Wolfram Pfreundschuh (8.7.2011)

Entfremdetes Wachstum
- über die Wucherungen einer unheimlichen Geldvermehrung

Im Streit um die von der FDP geforderten und von Frau Merkel wieder mal eilfertig bedienten Steuersenkung bekennt der Finanzminister Schäuble endlich, dass die Finanzen nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Am letzten Mittwoch verriet er dem deutschen Parlament als sein finanzphilosophisches Statement: "Die ganze Zukunft des Finanzwesens ist ein Geheimnis". Auch anderswo ist durchgedrungen, dass es nicht so weitergehen kann, wie es das System der Benaken für nötig hält. Am vergangenen Samstag hatte auf der Jahrestagung der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche der jedem revolutionären Impuls bislang unverdächtige Günter Grass in Hamburg folgende Rede gehalten:

"Das Auseinanderdriften in eine Klassengesellschaft mit verarmender Mehrheit und sich absondernder reicher Oberschicht, der Schuldenberg, dessen Gipfel mittlerweile von einer Wolke aus Nullen verhüllt ist, die Unfähigkeit und dargestellte Ohnmacht freigewählter Parlamentarier gegenüber der geballten Macht der Interessenverbände und nicht zuletzt der Würgegriff der Banken machen aus meiner Sicht die Notwendigkeit vordringlich, etwas bislang Unaussprechliches zu tun, nämlich die Systemfrage zu stellen." (SZ vom 4.7.2011)

In den Medien beklatscht man lieber die Eliten. Die Krise sei überwunden, heißt es dort, die Auftragsbücher voll und von daher auch die Wirtschaft wieder voller Zuversicht, dass nun wieder frisches Geld in Umlauf komme. Es werde wieder investiert und also auch viel Geld nötig, aus dem sich Geld machen lässt (1). Und darum geht's ja letztlich, denn altes Geld verliert schnell seinen Wert, wenn es nicht angewandt, also nicht gebraucht wird. Wenn aber investiert wird, dann feiern die Banken, denn die leben vom Wert des Geldes, vom Geldbedarf, den sie gerne bedienen, wo Geldeinsatz sich lohnt.

Doch das tut er nicht mehr so oft in der breiten Wirtschaft des Mittelstands. Großprojekten dagegen, deren Verwertungslage stabiler ist, als der von Wertschwankungen geplagte Mittelstand, boomen und verfärben jede Statistik schwarz. Doch für den weitaus größten Teil der Bevölkerung ändert sich nichts. Die sehen nur rot, denn die deutschen Billiglöhne bleiben, und nur die Billiglöhner können noch in den Arbeitsmarkt gelangen und bestimmen daher auch die Arbeitspreise. Sie sind schließlich das Material der boomenden Wirtschaft, das spricht man offen aus. Es sind die niedrigsten in ganz Europa (2). In Deutschland sind nach offizieller Statistik über 6,5 Millionen Menschen prekär beschäftigte, zu denen noch mindestens. 3 Millionen Arbeitslose zu rechnen sind, will man die Armut überhaupt nur ansatzweise statistisch erfassen. Und da sind noch nicht dabei die in Kurse abgedrängten Arbeitslosen, die früh verrenteten und die Rentner überhaupt, die sehr oft unterhalb des Existenzminimums vegetieren müssen oder einen Spottbetrag zur Existenzsicherung beziehen. Schon gar nicht sind die Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Ausland und die im Ausland lebenden dabei berücksichtigt, deren Produkte und deren armselige Existenz in Asien, Afrika oder Lateinamerika den deutschen Reichtum befördern, den Reichtum an Geld eben.

Die Macht der Eliten wächst, wenn die Löhne sinken. Deutschland ist gespalten in große Extreme zwischen arm und reich. Und hierdurch ist es zur Elite auf dem Weltmarkt geworden, weil es eben das Land der Eliten geworden ist. Aber die machen den geringsten Teil der Bevölkerung aus. Das verfänglichste ist das Heer einer wabernden Mittelschicht, die mal an den Rand der Existenz abgedrängt wird und dann auch wieder in der Hoffnung hochkommt, dass sie mal dazu gehören könnte zum guten Leben. Irrtum! Es werden immer nur wenige bleiben können (3).

Prekär geht es inzwischen auch ganz allgemein in vielen Ländern der EU zu, deren Wirtschaft vermittelst der europäischen Finanzwirtschaft ausgelaugt ist. In Griechenland, Portugal, Irland, Lettland, Island - inzwischen auch in Italien und Spanien - leben die meisten Menschen bereits an und unter der Armutsgrenze. Sie finden immer weniger Arbeit zum Selbsterhalt. Und wer einen Platz in der umworbenen Arbeitswelt hat, dem fressen die Mieten und Grundkosten den Großteil seines Einkommens wieder weg. Durch Arbeit wird niemand reich. Nur wer schon genug Geld besitzt, kann reicher werden. Es ist das alte Lied des Kapitals, das Lied vom Geld, das arbeiten würde, während es Menschen dazu abrichtet, mehr zu arbeiten, als sie zu ihrem Leben haben können.

Die Theorie vom arbeitenden Geld ist so alt wie der Kapitalismus selbst. Es sei die Überwindung des Investitionsrisikos, was Geld schaffen würde. Man müsse es durch Masse mindern, das Wertwachstum durch Spekulation beleben und verstetigen, dann würde der Kapitalismus irgendwann schon wieder funktionieren, die Profite sprießen und mit ihnen auch die Bevölkerung bereichert werden, weil dann ja auch wieder arbeiten "darf", der gerade mal eben arbeitslos gemacht worden war. Gerne sehen sich daher auch die Unternehmer als die eigentlichen Leistungsträger. Ihr Geld würde sich durch die Bewältigung ihres Finanzrisikos vermehren, der Vorschuss ein Verdienst der Kapitalisten sein, heißt es. Und wenn sie es vermehrt haben, dann würden sie es ja auch wieder investieren, für alle natürlich, für die Wirtschaft überhaupt, für Land und Leute versteht sich. Aber leider, leider lohnt sich das nicht immer, und deshalb müssen sie es auch auf den Aktien- und Geldmärkten anlegen. Zur Sicherheit eben, und auch zur optimaleren Anwendung als vergrößerte Geldmasse, die verfügbar ist.

Aber je mehr Geld sie haben, desto schwieriger wird das, denn Geld lohnt nur dort wirklich, wo man was damit auch machen kann. Mit der Aufschatzung immer größerer Geldsummen will man dem Risiko der Märkte entgehen. Aber das größte Risiko ist ja gerade der bloße Geldschatz, um den nur gewettet werden kann, weil er lediglich eine Warteschlange darstellt, wenn das Kapital fiktiv geworden ist, Spekulationsmasse einer Anwendung im Irgendwo.

Diese Schlange macht ihre eigenen Bewegungen. Sie ist selbst zum tragenden Teil eines globalen Kreditsystem geworden, das nicht mehr aus der Vergangenheit schöpfen kann, weil es nicht mehr mit dem bezahlt, was es übrig hat, sondern mit der Erwartung, dass sich Geld durch Geld bestimmen lässt, dass es keiner realen Aufschatzung mehr bedarf, wenn schon ein Zahlungsversprechen die Menschen zur Arbeit bringt. Vor dem Hintergrund großer Schätze lässt sich Geld auch schon vermehren, wenn man es als Anteilsschein eines bloßen Erfolgsversprechens - als Geld oder Wertpapier - druckt, das als Kredit in die Zukunft nach Verwertung sucht. Intelligenz und Automation haben es unter dem Kommando des Kapitals ermöglicht, dass materielle Produktion zur Nebensache geworden ist. Das Kapital hat im großen Stil sein materielles Vermögen amortisiert um es als Verwertungsmacht einzusetzen, als Miete oder Gebühr, die Geld einbringt, wo man nicht umhin kommt, weil man damit leben muss. Das Kapital verwaltet Werte, die keinen materiellen Wert mehr haben müssen, für die man aber wohl noch Käufer oder Nutzer braucht, um solchen Wert auch einzunehmen. Agenturen für Werbung, Kommunikation und Vermittlung haben deshalb auch selbst schon einen enormen Wert bekommen, weil sie dies ermöglichen. Was das Kapital nicht aus vergangener Produktion hat, das muss ihm die Zukunft bringen; was die Vergangenheit nicht gebracht hat, das wird durch bloße Erfolgsversprechen verstetigt und der Zukunft geschuldet.

Dem Geld sieht man nicht an, woraus und wozu es entstanden ist. Man kann ihm seinen Wert glauben oder nicht; beides ist nicht ganz falsch. Aber in solchen Glaubenssphären gibt es ganz offensichtlich eine ungeheuerliche Geldvermehrung nur deshalb, weil Geld alle anderen Verhältnisse zu verdrängen in der Lage ist, auch wenn es letztlich nur durch sie besteht (4). Die Geschichte hat sich in sich selbst verhakt: Es werden unglaubliche Mengen an Wert produziert und zugleich gehen auch unglaubliche Wertmengen immer wieder auf den Märkten des Finanzkapitals oder in den Tresoren der Banken oder auf den Halden der Überproduktion verloren. Es ist offensichtlich, dass da etwas nicht stimmen kann und dass es umso schlimmer wird, je mehr sich die Menschen der Illusion hingeben, durch Mehrproduktion würde die Wirtschaft wachsen und durch ein stetiges Wirtschaftswachstum würde man letztendlich wirklich und dauerhaft aus den Krisen des Kapitalismus herauskommen. Diese Illusion entsteht vornehmlich durch das Bestreben des Kapitals, seine Märkte auszudehnen, um seine Krisen dadurch zu meistern, dass es seine Produktionskosten noch verbilligen oder Billigprodukte in großer Masse absetzen kann. Beides hat mit der Anwendung gesteigerter Produktivität zu tun, solange sie durch die Kaufkraft der Märkte aufgenommen werden kann. Doch die hängt weniger von der Produktionsmasse als solche ab, sondern von dem Lohnniveau der darin noch verausgabten menschlichen Arbeit, also schlicht und einfach davon, was die Menschen überhaupt noch von ihrem Lohn haben und ausgeben können. Der Trieb der kapitalistischen Produktion kommt immer wieder an seine Grenze, weil er sich wie von selbst beschränken muss, die Arbeitskosten unbedingt reduzieren muss, während sich sein Mehrwert zugleich vermehren soll. Kapital soll mehr unbezahlte Arbeit einnehmen, während es zugleich die Produktionskosten drosseln und den Markt für die Produkte ausdehnen, also auch Wert für ihren Abverkauf als Lohn ausgeben muss (5). Das beides geht nicht, so hatte es schon Karl Marx festgestellt als er schrieb:

"Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde." (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.25, S. 501)

Wirtschaftswachstum? Was wächst denn da eigentlich?

Das Streben nach Marktausdehnung und Kostenminderung wird inzwischen als Wachstumsproblem überhaupt diskutiert und in dieser Diskussion, die vorwiegend in den Kreisen der "Solidarischen Ökonomie" und innerhalb von Attac geführt wird, wird entgegen der Wachstumsgläubigkeit der Regierungspolitik ein Ende des Wachstums gefordert und für eine Postwachstumsökonomie (6) plädiert, so, als ob es lediglich eine Frage des politischen Willens sei, ob das Wertwachstum begrenzt werden könne oder nicht. Solche Ökonomie zielt auf eine gesellschaftliche Veränderung, welche die Märkte selbst einer politischen Kontrolle unterziehen will, ohne dass die Durchsatzkraft des Privateigentums gegen das gesellschaftliche Vermögen dabei verändert werden müsste (7). Man müsse das Wachstum als solches drosseln oder zumindest Rahmenpläne aufstellen (8), durch welche es eingegrenzt werden könne ("Ausgewachsen" von Werner Rätz, Tanja von Egan-Krieger u.a., VSA-Verlag 2011, S. 137) oder es müsse durch eine ökologische Steuerreform so gemaßregelt werden (S. 138), dass sich das Wirtschaftswachstum vernünftig bestimmen lasse, indem man die "wachstumssteigernde Funktion der Staatsverschuldung" abbauen könnte. Es ginge um eine "ökologische Wirtschaftsdemokratie" (S.139), für welche auch die bestehenden Kapitalformationen einsetzbar und auch durch Mehreinnahmen per Steuern zu nutzen wären. Geld würde damit sozusagen eine positiven, einen ökologischen und sozialen Wert bekommen, durch den sich das Wirtschaftswachstum zugunsten eines besseren Lebens "dämpfen" lasse (8a).

Man mag es sich halt einfach mal nett einrichten. Nach dem Motto "Wie basteln wir uns eine bessere Welt" werden in dem neuen Attac-Buch "Ausgewachsen" viele schöne Bilder ausgemalt, wie man gegen das böse Wirtschaftswachstum vorgehen könne. Doch was ist das darin unterstellte Wachstum denn eigentlich, das doch nur als Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu verstehen ist? Und wenn man es einfach nur drosselt, warum verschenkt man dann die Möglichkeit, die Menscheit adäquat zu ernähren, wo alle 3 Sekunden ein Kind an Unterernährung und Hunger stirbt? Wirtschaftswachstum ist offenbar kein Begriff, sondern eine bloße Vorstellung, mit der man verbinden kann, was man will.

Der verhängnisvolle Fehler in dieser Diskussion ist die Gleichsetzung von Wirtschaftswachstum im Sinne einer Anreicherung durch Produkte auf den Warenmärkten und dem Wertwachstum, den die gehandelten Produkte, Dienstleistungen und Lizenzen (z.B. auch Bankgeschäfte und Mieten) darstellen. Letztres muss zweifellos stetig wachsen, schon um der dem Widerspruch des Kapitals (9) immanenten Notwendigkeit der Werterhaltung und Wertsteigerung des Geldes Folge zu leisten und den Zusammenbruch des Bankenwesens und der davon abhängigen Industrie entgegenzuwirken. Doch wer will behaupten, dass es die Menge an Öl ausmacht, die anwächst, wenn der Barrel-Preis von 30 auf 140 Dollar steigt, oder dass es das Mehr an Wohnungen durch Hausbau ist, das die Umsätze durch Mieten verdoppelt hat oder dass es die Zunahme an Energiereaktoren ist, welche die gehandelten Energiewerte hochgetrieben hat? Es wäre doch eher umgekehrt, wenigstens nach der herrschenden Vorstellung, dass Preise durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt wären. Mehr Wohnungen müssten Mieten drücken, mehr Energie ihren Preis mindern. Das geldwerte Wachsen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sagt im Grunde sehr wenig über das reale Wachstum der Produkte aus. Dieses bleibt hauptsächlich von Löhnen und Exporten abhängig. Und wer will behaupten, dass die Löhne so gewachsen sind, dass die gehandelten Produktpreise ein Wirtschaftswachstum darstellen könnten? Es ist doch wesentlich der in den Preisen der verkauften Waren realisierte Mehrwert pro Masse des eingesetzten Gesamtkapitals, also das Verhältnis von Mehrwert zu Kapitaleinsatz, die Profitrate, welche die Verwertungslage kennzeichnet. Und die kann auch bei geringer werdender Produktmenge, z.B. bei verminderter Fördermenge von Öl oder Energie oder Wohnungsbau wachsen, weil dadurch bei gleichbleibendendem Arbeitslohn der Preis der Produkte in die Höhe getrieben wird. Es bleibt ein ziemlicher Unsinn, wenn zwischen Wertwachstum und Wirtschaftswachstum nicht unterschieden wird. Zudem kann Wirtschaftswachstum im eigentlichen Wortsinn nur heißen, dass die Wirtschaftlichkeit der Produktion wächst, dass also mit geringerem Aufwand effektiver produziert wird, also in der Tat weniger Arbeit und geringerer Rohstoffverbrauch nötig ist (9a). Und gerade dies verhindert das Kapitalwachstum.

Ein Wirtschaftswachstum als Produktwachstum auf den Märkten gibt es nicht ohne Lohnsteigerungen. Und die kann sich das finanzmarktgesteuerte Kapital nicht mehr leisten, weil es seine Gläubiger, die Aktionäre und Banken, aufgeben müsste. Wohl aber gibt es ein permanentes Anwachsen der angewandten Wertmasse, dem Mehrwert, der aus unbezahlter Mehrarbeit entspringt. Es ist lediglich das geldwerte Wachstum des Bruttoinlandprodukts, das Anwachsen der Wertmasse des umgesetzten Geldes, die das Verwertungsproblem ausmacht. Richtig ist allerdings schon, dass das Wertwachstum die Rohstoff- und Energieumsätze aufheizen kann. Aber wichtig wäre gerade deshalb die Analyse, aus der hervorgeht, dass es nicht das Wachstum ihrer Produktion, wohl aber ihrer Verwertung ist. Auch wenn sich dies als vergrößerte Masse der Produktion darstellen kann, so ist es ein ander Mal ihre bloße Verteuerung, wieder ein andermal die Minderung der Produktionskosten, die Verbilligung der Arbeit oder der Import von Billigarbeit, die auf dem Inlandsmarkt teuer verkauft wird oder die Erhöhung der Umsätze im Bankengeschäft. All dies macht das BIP fetter. Das kann weder durch eine reduzierte Produktion und schon gar nicht wird die durch "ökologische Steuern" geändert werden. Im Gegenteil. Diese verschärfen lediglich die Ausbeutung der Menschen, indem sie ihre Reallöhne kappen. Wichtig ist, im Wertwachstum die politische Macht der Eigentumsform des Kapitals selbst herauszustellen, darzustellen, warum sich dessen Verwertung als bloße Vermehrung des Geldes immer wieder durchsetzt (10). Es handelt sich eben nicht wirklich um ein Wachstum, einem Überschwang unseres Lebensstandards in Luxus und Völlerei etwa, sondern umgekehrt um die beständige Vermehrung von Geld, die Aufblähung und Vernichtung seines von Menschen erarbeiteten Werts, dem die Masse der Produktion eben nicht entsprechen kann, weil die Löhne dafür nicht hinreichen, ihrem Prinzip aber immer folgen muss, solange es auf Kapitalvorschuss beruht.

Wertwachstum ist letztlich und für sich genommen nur die Aufschatzung von Geldwerten, die als Quantum an aufgebrauchter Arbeitszeit, nur zu einem geringen Teil in ein Produkt eingegangen ist, das zur Reproduktion oder für einen verbesserten Lebensstandard gebraucht und gekauft wird. Zum weitaus größeren Teil existiert es aber als geldwertiges Warenkapital fort, das lediglich den Markt auffüllt und die Preise bestimmt, aufgehäuftes Wertmaß, in welchem sich die Preise bemessen, mal reduzieren und mal aufpeitschen. Diese ganze absurde Wertvermehrung ist Ausdruck einer absurden Produktionsweise, die in unbestimmtem Umfang Waren auf den Markt wirft, um auf diesem durch sie eine Macht in der Preisbildung zu erlangen. Sie beruht einerseits auf der Aneignung unbezahlter Arbeit und andererseits auf der Verselbständigung ihres Werts in den Sphären des Finanzmarkts, worin diese "Wachstumsmerkmale" zum Material von Wetten geworden sind, die immer weniger mit wirklichen Wirtschaftsinteressen zu tun haben. Ein reales Wirtschaftswachstum, also die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Produktion, findet nur statt, wenn es dem Wertwachstum, also der Geldvermehrung dienlich ist. Hiergegen anzukämpfen kann nur heißen, gegen die Grundlagen des Wertwachstums, gegen alle Formen unbezahlter Arbeit und ihrer Aneignung anzugehen. Ohne diese Folgerung wird die politische Konsequenz auf einen ungeheueren Irrtum hinauslaufen: dass nämlich Wachstum durch Rahmenpläne, Steuererhöhungen usw. zu drosseln sei, um das Wertwachstum von seiner öffentlichen Gestalt zu befreien – und es damit postwendend zu beschleunigen, weil Steuern und Abgaben die Ausbeutung nur verschärfen (11).

Nicht die wirklich für die Menschen vorhandenen Güter machen das Problem, sondern die Verwertung ihrer Arbeitskraft, welche eine Unmasse von Produkten nötig hat, die zu einem Teil auch verschwendet und vernichtet werden müssen, um die Verwertungslage des Kapitals aus seiner durch übermäßigen Geldreichtum erwirkten Krise immer wieder auszulösen. Nach wie vor bleibt das Verhältnis von Arbeit und Lebensunterhalt der grundsätzliche Ansatzpunkt einer Entgegnung gegen das Wertwachstum, weil sich darin auch der ganze Widerspruch des Produktionsverhältnisses zuträgt (12). Und dieser steckt schon im Geldverhältnis selbst, worin sich die Märkte entfalten.

Geld, der Mittler zwischen Preis und Wertmaß

Positivisten wissen nichts von den Abstraktionen, die als Negation der Wirklichkeit die Welt antreiben, Wesen und Erscheinung gegeneinander stellen und zueinander verkehren. Sie verstehen die Welt positiv original und belegen ihr Wissen daher auch nur rein quantitativ, statistisch. Für sie ist Geld ein Zahlungsmittel, das mal viel und mal weniger einbringt, je nachdem, wie gut es verwendet wird, wie günstig man einkauft und verkauft und wieviel man aus dem Tausch herausholen kann, wo immer das auch herkommen mag, was dabei gewonnen wird. Und weil nur durch Geld auf dieser Welt wirklich was in Gang gesetzt werden kann, scheint jeder auch damit weiterzukommen, solange er es hat. Man hält die Marktwirtschaft von daher gerne für eine Win-Win-Beziehung, versteht sie als eine Art Schnäppchen-Jagd im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, das Glück des Zufalls, das natürlich genauso gut als Risiko verstanden werden kann, das jeder Einsatz für diese Beziehung mit sich bringt. Jeder bekommt was davon ab, solange er was davon hat. Ist je eigentlich ganz einfach. Doch wie kommt es, dass sich dabei Gegensätze entwickeln, dass immer nur der eine gewinnt, während der Andere verliert? Das muss dann doch wohl etwas komplizierter sein. Das liegt an der Kluft, die sich zwischen Angebot und Nachfrage spreizt, die Getrenntheit ihrer Welten zwischen Arbeit und Konsum, ihre abstrakte Arbeitsteilung.

In dem beständigen Wertvergleich der Waren bilden sich ihre Preise als das, was man für sie an Geld bekommt, bzw. das, was man für sie an Geld verausgaben muss. Tatsächlich bemisst ja auch jede Ware ihren Preis im Verhältnis zu anderer Ware und verändert diesen je nach Erfolg oder Misserfolg der Vergleichakte, also danach, ob sie erstanden wird oder zum Ladenhüter werden könnte. Doch diese Preisbildung ist nicht willkürlich und nur einem wilden Treiben von Zufälligkeiten auf dem Markt entsprungen. Sie stellt sich früher oder später als eine objektiv allgemeine Wertlage der Dinge heraus, auf die sich die einzelnen Menschen mehr oder weniger bewusst aus dem Kalkül beziehen, wie sie dabei am günstigsten verfahren. Niemand will gerne draufzahlen. Er will mit geringstem Aufwand am besten das Beste erzielen. Letztlich stellt sich im Vergleich der Waren der Aufwand heraus, den die Menschen in der Herstellung der Waren betreiben müssen, bevor sie sie auf den Markt bringen können oder dem Lohn, das Geld, das sie bekommen, um ihre Lebensmittel einzukaufen.

Die Wahrheit nämlich ist, dass ihr Geld schon als Zahlungsmittel ihrer Produkte und der Gegenstände ihres Bedarfs nicht einfach nur ein leeres Quantum darstellt, sondern zwei gegensätzliche Positionen vereinnahmt, - nämlich die des Käufers, der für sich und sein Leben etwas erwerben will und hierfür Geld ausgibt, und die des Verkäufers, der sich auf dem Markt an eine Gesellschaft von Käufern wendet, für die er den Wert seiner Arbeit feilzubieten hat im Wertabgleich mit allen anderen verfügbaren Waren. Das vollzieht sich beides in der Preisbildung und bestimmt diese. Im praktischen Leben hat das einfachste Geld daher schon einen widersprüchlichen Zweck: Der Verkäufer veräußert ein Gut oder seine Kraft an einen Käufer, der ihm dafür ein werthaltiges Mittel, eben Geld als Wertmaß, als gesellschaftliches Faustpfand des Handels übereignet. Während der eine sein einzelnes wirkliches Vermögen als isoliertes Vermögen verausgabt, erhält er vom anderen das, was dieses in diesem Augenblick an gesellschaftlichem Wert - eben durch alle anderen Waren - darstellt. Dieser Wert ändert sich zwar ständig je nach Raum und Zeit, Produktivkraft und Produktmasse, aber er stellt über diesen Wechsel hinaus immer den Aufwand dar, der in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit durchschnittlich betrieben werden muss, um eine bestimmte Sache zu erzeugen und in Umlauf zu setzen. Und dieses Maß bewahrheitet sich daher immer erst im Nachhinein und nach vielen Vergleichsakten beim allgemeinen Warentausch. Der Wert einer Sache lässt sich also gar nicht aus dem Moment heraus ermitteln, in welchem ein Vermögen übertragen wird. Das ist eigentlich das ganze Problem mit dem Geld, wenn man es ganz einfach ausdrücken will. Die Sache muss schon im Vorhinein des Tauschaktes einen Preis haben, um veräußert zu werden, aber das Maß der Preise, das Wertmaß, resultiert erst aus einer ganzen Reihe vieler Verkaufsakte im Nachhinein eines gesamten Marktgeschehens. Es besteht aber als Quantum einer Wertmenge, als Geld, welches letztlich auch alle Preise einlösen können muss, sollen sie nicht ihren Wert verlieren. Doch das geschieht zwangsläufig, wenn Geld entwertet wird, weil es zuviel ist oder überwertig wird, wenn es zu wenig ist. Die Preise selbst können nur funktionieren, wenn sich das geldwerte Quantum ihnen auch wirklich zuordnen lässt.

In seiner Zwiespältigkeit hat dieses Quantum seine eigene Beziehungswelt. Als Maßstab der Preise ist Geld etwas gänzlich anderes, als es als Maß der Werte sein kann. Erstres ist zufällig und relativ, während letztres sich aus einer gesellschaftlichen Tatsache ganz allgemeinen begründet: Aus dem allgemeinen Aufwand ihrer Herstellung. Und dieser ist je nach Entwicklungsstand der Gesellschaft, der Menschen und ihrer Produktionsmittel verschieden, kann heute noch groß und morgen schon klein sein, wenn sich die Produktionsmittel verbessert haben; er unterliegt dem historischen Wandel der Produktivität. Doch er bemisst zu jeder Zeit, wo Waren getauscht werden, ihren Wert. Letztlich begründet er sich aus der Arbeitszeit, welche der Lebenszeit der Menschen hierfür entnommen wird. Nicht das Tempo und die Kraft der Maschinen bestimmt dies, denn diese sind tote Produkte, die lediglich vergangene Arbeit Stück um Stück in die Produkte abgeben. Auch für den gesamten technischen Aufwand gilt dies. Der Wert der Güter stellt in einer Waren produzierenden Gesellschaft immer den Aufwand an menschliche Arbeitszeit dar, den ihre Erzeugung kostet. Im Geld stellt er sich nicht als Zeitfaktor der Arbeit, sondern als Preis dar, als Tauschwert, in welchem die Produkte ebenso aufeinander bezogen werden, wie die aarbeitenden Menschen selbst: Nicht als das, was sie organisch sind, sondern als Träger von Wert. Im Geld wird alles in einer quantifizierten Form transportiert, die dem Markt entspricht, gleich, wie es für die Menschen und ihren Sachen ist. Qualitativ wird damit alles aufgehoben, was darin quantifiziert ist, ob aus der Arbeit der Menschen gebildet oder entwunden, ob aus fremder Währung importiert oder aus Arbeit für den Export nichtig gemacht, um als bloßer Devisenwert fortzubestehen.

Das Problem ist eben, dass dieser Wert jede qualitative Beziehung hinter sich lässt und sich auch immer nur in Geldform fortpflanzt, zu einer gesellschaftlichen Macht des Habens wird, durch den Technik, Maschinerie, Verwaltung usw. lediglich als Formation des Kapitals fortbesteht, das über den Arbeitsprozess bestimmt und über seine Produkte verfügt. Geld und Kapital stellen also als Quantum verausgabter menschlicher Arbeit menschliche Lebenszeit dar, gleichgültig, zu was diese verbraucht wurde, tote Arbeit, die durch den Kapitalbesitz aufgeschatzt wird, um Macht über die Arbeit zu erwerben, indem Macht über die Existenznot der Menschen angeignet wird, die sie zu einer Arbeit zwingt, die nur noch Lohnarbeit sein kann. Der Geldbesitzer verfügt mit seinem Kapitalvorschuss deshalb nicht nur über die Werkzeuge und Immobilien, die als Arbeitsbedingungen gesellschaftlich nötig sind. Der Geldwert, den er zu Händen hat, bestimmt zugleich auch das Quantum von Lebenszeit, das den arbeitenden Menschen zum Selbsterhalt entnommen, und das Zeitquantum, das ihrer Freizeit überlassen bleibt. Was für ihn aber zählt ist nicht die menschlich notwendige Arbeitszeit zur Reproduktion des Lebens, sondern die unbezahlte Arbeit, die in Produkte eingeht, die über die Reproduktion der Menschen und das gesellschaftliche Mehrprodukt hinaus Wert darstellt, menschliche Arbeitszeit, die nur dem Kapital gehört. Diese existiert also als ein Warenkapital, das nicht verbraucht wird, sondern erst mal einen Mehrwert als bloßes Geldquantum deckt, durch welches die Macht des Geldbesitzes politisch und ökonomisch fortbestimmt und vermehrt wird. Doch auch diese Macht besteht nur in der Welt der Preise, und zwar auch nur solange, wie die Waren, die es darstellen, noch unverkauft auf dem Markt sind oder als Wertmasse für zukünftige Produktion einer neuen Wertschöpfung harren. Es können keine Dienstleistungen sein, die sich schon während ihrer Produktion verbrauchen.

Wert vermehrt sich durch Arbeit und erhält sich als Geldmacht der Preisbildung, die zugleich ihren Wert bestimmt und also bestimmt, wie sich ihre Anteile zwischen Reproduktion und Mehrwert zueinander verhalten. Von daher ist dieses Geld die Macht über künftige Wertbildung zur produktiven Anwendung menschlicher Arbeit, eben für die Auspressung unbezahlter Arbeit. Diese Macht verliert sich, wenn sie sich nicht realisieren lässt, verschwindet, wie sie entstanden war: Mit der Zeit, worin sie über die Produktion herrschen konnte. Kapitalbesitzer tun daher alles, um sie rechtzeitig einzusetzen und unter allen Umständen zur Produktion zu verwerten, sei es durch erweiterten Verkauf, sei es durch intensivierte Produktion, z.B. durch verschärfte Ausbeutung. Kapital gewinnt also auf Dauer nur Mehrwert, wenn es die Kosten der Produktion senkt, Arbeitskraft verbilligt oder Rohstoffe verteuert. Je automatischer die Produktion, desto geringeren Wert haben ihre Produkte pro Konsument, der meist ja auch irgendwo Produzent gewesen sein muss, um das Geld für seine Einkäufe zu verdienen. Und je mehr die Produkte an Wert verlieren, desto schwieriger wird es, das Wertwachstum ohne Zwang zu erhalten. Der Wert kann immer nur in dem Maße wachsen, wie er sich in Geld darstellen kann. Aber das Geld muss sich nicht unbedingt aus vergangener Produktion schon als Produktform bewährt haben. Es kann auch als pure Verfügung über die Produktion und die Preisbildung, als Macht über das Leben der Menschen herrschen und als Zahlungsversprechen bezüglich zukünftiger Arbeit potenziellen Wert haben. Der ganze Kapitalismus ist ja auch allgemein als ein solches Zahlungsversprechen zu begreifen, das sich mehr oder weniger in einer Profiterwartung darstellt und das Verhältnis von Arbeit und Lebensgenuss nicht einfach nur realisiert, sondern zu Innerst bestimmt. Dieses Verhältnis nimmt selbst ja schon Gewalt an, wenn Wert sich nicht realisieren lässt, Betriebe oder Städte oder Länder zugrunde gehen, weil es sich mangels realer Verwertung selbst entwertet oder sich in spekulativen Illusionen aufhält und die Preise der Arbeit bestimmt - auch wenn das spekulative Kapital erst nach langjährigen Blähungen zerplatzt und das darauf gegründete Kreditsystem niedermacht. Zwischen Geld als Produktform und Geld als Kapitalform gähnt ein Abgrund von Marktrisiken, die den Geldwert steigen oder sinken lassen. Das Geheimnis des Niedergangs der Werte steckt allein in der Auf- und Abwertung des Geldes durch die Märkte.

Geld und Kredit

Kapital ist zunächst ein Geldvorschuss in die Produktion, also ein Kredit auf deren Zukunft. Der Wert des hierfür eingesetzten Geldes muss dabei aber eigentlich schon feststehen, bevor es für die Produktion vorgeschossen werden kann, schon bevor es sich überhaupt hierfür aufschatzen läst. War dieser Wert bis ins 19. Jahrhundert noch durch Edelmetalle – also durch reale Arbeitsprodukte aus den Gold- und Silberminen – gedeckt, so wurde der Markt im 20 Jahrhundert hierfür zu groß. Man hatte den Dollar zwar durch die Verträge von Bretton-Woods und mittels der Goldvorräte der USA zur Weltwährung gemacht, als aber Frankreich durch Umtauschersuchen nachwies, dass er nicht mehr kompatibel war, brach diese Wertsicherung in sich zusammen. Die Verträge von Bretton-Woods wurden gekündigt, der Goldschatz der USA zum großen Teil verkauft, der Goldpreis damit inflationiert und das System des Ostblocks, das nur durch seinen Goldschatz mit dem Westen handeln konnte, ins Wanken gebracht. So konnte die Wertbindung des Dollars als Weltwährung durch andere Wertgarantien ersetzt werden, erst mal durch den Handel mit Erdöl. Der Doller behielt nur dadurch seine maßgebliche Macht als Weltwährung, dass über den Petrodollar lange Zeit die gesamte Weltförderung von Öl abgerechnet, der Doller hierdurch also stabilisiert wurde. Ging sein Wert runter, so glich der Handel mit Öl in Doller die Verluste wieder aus. Öl war der Saft der Wertverwertung und wer es einkaufte, finanzierte auch die Wertstabilität der USA. So waren es nicht mehr reale Werte, sondern Handelswerte einer Währung, die als Deckung galt, letztlich als Machtfaktor in der Verfügung über die Erdölförderung. Es war eine Macht, die durch viele Kriege erworben wurde, die inzwischen aber mit der Fördermenge von Öl schwindet. Dies ist der Hintergrund für die Krise der USA und der Weltwirtschaft, welche die nun ungedeckte Schuldbelastung des Finanzmarkts durch die USA ausgelöst hat.

Zur Geldwertbestimmung verbleibt nun in diesem Jahrhundert lediglich die Macht des Geldbesitzes, die Profiterwartungen zu bestimmen, um Geld überhaupt zu decken. Geld deckt seinen Wert nur noch dadurch, dass es Druck auf seine Verwertung machen kann. Dieser Druck wird durch statistische Verfahren der Ratingagenturen ermittelt und soll den Wert der Geldanlagen unterlegen. Die Grundlagen ihrer Erwartungen wird aus dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) ermittelt und belegt, im Nachhinein der Produktion also geldwertig errechnet und zur Urteilsbegründung über neue Verwertungsstrategien hergenommen oder verworfen. Von diesem Urteil hängt dann also ab, inwieweit Kredite auch wirklich vergeben oder verweigert werden, inwieweit sie überhaupt produktiv eingesetzt werden können und funktionieren oder selbst an Entwertung leiden, weil ihr Glaubensbonus schwindet. Und in einer Welt bloßer Erwartungen sind die Aussagen dieser Agenturen dann auch entscheidend über den Glauben und das Gläubigerverhalten, entscheiden inzwischen über ganze Staatshaushalte, deren Zinsbelastungen und deren Bankrotterklärung. Es ist die Macht des Totengräbers, der den Tod bestimmt und dafürhält, dass seine Kredite nicht das Problem, sondern die Lösung seien. Aber es ist das Kreditsystem selbst, das die Produktion entwertet, weil es Werte setzt, die auf Fiktionen gründen. Inzwischen werden Kredite in unendlichen Ketten von Krediten gedeckt und rückversichert, so dass 95% der gesamten geldwertigen Masse auf den Märkten überhaupt keinen realen Wert mehr hat (12a).

Das Wachstumsproblem ist das Kreditsystem selbst, ob es nun für ökologische oder steuerliche oder kommunalwirtschaftliche oder privatwirtschaftliche oder blödsinnige Zwecke betrieben wird. Denn nicht der wirkliche Warenkorb, den eine Gesellschaft zu ihrem Erhalt und der Verbesserung ihres Lebensstandards produziert, kann sich als Gewähr für die Kreditdeckung eignen. Keine Bank vergibt Kredite zum bloßen Lebensunterhalt, weil sie weiß, dass davon nichts übrig bleiben, also keine Schuld beglichen werden kann. Es ist die Macht des Geldes, die kreditiert wird: Die Macht, Geld beizubringen, das über diesen Lebensunterhalt hinaus entsteht, dem Produkt einer Arbeit, die nicht den Menschen gehört, die sie erledigen. Die Gewähr zur Krediterfüllung ist überschüssiges Geld, und dieses wiederum soll Geldüberschuss schaffen. Was allein zählt ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es ist das geldwerte Resultat der Produktion, was immer sie auch ernähren und erhalten soll, weil es eben auch das enthält, was darüber hinaus anzueignen ist: Das Mehr an Wert, also der Wert, der über die Reproduktion einer Volkswirtschaft hinausreicht. Und der gehört den Kreditgebern, den Banken, den Aktionären und den Finanzmanagern. Das BIP ist das Pfand der Nationalstaaten für die Finanzwirtschaft und also der Augapfel der gesamten Nationalökonomie. Es muss um einen bestimmten Prozentsatz jährlich wachsen, allein um den Wertverlust, den Geld in dieser Zeit durchmacht, auszugleichen (13). Das hat nichts damit zu tun, dass es mehr Güter geben muss, wohl aber damit, dass sie mehr Wert haben müssen, dass also mehr Arbeit in sie eingeht. Und das kann bei gleichen Absatzmöglichkeiten letztlich nur dadurch gehen, dass ihre Produktion billiger wird und dennoch mehr gearbeitet werden muss für gleichen Lohn. Das ist das Paradox des Kapitalismus: Je intensiver seine Produktion durch die Entwicklung der Produktivkraft wird, desto extensiver muss er die menschliche Arbeit ausbeuten, die Mehrwertrate steigern. Doch das geht nicht unendlich so, wie es das Kapital nötig hätte. Es ist der Teufelskreis der Wertverwertung, der regelmäßig die Verwertungskrisen produziert, weil sich die Grenze der Mehrwertrate immer als Fall der Profitrate darstellt (14).

In der Spanne zwischen Geldangebot und Geldbedarf entstanden die neoliberal spekulierten Markterweiterungen, die vor allem die Gleichschaltung der konkurrierenden Märkte zugunsten eines gemeinsamen Finanzmarkts bezweckten. So war auch die EU entstanden, die nichts anderes ist, als ein gemeinsames Kreditsystem, das die sachgebundenen Warenmärkte mit ihren Einzelwährungen und Zöllen auflöste. Das war von vornherein klar und klar war auch, dass das System auf dem Geldbedarf der kleinen Märkte gegenüber den Kreditvergaben der großen Finanzströmungen beruhte. Natürlich wollte man aus diesem Grund den Beitritt von Ländern, deren Märkte schon durch die Konkurrenz gegen die großen in Not geraten waren. Sie wurden letztlich zur Produktivkraft unbezahlter Arbeit durch Billiglöhne und Bescheidenheit - nicht ohne zugleich die Lohnabhängigen der reicheren Länder durch die Konkurrenz der Arbeitnehmer zu infizieren. Länder wie Griechenland, Lettland, Portugal, Spanien, Irland, Italien usw. waren gerade durch ihren Finanzbedarf lukrativ für die europäischen Banken, die nun auch ihre Europäische Hoheit bekamen. Im Verhältnis von Griechenland, das in die EU geraten ist, und der Türkei, der dies verunmöglicht worden war, kann man es ablesen. Die Türkei, die zum Eintrittszeitpunkt Griechenlands in gleicher Wirtschaftslage war, steht heute wirtschaftlich gut da, Griechenland ist wirtschaftlich erledigt.

So hat sich auch zwischen den europäischen Nationen entwickelt, was sich überall im Kapitalismus am Ende ergibt: Die armen Staaten und Länder bluten aus, während die reichen immer reicher werden – reich an Geld versteht sich, denn wer Geld hat, hat die Macht. Die Finanzmarktkrise hat die kontinentalen und nationalen Konkurrenzen wieder belebt und aus Deutschland einen Schnellstarter in Wirtschaftsangelegenheiten gemacht, ohne dass es den Menschen in Deutschland deshalb besser ginge. Es ist das Geschäft der Banken, die das große Parkett des Euros aufgebaut hatten und von denen jetzt schon einige abtreten müssen. Der Keil zwischen arm und reich spaltet inzwischen ganz Europa. Auch im kleineren Maßstab ist es dasselbe: Bayern ist inzwischen das Land der Superreichen mit den meisten Menschen Millionären, weil es schon zum Zeitpunkt der Europäisierung des Kapitals reich war. Die neuen Bundesländer kämpfen dagegen um ihren wirtschaftlichen Fortbestand, weil sie lediglich der Finanzmacht beitreten "durften". Zwischen den Städten ist es auch nicht anders: Während z.B. München seit 5 Jahren seine Schulden durch permanente Mehreinnahmen abtragen kann und vor Finanzkraft fast aus den Nähten platzt, geraten immer mehr Städte im Osten, Norden und auch Nordwest unter die Armutsgrenze und an den Rand des Bankrotts (15). Wer sich durch Geld verbindet, hat immer Teil an seiner Macht, und wenn er sie sich nicht zu eigen machen kann, so wird er ohnmächtig. Geld belebt immer erst mal die Märkte, um sie dann auch auszunutzen. Wer nicht genug Nutzen aus diesem Geld ziehen kann, weil er hierfür zu wenig geldwertige Substanz aufbringt, der verfällt zwangsläufig in den Schuldenstand, sei es als Mensch oder als Kommune oder als Staat.

Geld und Grundrendite

Das Grundproblem der reichen Länder ist, dass sie zuviel Geld haben, welches sie nicht mehr verwerten können. Ihr Geld wird wertlos, wenn es keine "Anwendung" findet - und das gilt nicht nur für deren Geldbesitzer im Einzelnen, sondern tatsächlich für die gesamte davon betroffene Volkswirtschaft, und damit der Staatsbanken überhaupt. Sie müssen ausmachen, wie günstig oder erschwert Geld auf den Markt gebracht werden muss, dass es nicht wertlos wird, zu welchem Zinsfuß es also verliehen werden muss, um dem Wertwachstum der Produktion zu entsprechen. Nämlich auch ihr Geld stellt vergangene Arbeit dar, die darin festgehalten ist und im Nachhinein unsinnig werden kann, wenn Geld als Kapital fixiert ist, das sich nicht zur Wertschöpfung einsetzen lässt. Dann entsteht überall ein volkswirtschaftlicher Schaden, der sich für das Land zum Teufelskreis einer Entwertungsspirale entwickelt, sei dies in Portugal oder in den USA oder in Deutschland. Die Produktivität ihrer einzelnen Arbeiten muss immer ins Verhältnis zu ihrem Geldwert gebracht werden.

Wo aber Kredite an andere Volkswirtschaften vergeben werden, wird mit ihnen dieses Verhältnis exportiert. Nach einer produktiven Phase des Wachstums, in der die Wirtschaft durch verbesserte Produktivkraft der großen Industrie dort sich erst Mal bestärkt, reduzieren die eingebrachten Geldwerte den realwirtschaftliche Umfang des Warenkapitals, sobald es sich wieder verdurchschnittlicht hat und wieder auf die Verwertungsbedingungen der Länder zurückkommt. In dem Maße, wie sich Löhne und Sozialleistungen wieder auf die eigene Verwertungslage reduzieren, werden die Kredite zur Last. Zudem müssen ihre Bedingungen dann auch noch befolgt werden (Wirtschaftsbeschleunigung, Zinsen, Erhöhung der Sozialstandards usw.), was immer auch das wirkliche Vermögen der Bevölkerung ist. Die Gleichschaltung des Wertwachstums der Länder in der EU wird zum Pyrrhussieg über ihre ursprüngliche Not. Die Warenmasse kann unter eigenen Verwertungsbedingungen nicht in dem Maße zunehmen, wie es die eingesetzte Wertmasse nötig hat, damit sie dem Kapital einen stetigen Mehrwert verschaffen könnte (16). Das EU-System ist deshalb relativ schnell an seine Grenzen gekommen und steht nun selbst zur Disposition (17).

Die Investition von Geld als Kapital hat in unseren Breitengraden nur noch zu einem geringen Teil eine Bedeutung für das Investitionsvermögen. Es ist vielmehr das Geschäft der Banken und Spekulation als eine Geldmacht, welche die Werte der Welt durch ihre Eigentumspolitik bestimmen und weitgehend durch ihre politische Macht kassieren, also durch die Verfügungsmacht über Grund und Boden, über Natur, Erfindungen, Mieten, Verkehr, Kommunikation, Bildung usw. Die Macht des Geldes besteht hier und heute zum größten Teil nicht mehr als Sache, sondern als Gesetz des Privateigentums, das es Geldbesitzern jeder Couleur ermöglicht, über das Leben der Menschen so zu bestimmen, wie es ihnen am besten dienlich ist. Der größte Teil des Geldes ist nicht mehr real und versetzt alle, die es zum Lebensunterhalt erwerben müssen, in eine bloße Notwendigkeit des Habenmüssens, einer Schuldigkeit gegenüber den Geldbesitzern, soweit wie ihre Kraft reicht. Geld hat dann nichts mehr mit Geben und Nehmen zu tun. Es wirkt als ein Verschuldungsprinzip, das die Menschen dazu verdingt, auszutragen, was die kapitalimmanente Geldentwertung ihnen permanent einbrockt. Sie haben für die Geldvermehrung zu arbeiten und haben zugleich die sozialen und wirtschaftlichen Verwüstungen zu schultern, welche die Geldverhältnisse hinterlassen.

Weil das Wertwachstum mit einem Wachstum an Produkten, mit Lebensstandard nur noch wenig zu tun hat sondern im Gegenteil das Wachstum angeeigneter menschlicher Lebenszeit darstellt, Daseinsform eines enteigneten menschlichen Lebens ist, sind immer nur die Menschen die geschädigten, die zur Arbeit durch die ihnen entzogenen Produkte um so mehr gezwungen sind, wie sie sich zu einem immer größeren Anteil unbezahlt abarbeiten. Es ist das Prinzip eines Lebensentzugs, einem Leben, das sich selbst nicht mehr bestätigt finden kann, weil und solange es seinen Sinn und seine Kraft nur in fremden Zwecken veräußert findet. Es verbraucht sich vor allem im Machtgewinn des Geldes. Und das Wertwachstum ist nicht mal davon beeindruckt, ob es gelingt oder nicht. Wert kann wachsen schon indem Geld verbraucht oder verbrannt wird. Es muss nur der richtige Ort zur richtigen Zeit sein, wo seine Zerstörung unmittelbaren Nutzen für die Auspressung und Gewinnung von neuem Geld hat. Geblieben ist, dass Wert nur wachsen kann, wenn Geld ausgegeben wird. Und solchem Wachstum ist es natürlich gleichgültig, ob es durch Kriege verschleudert wird oder ob man ihm "vernünftige" Ziele gibt, z.B. durch den Einsatz für erneuerbare Energie. Die "Vernunft" des Wertwachstums verschleißt in jedem Fall die Lebenskraft, welche seine Technologie zum Lebenserhalt befördert.

Es ist gerade von daher schwachsinnig zu glauben, dass solches Geld durch Zusatzsteuern zu einem besseren Geld werden könnte oder dass seine Anwendung durch politische Regulationen des bürgerlichen Staates aus vergangenen Welten zu sozialisieren wäre. Die Staaten müssten gegen ihre eigene Zeckbestimmung und Gesetze verstoßen, wenn sie den Geldwert nicht funktional halten. Gesetzliche Regelungen können daher solche Schuldverhältnisse niemals auflösen, es sei denn diese würden durch deren Bürger aufgehoben, indem die ganz einfach ihre Bürgschaft verweigern, indem sie feststellen, das es nicht ihre Schulden sind, dass ihre Arbeit damit entwertet wird und nicht ihr Grund und Boden von anderen besessen werden darf. "Wir zahlen nicht für eure Schulden!" Das ist die einzig richtige Parole, weil sie die Sache auf den Punkt bringt. In der Konsequenz hiervon müssen aber dann auch alle Verhältnisse, wo Schuldverpflichtungen durch Finanzwirtschaft entstehen, also auch die Mietverhältnisse, Gebühren usw. in eine Vertragswirtschaft gewandelt werden (siehe auch internationale Kommunalwirtschaft).

Das unheimliche Wachstum einer verkehrten Kultur

Aber auch dem Sinn nach hat es Folgen, wenn Technologie selbst als Lebensmittel erscheint, weil sie auch unmittelbar dem Lebenserhalt dient, der Beglückung in der Freizeit, wo Arbeit keinen Sinn macht, als Teilhabe an einem Wert, der die Menschen über ihr Elend erhebt. Und das verschafft ihr einen kulturellen Mehrwert. Gerade weil sie zugleich großen Einfluss auf die Freizeit hat, weil sie die Menschen tatsächlich entfernt von ihrer Mühsal und ihrem Stress, ihre Lebensgeister anmacht und ihre in der Arbeit entwerteten Selbstgefühle wieder aufbaut, erscheint sie als intimer Lebenshelfer, als großer Bruder, der stärker als jede Religion ist.

Die Kultur einer durch Reiz und Selbstbefriedung vernünftig scheinenden Welt entfaltet sich in Wahrheit als eine ungeheure innere Entfremdung der Menschen von sich, ihrer Natur und ihrem gesellschaftlichen Wesen (19). Wachstum an sich kann nicht das Problem sein. Das entfremdete Wachstum ist das Wachstum des Geldes. Und ihm wird gerade dort am meisten gehuldigt, wo die Selbstentfremdung die Nische der Selbstillusionierung gefunden hat, das kleine Glück einer Selbstisolation, der Selbstveredelung in abgeschotteter Selbsttäuschung. Es ist das Phänomen einer unheimlichen - weil öffentlich allgemein - gewordenen Geldvermehrung, die gerade dort triumphiert, wo sie am meisten verwüstet hat. Der große Bruder wird leicht zu einem Staat, der durch sein kulturelles Design alles überstrahlt, was seine Lebensbrüche nicht verwinden kann, zu einem Kulturstaat wird, der entleerte Selbstbeziehungen auszufüllen vermag. Ihre Kultur erscheint als Gegenteil von dem was sie ist: als Geld das seinen Sinn in dem findet, was es aufzehren kann.

Wenn Geld in diesem Sinn nur das Leben der Menschen verbraucht, dann wird Kulturkritik letztlich zur Kritik des Geldes, das als Kultur politisch wirksam ist. Nicht allein die Verelendung und Prekarisierung der Arbeit, nicht allein die Ungerechtigkeiten in der Verteilung der Lebensvergütungen verschafft der Kritik die Kraft zu menschlicher Emanzipation. Es sind die Menschen in ihren konkreten Lebenszusammenhängen selbst, die sich gegen die Macht der Lebensauftrennung, Isolation, Abschottung und Aussonderung aufrichten müssen, sei diese in der Arbeit wirksam, im Konsum oder in den zwischenmenschlichen Beziehungen selbst. In ihrer Isolation erscheint es als ihre private Schuld, was ihnen die private Verfügungsmacht des Geldbesitzes alles auferlegt, wiewohl es ihre einzig wahre gesellschaftliche Kehrseite ist (20). Die Menschen haben es deshalb auch unmittelbar in der Hand, ob sie den hofierten Mächten der Lebensverschuldung entgegentreten. Sie sind die Lebenden im Reich toter Arbeit.

Ihre Emanzipation kann nicht durch Geld befördert werden. Im Gegenteil: Eine bessere Regelung des Geldverkehrs wird immer nur eine Verbesserung der Wertbildung sein können. Diese wird immer dort schnell wieder aufgehen, wo Geld am nötigsten zum Lebenserhalt ist, also dort, wo der Geldmangel Elend erzeugt, weil und solange es kein Lebensverhältnis gibt, in welchem der Aufwand zur Herstellung der Produkte und ihre Verteilung nicht gesellschaftlich verträglich geregelt ist.

Es bedarf daher einer gesellschaftlichen Vertragsform, durch welche das Verhältnis der Menschen im Aufwand ihrer Arbeit und dem Anteil am Genuss als Form ihres Gemeinwesens funktioniert. Darin sollen die Menschen die Grundsicherheit gewinnen, die sie als gesellschaftliche Wesen auch bestärkt. Grundsicherung kann nicht aus Geld bestehen. Aber sicher ist, dass mit einer gesellschaftlichen Absicherung des Grundbedarfs kein Kapitalismus funktioniert, der notwendig dahin treibt, durch seine Gründe das Geld wieder reinzuholen, das er hierfür verausgaben musste - wenn vielleicht nicht mehr ausschließlich aus Arbeit, dann aber immer noch aus Mieten und Gebühren.

Es geht daher um eine Umkehrung des ganzen bisherigen Produktionsverhältnisses in dem Sinn, dass die den Menschen überlebensnotwendige Wirtschaft, die Reproduktionswirtschaft, nicht mehr als Erpressungsmittel der Geldmacht eingesetzt werden kann, wenn sie in gesellschaftlich gültigen Verträgen unter den Menschen vollständig bestimmt ist und nach dieser Form auch durchgeführt wird. Mehrwert kann es dann nicht mehr geben und das Mehrprodukt kann nach Maßgabe der Vertragsverhältnisse der Menschen, nach ihrem darin formulierten Willen und Vermögen wachsen. Daran ist weiterhin zu arbeiten.


(1) Und sogar dem GAU in Fukushima kann man da was abgewinnen, wenn durch eine hiernach veränderte Nachfrage nach ungefährlicheren Energieanlagen die Atomindustrie von einer grüneren Industrie abgelöst werden könnte. Nicht nur die „Entdeckung“, dass solche Technologie zum Exportschlager werden kann, auch Milliardenaufträge für den Airbus, große Bestellungen bei der Militär- und Autoindustrie, besonders LKW für China und Panzer für Saudi Arabien, werden ja jetzt wieder gebraucht. Und überhaupt die Geschäfte mit China: Da wird sich noch einiges tun, weil auch die Chinesen den großen Sprung ins Wertwachstum geschafft haben. Für deutsche Technologie blüht dort ein ungeheuer expansiver neuer Markt, der alles in den Schatten stellt, was bisher am Wachsen war. Deutschland ist wieder mal dabei Weltmeister zu werden.

(2) Und man hat inzwischen auch noch eine tolle Entdeckung gemacht: ein Bonus lässt nicht nur den Banker alles vergessen, was sein Leben ausmachen könnte. Auch den technologischen Facharbeiter verzaubert er zum Arbeitstier, das weit über sich hinausgehen kann und den Kollegen nicht mehr kennen will, der deshalb gekündigt wurde. Der Bonus auf den Arbeitslohn ist für einige zur Leimstange geworden, welche die arbeitenden Menschen erfolgreich gespalten hat. Zwar werden damit die Mehrverdiener nicht mehr, aber ihre Existenz lässt sich besser abschotten gegen die, die immer mehr werden: die Menschen, die unter prekären Bedingungen leben müssen.

(3) "Mit dem Wachstum des Gesamtkapitals wächst zwar auch sein variabler Bestandteil, oder die ihm einverleibte Arbeitskraft, aber in beständig abnehmender Proportion... Die kapitalistische Akkumulation produziert... und zwar im Verhältnis zu ihrer Energie und ihrem Umfang, beständig eine relative, d.h. für die mittleren Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überschüssige, daher überflüssige oder Zuschuss-Arbeiterbevölkerung." (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.23, S. 658)

(4) Es ist ein neue Geldtheorie entstanden, die im Grunde nicht mehr ökonomisch, sondern psychologisch ist. Es ist die Psychologie der Spekulation, die Theorie der Aktienmärkte und des globalen Finanzkapitals überhaupt - auch und gerade dann, wenn seine Blasen immer wieder zerplatzen. Und solche Theorie ist umso hartnäckiger, je weniger sie sich bewahrheiten lässt, je weiter sie also neben der Realität liegt und nur von Blendeffekten zehrt, die sich gegeneinander aufzehren. Sagt die eine Seite: "Uns geht es gut", sagt die andere: "Im Grund setzen wir nur noch auf das Prinzip Hoffnung".

(5) "Den einzelnen Kapitalisten betrachtet, wächst der Umfang der notwendigen Kapitalauslage, besonders beim fixen Kapital; aber mit Bezug auf die Masse des verarbeiteten Stoffs und der exploitierten Arbeit nimmt ihr Wert relativ ab." (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.25, S. 97)

(6) "Im Horizont einer Ökonomie jenseits des Wachstums geht es uns darum, deutlich zu machen, dass das Wirtschaftswachstum nicht die Lösung, sondern eine der Ursachen der weltweiten Probleme ist." ("Ausgewachsen" von Werner Rätz, Tanja von Egan-Krieger u.a., VSA-Verlag 2011, S.8)

Niko Paech schreibt in seinem Aufsatz “Vom vermeintlich nachhaltigen Wachstum zur Postwachstumsökonomie:“Im Gegensatz zur regierungsamtlichen Wachstumsbeschleunigungsrhetorik gewinnt eine neu entfachte Debatte an Schwung, die sich kritisch mit dem Wachstumsdogma auseinandersetzt. Sie firmiert unter Begriffen wie Wirtschaft jenseits von Wachstum (Daly 1999), La decrescita felice (Pallante 2005), D~croissance (Latouche 2006), Postwachstumsökonomie (Paech 2008; 2009), Degrowth (Jackson 2009), Vorwärts zur Mäßigung (Binswanger 2009), Exit (Miegel 2010) und Postwachstumsgeselischaft (Seidel/Zahrnt 2010), um nur einige der Beiträge zu nennen." (S.31)

(7) "Die Kritik am Kapitalismus verweist mit Recht darauf, dass es in dieser Gesellschaftsformation systemimmanente Triebkräfte des Wachstums gibt: das Profitmotiv der privaten Einzelkapitale, der mit dem Markt gegebene Konkurrenzdruck zu wachsen oder unterzugehen. In letzter Konsequenz werden daher von einigen Strömungen der Kapitalismuskritik das Privateigentum an Produktionsmitteln, das Profitmotiv und die Konkurrenz/der Marktmechanismus gänzlich abgelehnt. Ich halte diese Konsequenzen für weit überzogen, da damit - bei aller notwendigen Kritik - die innovativen Potenziale von Privateigentum, Profitorientierung und Marktsteuerung negiert werden. Es kommt vielmehr darauf an, die Dominanz des Profitmotivs (oder des Kapitalverwertungsinteresses) über die Erfordernisse einer nachhaltigen Entwicklung zu überwinden, wenn man die dem Kapitalismus immanenten Triebkräfte des Wachstums bändigen will. 

Auf der Ebene der Einzelkapitale heißt dies für den Energiesektor z.B., dass perspektivisch die vier großen Energieoligopole entflochten und zum großen Teil rekommunalisiert werden müssen - aber auch nur zum Teil, denn die Konkurrenz mit kleinen Ökostromanbietern wirkt sich positiv aus. 

Vom Drang im Wettbewerb stehender Einzelkapitale zu wachsen (mikroökonomische Ebene) auf einen gesamtwirtschaftlichen Wachstumszwang (makroökonomische Ebene) im Kapitalismus zu schließen, erweist sich als Kurzschluss. Es ist auch in einer kapitalistischen Ökonomie denkbar, dass der Staat weitgehende ökologische Rahmenvorgaben erlässt, die zu einer gesamtwirtschaftlichen Schrumpfung führen, wobei dann der Wettbewerb der Einzelkapitale um einen schrumpfenden Gesamtumsatz an Schärfe zunähme. 

Eine zentrale Stellung im ökologisch-sozialen Umbau müsste eine ökologische Steuerreform einnehmen, die streng nach dem Verursacherprinzip die Preise für den Naturverbrauch »die ökologische Wahrheit sagen« lässt. Das Steueraufkommen müsste zum einen dazu verwendet werden, ökologisch-verträgliche Alternativen zu fördern (also: drastische Verteuerung des Automobil- und Flugverkehrs, Ausbau und Verbilligung des öffentlichen Personenverkehrs), zum anderen dafür, durch Senkung der Lohnnebenkosten den Anreiz zur Produktivitätssteigerung vom Faktor Arbeit zum Faktor Naturnutzung umzulenken." ("Ausgewachsen" von Werner Rätz, Tanja von Egan-Krieger u.a., VSA-Verlag 2011, S.135 f,)

(8) Es klingt wie das Papier aus einem Wirtschaftsausschuss des CSU-Ministeriums: "Für die staatliche Rahmenplanung ist unter anderem ein monetäres Maß für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft unverzichtbar. Der Staat braucht dies als Grundlage seiner Planung, sowohl national als auch supranational (z.B. im Rahmen der EU): zur Verstetigung der konjunkturellen Entwicklung, für die mittelfristige Finanzplanung, die Planung der sozialen Sicherungssysteme. ... Das zentrale und zugleich schwierigste Problem bei einem planvollen Übergang zur Nachhaltigkeit ist die innere Stimmigkeit und zeitliche Abgestimmtheit der verschiedenen Planungen und Maßnahmen, die in verschiedenen Fachressorts der Bundesregierung, auf den verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften, auf den staatlichen Ebenen, in der privaten Wirtschaft wie in der Zivilgesellschaft ergriffen werden. Es müssen verschiedene Instanzen auf Regierungsebene wie unter Einbeziehung der relevanten Akteure geschaffen werden, die die Koordination und Kohärenz der einzelnen Maßnahmen sicherstellen. Eine mittelfristige Rahmenplanung müsste daher vier Elemente umfassen:
• einen ökologischen Rahmenplan
• einen Rahmenplan für den Arbeitsmarkt
• mehrjährige Investitions- und Deinvestitionsprogramme
• eine mittelfristige Finanzplanung."
("Ausgewachsen" von Werner Rätz, Tanja von Egan-Krieger u.a., VSA-Verlag 2011, S.137)

(8a) Doch wie können Steuern demokratisch sein, allgemeine Sachzwänge selbst gesellschaftliche Verhältnisse begründen, indem man Steuern einfach nur als "gerecht" oder "ungerecht" klassifiziert? Was überhaupt kann an Geld "gerecht" sein? Die bloße Menge etwa? Und womit kann man Schulden abbauen? Kann denn der Kapitalismus etwas anderes sein, als die Anwendung von vorgestrecktem Geld und der Spekulation, hieraus mehr Geld zu "erwirtschaften"? Ist Wirtschaftswachstum nichts anderes als die Vermehrung des Geldvermögens? Und ist die Vermehrung des Geldvermögens identisch mit dem Wachstum der Produktion?

(9) "Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen.
Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, daß die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom Wert und dem in ihm eingeschloßnen Mehrwert, auch abgesehn von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie andrerseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß (d.h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat. Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandnen Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandnen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte." (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.25, S. 259)

(9a) "Die wirkliche Ökonomie - Ersparung - besteht in Ersparung von Arbeitszeit; (Minimum (und Reduktion zum Minimum) der Produktionskosten); diese Ersparung [ist] aber identisch mit [der] Entwicklung der Produktivkraft. Also keineswegs Entsagen vom Genuß, sondern Entwickeln von power, von Fähigkeiten zur Produktion und daher sowohl der Fähigkeiten, wie der Mittel des Genusses. Die Fähigkeit des Genusses ist Bedingung für denselben, also erstes Mittel desselben und diese Fähigkeit ist Entwicklung einer individuellen Anlage, Produktivkraft. Die Ersparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d.h. Zeit für die volle Entwicklung des Individutims, die selbst wieder als die größte Produktivkraft zurückwirkt auf die Produktivkraft der Arbeit." (Karl Marx, Grundrisse, MEW 42, S.607)

(10) Was die Menschen zum Lebensunterhalt brauchen, das erhalten sie durch ihre Löhne. Da regelt Geld lediglich ihre Subsistenz, ohne dass ein Quentchen Wert wachsen könnte. Es handelt sich von daher beim Wertwachstum wesentlich um eine Mehrarbeit, deren Produkte nicht auf die Menschen zurückkommen, weil sie bloßen Wert, verausgabte menschliche Arbeitskraft, darstellen, ohne als Gegenstand des Konsums - weder als Lebensmittel, noch als Produktionsmittel – wieder angeeignet zu werden.

(11) Genau das macht ja das Kapital längst schon selbst, das jedes organische Wachstum beherrscht, um daraus seine abstrakte Macht zu verstärken, die gegen die wirklichen Lebensverhältnisse wirksam ist und nicht nur die Produkte, sondern vor allem die Produktion unsinnig macht. Was die Entwicklung der Produktivkräfte längst ermöglicht hat, z.B. die Arbeit für die Menschen zu reduzieren und sie nach ihren Bedürfnissen auszurichten, dem muss das Kapital entgegenwirken und die Menschen an den Rand des Existenzminimums treiben, um ihre unbezahlte Mehrarbeit für bloßen Geldwert, den das Kapital für sich genommen darstellt, zu kassieren.

(12) "Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, daß die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom Wert und dem in ihm eingeschloßnen Mehrwert, auch abgesehn von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie andrerseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß (d.h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat. Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandnen Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandnen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte." (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.25, S. 259)

(12a) Das Leben auf Pump hat darin seinen Ursprung und seine unmittelbar schrankenlos scheinende Dimension. Mal kann man Kredite für Anschaffungen oder Immobilien bekommen, ohne eigene Werte zu besitzen, nur weil man seinen Kopf dafür hinhält, ein andermal sind Kredite für Leben und Konsum schier unerschwinglich, weil das Wachstumsinteresse sich wieder der Industrie zugewandt hat. Das Geld selbst ist zu einer wabernden Spekulationsmasse geworden, deren Wert eben nur Fiktion ist, die sich aus Prognosen ergibt, die von der realen Produktion bestätigt oder enttäuscht werden können. Je nachdem binden sie dann auch Kapital entweder als reale Umlaufwerte oder als weiterhin fiktives Kapital, das in Finanzblasen fortbesteht, bis diese zerplatzen.

(13) "Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren strebt, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. [...] Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur wie der gesellschaftlichen Kombination und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des Reichtums (relativ) unabhängig zu machen von der auf sie angewandten Arbeitszeit. Nach der andren Seite will es diese so geschaffnen riesigen Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit und sie einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffnen Wert als Wert zu erhalten." (Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 1857/58 MEW 42, Seite 601)

(14) Um ihre Wertlage zumindest zu erhalten müssen immer größere Märkte erobert werden. Kredite verlangen Wachstum, nicht weil sie Zinsen kosten, sondern weil diese Kosten angeeignete Arbeit darstellen, durch die das verausgabte Geld wieder mit Sinn gefüllt wird, aus wenn es im Einzelnen oft völlig unsinnig erscheint. Geld wird dorthin geradezu geworfen, wo es gebraucht wird, um Produktionen und Infrastrukturen zur Aneignung von Mehrwert zu installieren oder zu befördern und dessen Markt zu beherrschen. Da geht es nicht um die Infrastrukturen der Gemeinwesen, sondern um ihre Verwertung und Ausdehnung von Kapitalmärkten.

(15) Man kann das in der EU auch noch genauer verfolgen. Am Anfang nach dem Mitgliedsbeitritt vieler bis dahin schwachen Länder stand der Wirtschaftboom. Die Beitrittsländer wurden mit Finanzmitteln aufgepäppelt, lebten in der Hausse, die wie ein Segen der Gemeinschaft, sprich Eurobank, über sie gekommen war. Sie sollten ja auch Absatzmarkt sein und gut einkaufen können. Sie hatten ein wachsendes BIP nur versprechen können, weil sie den Erfolgserwartungen der Banken geglaubt hatten. Es sollte einerseits die Grunddeckung, eine Bürgschaft der nationalen Wirtschaft, sein, die aber nichts anderes decken konnte, als die Erwartung selbst, musste also wie eine sich selbst erfüllende Prophetie funktionieren. Doch die Länder wurden dadurch nicht unbedingt produktiver, wenn ihre Exporte mäßig blieben. Wenn das BIP der Kreditgeber mit wachsenden Kreditvergaben wuchs, schrumpfte es dort, wo nichts mehr richtig damit zu entwickeln war. Und dann gehts irgendwann - wie überhaupt auf den Kreditmärkten - an die Substanz. In Lettland war es ganz offensichtlich; in Griechenland auch und nun auch in Portugal: Wie sollten sie die Schulden begleichen, in die sie geraten waren, ohne dass sie die entsprechende Wirtschaftskraft entwickeln konnten, weil ihnen die Märkte gar keine Möglichkeit gelassen hatten, weil ihre Produkte gar nicht im nötigen Umfang gefragt waren?

Und außerdem: Regulierte Märkte kann es überhaupt nur in den Gründungs- oder Erneuerungsphasen des Kapitalismus geben, wo kleine Märkte überschaubar und politisch zu motivieren sind. Genau dies aber wird durch Geld mit wachsendem Volumen zwingend verunmöglicht. Es ist die Logik des Geldes selbst, die sich mit der Ausdehnung der Märkte, also des Tauschhandels mit Waren und Geld, zur einer ungeheuerlichen Geldmacht auswächst, die letztlich alle Lebensverhältnisse der Menschen in einen Sachzwang gegen sie umkehrt.

Wie beim Aktiendeal mit einem bonusbewussten Finanzberater konnten sie erst spät erkennen, dass der Wohlstand auf Kredit schnell zerfällt und ihre Lage sehr verschlimmerte, aus der sie sich mit dem Beitritt eigentlich befreien wollten. In ihrer Geldarmut wurden sie aber bis zur Unkenntlichkeit irgendeines Sinns und Zwecks lediglich fixiert. Ihre Realität, in der sie arm waren, wurde lediglich umgekehrt zu einer Schuldenmasse, die jedem Aneignungsinteresse Tür und Tor öffnet. Nicht nur die Städte werden auf diese Weise gentrifiziert. In Griechenland zum Beispiel sind es nun auch die Häfen und Inseln, die zum Ausverkauf anstehen. Schon wurde der bedeutendste griechische Hafen von Piräus verkauft. Aber von der Akropolis hängt derzeit ein riesiger Banner auf dem geschrieben steht: „Das Volk hat die Macht und es wird sich nicht beherrschen lassen.“ Die „Wiege der Demokratie“ lässt offenbar doch nicht so einfach dem Sachzwang der Geldverwertung beugen. Wir werden sehen.

(16) Jetzt wird Griechenland nur noch gehalten, um die Zinsen bei den Banken, allen voran die Deutsche, begleichen zu können. Doch die Geschichte wird weiter gehen, denn das Kaputtsparen mag den Finanzmärkten vorübergehende Genugtuung verschaffen, dem produzierenden Kapital entzieht es die Entwicklungschancen des Produktivvermögens. Was soll ihm verbrannte Erde nutzen? Man erkennt es schon am Gegensatz der Interessenslage zwischen Finanzwirtschaft und mittelständiger Wirtschaft, wie neuere Nachrichten zeigen:

"BERLIN/BRÜSSEL/ATHEN (Eigener Bericht) - Nach der Verabschiedung der jüngsten drakonischen Sparmaßnahmen durch das griechische Parlament verlangen deutsche Manager neue Vergünstigungen für ausländische Unternehmen in Griechenland. Die “Investitionsbedingungen“ müssten umgehend “verbessert“ werden, fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und schlägt einen “Businessplan“ für Athen vor. Gleichzeitig drängt Berlin darauf, den Ausverkauf griechischen Staatseigentums zu forcieren - mit Hilfe deutscher “Berater“. Athen solle eine Agentur nach dem Vorbild der deutschen “Treuhand“ gründen, verlangen deutsche Politiker. Erste Firmen aus der Bundesrepublik haben bereits größere Zukäufe in Athen getätigt. Mittlerweile treten jedoch die Widersprüche in der deutschen Wirtschaft in der Frage, wie die Krise zu lösen sei, immer offener zutage. Während kürzlich Großkonzerne für neue Stützungsprogramme geworben haben, sprechen sich nun mittelständische Unternehmen dafür aus, den Ausschluss einzelner Länder aus der Eurozone zu ermöglichen. Auch das neue Kreditpaket für Athen enthält Ambivalenzen: Es soll einen Exportmarkt der deutschen Wirtschaft stabilisieren. Weil es aber mit harten Einsparungen verbunden ist, dürfte es die Rezession, die sich in Griechenland bereits durch das erste Kreditpaket vertieft hat, nur noch weiter verschärfen." (Mehr auf http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58101)

(17) Letztlich steht auch das ganze Bankensystem an der Grenze seiner Sinnhaftigkeit, wenn es zunehmend von den Bürgern der reicheren Länder immer wieder finanziert werden muss, nur um systemisch erhalten zu bleiben. Auch die EU ist schon für das Finanzkapital zu klein geworden; jetzt geht es an die Substanz überhaupt. Das Kreditsystem selbst wird zu einer Welt des Irrsinns, der sich inzwischen auch in aller Öffentlichkeit entblödet, wenn Politiker - wenn sie nicht einfach abtreten - an den Seilen hängen, ohne sich auch nur ein bisschen Mühe zu geben, ihren Wählerinnen und Wählern noch etwas vorzumachen. Die werden nicht mehr betrogen, sondern offen geplündert. Und das wird sich nicht grundlegend ändern, solange es dieses Finanzsystem gibt.

Was bleibt ist die verschärfte Auspressung der Naturalien des Kapitals: Infrastrukturen, Menschen, Land und Rohstoffe. Die Offerten der Städte, Kreise und Kommunen gehen immer offensichticher direkt ans große Geld, das ausbessern soll, was die eigene Wirtschaft nicht mehr vermag, wenn sie von Soziallasten und Wertentzug gebeutelt ist. Die Gentrifikation der Städte ist längst zum Alltagsumstand der Selbstwahrnehmung geworden. Und das Prinzip wird überall übergreifen, wo das Finanzkapital seine Verwüstungen hinterlassen hat und nun die Ödnis neu zu beherrschen sucht. Es werden sich die Finanzmärkte weiterhin auch über die Landschaften, die Inseln und Touristenattraktionen hermachen. Vielleicht gehören irgendwann die Inseln den verschiedenen Reiseunternehmen? Alles ist denkbar, was das Land und seinen Grund verwertbar macht.

Die politische Macht ist dann das Letzte, was die Verwertung noch sichern kann, die letztliche Macht, in die das Kapital regrediert, wenn es seinen Lebenskern, die lebendige Arbeit, erschöpft hat. Die Rechtstitel wie Grundbesitz, Immobilien, Lizenzen, Gebühren usw., die darüber hinaus bestehen, waren ursprünglich nur eine sachgebundene Form des Privateigentums, das darin seinen Wert verfestigt. Als nationale Lebensressourcen, die nicht mal durch Arbeit entstanden ist, wird diese zu einer Bürgschaft für niedergegangene Geldwerte, die in Staatsverschuldung fortbestehen. Mit der Uneinbringlichkeit dieser Schulden hat sich der bürgerliche Kapitalismus in einen Feudalkapitalismus zurückverwandelt. Aber auch dieser hat seine Grenze an gleichbleibender Stelle: Wenn die Löhne immer geringer werden, dann wird eben immer auch die Verwertung verschlechtert.

Dieser Kapitalismus beruht auf einer Negativbestimmung, auf einer negativen Verwertungslage, und kann keinen Reichtum an Bedürfnissen und Sachen mehr entfalten, was ja immerhin der Sinn und Zweck des bürgerlichen Kapitalismus, wenn auch nur in Warenform war. Er läuft darauf hinaus, dass Arbeit nicht mehr durch menschliche Bedürfnisse begründet und für diese notwendig ist, sondern zur Schuldentilgung diese selbst beherrscht. Der Zwang zur Arbeit erscheint nun aus der Natur des Geldmangels begründet. Was die Funktion des Kapitals war, Geld zur Produktion vorzustrecken, wird nun den Menschen selbst als Notwendigkeit zur Arbeit übertragen, die dieses Geld ersetzen muss, bevor es überhaupt sich in einem wirtschaftlichen Zweck bestätigen kann. Feudalkapitalismus erscheint wie eine Naturmacht. Er setzt eine Lebensschuld, die jeder Staatsbürger von Geburt an hat und der nur leben darf, wenn er zugleich für die Nation arbeitet, in die er geboren wurde. Die Nationalität wird zur Naturmacht und Ausbeutung zur nationalen Naturgewalt. In Deutschland kommt jedes Baby schon mit über 20.000 Euro Nationalschuld zu Welt. Und das wird weiterhin ansteigen, weil auch die Verschuldung weiter ansteigt und die deutsche Staatskasse nicht mal mehr die volle jährliche Zinslast von 72 Milliarden Euro bezahlen kann. Der Finanzmarkt herrscht aber schon ohne dies über jeden Bürger allein schon über die Notwendigkeiten des Allgemeinen einer gesellschaftlichen Reduktion auf die Verwertbarkeit ihrer Lebensbedingungen überhaupt, einer Abstraktion von dem Leben der Menschen selbst, die sich sowohl politisch wie wirtschaftlich durchsetzen muss, solange der Finanzmarkt die Wachstumsfiktionen des Verwertungsinteresses bestimmen kann, solange also das Interesse des Geldes selbst die politische Entwicklung bestimmt, weil alle Verhältnisse sich hiernach ausrichten müssen. Was sie überhaupt für die Menschen jenseits des Geldbesitzes überhaupt noch sein können, bleibt außer Frage.

(19) "Es ist dies im Wesen der Entfremdung gegründet, daß jede Sphäre einen andren und entgegengesetzten Maßstab an mich legt, einen andren die Moral, einen andren die Nationalökonomie, weil jede eine bestimmte Entfremdung des Menschen ist und jede einen besondren Kreis der entfremdeten Wesenstätigkeit fixiert, jede sich entfremdet zu der andren Entfremdung verhält … Der Sinn, den die Produktion in bezug auf die Reichen hat, zeigt sich offenbart in dem Sinne, den sie für die Armen hat; nach oben ist die Äußerung immer fein, versteckt, zweideutig, Schein, nach unten hin grob, gradheraus, offenherzig, Wesen. Das rohe Bedürfnis des Arbeiters ist eine viel größere Quelle des Gewinns als das feine des Reichen. Die Kellerwohnungen in London bringen ihren Vermietern mehr ein als die Paläste, d.h., sie sind in Bezug auf ihn ein größrer Reichtum, also, um nationalökonomisch zu sprechen, ein größrer gesellschaftlicher Reichtum. – Und wie die Industrie auf die Verfeinerung der Bedürfnisse, ebenso sehr spekuliert sie auf ihre Roheit, aber auf ihre künstlich hervorgebrachte Roheit, deren wahrer Genuß daher die Selbstbetäubung ist, diese scheinbare Befriedigung des Bedürfnisses, diese Zivilisation innerhalb der rohen Barbarei des Bedürfnisses. Die englischen Schnapsläden sind darum sinnbildliche Darstellungen des Privateigentums. Ihr Luxus zeigt das wahre Verhältnis des industriellen Luxus und Reichtums zum Menschen. Sie sind daher mit Recht auch die einzigen, wenigstens mild von der englischen Polizei behandelten Sonntagsvergnügungen des Volkes." (MEW 40, S. 551 f)

(20) "Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Produktionskraft, die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eigne, vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der sie nicht wissen woher und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können, die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Reihenfolge von Phasen und Entwicklungsstufen durchläuft." (MEW 3, S. 34)