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Themenabend der Kulturkritik München:
_Zur Grundlegung der Kritik der politischen Ökonomie: Der Wertbegriff als Realabstraktion_

Diskussionsgrundlage zu Realabstraktion:
Kulturkritisches Lexikon (
http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=realabstraktion)

In aller Kürze:

In der Anschauung gibt es zwar Bedürfnisse und Arbeit, Gebrauch von Sachen und deren Erzeugung, nicht aber Wert. Und obwohl das Wertwachstum das gesamte Leben im Kapitalismus bestimmt, seine Krisen hervorruft und seine Kriege, kann man Wert nicht mal wahrnehmen, wenn man Geld zu Händen hat. Hinter den Rücken der Menschen setzt er sich als Prinzip ihrer Verhältnisse durch, dem sie schließlich wie durch einen Sachzwang unterworfen sind. Um die Herkunft dieses Prinzips und um das Verhältnis hierzu als Kritik der politischen Ökonomie soll es an diesem Abend gehen.

Begründung:

In Abstraktionen zu denken ist einfach und meist sehr beliebig, kann man damit doch jedwede Zusammenhänge so behaupten, wie man sie abstrahiert. Aber es ist für das Denken der schwerste Akt, Abstraktionen als Wirklichkeit zu erkennen und aus dieser heraus zu begreifen. Doch gerade darin steckt sein Geheimnis, das Interesse, wirkliche Rätsel aufzulösen. Abstraktes Denken bleibt pure Mythologie, setzt es sich nicht mit wirklichen Dingen auseinander, durchbricht es nicht deren wirklichen Mythos, die Fetische der Wirklichkeit, die ihren Mangel ausfüllen. Ihm eröffnet sich ihre unvollendete Geschichte, die in ihrer Abstraktion vollkommen sein will, als Erscheinung des Unwirkllichen wirkliche Vollkommenheit behauptet und nur durch Macht und Gewalt Geschichte machen kann. Diese ist dann die Geschichte der herrschenden Gewalt als Reaktion gegen die Widersprüche der Wirklichkeit, die sich als reaktionäres Bedürfnis aus vergangener Geschichte begründet, als Macht des Toten über das Lebendige herrschen will.

Um die Farce solcher Totalitäten zu entschleiern muss begriffen sein, was sie noch am Leben hält, was ihre Abstraktion so real sein lässt: In der Realabstraktion verbirgt sich die Not menschlicher Realität ebenso, wie die Notwendigkeit der Verwirklichung menschlichen Lebens, die Unnötigkeit der herrschenden Lebensformen wie der Aufstand des Lebens gegen die Macht derer tödlichen Umklammerung der Menschen durch den Schein des Lebensgewinns im Lebensverlust, dem Anschein einer Gesellschaft, die auf der Isolation der Menschen und ihrer Leidenschaft, ihrer Tätigkeit und ihrem Leiden beruht.

In der Realabstraktion ist der Begriff des Prinzips, worin Leben untergeht, der Begriff des lebenden Todes benannt. Um ihn zu erkennen, muss die ganze Erscheinungswelt von Lebenswidersprüchen analysiert werden. Wenn hieraus deren Begriff richtig gefunden ist, so bewahrheitet er sich in der Erklärung aller Zusammenhänge, die ohne ihn nicht zusammenkommen, das abstrakte Ganze, in dem sich die Teile zusammenfinden. Aus deren Bewegung und Verhalten erweist er sich dann als die Begriffsubstanz aller Prozesse und wird zum Beweis der Notwendigkeiten, welche die darin vollzogenen Beziehungen verfolgen nüssen, solange sie in ihrer realen Abstraktion verbleiben. Er beweist die Fortbestimmung des Abstrakten im Konkreten als Selbstaufhebungsprozess des Konkreten im Abstrakten: Sowohl Fortschritt wie auch Untergang des Realen. Fortschritt bietet die Abstraktion durch die Hinzunahme unbestimmter Beziehungen, durch rein quantitative Bereicherung aus der konkreten Vielfalt der Begebenheiten und Gegenbenheiten; den Untergang betreibt sie durch die Vereinseitigung des Lebens zur Einfältigkeit, zur Reduktion seiner Vielfalt und Verarmung seiner Geschichte bis hin zur deren Aufhebung und Selbstzerstörung (Barbarei).

In der Realabstraktion verhalten sich die Resultate von menschlicher Geschichte als politische Macht gegen die wirkliche Geschichte der Menschen, das Tote gegen das Lebende als Herrschaft des Bestehenden, des Gewohnten, das Gewordene gegen das Werdende, das Unvollständige, Gestalt suchende, das Geschöpf gegen das Schöpferische, das Bekannte gegen die Erkenntnis. In Macht ist das Einssein des Vielen in der Einfalt des Nötigen, welchem die Geschichte verharrt. In ihren Notrwendigkeiten werden die Menschen geschichtslos, verharren selbst in dem, was sie schon waren und bleiben Objekte ihres eigenen Tätigkeit. Es macht die Realabstraktion daher auch den Begriff der Entfremdung und Selbstentfremdung des Menschen aus, die Substanz, durch welche er von sich selbst absieht.

Es ist auch der Konkretismus der Realabstraktion zu bedenken, das Hervorkehren des Abstrakten als Konkretes, die reaktionäres Denken ausmacht und die Ideologie von Blut und Boden, Heimat und Herd, Volk und Volksfeind, Rasse und Rassismus ausfüllt. Es handelt sich hier nicht nur um Ideologie, um Naturalisierung des Abstrakten zur Mythologie und Archetypie; es ist dies auch der natürliche Schein des Abstrakten, der unbegriffen in das Lebensverständnis von Menschen eingeht, die sich als Meister der Not aufspielen wollen, indem sie den Notwendigkeiten des Faktischen das Wort reden. In solch affirmativer Subjektivität äußert sich ein hierfür politisch notwendiger Wille, der aus dem Aufhebungsprozess der bürgerlichen Gesellschaft, aus der Negation ihrer Ökonomie, Kultur und ihres Sozialwesens hervorgeht, sich ihm als Forderung der Bürgerlichkeiht nach ihrem Ganzein, als totale Burgherrlichkeit entgegenstellt, als Heilsforderung nach konkreter Gesellschaftlichkeit ohne konkrete gesellschaftliche Entwicklung, als Inbegriff abstrakter Gesellschaft schlechthin, als Erfordernis und Gesinnung einer übermenschlichen Gesellschaft. Es ist die Hochform eines verselbständigten politischen Willens, der seine Realabstraktion aus der Zerstörung seiner Voraussetzungen nimmt. Er funktioniert durch die seelische Realitäten der Heilserwartung, durch die isolierte Affirmation im Erleben der darin überwundenen Wirklichkeit als Totalität eines abstrakt menschlichen Sinns, in den Lebenswerten der Selbstwahrnehmung.

 

Quellen:

zu Wirtschaft:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=wirtschaft)

zu Kritik:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=kritik)

zu Gebrauchswert:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=gebrauchswert)

zu Tauschwert:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=tauschwert)

zu Wert:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=wert)

zu Wertsubstanz:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=wertsubstanz)

zu Wertgröße:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=wertgroesse)

zu Warenfetischismus:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=warenfetisch)

zu Lebenswert:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=lebenswert)

zu Übermenschlichkeit:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=uebermensch)