Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewge Krankheit fort; sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte und rücken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage: Weh dir, daß du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist, von dem ist leider nie die Frage." Faust 1, Studierzimmer. (Mephistopheles) Jedes Recht gründet darauf, dass die Menschen sich nicht schaden, dass sie also verträglich miteinander umgehen können. Von daher ist Recht eine explizite oder implizite Vertragsform (siehe Vertrag), auf der sich menschliche Lebensverhältnisse begründen. Ungerechtigkeit herrscht, wo "im gegenseitigen Verkehr" das Recht des einen dem Recht des anderen schadet. "Gerechtigkeit ist nicht etwas an sich Seiendes, sondern im gegenseitigen Verkehr, an welchem Ort auch immer, werde ein Vertrag abgeschlossen, sich nicht zu schaden noch schaden zu lassen." (Karl Marx, MEW Bd. 40, S. 343) Als dieses muss jedes Recht schon enthalten oder bedeuten, was hierfür wesentlich ist, was also sich in diesen Verhältnissen menschlich bewähren kann, wie es sich in ihrer Geschichte erwiesen hat und sich für ihren Fortschritt auch immer wieder erweisen muss. Von daher ist Recht immer Menschenrecht, das zum Erhalt und Fortschritt der Menschheit notwendig ist und sich darin auch immer wieder neu besinnen muss. Die Notwendigkeit eines Rechts ergibt sich also nicht aus der bloßen Vergangenheit, sondern aus geschichtlich notwendigen Inhalten der gesellschaftlichen Lebensäußerungen, nicht aus ihrer organischen Geschichte, sondern aus ihrer politischen Form, aus einem ihr angepassten Verhalten und betrifft von daher auch unangepasstes Handeln, das im Widerspruch zu dem steht, was im Allgemeinen für diese Verhältnisse zu deren gewöhnlicher Formbestimmung nötig ist und das darin sein Recht ersucht. Recht beurteilt deshalb konflikthafte Ereignisse nicht nur im Bezug auf die gültige Rechtsform, also was als gut angesehen und gewollt wird (siehe Güte) und was daher weil es zur Verträglichkeit der Menschen unter gegebenen Lebensverhältnissen notwendig wäre, sondern auch die ausgesprochene oder unausgesprochene Form eines Vertrags für die Fortbildung politischer Verhältnisse hat. Von daher ist Recht sowohl Reflektion wie auch Vorgriff allgemeiner Verhältnismäßigkeiten und innerhalb dieser in seinem Urteil normativ, weil, sofern und soweit Form und Inhalt dieser Verhältnisse auseinanderfallen. Das stellt sich als geschichtlich entwickeltes Unvermögen dar, ökonomische und politische Wirklichkeit in einander aufzuheben. Auch wenn sich die Rechtsprecher gerne allgemein ontologisch oder sonstwie philosophisch begründet verstehen wollen (siehe hierzu auch Humanismus), so ist doch jedes Recht zu allererst geschichtlich aus der notwendigen Verträglichkeit der Gegebenheiten bestimmt und bewertet die Anpassung an das Allgemeine einer geschichtlich gebotenen Vernunft, die natürlich immer auch im Widerspruch zur menschlichen Geschichte überhaupt stehen kann (sieheHistorischer Materialismus). Durch das ausdrücklich formulierte oder selbstverständliche Recht ist ein allgemein politischer Willens als ökonomische, kulturelle und von daher auch sittliche Vernunft verfasst. Deren Verwirklichung soll jedem Recht sein, das - allgemein genommen - als Gesetz formuliert ist, worin der Wille als ein richtiger affirmiert wird, gleich, was der Einzelne damit sein, wie er damit leben kann und wie geschichtlich relevant oder anachronistisch es statuiert ist (siehe Staat). Dieser sittliche Wille ist sowohl Reflexion als auch Notwendigkeit gegebener Lebensbedingungen - also nicht einfach im Sinne einer Widerspiegelungstheorie, wonach Recht lediglich wie ein ideeller Spiegel der Verhältnisse, wie eine Gedankenabstraktion derselben funktioniert, also nur ein theoretisches Abbild, bloße Ideologie wäre. Es bestimmt sich aus einem Vertrag, worin die realen Verhältnisse reflektiert sind, auch wenn sie sich nur in einer Realabstraktion (siehe Historischer Materialismus) vollziehen können "Dies Rechtsverhältnis, dessen Form der Vertrag ist, ob nun legal entwickelt oder nicht, ist ein Willensverhältnis, worin sich das ökonomische Verhältnis widerspiegelt. Der Inhalt dieses Rechts- oder Willensverhältnisses ist durch das ökonomische Verhältnis selbst gegeben." (MEW Bd. 23, S. 99) Recht unterstellt die Möglichkeit, unrichtig gegen einen Willen zu handeln, der den allgemeinen Gegebenheiten und ihrer Vernunft entspricht. Es ist daher nicht ein rein politischer Überbau der Ökonomie, sondern ihr notwendiges Implikat als Ausdruck ihrer politischen Notwendigkeit, Grundlage ihres politischen Verhaltens in Verhältnissen, worin gesellschaftlicher Reichtum sich den Individuen als sachliche Not vermittelt, die zugleich allgemein, also als vereinzelte Allgemeinheit (siehe Privateigentum) wirksam sein muss. Eine Rechtsprechung setzt also voraus, dass dieser Not zuwider gehandelt wird und also ein Unrecht auszugleichen ist. Der spezifische Grund einer Rechtsprechung hängt von der allgemeinen politischen Rechtsform einer Gesellschaft ab, und diese wiederum von der Begründung des darin formulierten gesellschaftlichen Zwecks (siehe z.B. bürgerliche Gesellschaft) und der damit bestimmten allgemeinen Notwendigkeit des gesellschaftlichen Verhältnisses (siehe auch Formbestimmung). In der bürgerlichen Gesellschaft stellt sich diese Notwendigkeit als politischer Wille der Marktwirtschaft dar. Hier erscheint ihr Gesamtwille als Durchschnittsrecht (siehe auch Durchschnittsbildung), wie es sich aus den Verhältnissen des Geldwerts ergibt. Damit ist die Macht des Geldes selbst die wirkliche Basis des bürgerlichen Rechts, wie es von ihrem Staat erlassen und sanktioniert wird: "Wird die Macht als die Basis des Rechts angenommen, wie es Hobbes etc. tun, so sind Recht, Gesetz pp. nur Symptom, Ausdruck anderer Verhältnisse, auf denen die Staatsmacht beruht. Das materielle Leben der Individuen, welches keineswegs von ihrem bloßen "Willen" abhängt, ihre Produktionsweise und die Verkehrsform, die sich wechselseitig bedingen, ist die reelle Basis des Staats und bleibt es auf allen Stufen, auf denen die Teilung der Arbeit und das Privateigentum noch nötig sind, ganz unabhängig vom Willen der Individuen. Diese wirklichen Verhältnisse sind keineswegs von der Staatsmacht geschaffen, sie sind vielmehr die sie schaffende Macht. Die unter diesen Verhältnissen herrschenden Individuen müssen, abgesehen davon, daß ihre Macht sich als Staat konstituieren muß, ihrem durch diese bestimmten Verhältnisse bedingten Willen einen allgemeinen Ausdruck als Staatswillen geben, als Gesetz - einen Ausdruck, dessen Inhalt immer durch die Verhältnisse dieser Klasse gegeben ist, wie das Privat- und Kriminalrecht aufs Klarste beweisen. So wenig es von ihrem idealistischen Willen oder Willkür abhängt, ob ihre Körper schwer sind, so wenig hängt es von ihm ab, ob sie ihren eignen Willen in der Form des Gesetzes durchsetzen und zugleich von der persönlichen Willkür jedes Einzelnen unter ihnen unabhängig setzen. Ihre persönliche Herrschaft muß sich zugleich als eine Durchschnittsherrschaft konstituieren. Ihre persönliche Macht beruht auf Lebensbedingungen, die sich als Vielen gemeinschaftliche entwickeln, deren Fortbestand sie als Herrschende gegen andere und zugleich als für Alle geltende zu behaupten haben. Der Ausdruck dieses durch ihre gemeinschaftlichen Interessen bedingten Willens ist das Gesetz. Gerade das Durchsetzen der voneinander unabhängigen Individuen und ihrer eignen Willen, das auf dieser Basis in ihrem Verhalten gegeneinander notwendig egoistisch ist, macht die Selbstverleugnung im Gesetz und Recht nötig, Selbstverleugnung im Ausnahmsfall, Selbstbehauptung ihrer Interessen im Durchschnittsfall (die daher nicht ihnen, sondern nur dem "mit sich einigen Egoisten" für Selbstverleugnung gilt). Dasselbe gilt von den beherrschten Klassen, von deren Willen es ebensowenig abhängt, ob Gesetz und Staat bestehen. Z.B. solange die Produktivkräfte noch nicht so weit entwickelt sind, um die Konkurrenz überflüssig zu machen, und deshalb die Konkurrenz immer wieder hervorrufen würden, solange würden die beherrschten Klassen das Unmögliche wollen, wenn sie den "Willen" hätten, die Konkurrenz und mit ihr Staat und Gesetz abzuschaffen. Übrigens entsteht dieser "Wille", ehe die Verhältnisse so weit entwickelt sind, daß sie ihn produzieren können, auch nur in der Einbildung des Ideologen. Nachdem die Verhältnisse weit genug entwickelt waren, ihn zu produzieren, kann der Ideologe diesen Willen als einen bloß willkürlichen und daher zu allen Zeiten und unter allen Umständen faßbaren sich vorstellen." (MEW Bd. 3, S. 311f) Das bürgerlichen Recht untersteht der Notwendigkeit des Warentauschs. Es ist von daher in seiner Allgemeinheit zwiespätig: Zum einen Privatrecht und doch ideelles Staatsrecht. Es beugt sich daher zugleich den einzenen Bestimmtheiten des Privateigentums und allgemein der allgemeinen politischen Form eines Willensverhältnisses (siehe repräsentative Demokratie). Hieraus bestimmt sich die Überwindung der aus den widersprüchlichen Bestimmungen dieser Gesellschaft erwachsenden Not durch Totalisierung der privatrechtlichen Gegebenheiten des Geldes, also durch ein unendliches Verhalten, durch eine totale Affirmation dieser Form der Sachverhältnisse. In der bürgerlichen Gesellschaft erscheint der politische Wille daher als selbständiges politisches Recht, als ein im bloßen Willen zur Freiheit begründetes Recht, das von der politische Ökonomie völlig getrennt ist, um ihre Rechtsform als notwendige Begebenheit eines Sachverhältnisses zu mystifizieren, das dieses als Naturalform einer versachlichten menschlichen Beziehung, als Naturalform der Besitzverhältnisse auffasst und somit ihrer politischen Ökonomie Unendlichkeit verleiht. Es dient damit der Versachlichung eines gesellschaftliches Prinzips, das den Menschen die Sachverhältnisse zu einer unendlichen Notwendigkeit macht. Das bürgerliche Recht begründet sich also als Verhalten und Verhältnis des freien entfremdetenWillens, wohingegen die bürgerliche Ökonomie als selbständiges Verhältnis von Bedürfnis und Arbeit verstanden wird, wie es jenseits ihrer politischen Wirklichkeit als reine Sachnotwendigkeit erscheint. Beides ist aber in sich identisch als politische Ökonomie, als politische, wie ökonomische Form des Besitzes, und doch verschieden als Frage des gerechten - im Sinne von richtigen - Wirtschaftens. Recht ergibt sich aus dem politischen Verhältnis und dem Anspruch der Verhältnisse, welche ökonomisch zu begreifen sind. Der allgemeine Wille der bürgerlichen Gesellschaft ist der Wille zum Besitz, dem das ökonomische Verhälnis der Warenbesitzer entspricht. Kritik der politischen Ökonomie macht also nichts anderes, als wirkliche Fragen zu erzeugen, die darin verschroben sind, dass das politische Verhältnis, das Besitzverhältnis, aus dem ökonomischen Verhältnis, dem Warenverhältnis, begründet wird, wie sich zugleich auch das Warenverhältnis nur durch die Absicherung des Besitzverhältnisses bewähren kann. Politische Gewalt wirkt als ökonomische und ökonomische Macht. Sie ist das, worin alle Politik aufgehen soll. So wird in der bürgerlichen Gesellschaft aus der ökonomischen Form begründet, was nur durch das Besitzrecht selbst möglich ist und umgekehrt das Recht des Besitzstandes als Naturmacht der Warenverhältnisse vollzogen - nicht bedeutet, interpretiert, gedeutet, illusioniert oder dergleichen, sondern vollzogen, um nicht zu verhungern! Im Unterschied zum Feudalbauern kann kein Städter dem Gebot des Geldbesitzes ausweichen, sich irgendwie noch anders ernähren usw. Das einzelne Leben vermittelt sich mit dem gesellschaftlichen also nicht einfach ökonomisch und politisch, sondern durch die Naturgewalt, welche die bürgerliche Gesellschaft als gesellschaftliche Gewalt aus beidem, aus ihrer politischen Ökonomie konstituiert hat. Die Überwindung des Besitzstandes erfordert also die Überwindung der ökonomischen Form in gleicher Weise, wie die Überwindung der ökonomischen Form die Überwindung des Besitzstandes nötig hat. Die Kritik der politischen Ökonomie realisiert sich also in der Herstellung eines richtigen Wirtschaftens, welches zugleich das Recht auf gesellschaftliche Wirtschaftlichkeit der Produktion involviert. |