Wolfram Pfreundschuh (14.11.08)

Thesen zu diesem Text

Auf dem Weg in eine andere Gesellschaft

Deutlicher hat sich die Absurdität des Kapitalismus in seinem Selbstauflösungsprozess nicht zeigen können, als darin, dass der Staat nun alles bezahlen soll, was das Kapital durch seine Finanzwirtschaft in den Wind gesetzt hat. Erst waren es die verspielten Devisenwerte, dann die faulen Kredite, dann die Verluste der Banken und nun will auch General Motors, Ford und Opel Geld haben, um ihre marode Wirtschaft trotz mangelnder Nachfrage fortsetzen zu können. Eigentlich wäre es an der Zeit, dass nun auch die Bauwirtschaft oder die Landwirtschaft sich von ihm retten lassen. Und warum sollten nicht auch wir unsere Taschen von ihm füllen lassen? So ne Grundsicherung für jeden, sagen wir mal 1.500 Euro pro Kopf und Monat, wäre sicher ganz nett. Vor allem wenn man nun wirklich glauben könnte, sie sei bedingungslos.

Immerhin: Wo der Staat das Geld her kriegt, scheint ja nicht mehr so von Bedeutung zu sein. Es ist einfach sonderbar: Für die Anpassung der Sozialleistung an die Inflation bringt er nicht mal die eine notwendige Milliarde bei, geschweige denn, dass er ein paar Milliarden mehr für human akzeptable Sozialleistungen und bessere Bildung und Ausbildung aufbringen könnte, um die gesellschaftliche Fortentwicklung, das Gesundheitssystem und die Altenpflege auf den nötigen Standard zu bringen. Angeblich würde ihn die in det Tat horrende Staatsverschuldung inzwischen 1,6 Billionen Euro, so wurde seitens der Regierungspolitik arbumentiert. Und jetzt spendiert er einfach mal so 80 Milliarden an insolvente Banken und verspricht, mit 500 Milliarden Euro für die Bankeinlagen gerade zu stehen. Und er wird wahrscheinlich auch einiges in die marode Autoindustrie buttern, um Arbeitsplätze zu erhalten. Das ist doch kein Kapitalismus mehr! Das ist eine Selbstbedienung des Kapitals an Geldnachschub, eine Geldprivatisierung à la carte aus der Kasse, wo die öffentlichen Gelder eingehen und wo die Geldwirtschaft reguliert wird, die Steuerkasse und die Notenbank.

Wenn es denn wirklich sein muss, dann hat der Staat zur Geldbeschaffung eben auch noch andere Quellen – nicht nur Staatsanleihen, die unmittelbar profitabel bewirtschaftet werden müssen und die deshalb die Sozialwirtschaft kommandieren. Dann werden die Notenbanken ihre "Druckmaschinen" wieder anschmeißen, damit sie das Geld beibringen. Geld lässt sich ja schließlich auch als Kapitalvorschuß drucken - oder besser gesagt: Pressen. Es muss nur der Druck auf die Menschen sichergestellt werden, dass sie zusätzlich zur Arbeit für ihre Reproduktion und das gesellschaftliche Mehrprodukt noch hinreichend lange für den Staat zur Deckung des verlorenen Staatsvermögens arbeiten, für höhere Steuern und Sozialabgaben eben, die man irgendwann später dann einschmeicheln und eintreiben wird. Die angebliche Deregulation, welche die Finanzpolitik als neue Leitidee vorbrachte und die viele für das Hauptproblem der Globalisierung halten, ist damit nun beendet. Man kann mit dem Versteckspiel aufhören und wieder offen regulieren wie es für die Kapitalisierung der Staatsfinanzen nötig ist. Und die Bürger danken es ihm auch noch, dem Staat, als hätte er die Verschuldung nur für sie gemacht.

Dass die Globalisierung die Wirtschaft des Nationalstaats durch Deregulation aufgelöst hätte, ist ein großer Irrtum. Man spricht nur nicht so gerne über die Lasten, die dort abgelegt werden, damit das Finanzkapital seine Luftsprünge machen kann, wenn jeder Staat seine Steuern und Schulden entsprechend regelt. Und diese Schulden sind die Hinterlassenschaft der Gesetze, die der Staat zugunsten des Finanzkapitals erlassen hat, der sie von Steuern befreite und die Rodung der Infrastruktur zugunsten der Real-Investment-Fonds freigegeben hat. Jedes Baby, das in Deutschland auf die Welt kommt, hat mit seiner Geburt schon mal 25.000 Euro Schulden, für die es später arbeiten muss, ohne dass dies für seine Lebenszeit irgendetwas erbringen könnte. Es ist eine neuartige Feudalwirtschaft, in die der Mensch da als leibeigener Bürge des Staates hineingeboren wird, eine neue Art, den Kapitalismus zu verewigen, - wenn es sein muss, durch reine Staatsverschuldung. Der Staat erscheint so als der Retter des verlorenen Gemeinwesens überhaupt, wie er das ja schon mal war und wie er sich auch gerne gibt und selbst versteht. Bleibt es auf diese Weise bei der Regulation durch den Nationalstaat, so könnte man sich wieder mal in einer staatlichen und staatstragenden Ordnung fühlen: die Bürger als ein Staatsvolk mit Körper und Seele, die als Volkskörper wohl oder übel auch zu seinem Nutzen funktionieren müssen.

Die Feudalisierung seiner Bürger betreibt der Staat allerdings schon länger. Seine Niedrigzinspolitik hatte ja den wilden Aktienmarkt und vor allem die sogenannten Finanzhebel der Hedgefonds erst erzeugt, also reguliert. Und er hat das Märchen von den selbstregulierenden Kräften des Marktes aufgesetzt, damit seine Radikalkur zum Erhalt des Kapitalmarktes nicht als dessen Rettungsversuch deutlich wird. Der kapitalistische Staat war es, der den schrankenlosen Markt wollte, weil seine Währungspolitik die kapitalistische Währungsmacht der Welt retten sollte, weil der Aktienmarkt und die Staatsverschuldung die Inflation durch Fiktionen verbergen soll, welche die Kapitalwirtschaft von Zeit zu Zeit mit sich bringt, wenn sich seine Wertmasse in ihrer Entleerung über jede Realität des Geldes hinaus ausgedehnt hat. So hat sich die Entwertwertung indes gebündelt und tritt aus dem Verborrgenen heraus in alle Öffentlichkeit. Das fiktive Kapital fällt vor der erschrockenen Weltöffentlichkeit in sich zusammen und zerstört die Geldwerte nun auch wirklich - und damit den Glauben an das System überhaupt. Jetzt steht man vor dem Scherbenhaufen dieser Politik ebenso, wie vor den Trümmern und Opfer des Irakkriegs. Das Gespenst geht wieder um. Marx ist aktueller und realistischer als die Nationalökonomie sein konnte- einfach nur deshalb, weil er von den wirklichen Menschen und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen ausging.

Aber der Staat will ja weiterhelfen, Hinter seinen Gaben an die Finanzwelt und ihren steuerlichen Entlastungen, hinter seiner Verschuldung steckt immer die Bürgschaft, welche er den Bürgern ohne eigenes Zutun abverlangt. Ihre Arbeitskraft ist der Garant einer unentgeldlichen Verwertung. Der klassische Kapitalismus, also der Kapitalismus, der auf der Verwertung der Arbeit selbst beruht, ist schon seit einiger Zeit hinüber. Wenn nur noch etwa 5 % der vorhandenen Werte in wirklichen Arbeitsprodukten existieren und zirkulieren, dann ist Kapital fast nur noch ein erkaufter Rechtstitel, eine Fiktion und ein Erpressungswerkzeug.

Aus seiner Sicht ist es ganz eindeutig: Der Staat muss den Karren aus dem Dreck ziehen und er muss die Verhältnisse wieder zum Laufen bringen. Es geht ihm schließlich um den Erhalt des Ganzen als solches. Seine Politik wird die Staatsgewalt totalisieren. Und wer ihm dann nicht gehorchen will, der wird nicht nur seine wirtschaftliche, sondern auch seine politische Existenz, seine bürgerlichen Freiheitsrechte verlieren. Und das weiß man in den innenpolitischen Regierungsgremien auch und weiß solche Drohung als Hintergrund der staatlichen Durchsetzungsfähigkeit zu schätzen. Dazu gehört, dass der Bürger dabei ertappt werden kann, wo er Ungehorsamkeit betreibt oder vorbereitet. Er muss für den Staat besser handhabbar, gläsern werden.

Wie gut, dass sich die Ausspähung seiner Wohnung und Festplatten durch Terrorismusgefahr begründen lässt – auch wenn jeder wirkliche Terrorist nur ein Unix-System nutzen muss, um dem zu entgehen, einen Macintosh oder Linux. Doch darum geht’s ja nicht. Es geht um die gewöhnlichen Bürger mit dem weit verbreiteten Windows. Ein jeder ist jetzt verdächtig. Und zur Beherrschung der Auseinandersetzungen, in denen sich sein Ungehorsam entlädt, steht inzwischen ja auch die Bundeswehr bereit, sollte das neue Versammlungsgesetz das Aufkommen von Widerstand nicht schon im Keim erstickt haben.

Die neoliberale Ideologie hat sich von selbst erübrigt. Mit der Finanzkrise war der Glaube an die Selbstregulation des Marktes beendet. Und die nachfolgenden Wirtschaftskrisen verlangen nun Eingriffe der Staaten, die sich nicht mehr liberal legitimieren lassen. Der ehemalige US-Notenbankchef Greenspan hat das inzwischen auch schon ex cathedra verkündet: Er habe sich „geirrt“. Die Finanzwirtschaft lässt sich nicht durch Finanzwirtschaft sichern. Die Niedrigzinspolitik, aus welcher die Hedgefonds hervorgewuchert sind, ist nicht der Weisheit letzter Schluss zur Stabilisierung und Ausdehnung des Finanzkapitals. Diese ist das Problem, welches der Staat zu lösen hat. Er muss wieder in aller Öffentlichkeit seine Finanzpolitik zeigen und das Finanzkapital mit frischem Geld füttern.

Die repräsentative Demokratie hatte sich mit der Ideologie der Neocons auf die Seite offener Staatsgewalt geschlagen. Jetzt muss sich setzt wieder unter das Volk mischen. Sie braucht eine neue Selbstdarstellung und eine andere Art von Akklamation: Den Beifall der Hoffnung. Barack Obama ist zum Titelhelden einer „neuen Zeit“ geworden. Wenn man ihn hört, könnte man meinen, dass er tatsächlich den Weg in eine andere Gesellschaft sucht. Und irgendwie stimmt das auch. Die amerikanische Rezession lässt sich nicht mehr durch gesteigerten Konsum auflösen. Es sind neue Formen nötig, durch die der Staat unmittelbaren Zugang auf die Kapitalverwertung und die arbeitsfähigen und arbeitslosen Menschen hat. Man muss ihn nur lieben, um ihm zu folgen. Und die Menschen lieben Obama. Er verkündet eine Vision von Wiedererwachen des lesellschaftlichen Lebens durch den Staat, zumindest durch ide Ideale, die der Staat von sich hat. Vielleicht wird es eine neue Art von Staatskapitalismus geben – eine antirassistische Variante.

 

Die Ideale einer öden Welt

Man mag über neue Ideen jubeln. Doch wie öde sieht heute die Welt in Wirklichkeit aus! Und sie wird sich durch neue Ideologien kaum verändern. Eine durch Finanzkapital begründete Gesellschaft ist eine völlig verselbständigte Gesellschaft voller Fiktionen, Ideen und Machtspielchen, die mit Reichtum hantiert, ohne ihn wirklich anzueignen, ohne die eigenen Lebensbedingungen damit wirklich verbessern zu können. Im Gegenteil: Die Finanzwirtschaft hat dem Geld auch noch seine Quellen entzogen und zwingt nun die Realwirtschaft, die hieraus sich ergebenden Verluste zu finanzieren. Blöder kann es nicht laufen. Die Trümmer liegen blank und Existenzen sind verspielt. Das befördert Ursprungssehnsucht und macht den Staat volkstümlich, wenn er sich um den Erhalt von Lebensstrukturen bemüht.

Das globale Kapital hat vieles von dem aufgezehrt, was die Menschen vor Ort geschaffen hatten – wenn auch durch Kapital finanziert. Da waren immerhin halbwegs vernünftige Produktionsstätten entstanden, um welche heute getrauert wird, weil die Investoren nicht mehr daran interessiert, weil sie ihr Geld anderswo rentabler einbringen und schneller vermehren können. Sie haben alle Mehrprodukte zu Mehrwert gemacht und diesen in Geldsummen aufgehäuft, die sie nicht mehr sinnvoll einsetzen können. Während der Großteil der Menschen zu wenig Geld hat, haben sie zuviel. Aber sobald sie es nicht mehr gewinnbringend ausspielen können, ersticken auch sie an ihrem Kapital, weil es nurmehr ein leeres Quantum an einem Vermögen ist, das nichts mehr zu schaffen vermag. Bevor es seinen Wert dann wirklich verliert, kauft man vielleicht noch ein paar Luxuskarossen oder Jachten, und das war es dann.

Letzten Endes und in seiner ganzen Konsequenz zeigt sich daran, was Kapital für sich belassen ist: Es selbst hat keinerlei produktive Potenz, keine reale Wirtschaftskraft. Es ist nur politische Macht, solange die Arbeitswelten nach seiner Pfeife tanzen und Wert produzieren. Wenn die sich nicht mehr verwerten lassen, weil sich ihre Produkte nicht verkaufen lassen, verbleibt das Kapital als ein leeres Quantum an Wert, das sich selbst auflöst. Wenn die Realwirtschaft keine neuen Werte mehr freisetzt, kein "frisches Geld" erzeugt, dann hat jegliches Kapital keinen Wert mehr, weil es immer nur den Wert darstellen kann, der dort hergestellt wird, weil es immer die Arbeit aufsaugt, die dort erbracht wird. Und ist es erst einmal wertlos, dann versprechen auch die Aktienkurse kein Wachstum mehr, weil es dann kein Kapitalwachstum mehr geben kann. Das macht auch den Finanzkapitalisten und den Staatsagenten Angst.

Aber es zeigt, dass das Kapital letztlich alle Menschen arm macht - wenn auch in sehr gegensinniger Form. Die Menschehit ist dann überhaupt zu arm geworden, um die bestehende Wirtschaft in Gang zu halten. Dies nennt man Rezession. Dass die jetzt auch den Deutschen ins Haus steht, das haben bereits die sogenannten Wirtschaftsweisen für nächstes Jahr versichert. Viele Betriebe werden zugrunde gehen, Arbeitslosigkeit sich weiterhin ausdehnen und die Sozialkassen an ihre Grenzen kommen, wenn sie denn überhaupt noch funktionieren. Die Eliten werden ihre Macht ausspielen um die Masse niedergegangener Existenzen in den Griff zu bekommen, um Staatsgewalt zu konzentrieren und zu stärken.

Wozu das alles? Weil es die ganz großen Ideen sind, die so gefördert werden? Die ganz große Raffinierung der Produktion? Die Finanzkapitalisten sehen sich als Träger eines großen Geldvermögens zur Erzielung einer großen Produktion. Man bräuchte nur viel Geld, um große Produktion in Gang zu setzen. Und wer es spendiert, habe ein Recht auf den sogenannten Gewinn. Aber braucht man eigentlich nicht eher Material, Produktionsmittel, Produktivvermögen, Kommunen und Menschen? Muss das immer Geld sein – und dann auch noch fremdes Geld, also Geld, das nur zum Zweck der Geldvermehrung eingebracht wird, Kapital, das nur aufsaugen will, was damit geschaffen wird?

Es hat sich gezeigt, dass Globalisierung die Wirtschaft für die Menschen nicht verbessert; dass sie diese nicht bereichert und ihnen auch nicht eine größere Verbundenheit verschafft. Im Gegenteil: Sie verschärft die Gegensätze von Arm und Reich, von Entwicklung und Verödung und delokalisiert die Menschen. Es hat sich gezeigt, dass der globale Kapitalismus für sich nichts anderes als verselbständigtes Finanzkapital ist, dass er in Wahrheit nicht mal Kapital globalisiert, sondern vollkommen abhängig ist von den lokalen Einrichtungen, welche am Anfang und Ende der Geldverwertung stehen. Globalisierung ist eine Fiktion wie das Kapital selbst, das sich darin auftürmt. Nach wie vor muss die lokale Realwirtschaft erbringen, was die Finanzwirtschaft in Gang hält, obwohl diese globale Wertmasse völlig von ihr abgelöst erscheint. Der Aktiendeal ist nicht einfach eine Wette, sondern eine Gewalt der Geldvermehrung gegen dessen Herkunft aus den Produktionsstätten. Dort wird das Geld gebildet, das als frisches Geld in einen Geldmarkt entzogen wird, worin es als fiktives Kapital fungiert. Aktienkapital befördert zwar die Geldanhäufung, nicht unbedingt aber reelles Wirtschaften. Mit den ausgeklügelten Vermengungen des Aktiendeals mit Devisengeschäften in Hedgefonds entziehen diese dem Geld selbst die Grundlagen und fiktionalisieren die ganze Welt, die in Wirklichkeit daran erstickt.

 

Geld kann man nicht essen

Aber die Globalisierung ist zugleich eine konsequente Fortentwicklung der Geldverhältnisse bis hin zur Kapital- und Finanzwirtschaft und deren Krisen. Geld führt ja tatsächliches Vermögen zusammen. Es bezieht die einzelnen Produkte aufeinander und überwindet die Trennung, in der sie unter bestehenden Bedingungen ohne dieses verblieben. Die Verhältnisse, wie sie durch die politische Ökonomie, also durch die besitzrechtliche Privatwirtschaft bestimmt sind, haben alle Beziehungen und Wirklichkeiten in ihrem Zweck und ihren Mitteln zerteilt. Geld ist bei weitem nicht nur ein Zahlungsmittel, wodurch Arbeitsaufwände, die in den Produkten steckt, verglichen werden. Es ist ein Wertmaß, wodurch die Teile erst wirklich zusammenfinden. Von der Arbeit, durch die es verdient wird, scheint es völlig losgelöst. Geld ist das Medium des Marktes, eine allgemein abstrakte Vermittlung der Verhältnisse, welche die Waren und ihre Besitzer vollziehen. Ohne Geld geraten Menschen nicht nur in Geldnot; sie verlieren jede gesellschaftliche Verbindung, jede gesellschaftliche Vermittlung für ihre Reproduktion und Fortentwicklung. Und vor allem deswegen sorgen sich die Menschen, aber auch die Gemeinden, die Kommunen und Regionen um ihren Geldbestand. Sie bieten sich dem Kapital an und arbeiten für das Kapital, um etwas von dem zu erlangen, was sie durch ihre Arbeit erzeugt hatten. Sie vermarken sich oder ihr Land oder ihre Bodenschätze, um die Maschinen oder Lebensmittel oder Lebensgrundlagen zu bekommen, die sie nicht selbst herstellen können. Kapital erscheint erst mal als Existenzvermittler. Aber den Menschen und den Kommunen geht es durch das Geld, das sie dabei verdienen, nicht besser. Sie werden immer abhängiger vom Geld, weil es für alles steht, was sie nicht haben und zugleich sie daran hindert, das Vermögen und die Fähigkeiten zu erwerben, durch die sie frei davon werden.

Kapital erbringt immer Vereinseitigung, Abstraktion der Lebenszusammenhänge, Monokultivierung der Menschen und ihrer Länder und ihrer Arbeitskräfte. Was durch Kapital bestimmt wird, kann nicht durch Menschen bestimmt sein. Die Verwertungsinteressen des Staates werden sich als Kapitalinteressen genauso gegen die Menschen fortbestimmen, wie es die Verwertungslogik des Kapitals auch sonst verlangt: Wert ist nur das, was er seinem Besitzer bringt, das, was sein Geld beischaffen kann. Wert ist die gesellschaftliche Substanz in welcher sich das quantitative Verhältnis der Güter bemisst, die politische Macht, die sich im Wert der Produkte darstellt. Wert ist die versachlichte Verfügungsmacht als sachliche Verfügung über die Menschen, die im Wertverhältnis in Beziehung gesetzt sind. Wer die Mittel der Reproduktion besitzt, verfügt immer über den, der sie zum Lebenserhalt benötigt, und wer nur seine Arbeitskraft hat, kann nur das Geld bekommen, das diese wert ist, das Quantum Geld also, das ihren Selbsterhalt ermöglicht. Wer also über die Reproduktionsbedingung der Menschen verfügt, wird auch als gewählter Staatsagent nur das bestimmen wollen, was ihn in dieser Funktion bereichert. Wer nichts besitzt wird keine große Auswahl haben an dem, was er wählen soll. Er wird sein Leben weiterhin durch das fristen, was seine Arbeitskraft wert ist und immer nur den bereichern, der über ihre Anwendung verfügt und nur den wählen, der ihm zum Erhalt dieser Verhältnisse geboten wird.

Im Wertverhältnis wird das Verhältnis der Menschen zudem selbst absurd. Diese Absurdität besteht nicht nur darin, dass sich zwischen Armen und Reichen eine unüberwindbare Kluft entwickelt, wenn der Wert des Besitzes zum Unwert des Besitzlosen führt, sondern auch darin, dass sie selbst gar nicht mehr alles konsumieren können, was das Wertwachstum nötig hat. Ihr Verdienst kann auf Dauer gar nicht hierfür ausreichen. Am Verrücktesten ist, dass sie immer mehr arbeiten müssen, obwohl die Entwicklung der Produktivität der Arbeit immer weniger Arbeitsaufwand erfordert. Arbeitslosigkeit kann wegen der Verwertungswirtschaft nicht zugunsten einer Arbeitsminderung aller aufgelöst werden, sondern führt gerade umgekehrt zu gesellschaftlicher Isolation. Es ist alles irgendwie verkehrt: Überproduktion, Überbevölkerung und Überarbeitung ersticken alles, was die Menschen eigentlich zu ihrem Leben brauchen.

Wenn man von dieser Verrücktheit absieht, erklärt man gerne den für verrückt, der die Aufhebung des Kapitalsverhältnisses für nötig hält. Aber was ist verrückter als dies? Nur wenn das Verhältnis von Arbeit, Reproduktion und Produktion nicht durch den Wert bestimmt wird, den ihr Besitz erbringt, kann sich die Reichtumsbildung einer Gesellschaft wirklich ändern, kann der Reichtum, welchen Menschen durch ihre Arbeit erzeugen, auch wirklich auf sie zurückkommen. Wie dies gehen kann, darüber gibt es schon viele Diskussionen. Es sollen einige hier gestreift werden.

 

Alternativen und regionale Geldverhältnisse

Wie wäre es zum Beispiel, wenn man Geld von der Geldvermehrung abkoppeln könnte? Ist es möglich, Geld zu „Entkapitalisieren“? Es kursieren mehrere Vorstellungen, wie Geld z.B. als Regionalgeld sozialisiert werden könnte, wenn man es als lokales Tauschmittel einsetzt, in welchem die lokale Arbeitszeit das Maß der Tauschverhältnisse ausmacht. Die Menschen könnten zumindest in kleinen Betrieben füreinander arbeiten und damit ihre Reproduktion sichern, sofern sie alle Güter auch herstellen können, die hierfür nötig sind. Das Problem solcher Ideen ist zum einen die Tatsache, das Geld auch in dieser Form festgehaltene Arbeitsproduktivität ist, also in der Zeitdauer seiner Existenz Wert verliert, wenn es nicht verzinst wird und produktivere Arbeit entsteht. Und eine Verzinsung verlangt den Überblick über eine klar umschriebene Gesellschaftsform der laufenden Währung. Zum andern kann es keine individuelle  Arbeitszeit geben, die sich in Geld darstellen lässt. Produkte, die mit individuell hohem Aufwand erzeugt werden, würden die gesamte Produktivität der Beteiligten entwerten, wenn ihre Zeiteinheit ernsthaft gültig sein würde. Die Menschen würden sich dann wahrscheinlich angiften und ihre Aufwände ähnlich bequem machen, sich also wechselseitig im Zeitbedarf überbieten. Insgesamt würden die individuell bestimmten Geldverhältnisse sich gegenseitig lähmen und die Produktivität nach unten treiben und damit unwirtschaftlich sein. Kapitalismus gälte dann sehr bald wieder als Fortschritt. Ohne eine entsprechende Gesellschaftsform, in welcher die Verhältnisse der Beteiligten auch politisch ausgehandelt werden können, wird sich nicht sehr viel ändern. Es fragt sich, wonach sich diese Form ausrichten könnte. Eine „solidarische Ökonomie“, wie sie vielfach angestrebt wird, kann nicht allein auf der Veränderung der Geldverhältnisse beruhen. Sie kann auch nicht einfach alternativ zur Kapitalwirtschaft sozusagen in gesellschaftlichen Schonräumen widerspruchsfrei funktionieren. In einer bloß „alternativen Ökonomie“ werden die wirtschaftlichen Probleme, welche das individualisierte Geld mit sich bringt, eher zu persönlichen, quasi familiären Problemen, als dass sie sich dem Kapitalismus wirklich entgegenstellen könnten.

 

Die wirklich globalen Zusammenhänge

Auf dem Weg in eine andere Gesellschaft kann es nicht wesentlich um Geld gehen. Wer einfach nur mehr Geld für sich fordert, wird bald wieder durch Geldentwertung beantwortet werden. Wer seine Arbeitskraft verkaufen muss, bekommt immer nur das, was sie wert ist, mal etwas mehr, mal etwas weniger. Es geht um weitaus mehr als um Geldbeträge. Es geht um eine neue Verortung des Reichtums und der Reichtumsbildung. Kapitalwirtschaft kann nicht einfach durch eine Geldwirtschaft ersetzt werden, die sich nur auf die Arbeitsstätten, auf die Herstellung von Arbeitsprodukten konzentriert und das Verhältnis zu den Bedürfnissen der Menschen nicht einbezieht. Diese aber bestehen aus einer ganzen Lebenswelt. Es geht um eine Wirtschaft, die das erarbeitete Vermögen auf die Menschen je nach ihren Bedürfnissen aufteilt. Es geht um eine Wirtschaft, bei der die Menschen in der ihnen entsprechenden Existenzform arbeiten können, - Menschen, die sich in dem Gebiet entwickeln, das sie für sich selbst auf Dauer oder vorübergehend zu ihrer Lebensbedingung gemacht haben.

Der Ort, worin sich Wirtschaft, also der Kreislauf von Arbeit und Bedürfnissen vollzieht, ist von vielfältiger Bedeutung: Er besteht aus Natur, also auch aus den Naturstoffen, welche dort geschürft, angebaut oder verarbeitet werden, aus Häusern und öffentlichen Plätzen, wo sich das kulturelle Leben der Menschen vollzieht und er ist insgesamt der Raum, worin Menschen wirklich gesellschaftlich aufeinander bezogen sind. Zugleich erkennt man vor Ort, wo wirklicher Mangel herrscht, wo Beziehungen zu anderen Orten nötig sind, um diesen zu beheben, wo Wirtschaft also auch wirklich funktionieren kann. Nur in den Kommunen, Regionen und Ländern lässt sich der wirkliche Bedarf der Menschen zur Grundlage des Arbeitsprozesses machen und sich auch ihr Raumbedarf entsprechend aufteilen. Das muss nicht planwirtschaftlich durch einen Staat geregelt werden. Es genügt, die gewöhnliche Reproduktion als Lebens- und Arbeitsbedingung der Menschen zu konstatieren und durch geeignete Produktionsmittel zu versehen. Was man als Lebensstandard nur erhalten will, das kennt man. Politische Auseinandersetzungen sind lediglich dafür nötig, zu entscheiden wodurch sich die Menschen weiterentwickeln wollen. Politik betrifft die Entscheidungen über Entwicklungen und die Mehrproduktion, die bislang alleine durch das Verwertungsinteresse des Kapitals bestimmt wurde. Wenn die Menschen sich auch wirklich politisch an ihrer Wirtschaft beteiligen können, wird jeder Moralismus, Patriotismus, Nationalismus oder Rassismus unnötig sein, weil die Egozentrik ihrer Konkurrenzverhältnisse unnötig sein wird.

Außerdem ist jeder Ort nur ein Teil der Welt und die Welt besteht aus vielen Orten und alles Örtliche ist daher auch unmittelbar weltlich. Große Transaktionen können heute leichter denn je unmittelbar von Ort zu Ort vernetzt werden und ein gutes Vertragsverhältnis lässt die Produkte besser zusammenkommen, welche die Menschen in den einzelnen Orten benötigen, als die Finanzierungen durch fremdes Geld des vermag.

Ich weiß, es klingt wie ein Märchen. Aber warum sollten wir ohne irgendeine Vorstellung an die Überlegung gehen, wie der Weg in eine andere Gesellschaft ein anderer Weg sein kann als der, den das Kapital anpeilt?

Wie kann man sich vorstellen, dass es eine Welt ohne Kapital geben könnte, dass die Menschen sich ihre Lebensbedingungen selbst wählen und ihre Produkte selbst bestimmen können? Natürlich arbeiten sie auch dann zu bestimmten Zeiten an dem bestimmten Ort, wo sie leben. Aber ihre Unternehmen müssen nicht unbedingt so massiv und groß sein, wie es zur optimalen Verwertung von Geld als Kapital nötig ist. Nicht Werteffizienz ist dann bestimmend, die auch mit allerhand Unsinn verbunden ist, sondern wirtschaftliche Effizienz, also ein effektives Wirtschaften mit Naturbedingungen, Rohstoff, Arbeit und Transport. Nicht die bloße Wertmasse bringt die Wirtschaft voran. Oft könnten die mächtigen Unternehmungen genauso gut aus kleineren Arbeitsmodulen bestehen, die sich durch Vertragswirtschaft ergänzen, z.B. als lokales Kraftwerk mit lokalen Vorteilen durch Wärmeerzeugung.

So jenseitig ist das nicht. Die industrielle Massenarbeit in großen Produktionsstätten nimmt auch schon unter den bestehenden Verwertungsbedingungen ab, weil sie immer unproduktiver wird. Große Fließbänder und große Industrie werden seltener, wo sie durch Roboter und kleinere Arbeitsteams oder Zulieferbetriebe ersetzt werden können. Die viel geprießene Mobilität ist vorwiegend den Kapitalkonzentrationen geschuldet und kostet unnötige Transporte und Zeitverluste.  Im Prinzip können die meisten Menschen dort arbeiten, wo sie auch leben und ihre Zeit so einteilen, wie es ihre Reproduktion und ihre gesellschaftliche Entwicklung erfordert. Soweit die Arbeit unmittelbar ihre Reproduktion betrifft, z.B. in der Lebensmittelproduktion oder Landwirtschaft, lässt sie sich oft auch in kleineren öffentlichen Betriebsstätten der Gemeinden erbringen oder durch Arbeitsaustausch ausgleichen. Zudem kann man sich auch kommunale Produktionsstätten vorstellen, in welchen die Menschen zu ihrer Reproduktionsarbeit zusammentreffen.

Im Großen und Ganzen ist immer der Lebensraum der Menschen ihre wirtschaftliche Existenzform. Wo sie ihre Bedürfnissen und ihrer Arbeit aufeinander auch praktisch beziehen können, da wird keine abstrakt bestimmte Form für ihre Beziehungen und Vermittlungen nötig sein. Alle Beziehungen werden dann konkret, wenn sie in Formen bestehen, worin sich die Menschen auch politisch selbst bestimmen können, sowohl durch die Entscheidung über ihre Lebensqualität, als auch durch ihre Stimme im Bezug auf andere Lebensräume in die ganze Welt hinein. Nur in örtlich klar umschriebenen Gebieten mit konkreten wirtschaftlichen Beziehungen kann es eine konkrete Demokratie geben, eine Demokratie, worin das zählt, was wirtschaftlich nötig und politisch entschieden ist und was nicht der Meinung oder dem guten Glauben irgendeines sich politisch berufen fühlenden Individuums überlassen wird, sondern einem Menschen übertragen wird, der sich vor denen verantwortet, die ihn auch wirklich berufen haben.

Ein räumlich umschriebener Wirtschaftsraum ist die natürliche Basis für die politischen Beziehungen der Menschen, die darin ihre Bedürfnisse befriedigen und ihre Produkte erzeugen. Für das, was sie lokal nicht erbringen können, können sie Verträge mit anderen Wirtschaftsräumen machen. Durch Verträge werden die Arbeitsverhältnisse durchsichtig und wirtschaftliche Ausbeutung überflüssig. Wenn ich meine Arbeit an meinem Arbeitsaufwand bemesse und in Beziehung auf die Aufwände anderer Menschen verhandle, dann wird kein Wert mehr dadurch ermittelt, dass ich sehe, was ich durch meinen Vorteil zum Nachteil des anderen, durch meinen Besitz und seine Besitzlosigkeit ergattern kann. Es geht dann um Eigentum, was der Eigentümlichkeit der Menschen entspricht. Und solche Beziehungen können ohne weiteres auch international sein. Nationalismus wäre hiergegen eine Absurdität. Die Kommunen wären weltweit vor allem Lebens- und Arbeitsstätten und alle Menschen darin könnten von der Produktivkraft zehren, die sie durch ihre Geschichte mit anderen Menschen geschaffen haben. Weil darin der wesentliche Widerspruch des Kapitalismus, der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung aufgelöst wäre.

Der Staat ist letztlich auch nur ein Wirtschaftsraum, wenn man davon absieht, dass er die existenzielle Bedingung und verfasste Form der Kapitalwirtschaft ist. Und er gliedert sich aus den Kommunen und Regionen, in denen die Menschen leben und arbeiten. Im Grunde konstituiert er sich lediglich als komplexere Form der Länder und Kommunen, die nicht nur durch ihn versammelt sein müssen, sondern sich auch untereinander beliebig vernetzen und verfassen könnten.

Als eigenständige politische Form und Exekutive ist der Staat nicht mehr nötig, wenn die Kommunen und Länder in die Lage versetzt werden, sich auf höheren politischen Ebenen zu verständigen und nötige Einrichtungen zu schaffen, durch welche auch höhere oder massivere politische Interessen umzusetzen sind. Die politischen Funktionsträger müssen immer ihrer Herkunft und ihrem Auftrag verpflichtet bleiben, weil sie von dort berufen sind und von dort kontrolliert werden können. Das wäre dann etwas anderes als der Föderalismus, der zwischen Staat und Kommune steht, gleich, ob man es weiterhin Staat nennt.

Kommunalismus als Kulturrevolte

Wir sind auf den Weg in eine andere Gesellschaft. So oder so. Wollen wir den Weg nicht von denen bestimmen lassen, die einen Staatskapitalismus errichten wollen, so müssen wir uns gegen Kapitalisierung überhaupt verhalten – nicht dadurch, dass wir die Banken erstürmen oder die Politik okkupieren. Sondern dadurch, dass wir die Lebensverhältnisse selbst aus den Verhältnissen der Geldwirtschaft emanzipieren. Die Emanzipation aus dem Geldverhältnis muss das allgemeine Ziel einer für die Menschen wirklich anders werdenden Gesellschaft sein. Das klingt kühn und das ist es auch. Es ist wesentlich schwerer und komplizierter, als in der bestehenden Politik im Glauben an die besseren Ideen mitzumachen und sich als politischer Repräsentant zu kaprizieren. Es verlangt vor allem die Herstellung wirklich gesellschaftlicher Beziehungen gerade dort, wo sonst Konkurrenz und Ausbeutung herrscht. Es verlangt die Rückbesinnung auf die Kultur der Menschen, die in den isolierten Existenzformen der Verwertungen zerstückelt ist.

Es geht also um Rückbeziehung auf das Wesentliche der Gesellschaft, das von den Formen der Gegenwart beherrscht wird. Es geht nicht um eine Gesellschaftsdoktrin, nicht um eine neue Form an sich, nicht um ein Dogma zu einer zukünftigen Gesellschaft, sondern allein gegen die Bestimmung einer Form durch den gesellschaftlichen Inhalt, den sie heute schon hat, dem sie aber nicht adäquat ist. Und hierzu muss man sich inhaltlich verhalten – nicht als Parole oder kämpferischer Gestus. Es müssen sich alle Widerstände gegen die herrschende Form in dem zusammenfinden, was sie als Wesentlich für ihre Gesellschaft erkannt haben und sich als gesellschaftliche Beziehung in einer Widerstandskultur einbringen. Ohne eine grundlegende Einigkeit über die Inhalte dieser Gesellschaft wird es immer bei Abstraktionen bleiben – auch wenn sich diese als abstrakter Widerstand artikulieren. Aber in der Gesamtheit dieses Widerstands auf der Grundlage einer menschlichen Kultur, die sich als menschliches Verhältnis zur Natur begreift, ist die Überwindung der alten Formationen möglich. Wo streikende Arbeiter und Arbeiterinnen, Naturschützer, Anti-AKWler, protestierende Schüler und Studenten, Arbeitslose und Arme und Alte auf einer solchen Grundlage zusammenkommen, wird sich eine neue Gesellschaft formieren können, weil sie die alte unnötig macht. Es wird so oder so zu einem Widerstreit von Kommunen und Staat kommen, weil der Staat sich auf die Seite seines Rechts stellen wird, während die Kommunen seine und ihre eigenen Bewirtschaftung sicherstellen müssen. Es kommt also darauf an, in welche Beziehungen dieser Widerstreit aufgelöst wird. Der Staat wird sich zur Not auch gegen die Kommunen verhalten, die sich gegen seine Forderungen und Gesetze stellen. Und es wird nicht leicht sein, die Widerstandskultur in einen Aufstand der Kommunen zu überführen.

Das wird nicht ohne heftige Auseinandersetzungen mit anderen Menschen, aber auch gegen die Formationen der Staatsgewalt abgehen. Aber die gesellschaftlichen Konflikte, die jetzt anstehen, werden diese Frage der Veränderung schon von selbst aufwerfen. Nicht nur die Arbeiter und Angestellten befinden sich in einem beständigen Konflikt um ihre Lebenslage, weil ihre Wertlage sich ständig mindert, weil die Reallöhne seit 15 Jahren ständig sinken. Auch die Kommunen und Länder stehen im Gegensatz zu den politischen Interessen des Staates und der EU. Die Staatsgewalt wird immer mehr von oben nach unten losgehen und der Widerstand hiergegen muss überall sein, wo unten ist und sich dort auch verbinden: In den Betrieben, den Ausbildungsstätten, den von der Gen- und Atomindustrie okkupierten Gebieten, usw. oder kurz: in den ganzen konkreten Lebenswelten der Menschen. Sie müssen sich einmischen in die politischen Entscheidungen in den städtischen und landespolitischen und bundespolitischen Parlamenten, nicht um dort Parlamentarier zu werden, sondern um das Handwerk des repräsentativen Parlamentarismus bloß zu stellen. Und  sie müssen Rechte erkämpfen, die sie in die Lage versetzen, ihr Leben jenseits der Kapitalbedingtheit verteidigen zu können. Es wird hierfür auch nötig sein, eine politische Gesellschaftsform zu erarbeiten, die sich allgemein von unten her bestimmen lässt und die keinen Staat nötig hat, der eine eigenständige Gewalt darstellt. Im Grunde geht es um eine Demokratie, die nicht auf Repräsentation sondern auf gesellschaftlichen Auseinandersetzungen über die wirtschaftliche Gestaltung ihrer Lebensgrundlagen beruht.

Das kann nur ein regionaler und überregionaler Parlamentarismus sein, der auf der Wirtschaft der Kommunen gründet. Die Auseinandersetzungen hierüber werden aber nicht in den bestehenden Parlamenten wirklich laufen können. Sie kulminieren ja schnell in einer Systemfrage. Deren Beantwortung entscheidet, was die gesellschaftliche Veränderung wirklich ausmachen soll. Und darin werden sich die Mächte der Gegenwart gegen die Veränderung rüsten. Die Mittel und Gewalten des Staates werden sehr wahrscheinlich gegen die Menschen gerichtet werden. Denen bleibt nur die totale Verweigerung, der Generalstreik. Doch der wird nur dann die Gesellschaft in ihrem Sinn verändern, wenn er einen festen Boden hat, wenn er sich als Widerstandskultur zuträgt, worin die Menschen ihr Leben auch wirklich erkennen und vollziehen können und in der alle Momente zusammengefasst sind, die durch die Verwertungsinteressen des Kapitals in Not geraten sind. Das wird dann auch notwendig dazu führen, dass ihre Gesellschaft an ihrer wirklichen Quelle, also von den Kommunen ausgehend, entwickelt werden kann.