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MEW 23: Kapital Band I - Der Produktionsprozess des Kapitals
Abschn. 3: Die Produktion des absoluten Mehrwerts
Kap. 7: Die Rate des Mehrwerts - Abs. 3


7.3 Seniors "Letzte Stunde"

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 MEW23 - Abschn. 3 - Kap.7 - Thema 7/8:  (Alles zu K.7 | Linkadresse)
Textstelle 7/8 | Kommentar 7/8 | Zusammenfassung 7/8


Durch die Aufsplitterung der Kapitalanteile der Produktion in selbständige, also unabhängig scheinende Zeitabschnitte, erscheint die Ausbeutungsrate verschwindend klein im Verhältnis zu ihrem wirklichen Anteil im Leben der Menschen, der vereinzelte Mehrwert z.B. nur als Profit aus der letzten Arbeitsstunde.

 Textstelle 7/8:  (Linkadresse)

"An einem schönen Morgen des Jahres 1836 wurde der wegen seiner ökonomischen Wissenschaft und seines schönen Stils berufene Nassau W. Senior, gewissermaßen der Clauren unter den englischen Ökonomen, von Oxford nach Manchester zitiert, um hier politische Ökonomie zu lernen, statt sie in Oxford zu lehren. ... Der Herr Professor seinerseits hat die zu Manchester von den Fabrikanten erhaltne Lektion stilisiert in dem Pamphlet: "Letters on the Factory Act, as it affects the cotton manufacture", London 1837. Hier kann man u.a. folgendes Erbauliche lesen: ...

"Ein Fabrikant legt 100.000 Pfd.St. aus - 80.000 Pfd.St. in Fabrikgebäude und Maschinen, 20.000 in Rohmaterial und Arbeitslohn. Der jährliche Umsatz der Fabrik, vorausgesetzt, das Kapital schlage jährlich einmal um und der Bruttogewinn betrage 15%, muß sich auf Waren zum Wert von 115.000 Pfd.St. belaufen ... Von diesen 115.000 Pfd.St. produziert jede der 23 halben Arbeitsstunden täglich 5/115 oder 1/23. Von diesen 23/23, die das Ganze der 115.000 Pfd.St. bilden (constituting the whole 115.000 Pfd.St.), ersetzen 20/23, d.h. 100.000 von den 115.000, nur das Kapital; 1/23 oder 5.000 Pfd.St. von den 15.000 Brutto-Gewinn (!) ersetzen die Abnutzung der Fabrik und Maschinerie. Die übrigbleibenden 2/23, d.h. die beiden letzten halben Stunden jedes Tages produzieren den Reingewinn von 10%. Wenn daher bei gleichbleibenden Preisen die Fabrik 13 Stunden statt 11 1/2 arbeiten dürfte, so würde, mit einer Zulage von ungefähr 2.600 Pfd.St. zum zirkulierenden Kapital, der Reingewinn mehr als verdoppelt werden. Andrerseits, wenn die Arbeitsstunden täglich um 1 Stunde reduziert würden, würde der Reingewinn verschwinden, wenn um 1 1/2 Stunden, auch der Bruttogewinn."

Und das nennt der Herr Professor eine "Analyse"! Glaubte er den Fabrikantenjammer, daß die Arbeiter die beste Zeit des Tags in der Produktion, daher der Reproduktion oder dem Ersatz des Werts von Baulichkeiten, Maschinen, Baumwolle, Kohle usw. vergeuden, so war jede Analyse überflüssig. Er hatte einfach zu antworten: Meine Herren! Wenn ihr 10 Stunden arbeiten laßt statt 111/2, wird, unter sonst gleichbleibenden Umständen, der tägliche Verzehr von Baumwolle, Maschinerie usw. um 11/2 Stunden abnehmen. Ihr gewinnt also grade so viel, als ihr verliert. Eure Arbeiter werden in Zukunft 11/2 Stunden weniger für Reproduktion oder Ersatz des vorgeschoßnen Kapitalwerts vergeuden. Glaubte er ihnen nicht aufs Wort, sondern hielt als Sachverständiger eine Analyse für nötig, so mußte er vor allem, in einer Frage, die sich ausschließlich um das Verhältnis des Reingewinns zur Größe des Arbeitstags dreht, die Herren Fabrikanten ersuchen, Maschinerie und Fabrikgebäude, Rohmaterial und Arbeit nicht kunterbunt durcheinanderzuwirren, sondern gefälligst das in Fabrikgebäude, Maschinerie, Rohmaterial usw. enthaltne konstante Kapital auf die eine, das in Arbeitslohn vorgeschoßne Kapital auf die andre Seite zu stellen. Ergab sich dann etwa, daß nach der Fabrikantenrechnung der Arbeiter in 2/2 Arbeitsstunden, oder in einer Stunde, den Arbeitslohn reproduziert oder ersetzt, so hatte der Analytiker fortzufahren:

Nach eurer Angabe produziert der Arbeiter in der vorletzten Stunde seinen Arbeitslohn und in der letzten euren Mehrwert oder den Reingewinn. Da er in gleichen Zeiträumen gleiche Werte produziert, hat das Produkt der vorletzten Stunde denselben Wert wie das der letzten. Er produziert ferner nur Wert, soweit er Arbeit verausgabt, und das Quantum seiner Arbeit ist gemessen durch seine Arbeitszeit. Diese beträgt nach eurer Angabe 111/2 Stunden per Tag. Einen Teil dieser 111/2 Stunden verbraucht er zur Produktion oder zum Ersatz seines Arbeitslohns, den andren zur Produktion eures Reingewinns. Weiter tut er nichts während des Arbeitstags. Da aber, nach Angabe, sein Lohn und der von ihm gelieferte Mehrwert gleich große Werte sind, produziert er offenbar seinen Arbeitslohn in 53/4 Stunden und euren Reingewinn in andren 53/4 Stunden. Da ferner der Wert des zweistündigen Garnprodukts gleich der Wertsumme seines Arbeitslohns plus eures Reingewinns ist, muß dieser Garnwert durch 111/2 Arbeitsstunden gemessen sein, das Produkt der vorletzten Stunde durch 53/4 Arbeitsstunden, das der letzten ditto. Wir kommen jetzt zu einem häklichen Punkt. Also aufgepaßt! Die vorletzte Arbeitsstunde ist eine gewöhnliche Arbeitsstunde wie die erste. Ni plus, ni moins. <Nicht mehr, nicht weniger.> Wie kann der Spinner daher in einer Arbeitsstunde einen Garnwert produzieren, der 53/4 Arbeitsstunden darstellt? Er verrichtet in der Tat kein solches Wunder. Was er in einer Arbeitsstunde an Gebrauchswert produziert, ist ein bestimmtes Quantum Garn. Der Wert dieses Garns ist gemessen durch 53/4 Arbeitsstunden, wovon 43/4 ohne sein Zutun in den stündlich verzehrten Produktionsmitteln stecken, in Baumwolle, Maschinerie usw., 4/4 oder eine Stunde von ihm selbst zugesetzt ist. Da also sein Arbeitslohn in 53/4 Stunden produziert wird und das Garnprodukt einer Spinnstunde ebenfalls 53/4 Arbeitsstunden enthält, ist es durchaus keine Hexerei, daß das Wertprodukt seiner 53/4 Spinnstunden gleich dem Produktenwert einer Spinnstunde. Ihr seid aber durchaus auf dem Holzweg, wenn ihr meint, er verliere ein einziges Zeitatom seines Arbeitstags mit der Reproduktion oder dem "Ersatz" der Werte von Baumwolle, Maschinerie usw. Dadurch, daß seine Arbeit aus Baumwolle und Spindel Garn macht, dadurch, daß er spinnt, geht der Wert von Baumwolle und Spindel von selbst auf das Garn über. Es ist dies der Qualität seiner Arbeit geschuldet, nicht ihrer Quantität. Allerdings wird er in einer Stunde mehr Baumwollwert usw. auf Garn übertragen als in 1/2 Stunde, aber nur weil er in 1 Stunde mehr Baumwolle verspinnt als in 1/2. Ihr begreift also: Euer Ausdruck, der Arbeiter produziert in der vorletzten Stunde den Wert seines Arbeitslohns und in der letzten den Reingewinn, heißt weiter nichts, als daß in dem Garnprodukt von zwei Stunden seines Arbeitstags, ob sie vorn oder hinten stehen, 111/2 Arbeitsstunden verkörpert sind, grade so viel Stunden, als sein ganzer Arbeitstag zählt." (MEW 23, S. 237)

 Kommentar 7/8:  (Linkadresse)

Die inneren Beziehungen der Arbeitsprozesse erscheinen als ein ganzes Verhältnis, in welchem sich gegenwärtig alles zugleich und gleichzeitig ereignet, obwohl die Verwertungskette oft sehr weit ausgedehnt und über große Zeiträume hinweg vermittelt ist. Dadurch, dass diese lediglich als Kostpreis in die Produktion eingeht, ist dies ausgelöscht und lässt eigene Interpretationen von Wertverhältnissen zu, die nichts mit den wirklichen Verhältnissen zu tun haben. Von daher erbringen die Profitermittlungen, die sich lediglich aus dem "Gewinn" über die Produktionskosten ergeben, gänzlich andere Resultate zeitigen als die realen Wertverhältnisse der Produktion, besonders der Verhältnisse im konstanten Kapital und zwischen diesem und dem Wert der Arbeitskraft. Die bürgerliche Ökonomie reduziert ihre Erkenntnisse meist auf solche Oberflächlichkeiten, weil sie interessiert ist, den Kapitalismus in seiner Gewalt und Macht zu verharmlosen und den Ertrag der Ausbeutung, die unbezahlte Arbeit, als "gerechten Lohn des Produktionsrisikos" zu verstehen.

 Zusammenfassung 7/8:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Das Wertverhältnis, das im Produktionsprozess besteht, ist weder durch eine feste Zeitmenge noch durch eine feste Produktmenge bemessen. Es richtet sich nach dem, was an Kapital und Arbeit zusammenfügt und dem Prozess einerseits vorausgesetzt, anderersits ihm zufolge entsteht: Die unterschiedlichen Wertanteile des zirkulierenden und produzierenden Kapitals, die variablen und konstanten Wertanteile in ihrer jeweiligen Proportion.

 Gesamte Zusammenfassung Kap.7 Abs.3 (Linkadresse | Nächste)

Der kapitalistische Produktionsprozess verbraucht den durch Kapital eingebrachten Wert im Verhältnis vergangener Arbeit zu gegenwärtiger, so dass das Wertprodukt beides ununterschieden darstellt und als dieses Verhältnis auf dem Produktenmarkt fortbesteht.

 


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