Es ist die absolute Kränkung des Selbstwertgefühls und von da her voller Minderwertigkeiten. Mit der Erkenntnis der darin eingeschlossenen Werte und Bewertungen wird die Bedingung der Wertigkeiten begreifbar und der zweifelnde Mensch sich selbst zur einzigen Bedingung. Tatsächlich stehen sich die Menschen ja auch bedingungslos gegenüber, sozusagen nackt, mit Haut und Haaren, wenn sie sich als solche erkennen können. Aber ihr Leben ist in Wirklichkeit voller Bedingungen, die unbedingt in ihre Wahrnehmung eingehen und die sie erkennen müssen, um begreifen zu können, dass sie darin Leben wahrhaben, das sie nicht als Leben wahrnehmen. Selbstzweifel entsteht, wo das eigene Leben sich mit sich selbst uneins wird, wo es sich selbst verwirft, wo es schließlich seine unbedingte Kraft in die Verarbeitung der Lebensbedingungen als Abstraktionskraft einbringt. Er kann sich überhaupt nur dort herausstellen, wo menschliche Beziehungen zu einer Wahrheitsfrage geworden ist, zu einer Frage um den Sinn und die Gewissheit der eigenen Liebe. Von daher eröffnet er sich oft als Beziehung zwischen Liebe und Hass, welche sich in der Notwendigkeit ihrer Verhältnisse erkennen muss. In ihm scheint die Bestimmtheit des menschlichen Daseins hervor, welche Liebe in der Selbstwahrnehmung spaltet, so dass sie anerkennen muss, dass sie sich selbst nicht wahrhaben kann. Der Selbstzweifel ist der Schmerz dieser Erkenntnis, der Verlust an Selbstgerechtigkeit und Selbstbezogenheit, welche in den Gewohnheiten der Selbstwahrnehmung mächtig sind. Wird er beherrscht (z.B. durch Ideologie oder objektive Selbstgefühle), so entsteht Identitätsangst. |