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MEW 23: Kapital Band I - Der Produktionsprozess des Kapitals
Abschn. 2: Die Verwandlung von Geld in Kapital
Kap. 4: Verwandlung von Geld in Kapital - Abs. 2


4.2 Widersprüche der allgemeinen Formel

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 MEW23 - Abschn. 2 - Kap.4 - Thema 4/10:  (Alles zu K.4 | Linkadresse)
Textstelle 4/10 | Kommentar 4/10 | Zusammenfassung 4/10


Geld nimmt dreierlei Beziehungen ein. Es ist ein Zahlungsmittel, das sich im Kaufen verlieren muss und unsinnig wäre, wenn es den Verkauf nur passiv erfahren würde. Es wird zu einem Kaufmittel, weil es sich zugleich als Subjekt der Warenzirkulation verhält. Aber als Kapital verwirklicht es sich erst, wenn es als beides zugleich fungiert.

 Textstelle 4/10:  (Linkadresse)

"Die Zirkulationsform worin sich das Geld zum Kapital entpuppt, widerspricht allen früher entwickelten Gesetzen über die Natur der Ware, des Werts, des Geldes und der Zirkulation selbst. Was sie von der einfachen Warenzirkulation unterscheidet, ist die umgekehrte Reihenfolge derselben zwei entgegengesetzten Prozesse, Verkauf und Kauf. Und wie sollte solcher rein formelle Unterschied die Natur dieser Prozesse umzaubern?

Noch mehr. Diese Umkehrung existiert nur für einen der drei Geschäftsfreunde, die miteinander handeln. Als Kapitalist kaufe ich Ware von A und verkaufe sie wieder an B, während ich als einfacher Warenbesitzer Ware an B verkaufe und dann Ware von A kaufe. Für die Geschäftsfreunde A und B existiert dieser Unterschied nicht. Sie treten nur als Käufer oder Verkäufer von Waren auf. Ich selbst stehe ihnen jedesmal gegenüber als einfacher Geldbesitzer oder Warenbesitzer, Käufer oder Verkäufer, und zwar trete ich in beiden Reihenfolgen der einen Person nur als Käufer und der andren nur als Verkäufer gegenüber, der einen als nur Geld, der andren als nur Ware, keiner von beiden als Kapital oder Kapitalist oder Repräsentant von irgend etwas, das mehr als Geld oder Ware wäre oder eine andre Wirkung außer der des Geldes oder der Ware ausüben könnte. Für mich bilden Kauf von A und Verkauf an B eine Reihenfolge. Aber der Zusammenhang zwischen diesen beiden Akten existiert nur für mich. A schert sich nicht um meine Transaktion mit B, und B nicht um meine Transaktion mit A. Wollte ich ihnen etwa das besondre Verdienst klarmachen, das ich mir durch die Umkehrung der Reihenfolge erwerbe, so würden sie mir beweisen, daß ich mich in der Reihenfolge selbst irre und daß die Gesamttransaktion nicht mit einem Kauf begann und einem Verkauf endete, sondern umgekehrt mit einem Verkauf begann und mit einem Kauf abschloß. In der Tat, mein erster Akt, der Kauf, war von A's Standpunkt ein Verkauf, und mein zweiter Akt, der Verkauf, war von B's Standpunkt ein Kauf. Nicht zufrieden damit, werden A und B erklären, daß die ganze Reihenfolge überflüssig und Hokuspokus war. A wird die Ware direkt an B verkaufen und B sie direkt von A kaufen. Damit verschrumpft die ganze Transaktion in einen einseitigen Akt der gewöhnlichen Warenzirkulation, vom Standpunkt A's bloßer Verkauf und vom Standpunkt B's bloßer Kauf. Wir sind also durch die Umkehrung der Reihenfolge nicht über die Sphäre der einfachen Warenzirkulation hinausgekommen und müssen vielmehr zusehn, ob sie ihrer Natur nach Verwertung der in sie eingehenden Werte und daher Bildung von Mehrwert gestattet." (MEW 23, S. 170 f)

 Kommentar 4/10:  (Linkadresse)

Eine Zirkulation wäre ein bloßer Kreislauf, ein immergleicher Prozess, und ohne sonderliche Wirkung und also auch unnötig, sonderlich bedacht zu werden. Geld aber kann sich nicht gleichbleiben weil es als Kaufmittel andere Beziehungen eingeht, als die, welche es als ursprüngliches Zahlungsmittel hatte. War ursprünglich ("in der einfachen Warenzirkulation") der Verkauf von Ware gegen das Zahlungsmittel Geld (W - G) der Anfang des Tauschaktes, so ist es nun der Kauf von Ware durch das Kaufmittel Geld (G - W). Der Unterschied besteht jetzt darin, dass die ganze Subjektivität der Beziehungen zwischen Geld und Ware im Geld als Kapital steckt, während die Waren nur als Objekte fungieren. Von daher ist das Geld ein objektives Subjekt, das in jede Richtung der Tauschverhältnisse sich selbst gleichbleibt, während es in allen Verhältnissen Werte anzieht und Werte abstößt. Das allein befähigt Geld, Mehrwert zu bilden.

 Zusammenfassung 4/10:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Die Umkehrung der Tauschverhältnisse von W - G - W in G - W - G würde selbst keinen Wert verändern und keinen Mehrwert bilden, wenn darin die Preise und Werte identisch blieben. Mehrwert muss aus einer Differenz der Verkäufe W - G, worin sich der Wert als Preis darstellt, und der Einkäufe G - W, worin sich der Preis als Wert darstellt, bilden.


 MEW23 - Abschn. 2 - Kap.4 - Thema 4/11:  (Alles zu K.4 | Linkadresse)
Textstelle 4/11 | Kommentar 4/11 | Zusammenfassung 4/11


Kapital negiert sich, wird in Geld zurückverwandelt, wenn es als "gerechter Preis" ("gerechter Tauschwert") fungiert, weil es in seine eigene Voraussetzung der bloßen Wertdarstellung zurückfällt, also nicht als deren Resultat zirkuliert. Als Geld aber würde es wertlos werden.

Kapital hatte sich vom Geld abgeschieden, indem es als festgehaltenes, von der Wertproduktion abgetrenntes Geld eine eigene Zirkulation begründet. Geht es als dies festgehaltene Geld nicht auf, so muss es seinen Wert verlieren, den es als Darstellung eines gesellschaftlichen Schatzes hatte. Alle Dinge könnten dann also auch nicht als Werte aufeinander bezogen, der Warentausch selbst müsste unsinnig werden. Das allerdings würde unter der Bedingung der Arbeitsteilung zugleich die Produktion von Gütern beenden.

 Textstelle 4/11:  (Linkadresse)

"Nehmen wir den Zirkulationsprozeß in einer Form, worin er sich als bloßer Warenaustausch darstellt. Dies ist stets der Fall, wenn beide Warenbesitzer Waren voneinander kaufen und die Bilanz ihrer wechselseitigen Geldforderungen sich am Zahlungstag ausgleicht. Das Geld dient hier als Rechengeld, um die Werte der Waren in ihren Preisen auszudrücken, tritt aber nicht den Waren selbst dinglich gegenüber. Soweit es sich um den Gebrauchswert handelt, ist es klar, daß beide Austauscher gewinnen können. Beide veräußern Waren, die ihnen als Gebrauchswert nutzlos, und erhalten Waren, deren sie zum Gebrauch bedürfen. Und dieser Nutzen mag nicht der einzige sein. A, der Wein verkauft und Getreide kauft, produziert vielleicht mehr Wein, als Getreidebauer B in derselben Arbeitszeit produzieren könnte, und Getreidebauer B in derselben Arbeitszeit mehr Getreide, als Weinbauer A produzieren könnte. A erhält also für denselben Tauschwert mehr Getreide und B mehr Wein, als wenn jeder von den beiden, ohne Austausch, Wein und Getreide für sich selbst produzieren müßte. Mit Bezug auf den Gebrauchswert also kann gesagt werden, daß "der Austausch eine Transaktion ist, worin beide Seiten gewinnen".) Anders mit dem Tauschwert.

"Ein Mann, der viel Wein und kein Getreide besitzt, handelt mit einem Mann, der viel Getreide und keinen Wein besitzt, und zwischen ihnen wird ausgetauscht Weizen zum Wert von 50 gegen einen Wert von 50 in Wein. Dieser Austausch ist keine Vermehrung des Tauschwerts weder für den einen noch für den andren; denn bereits vor dem Austausch besaß jeder von ihnen einen Wert gleich dem, den er sich vermittelst dieser Operation verschafft hat."

Es ändert nichts an der Sache, wenn das Geld als Zirkulationsmittel zwischen die Waren tritt und die Akte des Kaufs und Verkaufs sinnlich auseinanderfallen. Der Wert der Waren ist in ihren Preisen dargestellt, bevor sie in die Zirkulation treten, also Voraussetzung und nicht Resultat derselben. ...

Sofern also die Zirkulation der Ware nur einen Formwechsel ihres Werts bedingt, bedingt sie, wenn das Phänomen rein vorgeht, Austausch von Äquivalenten. Die Vulgärökonomie selbst, so wenig sie ahnt, was der Wert ist, unterstellt daher, sooft sie in ihrer Art das Phänomen rein betrachten will, daß Nachfrage und Zufuhr sich decken, d.h., daß ihre Wirkung überhaupt aufhört. Wenn also mit Bezug auf den Gebrauchswert beide Austauscher gewinnen können, können sie nicht beide gewinnen an Tauschwert. Hier heißt es vielmehr: "Wo Gleichheit ist, ist kein Gewinn." Waren können zwar zu Preisen verkauft werden, die von ihren Werten abweichen, aber diese Abweichung erscheint als Verletzung des Gesetzes des Warenaustausches. In seiner reinen Gestalt ist er ein Austausch von Äquivalenten, also kein Mittel, sich an Wert zu bereichern.

Hinter den Versuchen, die Warenzirkulation als Quelle von Mehrwert darzustellen, lauert daher meist ein Quidproquo, eine Verwechslung von Gebrauchswert und Tauschwert. ...

"Der Handel" heißt es z.B. "fügt den Produkten Wert zu, denn dieselben Produkte haben mehr Wert in den Händen des Konsumenten als in den Händen des Produzenten, und er muß daher wörtlich (strictly) als Produktionsakt betrachtet werden."

Aber man zahlt die Waren nicht doppelt, das eine Mal ihren Gebrauchswert und das andre Mal ihren Wert. Und wenn der Gebrauchswert der Ware dem Käufer nützlicher als dem Verkäufer, ist ihre Geldform dem Verkäufer nützlicher als dem Käufer. Würde er sie sonst verkaufen? Und so könnte ebensowohl gesagt werden, daß der Käufer wörtlich (strictly) einen "Produktionsakt" vollbringt, indem er z.B. die Strümpfe des Kaufmanns in Geld verwandelt.

Werden Waren oder Waren und Geld von gleichem Tauschwert, also Äquivalente ausgetauscht, so zieht offenbar keiner mehr Wert aus der Zirkulation heraus, als er in sie hineinwirft. Es findet dann keine Bildung von Mehrwert statt. " (MEW 23, S. 171 ff)

 Kommentar 4/11:  (Linkadresse)

Es geht hier nicht um eine Argumentation im Fortkommen der Bestimmungen des Kapitals, sondern um eine Kritik der gängigen Kapitaltheorien. "Gerechte Preise", "gerechter Tauschwert" als Kapital wird als Möglichkeit der Positivsetzung von Geld und Kapital behauptet (z.B. Gemeinwohlökonomie), durch welche quasi per Moral ein Auskommen mit dem Kapitalismus möglich wäre. Solche Theorien gab es zur Zeiten von Karl Marx längst genügend. Die Marktwirtschaft sei durch entsprechende Ethik durchaus gut für die Menschen, weil dadurch der Kapitalismus "zu bändigen" und sein Fortschritt der Beitrag zur Freiheit sei. Doch Freiheit besteht in der Aufhebung des Notwendigen und da ist nichts zu bändigen, weil das Geld selbst ungebunden, an sich maßlos, also eigentlich so frei wie willkürlich ist. An dieser Stelle wird daran erinnert, dass sich dies alles jedoch in Verhältnissen abspielt, von denen das eine aufgeht, wo das andere untergeht und wenn aber dieses dann selbst untergeht, die ganze Geschichte nichtig wird.

 Zusammenfassung 4/11:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Es gibt keinen "richtigen" , also auch keinen "gerechten" Preis, weil jeder Preis selbst nur Relation der Wertformen ist, die letztlich nur im ganzen Tauschverhältnis, in der Gesamtheit der Kaufakte als Wert, als Preissumme sich bewahrheiten.


 MEW23 - Abschn. 2 - Kap.4 - Thema 4/12:  (Alles zu K.4 | Linkadresse)
Textstelle 4/12 | Kommentar 4/12 | Zusammenfassung 4/12


Der Wert der Waren selbst kann keinen Mehrwert bilden, weil er zwar beim Verkauf im Geld als Wertmaß dient, aber im Kauf als Maßstab der Preise fungiert.

 Textstelle 4/12:  (Linkadresse)

"Unterstellen wir ... Austausch von Nicht-Äquivalenten. ...

Gesetzt nun, es sei durch irgendein unerklärliches Privilegium dem Verkäufer gegeben, die Ware über ihrem Werte zu verkaufen, zu 110, wenn sie 100 wert ist, also mit einem nominellen Preisaufschlage von 10%. Der Verkäufer kassiert also einen Mehrwert von 10 ein. Aber nachdem er Verkäufer war, wird er Käufer. Ein dritter Warenbesitzer begegnet ihm jetzt als Verkäufer und genießt seinerseits das Privilegium, die Ware 10% zu teuer zu verkaufen. Unser Mann hat als Verkäufer 10 gewonnen, um als Käufer 10 zu verlieren. Das Ganze kommt in der Tat darauf hinaus, daß alle Warenbesitzer ihre Waren einander 10% über dem Wert verkaufen, was durchaus dasselbe ist, als ob sie die Waren zu ihren Werten verkauften. Ein solcher allgemeiner nomineller Preisaufschlag der Waren bringt dieselbe Wirkung hervor, als ob die Warenwerte z.B. in Silber statt in Gold geschätzt würden. Die Geldnamen, d.h. die Preise der Waren würden anschwellen, aber ihre Wertverhältnisse unverändert bleiben.

Unterstellen wir umgekehrt, es sei das Privilegium des Käufers, die Waren unter ihrem Wert zu kaufen. Hier ist es nicht einmal nötig zu erinnern, daß der Käufer wird. Er war Verkäufer, bevor er Käufer ward. Er hat bereits 10% als Verkäufer verloren, bevor er 10% als Käufer gewinnt. Aller bleibt wieder beim alten.

Die Bildung von Mehrwert und daher die Verwandlung von Geld in Kapital, kann also weder dadurch erklärt werden, daß die Verkäufer die Waren über ihrem Werte verkaufen, noch dadurch, daß die Käufer sie unter ihrem Werte kaufen.

Das Problem wird in keiner Weise dadurch vereinfacht, daß man fremde Beziehungen einschmuggelt, also etwa mit Oberst Torrens sagt:

"Die effektive Nachfrage besteht in dem Vermögen und der Neigung (!) der Konsumenten, sei es durch unmittelbaren oder vermittelten Austausch, für Waren eine gewisse größere Portion von allen Ingredienzien des Kapitals zu geben, als ihre Produktion kostet."

In der Zirkulation stehn sich Produzenten und Konsumenten nur als Verkäufer und Käufer gegenüber. Behaupten, der Mehrwert für den Produzenten entspringe daraus, daß die Konsumenten die Ware über den Wert zahlen, heißt nur den einfachen Satz maskieren: Der Warenbesitzer besitzt als Verkäufer das Privilegium, zu teuer zu verkaufen. Der Verkäufer hat die Ware selbst produziert oder vertritt ihren Produzenten, aber der Käufer hat nicht minder die in seinem Gelde dargestellte selbst produziert oder vertritt ihren Produzenten. Es steht also Produzent dem Produzenten gegenüber. Was sie unterscheidet, ist, daß der eine kauft und der andre verkauft. Es bringt uns keinen Schritt weiter, daß der Warenbesitzer unter dem Namen Produzent die Ware über ihrem Werte verkauft und unter dem Namen Konsument sie zu teuer zahlt." (MEW 23, S. 174 ff)

 Kommentar 4/12:  (Linkadresse)

Beziehen sich die Menschen auf die Marktwirtschaft ausschließlich als Verkäufer - also als Produzenten - über das Wertmaß Geld, das sie erhalten, bleiben sie sich wertmäßig gleich, auch wenn sie ihre Produkte in unterschiedlichsten Abweichungen bemessen, Das Wertmaß setzt sich im Durschnitt ihrer Vergleichsakte als Maß der abstrakten Arbeit durch. Und beziehen sie sich auf die Marktwirtschaft ausschließlich als Käufer über Geld als Maßstab der Preise, so kaufen sie nur, solange sie diesen besitzen, solange sie also Geldbesitzer bleiben. Auch der Wert in ihren Händen lässt sich auf Dauer nicht duch Übervorteilung verändern.

 Zusammenfassung 4/12:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Jede Ware, die sich auf dem Markt befindet, ist nur als Wertding im Tauschverhältnis und kann daher nur Wert darstellen, der in es eingebracht wurde: menschliche Arbeit. Für sich oder durch sich kann es keinen Wert bilden, weil es zugleich nur als Teil aller Wertdinge fungieren kann, sowohl als deren Wertmaß, wie auch als deren Maßstab. Doch ein Maßstab setzt auch immer ein Wertmaß voraus.


 MEW23 - Abschn. 2 - Kap.4 - Thema 4/13:  (Alles zu K.4 | Linkadresse)
Textstelle 4/13 | Kommentar 4/13 | Zusammenfassung 4/13


Durch den Einsatz von Gewalt und politischer Macht lässt sich kein Mehrwert erzielen, weil jede willkürliche Bereicherung sich im Verhältnis der Preise von selbst wieder entwertet.

 Textstelle 4/13:  (Linkadresse)

"Die konsequenten Vertreter der Illusion, daß der Mehrwert aus einem nominellen Preiszuschlag entspringt oder aus dem Privilegium des Verkäufers, die Ware zu teuer zu verkaufen, unterstellen daher eine Klasse, die nur kauft, ohne zu verkaufen, also auch nur konsumiert ohne zu produzieren. Die Existenz einer solchen Klasse ist von unsrem bisher erreichten Standpunkt, dem der einfachen Zirkulation, noch unerklärlich. Aber greifen wir vor. Das Geld, womit eine solche Klasse beständig kauft, muß ihr beständig, ohne Austausch, umsonst, auf beliebige Rechts- und Gewaltstitel hin, von den Warenbesitzern selbst zufließen. Dieser Klasse die Waren über dem Wert verkaufen, heißt nur, umsonst weggegebenes Geld sich zum Teil wieder zurückschwindeln. So zahlten die kleinasiatischen Städte jährlichen Geldtribut an das alte Rom. Mit diesem Geld kaufte Rom Waren von ihnen und kaufte sie zu teuer. Die Kleinasiaten prellten die Römer, indem sie den Eroberern einen Teil des Tributs wieder abluchsten auf dem Wege des Handels. Aber dennoch blieben die Kleinasiaten die Geprellten. Ihre Waren wurden ihnen nach wie vor mit ihrem eignen Gelde gezahlt. Es ist dies keine Methode der Bereicherung oder der Bildung von Mehrwert." (MEW 23, S. 176 ff)

 Kommentar 4/13:  (Linkadresse)

Es ist ein so großes wie häufiges Missverständnis, dass "Gewinne" entstehen, indem den Menschen Geld abgegaunert wird. Das kommt zwar ständig vor, spielt aber für die Verwertung von Wert auf Dauer keine Rolle, weil jeder Geldbetrag sich nur zwischen Wert und Preis realisieren lässt. Stellt er keine gesellschaftlich gültige Arbeit dar, so verliert er seinen Wert wie auf dem Markt der Hehler, weil ihn auch Billigpreise fortbestimmen, die er auf entsprechende Märkte transportieren muss, um überhaupt eingetauscht zu werden. Die Preisbildung geht im Handel mit Kapital immer über das, was eine Ware an Wert ist und was ihr Preis bei Weiterverkauf für die Mehrwertbildung erbringt, was sie also nach bestimmter Preislage an Mehrwert erbringen kann. So ist z.B. die Arbeitskraft - um im "Beispiel vom Vorgriff" zu bleiben - für das Kapital das wert, was sie über ihren Preis hinaus an Wert erwirtschaftet, was also an unbezahlter Arbeit an ihr zu "gewinnen" ist.

"Halten wir uns also innerhalb der Schranken des Warenaustausches, wo Verkäufer Käufer und Käufer Verkäufer sind. Unsre Verlegenheit stammt vielleicht daher, daß wir die Personen nur als personifizierte Kategorien, nicht individuell, gefaßt haben.

Warenbesitzer A mag so pfiffig sein, seine Kollegen B oder C übers Ohr zu hauen, während sie trotz des besten Willens die Revanche schuldig bleiben. A verkauft Wein zum Wert von 40 Pfd.St. an B und erwirbt im Austausch Getreide zum Wert von 50 Pfd.St. A hat seine 40 Pfd.St. in 50 Pfd.St. verwandelt, mehr Geld aus weniger Geld gemacht und seine Ware in Kapital verwandelt. Sehn wir näher zu. Vor dem Austausch hatten wir für 40 Pfd.St. Wein in der Hand von A und für 50 Pfd.St. Getreide in der Hand von B, Gesamtwert von 90 Pfd.St. Nach dem Austausch haben wir denselben Gesamtwert von 90 Pfd.St. Der zirkulierende Wert hat sich um kein Atom vergrößert, seine Verteilung zwischen A und B hat sich verändert. Auf der einen Seite erscheint als Mehrwert, was auf der andren Minderwert ist, auf der einen Seite als Plus, was auf der andren als Minus. Derselbe Wechsel hätte sich ereignet, wenn A, ohne die verhüllende Form des Austausches, dem B 10 Pfd.St. direkt gestohlen hätte. Die Summe der zirkulierenden Werte kann offenbar durch keinen Wechsel in ihrer Verteilung vermehrt werden, sowenig wie ein Jude die Masse der edlen Metalle in einem Lande dadurch vermehrt, daß er einen Farthing aus der Zeit der Königin Anna für eine Guinee verkauft. Die Gesamtheit der Kapitalistenklasse eines Landes kann sich nicht selbst übervorteilen.

Man mag sich also drehen und wenden, wie man will, das Fazit bleibt dasselbe. Werden Äquivalente ausgetauscht, so entsteht kein Mehrwert, und werden Nicht-Äquivalente ausgetauscht, so entsteht auch kein Mehrwert. Die Zirkulation oder der Warenaustausch schafft keinen Wert.

Man versteht daher, warum in unsrer Analyse der Grundform des Kapitals, der Form, worin es die ökonomische Organisation der modernen Gesellschaft bestimmt, seine populären und sozusagen antediluvianischen Gestalten, Handelskapital und Wucherkapital, zunächst gänzlich unberücksichtigt bleiben.

Im eigentlichen Handelskapital erscheint die Form G - W - G', kaufen, um teurer zu verkaufen, am reinsten. Andrerseits geht seine ganze Bewegung innerhalb der Zirkulationssphäre vor. Da es aber unmöglich ist, aus der Zirkulation selbst die Verwandlung von Geld in Kapital, die Bildung von Mehrwert zu erklären, erscheint das Handelskapital unmöglich, sobald Äquivalente ausgetauscht werden, daher nur ableitbar aus der doppelseitigen Übervorteilung der kaufenden und verkaufenden Warenproduzenten durch den sich parasitisch zwischen sie schiebenden Kaufmann. In diesem Sinn sagt Franklin: "Krieg ist Raub, Handel ist Prellerei." Soll die Verwertung des Handelskapitals nicht aus bloßer Prellerei der Warenproduzenten erklärt werden, so gehört dazu eine lange Reihe von Mittelgliedern, die hier, wo die Warenzirkulation und ihre einfachen Momente unsre einzige Voraussetzung bilden, noch gänzlich fehlt.

Was vom Handelskapital, gilt noch mehr vom Wucherkapital. Im Handelskapital sind die Extreme, das Geld, das auf den Markt geworfen, und das vermehrte Geld, das dem Markt entzogen wird, wenigstens vermittelt durch Kauf und Verkauf, durch die Bewegung der Zirkulation. Im Wucherkapital ist die Form G - W - G' abgekürzt auf die unvermittelten Extreme G - G', Geld, das sich gegen mehr Geld austauscht, eine der Natur des Geldes widersprechende und daher vom Standpunkt des Warenaustausches unerklärliche Form....

Wie das Handelskapital werden wir das zinstragende Kapital im Verlauf unsrer Untersuchung als abgeleitete Formen vorfinden und zugleich sehn, warum sie historisch vor der modernen Grundform des Kapitals erscheinen." (MEW 23, S. 177 f)

 Zusammenfassung 4/13:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Geld lässt sich auf Dauer nicht allgemein ergaunern, weil es nur solange Geld bleibt, wie es auch Wertträger ist. Ein Mehrwert entsteht daher nicht im Geldhandel, sondern dadurch, das der Wert des Geldes in einen Gegensatz zu dem Preis gerät, den es darstellt. Jenseits des Marktes bezieht sich der Preis auf das, was die Reproduktion eines Wertdings kostet, der Wert auf das, was es an Wertbildung in die Warenwelt einbringt.


 MEW23 - Abschn. 2 - Kap.4 - Thema 4/14:  (Alles zu K.4 | Linkadresse)
Textstelle 4/14 | Kommentar 4/14 | Zusammenfassung 4/14


Die Geldzirkulation bildet Mehrwert durch Eigenschaften, die nicht in ihr zirkulieren, die sowohl Wert haben, der zirkuliert, wie auch Wert bilden, der nicht zirkuliert, der also nicht Wert für sich, sondern nur Wert durch andere einbringen kann.

 Textstelle 4/14:  (Linkadresse)

"Es hat sich gezeigt, daß der Mehrwert nicht aus der Zirkulation entspringen kann, bei seiner Bildung also etwas hinter ihrem Rücken vorgehn muß, das in ihr selbst unsichtbar ist. Kann aber der Mehrwert anderswoher entspringen als aus der Zirkulation? Die Zirkulation ist die Summe aller Wechselbeziehungen der Warenbesitzer. Außerhalb derselben steht der Warenbesitzer nur noch in Beziehung zu seiner eignen Ware. Was ihren Wert angeht, beschränkt sich das Verhältnis darauf, daß sie ein nach bestimmten gesellschaftlichen Gesetzen gemessenes Quantum seiner eignen Arbeit enthält. Dies Quantum Arbeit drückt sich aus in der Wertgröße seiner Ware, und, da sich Wertgröße in Rechengeld darstellt, in einem Preise von z.B. 10 Pfd.St. Aber seine Arbeit stellt sich nicht dar im Werte der Ware und einem Überschuß über ihrem eignen Wert, nicht in einem Preise von 10, der zugleich ein Preis von 11, nicht in einem Wert, der größer als er selbst ist. Der Warenbesitzer kann durch seine Arbeit Werte bilden, aber keine sich verwertenden Werte. Er kann den Wert einer Ware erhöhen, indem er vorhandnem Wert neuen Wert durch neue Arbeit zusetzt, z.B. aus Leder Stiefel macht. Derselbe Stoff hat jetzt mehr Wert, weil er ein größeres Arbeitsquantum enthält. Der Stiefel hat daher mehr Wert als das Leder, aber der Wert des Leders ist geblieben, was er war. Er hat sich nicht verwertet, nicht während der Stiefelfabrikation einen Mehrwert angesetzt. Es ist also unmöglich, daß der Warenproduzent außerhalb der Zirkulationssphäre, ohne mit andren Warenbesitzern in Berührung zu treten, Wert verwerte und daher Geld oder Ware in Kapital verwandle." (MEW 23, S. 179 f)

 Kommentar 4/14:  (Linkadresse)

Das "nach bestimmten gesellschaftlichen Gesetzen gemessenes Quantum" der eigenen Arbeit stellt sich als Wertgröße der Ware nur in der Wechselseitigkeit der Warenbeziehungen dar. Im dort realisierten Preis der Ware ist dieser Wert zwar enthalten, zugleich aber nicht als bestimmter Wert gegenwärtig. Arbeit kann nur Werte schaffen, nicht aber ihren Wert bestimmen und kann sie daher auch nicht verwerten.

Umgekehrt verlangt der Geldbesitz immer eine Beziehung zu anderen Warenbesitzern und bezieht sich auf diese über den Wert, den sie auf den Markt erfahren, wofür er den Preis bezahlt, der sich als Teil einer dort zirkulierenden Preissumme ermittelt, also als Anteil einer verfügbaren Geldmenge, womit alle Waren in ihrer qualitativen Unterschiedlichkeit verpreist sind. Mit dem Einkauf von Waren erwirbt der Geldbesitzer den Wertanteil, den die Waren darstellen, zu einem Preis, der lediglich den Verkäufer interessieren muss, der also das darstellt, was er für seinen Tausch an persönlich bemessener Geldmenge als Ersatz für die abgegebene Ware verlangen muss, um damit mehr oder weniger gut existieren zu können.

 Zusammenfassung 4/14:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Obwohl auf dem Markt die Preise variieren, kann die Arbeit, welche Wertdinge hervorbringt, deren Wert nicht variieren, nicht den Preis bestimmen, den ihre Produkte kosten. Um aus den preisen Mehrwert zu gewinnen, bedarf es eines eigenständigen Verhältnisses, worin sich beides zugleich ereignet, worin sich also "Wert verwerte und daher Geld oder Ware in Kapital verwandle".


 MEW23 - Abschn. 2 - Kap.4 - Thema 4/15:  (Alles zu K.4 | Linkadresse)
Textstelle 4/15 | Kommentar 4/15 | Zusammenfassung 4/15


Kapital ist sowohl in der Geldzirkulation, wie es zugleich aus ihr immer wieder heraustritt, weil es sich nicht als Kapital vermitteln kann, ohne einen Gebrauchswert zu finden, der mehr Wert erbringt, als sein Preis ist, als er eben kostet.

 Textstelle 4/15:  (Linkadresse)

"Kapital kann also nicht aus der Zirkulation entspringen, und es kann ebensowenig aus der Zirkulation nicht entspringen. Es muß zugleich in ihr und nicht in ihr entspringen.

Ein doppeltes Resultat hat sich also ergeben.

Die Verwandlung des Geldes in Kapital ist auf Grundlage dem Warenaustausch immanenter Gesetze zu entwickeln, so daß der Austausch von Äquivalenten als Ausgangspunkt gilt. Unser nur noch als Kapitalistenraupe vorhandner Geldbesitzer muß die Waren zu ihrem Wert kaufen, zu ihrem Wert verkaufen und dennoch am Ende des Prozesses mehr Wert herausziehn, als er hineinwarf. Seine Schmetterlingsentfaltung muß in der Zirkulationssphäre und muß nicht in der Zirkulationssphäre vorgehn. Dies sind die Bedingungen des Problems. Hic Rhodus, hic salta! <Hier ist Rhodos, hier springe!>" (MEW 23, S. 180 f)

 Kommentar 4/15:  (Linkadresse)

Der Austausch von Äquivalenten ist die Grundlage eines jeden Warentauschs und gilt sowohl für den Austausch von Ware gegen Geld (Verkauf), wie auch Geld gegen Ware (Kauf). Wo Geld auf sich selbst bezogen ist, weil es allgemeines Medium mit eigenem Zweck ist, kann es nur zirkulieren, wenn es sich auf den Wert der Waren einerseits so bezieht, dass es diesen darstellt, andererseits aber gerade auch das Wertmaß enthält, welches die Preise bestimmt. Als sich selbst bewegende Preisform hat Geld seinen Wert nur jenseits seiner Zirkulation; als selbständige Wertform hat es ihn nur durch seine Zirkulation. Der Geldbesitzer würde als Wertbesitzer untergehen, wenn er nicht als Kapitalbesitzer aufgehen kann, wenn er also nicht in der Lage wäre, eine Ware zu kaufen, deren Preis er bezahlt, ohne ihren Wert vollständig zu veräußern, der also ihren Wert soweit als Mehrwert bei sich behalten kann, wie diese Ware ihn nichts kostet und zugleich soviel Wert bezahlt, wie sie ihm zum Ausgleich ihres Wertseins abverlangt. Wo dies beides gelingt, wird der Geldbesitzer das, was sein Geldbesitz ihn sein lässt: Er wird zum produktiven Kapitalisten.

 Zusammenfassung 4/15:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Indem Geld sowohl die Preise der zirkulierenden Arbeitsprodukte, als auch die Werte der Arbeit verkörpert, zirkuliert Geld als Kostpreis der Arbeit, wie auch als Wertträger der Produktion. Es bestätigt sich von daher als ein Ding aus zwei Welten, die es in einem ausmacht und seine doppelte Bestimmung jetzt selbst verwirklicht, indem es Arbeit kaufen und konsumieren kann und zugleich Produkte verkaufen und verwerten kann. Es ist das Maß und das Mittel einer produktiven Konsumtion.

 Gesamte Zusammenfassung Kap.4 Abs.2 (Linkadresse | Nächste)

Der allgemeine Widerspruch des Geldverhältnisses kann sich nur darin auflösen, dass Geld auf der einen Seite die Wertbildung finanziert, indem sie deren Preis bezahlt, und anderseits den Mehrwert durch Verkauf der Waren für sich einnimmt, den diese als Mehrprodukt über die Kosten der Arbeit, also über die Reproduktion der Arbeit hinaus auch haben.

 


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