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Thesen zu diesem Text: "Auf dem Weg in eine andere Gesellschaft."

 

Wolfram Pfreundschuh (13.10.2006)

Am Ende der bürgerlichen Gesellschaft:
Zwischen Feudalkapitalismus und internationalem Kommunalismus

Drittter Teil:

Sozialistische Bewegungen

Wir haben bisher über Veränderungen der Gesellschaften unter der Bedingung des globalisierten Kapitals gesprochen, wie sie objektiv im Gang sind und wie sie zugleich die Menschen verändern, wie sie also subjektiv wirken. Das Kapital ist seit längerer Zeit in einer Krise verfangen, die sich offensichtlich nicht mehr durch Politik auffangen oder gar abwenden lässt.

Derweil behaupten Politiker und Ökonomen dennoch, dass diese Krisen quasi aus der Natur der Verhältnisse, z.B. aus einer Überbevölkerung oder auch umgekehrt aus dem Geburtenmangel entstünden, aus der Lage der Weltwirtschaft oder auch der Nationalwirtschaft. Auf jeden Fall behaupten sie, dass Krisen des Kapitals nur durch Geldwirtschaft zu beheben seien, dass also dem Kapital mehr Vermögen zuteil werden müsse, damit es die Wirtschaft wieder „ankurbeln“ könne. So geht das schon seit langem und obwohl viel Geld seitdem geflossen und zerflossen ist, treiben sich dennoch die Krisen immer weiter, und zwar in dem Maß des Vermögen, welches das Kapital aufsammelt. Es produziert, aber es konsumiert nicht mehr hinreichend. Kapitalinvestitionen schrumpfen und der Absatz an Lebensmitteln reicht für den heutigen Verwertungsbedarf nicht mehr aus. So entsteht immer wieder zu viel Kapital, Vermögen, das zwar Arbeit darstellt, ihren Wert aber nicht realisieren kann. Erst wenn dann hinreichend viel Kapital durch Konkurse vernichtet bzw. durch das „Unglück“ gewisser Aktienkurse verloren ist, erholt sich das überlebende Kapital und beginnt die Produktion seines Widersinns von Neuem.

Die Produktenmasse muss immer größer werden pro angewandtes Kapital, pro Kapitalumsatz, die Wertanteile im Produkt immer geringer. Die Produktionszeit pro Produkt muss immer knapper bemessen sein; - nur die Arbeitszeit der Menschen wird ausgedehnt, auch wenn keine Arbeit da ist. Kapital ist geronnene menschliche Arbeitszeit - und um die geht es ihm auch. Es geht um die Lebenszeit, die für die Herstellung der Lebensmittel und Gebrauchsgüter aufgebracht wird; es geht um Wert, den sie hat und den Wert, den sie erbringt. Es geht um die Verwertung ihres Werts, um die Verwertung als Selbstzweck. Wo Arbeitszeit dem Leben entnommen wird, sind die Menschen abhängig von dem, der über die Arbeitszeit verfügt. Solange er über ihre Zeit verfügen kann, solange er also der Besitzer der Produktions- und der Lebensmittel ist, bezahlen ihm die Menschen das, was er ihnen genommen hat und es als sein Produkt aus diesem Zeitverbrauch anbietet. Je mehr Zeit genommen ist, desto wertvoller ist das Produkt, gleich, wie sinnvoll dieser Verbrauch betrieben wird. Die Geschichte ist schon lange ein einziger Irrsinn derer, die dran glauben, der sich auf den Rücken derer abspielt, die dran glauben müssen (1).

Die Krisen des Kapitals liegen im Arbeitsprozess und der Wertform seiner Produkte begründet, den das Kapital nicht mehr in bleibendem Umfang produktiv bewirtschaften kann. Je weniger menschliche Arbeit zur Produktion nötig ist, je automatisierter diese verläuft, desto weniger Wert wird in den Produkten transportiert. Das Kapital geht zugrunde, wenn es keine menschliche Arbeit in Mehrwert verwandeln kann. Es ist mit seinen Fortschritten zu seinem eigenen Feind geworden, zum Entwickler und Opfer seiner Produktivität. Als Form menschlicher Produktion und Entwicklung ist es nicht mehr geeignet.

Der Staat und die Länder sollen es vor dieser Wahrheit schützen, ihm Steuern ersparen, Vermögen überlassen, Aufträge und Bankgeschäfte sichern, seinen Kommunikationskonzernen, Verkehrsbetriebe und Energieunternehmen Freiraum verschaffen und ihm Renten und Gesundheit als Aktie anzuvertrauen. Hierdurch gibt die sogenannte „öffentliche Hand“ ihre letzten Ressourcen auf und monetarisiert alle öffentlichen und kommunalen Ökonomien und Synergien – nur damit ein Unding überleben und der Staat seine Schulden beim Kapital finanzieren kann, das sich ihm zugleich als Steuerzahler weitgehend entzieht. Die sozialen Strukturen der Kommunen und ihr Vermögen wird unerträglich belastet und obwohl ihre Kassen schrumpfen, müssen sie zu einem beträchtlichen Teil die hohen Kosten der Krise über Sozialleistungen tragen.

Die Krisen der Kommunen

Die Schulden des Staats und der Länder beim Kapital entsprechen der Unterbewertung der Kapitalsteuern durch den Staat. Es sind politische Schulden, die dadurch entstehen, dass der Staat immer auf das Kapital setzt, wenn es Wertprobleme mit dem Kapital gibt, wenn die Wertrealisation nicht mehr so klappt und daher Geldentwertung ins Haus steht und Arbeitslosigkeit zunimmt. Die Nationalökonmomie, und das ist die Ökonomie des Staats, setzt immer auf die "treibende Gewalt des Werts", und die steckt allein im Kapital, das dereinst in den Nationalstaaten auch seine Grenzen hatte. Aber das globale Kapital hat seine Scheu vor den Problemen der Nationalstaaten verloren, die es noch nötig hatte, als dort seine Arbeits- und Warenmärkte waren und eine Zerstörung der Infrastrukturen ihm selbst geschadet hätte. Das ist jetzt merklich anders. In den Kommunen wird daher zwangsläufig das Geld knapp: Die Einnahmen werden geringer und die Ausgaben größer. Und diese Entwicklung ist grenzenlos geworden. Hier haben die Probleme der Kapitalverwertung ihre offensichtliche Wirklichkeit (2).

Mit dem Ende der bürgerlichen Gesellschaft, die durch die Globalisierung abgelöst wurde, ist zwar nicht das Klassenverhältnis der Besitzstände, wohl aber der Klassenkampf beendet worden. Weder ein Aufstand in den Betrieben noch ein organisierter Widerstand gegen Kündigungen oder Arbeitszeitverschärfungen kann das Kapital noch wesentlich beeindrucken. Mit einem Fingerzeig auf die Weltlage, in der es überall gegenwärtig ist und seine Arbeitskräfte heuert und feuert, ist die Sache schnell geregelt. Wenn nichts mehr geht, dann werden die Arbeitsgesetze noch weiter gehend „liberalisiert“, neoliberalisiert, und dann kommen die Arbeitskräfte nicht nur aus Polen, sondern auch aus Asien – für 40 Dollar die Woche. Um den Krisenfolgen des Kapitals zu entkommen, hilft keine Gewerkschaft, kein Arbeiterwiderstand, auch nicht die Wahl einer vermeintlichen Arbeiterpartei oder die Hinzunahme neuer Ideen von diversen Wissenschaftlern und Beratern.

Nur wo es noch Gemeinwesen gibt, die in der Lage sind sich ihm zu verweigern, kann noch was anderes laufen. Doch die werden immer seltener. Die Vermögen der Nationen und Länder sind weit unter das Niveau des Finanzkapitals geraten. Und wo nur noch Kapitalkonzentration die großen Aufgaben und Verkaufsschlager fördern kann, da müssen die Kommunen zurückstecken, weil sie keine entsprechenden Werte darstellen können. Ihre Leistungen als öffentliche Betriebe stellen sich wertmäßig zwangsläufig schwach dar, weil sie nur die Arbeitskräfte ihrer Angestellten einsetzen, die zur Betriebshaltung nötig ist. Und die sind relativ zu teuer im Vergleich zu den Arbeitskräften, die von Zeitarbeitsfirmen ohne Bindung und Bezug eingestellt werden. Und ihre Betriebspreise jenseits des Kapitalsmarkts sind relativ zu billig im Vergleich zu den Preisen, die auch Kapital erwirtschaften. Selbst die alt hergebrachten Aufgaben wie Verkehrsnetze, Justizvollzug oder Gesundheitsvorsorge usw. können von ihm auf Dauer nicht mehr effektiv im Sinne einer Kapitalwirtschaft weiter betrieben und entwickelt werden und müssen daher Stück um Stück privatisiert werden, auch wenn sie bisher überhaupt nichts mit Wertwachstum zu tun hatten. Das Kapital aber kann durch alles wachsen, was von ihm abhängig ist, denn es allein regiert inzwischen die Welt - ganz einfach: durch den Preis.

Zugleich ist es aber mit seiner "Kraft" auch schon am Ende, bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Diese Kraft nämlich ist und bleibt die Arbeitskraft von Menschen, und die wird durch das Kapital nicht kräftiger. Sie wird zwar mehr, weil überall direkt zugänglich. Indem sie aber ihrer Wurzeln, ihrer Produktionsstätte beraubt wird, da hat sie ihre Kultur - und das ist ihre Synergie - verloren. Und auch sie versiegt, wenn sie nicht wirklich leben kann (3).

Die bürgerliche Gesellschaft ist immer weniger eine Gesellschaft des Besitzstandes an Lebensmittel und Kulturgüter und wird immer mehr zu einer Gesellschaft des Geldes, das sich als Kapitalmacht in der Hand von wenigen gegen die Lebensbedingungen der Menschen selbst verhält. Sie ist zur unmittelbaren Gesellschaftsform des Kapitals geworden. Geld existiert hierin nicht nur als Mittel der bürgerlichen Existenz, sondern als allgemeine Lebensvermittlung schlechthin, als gesellschaftliche Lebensform ungeahnter Möglichkeiten, die sich den Menschen als nationale oder kommunale Kultur des Erlebens und der Kommunikation darstellt. Die Menschen darin sind nicht mehr nur von der Warenform ihrer Produkte abhängig, sondern unmittelbar von der Existenzform ihrer Kultur, die ihnen als unumstößliche Gegebenheit erscheint, je weniger Geschichte sie noch darzustellen hat. Als bloße Existenzform des Erlebens und der Selbstwahrnehmung lebt sie nur durch die Menschen, die sich in ihrem wechseitigen Erleben ergehen, sich anmachen und verfügen, um nicht nur Objekt zu sein. Sie müssen beständig sich als Original ihrer selbst hervorbringen, ihre Daseinsseinsmaske zurichten, mit der sie sich beständig vergleichen und gleichsetzen, sich identifizieren, um mit sich identisch zu sein. Ihre Kultur besteht als reine Form, die sie selbst beleben. Sie werden selbst zum Gleichnis des Dazwischenseins, zum Beweggrund zwischenmenschlicher Beziehungen und Gefühle, wodurch die Menschen ihre gesellschaftliche Beziehungslosigkeit überleben, indem sie füreinander wechselseitig nützliche Objekte, sich also wechselseitig zu Diensten sind. Menschliche Identität ist selbst zu einem Problem geworden, das die Kultur beständig bewegt und auch in sich aufhebt, indem sie sich als Kultur des Erlebens fortentwickelt. Die Erpressung und Prostitution der Menschen ist selbst schon kultiviert, kultureller Bestandteil dieser Gesellschaft (4).

Das Kapital hat die Kommunen fest im Griff und die sind meist sogar auch noch froh, wenn es sich bei ihnen ansiedelt und Geld und Arbeitsplätze beibringt. Anders als durch Kapital kann man sich keine Linderung der Probleme und meist auch keinen Fortschritt mehr vorstellen. Kapital ist in Europa das totale Medium der wirtschaftlichen Gestaltung und Entwicklung. Man geht den Pakt mit dem Teufel gerne ein, auch wenn man "über die Resultate nicht glücklich" ist. Man muss sie eben "in Kauf nehmen" - im wahrsten Sinne des Wortes. Gegen die Totalisierung des Kapitals in den Kommunen gibt es keinen Klassenkampf, weil die Klassen sich nicht mehr wirklich gegenüberstehen. Das Kapital tritt nicht mehr auf als Produktionsstätte. Es ist nur noch bloße Geldform. Die Welt ist eine Fabrik mit Milliarden Zellen, die einzig und allein durch Geld bestimmt sind. Die Gewerkschaften wären fast überflüssig, würden sie nicht wenigstens noch um den Preis der Industrie- und Dienstleistungsarbeit ein wenig feilschen - soweit eben, wie es die Konkurrenz mit dem außereuropäischen Ausland zulässt. Ihre Auseinandersetzung mit dem Kapital hat schon lange keine menschliche Substanz mehr bis auf die, dass existiert werden muss und dass dies auch immer wieder vorgetragen wird.

Doch eine Gesellschaft, worin menschliche Interessen bestimmend sein sollen, kann sich nicht wie eine Subkultur entwickeln, die dasselbe einfach nur anders macht, sich lediglich durch einen überschaubaren Tauschhandel mit geringeren Wertquanten gegen den Tauschhandel der großen Kapitalwerte setzt. Es verlangt, menschliche Interessen als wesentlich gesellschaftliche Interessen herauszustellen und die gesamte gesellschaftliche Entwicklung in ihrem Widerspruch zu ihrer herrschenden Form zu begreifen. Es verlangt, von dem auszugehen, was gesellschaftlich wirklich da ist, was gesellschaftlichen Sinn hat, worin also in der bestehenden Gesellschaft menschliche Subjektivität objektiv ist und zu erkennen, was genau die Form ausmacht und bestimmt, in welcher es untergeht. Auf weitere Sicht muss daher die Frage genauer gestellt werden: Was macht die menschliche Gesellschaft überhaupt wirklich aus, worin kein Mensch mehr durch seine gesellschaftliche Abhängigkeit erpresst werden kann, - wie kann also die Beziehung der einzelnen Menschen zu ihrer Gesellschaft und das gesellschaftliche Ganze im Verhältnis zu ihnen ohne Gewalt zu einer allgemeinen Wirklichkeit werden? Unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen können die einzelnen Menschen gesellschaftlich so bestimmend sein, wie sie selbst auch gesellschaftlich bestimmt sind?

Gesellschaft ist, wo Menschen ihr Leben aufeinander beziehen, sich zueinander und miteinander verhalten und äußern - kurz: Wo sie ihr Leben produzieren. Man muss nicht den kleinen Gott spielen, der weiß, wie Gesellschaft zu schaffen wäre, den großen Gärtner, der Keime pflanzt und sie gedeihen lässt, bis sie reif sind. Eine menschliche Gesellschaft muss nicht erst erfunden werden. Sie liegt im Wesentlichen bereits vor. Lediglich ihre Form ist durch etwas bestimmt, was nicht menschlich ist und was sie dadurch beherrscht, dass es ihren gesellschaftlichen Zusammenhang beherrscht. Wenn die politische Form der bestehenden Gesellschaft aufgehoben wird, wenn die Wertform des Kapitals nicht mehr als politische Macht eines Kapitalvermögens, als Kapitalbesitz wirksam werden kann, werden die wirklichen Zusammenhänge der Menschen auch so freigesetzt, wie sie wirklich sind. Es gibt längst genug Technik und Intelligenz, Verkehrs-, Kommunikations- und Produktionsmittel, um mit geringem Arbeitsaufwand viele Menschen zu ernähren und auch ein entsprechendes Mehrprodukt, also wirklichen gesellschaftlichen Fortschritt und nicht bloß Mehrwert zu schaffen. Doch dieses Vermögen wird zu einem beträchtlichen Teil nicht nur schlecht verwendet, sondern auch für Notwendigkeiten des Kapitals verschwendet, die aus seiner Abgehobenheit und Beliebigkeit entspringen, für die Agenturleistungen, die Abenteuer und Kriege, die Fehlleistungen und Wertvernichtungen, die es mit sich bringt – nicht zuletzt auch durch die Kosten, welche absurde Konstruktionen der Verwertungswirtschaft, z.B. Kapitalverwaltung, Börsenhandel, Atomkraftwerke und Genfood, verursachen.

Es gibt kein anderes Mittel gegen das Kapital, als es unnötig zu machen, sich ihm zu entziehen. Es müssen hierfür allerdings konkrete Lebensgrundlagen und ein eigener Entlohnungskreislauf der Arbeit jenseits des Kapitalverhältnisses geschaffen werden. Dadurch dass das Kapital sich weitgehend aus stofflichen Abhängigkeiten frei gemacht hat und solange die Menschen nur durch das Kapital zu ihrem Lohn und damit an ihre Lebensmittel kommen, kann es den Zeitaufwand auch relativ frei bestimmen, in welchem es ihre Arbeitskraft nutzt. Und hierdurch bestimmt es deren Wert und also das, wonach ihre Lebensverausgabung bemessen wird. Dem Kapitalinteresse der Aktionäre und Spekulanten müssen daher die ihm zugrunde liegenden menschlichen Lebenszusammenhänge so entgegengestellt werden, dass sie ihm nicht mehr zum Wertwachstum taugen. Doch die bestehen aus allem, was das Kapital besitzt: Lebensmittel, Enerhie, Wohnung, Gewerberaum, Maschinen, Verkehrsmittel, Kommunikationsmittel usw. Um die Kapitalverfügung zumindest erst mal aus dem Basisstoffwechsel herausnehmen zu können, über den es vermittelst seiner Arbeitsplatzangebote verfügt und wodurch die Menschen von seinem Geld abhängig sind, müssen die Kommunen eine kommunale Lebensproduktion entwickeln.

Dies kann dann geschehen, wenn Kommunen gesellschaftliche Strukturen befördern, welche die Produktion und Reproduktion des menschlichen Lebens zunächst zumindest zu einem wesentlichen Teil in eigener Regie und unmittelbar durch eigene Betriebe oder durch Sachleistungsverträge mit anderen Kommunen übernehmen können, wenn sie aus den Ruinen der Wirtschaft Produktionsstätten der Selbstversorgung schaffen und damit die Existenzangst der Menschen, die den Schleuderpreisen der Arbeitskräfte zugrunde liegt, aufheben. Und zugleich muss die politische Gewalt des Kapitals, also die abstrakten Rechtstitel, durch welche die Menschen von ihm abhängig gehalten werden und die nur den Banken und Spekulanten dienlich sind, abgetragen werden, sodass die Preise der Mieten, Energieträger, Verkehrsmittel usw. nicht mehr durch die Vermarktungslage der Kapitalinteressen, der Aktienkurse und Fussionäre bestimmt sind.

Eine kommunale Selbstversorgung auf reproduktiver Ebene ist keine Frage des Geldes, wenn zugleich in großem Umfang Produktionsstätten zerstört werden, die auch Geld gekostet hatten und die lediglich durch Kapitalspekulation entwertet wurden. Diese Gesellschaft gibt z.B. für das Jahr 2006 über 271,6 Milliarden Euro für ihren Staatshaushalt aus, neben 23,9 Milliarden Euro Ausgaben für Militär alleine in ihrem Sozialetat 119,5 Milliarden Euro für vieles, was nur deshalb viel Geld verschlingt, weil es zugleich Mehrwert erbringen muss und ein Übermaß an Verwaltung und Agenturleistungen finanziert. Es geht der hohen Politik, wenn sie ihre Sorgen um ihr Sozialsystem kundtut, vor allem um die systematische Finanzierung ihrer Organe, nicht wirklich um die Versorgung oder Unterstützung von Menschen und auch nicht um Ökonomie als solches – es geht um eine Politik, mit der diese Verhältnisse auf „Teufel-komm-raus“ erhalten werden sollen, auch wenn das Kapital das Leben der Menschen zu einem immer größer werdenden Teil verödet, ihre Kultur zerstört und jeden Sinn unsinnig macht. Diese „Sozialausgaben“ können von den Kommunen weit optimaler verwendet werden, wenn sie direkt in die Selbstversorgung eingehen und selbst tragende Strukturen schaffen, die dem Kapital höchst unpässlich sind, weil sie die Erpressbarkeit der Arbeitskräfte mindert. Im Zusammenhang mit einer politischen Entrechtung des Kapitalbesitzes kann dies schon der Beginn einer wesentlichen gesellschaftlichen Veränderung werden, sobald sie auch die Reichtumsproduktion erreicht. Aber dies alles verlangt, dass die Bedeutung des Geldes sich durch entsprechende Politik wesentlich ändern lässt.

Das Problem ist vielleicht, dass sich die Menschen eine Umkehrung dieser Verhältnisse nicht mehr vorstellen können, die Umkehrung des Verhältnisses von Politik und Ökonomie, eine Entwicklung von der Kritik der politischen Ökonomie zu einer ökonomischen Politik. Die Politik müsste eine Politik der Emanzipation von der politischen Ökonomie des Kapitals sein, um eine Ökonomie zu verwirklichen, welche der Entfaltung menschlicher Bedürfnisse dient, indem sie den Arbeitsprozess optimiert und den Reichtum, den sie gesellschaftlich hervorbringt, an alle Menschen dieser Gesellschaft auch zurückgibt.

Dieser Emanzipationsprozess, so allgemein er jetzt beschrieben ist, hat schon eine lange Geschichte hinter sich und erscheint heute unter dem rohen Blick angepasster Historiker auch gerne als Geschichte des Scheiterns. Tatsächlich ist er aber nicht an seiner Begründung, sondern immer nur an der Macht gescheitert, welche der Staat als Institution des Mehrprodukts gegen die Menschen eingesetzt hat, die um die politische Überwindung seiner Form, gegen seinen Besitzstand angekämpft haben. Schauen wir daher jetzt erst einmal die Geschichte der wichtigsten Bewegungen an, in denen die Menschen sich zu den objektiven Verhältnissen des Kapitalismus gestellt haben, worin bisher also schon Widerstand gegen die objektiven Gewalten der Geschichte des Kapitalbesitzes aufgebracht wurde, worin also schon menschliche Subjektivität, ein dem Menschen eigentümliches Leben in gesellschaftlicher Entwicklung erkennbar geworden war.

Die erste sozialistische Revolution

Die erste sozialistische Revolution ereignete sich zum Ende des Deutsch-Französischen Kriegs zunächst als Revolte der Nationalgarde gegen ihren Kriegsherrn, die sie zur unmöglichen Verteidigung der Stadt Paris gegen die Deutschen zu verheitzen gedachte, um sich selbst im Untergang zu heroisieren. Es zeigte sich darin die Korruption und Dekadenz der französischen Aristokratie, die als Ursache für den Krieg und auch der Verelendung des Proletariats angesehen wurde. Die deutsche Armee stand vor den Toren von Paris und die Regierungstruppen der französischen Armee waren zu schwach, um Paris zu verteidigen. Sie schossen stattdessen auf ihre eigene Nationalgarde, um sie in den Krieg zu hetzen. Diese stellte sich auf die Seite des Arbeiteraufstands, der seit dem 4. September 1870 ausgebrochen war, und setzte die Geschütze zur Verteidigung der französischen Arbeiterrevolution ein. Die Regierung floh nach Versailles und die das neu gebildete Zentralkomitee, eine Gremium aus Arbeiterräten und Nationalgarde, riefen das Volk zur ersten demokratischen Wahl auf.

In einem Text aus der Uni Münster wird die Pariser Kommune folgendermaßen dargestellt (http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/sozialeOrdnung/laendliche_gesellschaft/unterpunkte/kommunalismus.htm):

„Am 18. März 1871 hatte das Zentralkomitee der Nationalgarde in Paris die Macht übernommen und sogleich Maßnahmen zur Linderung der Not eingeleitet. Mietrückstände wurden erlassen, Mieten herabgesetzt, die Versteigerung der nicht eingelösten Pfänder wurde sofort eingestellt. Am 26. März fanden in Paris Wahlen statt, am 28. März erfolgte die Wahl der Kommune. Dabei trat zum ersten Mal in der Geschichte eine auf demokratischem Wege gewählte Regierung der Arbeiterklasse an das Licht der Öffentlichkeit. ..."

Der Rat der Kommune verfügte Maßnahmen, die nur der Bevölkerung dienten. In seiner ersten Sitzung wurde das stehende Heer abgeschafft. An dessen Stelle trat die bewaffnete Macht des werktätigen Volkes. Wenig später folgte ein Dekret über die Trennung von Kirche und Staat. Eine Verordnung über die Arbeiterkontrolle in Verwaltung und Produktion wurde erlassen. Am 16. April verabschiedete der Rat der Kommune ein Dekret über die Inbetriebnahme der von den Kapitalisten stillgelegten und verlassenen Betriebe. Ein Untersuchungsausschuß wurde beauftragt, einen Bericht vorzulegen, »der die praktischen Bedingungen für die sofortige Inbetriebsetzung dieser Fabriken darlegt, und zwar nicht mehr durch die Deserteure, die sie verlassen haben, sondern durch die kooperative Assoziation der Arbeiter, die in ihnen beschäftigt waren.« Die Kommission wurde beauftragt, »einen Plan für die Bildung dieser kooperativen Arbeitergesellschaften auszuarbeiten.«

Die perspektivischen Vorstellungen der Kommunarden waren auf eine sozialistische Gesellschaft gerichtet. So forderten zum Beispiel am 23. April die Pariser Mechaniker in einer Resolution: »Die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen!« (La Commune, Nr. 1, 1975, S. 25). Ebenso unmißverständlich erklärten Pariser Arbeiterinnen in einem Brief an den Rat der Kommune: »In Erwägung, daß die Neuordnung der Arbeit darauf gerichtet ist, das Produkt den Produzenten zu sichern, kann diese nur in Produktionsgenossenschaften erfolgen, die in einzelnen Industriezweigen gebildet werden.« Und die Frauen machten darauf aufmerksam, »daß die Bildung dieser Produktionsgenossenschaften die Arbeiter nicht nur der kapitalistischen Ausbeutung entzieht, sondern den Arbeitern auch ermöglicht, die Leitung ihrer Angelegenheiten in ihre eigenen Hände zu nehmen, um grundlegende Reformen in der Produktion und in den sozialen Beziehungen der Produzenten durchzuführen.« (La Commune, Nr. 2, Paris 1975, S. 18) Keine Regierung der Welt hat bisher so weitgehende Maßnahmen für das arbeitende Volk beschlossen wie die Pariser Kommune.“ Soweit der Text aus Münster.

Karl Marx beschrieb die Kommune folgendermaßen:

„Die Kommune bildete sich aus den durch allgemeines Stimmrecht in den verschiedenen Bezirken von Paris gewählten Stadträten. Sie waren verantwortlich und jederzeit absetzbar. Ihre Mehrzahl bestand selbstredend aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der Arbeiterklasse. Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit. Die Polizei, bisher das Werkzeug der Staatsregierung, wurde sofort aller ihrer politischen Eigenschaften entkleidet und in das verantwortliche und jederzeit absetzbare Werkzeug der Kommune verwandelt. Ebenso die Beamten aller andern Verwaltungszweige. Von den Mitgliedern der Kommune an abwärts, mußte der öffentliche Dienst für Arbeiterlohn besorgt werden. Die erworbnen Anrechte und die Repräsentationsgelder der hohen Staatswürdenträger verschwanden mit diesen Würdenträgern selbst. Die öffentlichen Ämter hörten auf, das Privateigentum der Handlanger der Zentralregierung zu sein. Nicht nur die städtische Verwaltung, sondern auch die ganze, bisher durch den Staat ausgeübte Initiative wurde in die Hände der Kommune gelegt.

Das stehende Heer und die Polizei, die Werkzeuge der materiellen Macht der alten Regierung einmal beseitigt, ging die Kommune sofort darauf aus, das geistliche Unterdrückungswerkzeug, die Pfaffenmacht, zu brechen; sie dekretierte die Auflösung und Enteignung aller Kirchen, soweit sie besitzende Körperschaften waren. Die Pfaffen wurden in die Stille des Privatlebens zurückgesandt, um dort, nach dem Bilde ihrer Vorgänger, der Apostel, sich von dem Almosen der Gläubigen zu nähren. Sämtliche Unterrichtsanstalten wurden dem Volk unentgeltlich geöffnet und gleichzeitig von aller Einmischung des Staats und der Kirche gereinigt. Damit war nicht nur die Schulbildung für jedermann zugänglich gemacht, sondern auch die Wissenschaft selbst von den ihr durch das Klassenvorurteil und die Regierungsgewalt auferlegten Fesseln befreit.

Die richterlichen Beamten verloren jene scheinbare Unabhängigkeit, die nur dazu gedient hatte, ihre Unterwürfigkeit unter alle aufeinanderfolgenden Regierungen zu verdecken, deren jeder sie, der Reihe nach, den Eid der Treue geschworen und gebrochen hatten. Wie alle übrigen öffentlichen Diener, sollten sie fernerhin gewählt, verantwortlich und absetzbar sein.

Die Pariser Kommune sollte selbstverständlich allen großen gewerblichen Mittelpunkten Frankreichs zum Muster dienen. Sobald die kommunale Ordnung der Dinge einmal in Paris und den Mittelpunkten zweiten Ranges eingeführt war, hätte die alte zentralisierte Regierung auch in den Provinzen der Selbstregierung der Produzenten weichen müssen. In einer kurzen Skizze der nationalen Organisation, die die Kommune nicht die Zeit hatte, weiter auszuarbeiten, heißt es ausdrücklich, daß die Kommune die politische Form selbst des kleinsten Dorfs sein, und daß das stehende Heer auf dem Lande durch eine Volksmiliz mit äußerst kurzer Dienstzeit ersetzt werden sollte. Die Landgemeinden eines jeden Bezirks sollten ihre gemeinsamen Angelegenheiten durch eine Versammlung von Abgeordneten in der Bezirkshauptstadt verwalten, und diese Bezirksversammlungen dann wieder Abgeordnete zur Nationaldelegation in Paris schicken; die Abgeordneten sollten jederzeit absetzbar und an die bestimmten Instruktionen ihrer Wähler gebunden sein.“ (MEW 17, S. 339 f ).

Allerdings währte diese Kommune gerade nur 72 Tage. Bismarck hatte begriffen, dass es ein größeres Problem gab, als das zwischen Frankreich und dem sich gerade ordnenden Deutschland: Der Aufstand der Arbeiterschaft gegen den Kapitalismus. Durch geheime Verhandlungen sprach er der Französischen Regierung Waffen und Soldaten zu, die unter dem Vorwand der Kriegsmächtigkeit vordrangen und gegen die gewählten Stadträte von Paris vorgingen. In einer einzigen „blutigen Woche“ vom 21. bis 28. Mai 1871 wurde ein beispielloses Blutbad angerichtet, dem ungefähr 25.000 Kommunarden zum Opfer fielen. Damit war die Pariser Kommune beendet und die ersten Ansätze eines französischen Kommunalismus ausgeschaltet.

Freiheit und Diktatur

Marx resümierte aus der Erfahrung, dass Staatsmacht nicht nur aus Waffen, sondern auch aus Verbündeten besteht, die Unmöglichkeit, den bürgerlichen Staat in einen proletarischen zu wandeln, ihn zum Mittel einer Revolution zu wenden und ihn als militärisches Machtinstrument einzusetzen. Dies muss auch schon deshalb misslingen, weil es zu einem Selbstwiderspruch der Befreiung wird, Anspruch auf eine Staatsmacht zu erheben, die notwendig ihre eigenen Interessen umsetzt – ganz im Gegensatz dazu, dass die Unterdrückten sich gerade gegen diese politische Formation gewehrt hatten und ihre Angelegenheiten wirklich selbst in ihre Hände nehmen müssen. Das kann keine Institution einlösen; das muss in den Lebensverhältnissen selbst geschehen und das muss auch alle staatsrechtlichen Formen hinter sich lassen, die Formen hergebrachter Systeme abstreifen. Er schreibt: „Die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen.“

Jeder Staat steht unter der Kontrolle einer herrschenden Klasse, weil in ihm gesellschaftliche Macht nicht aus den konkreten Beziehungen der Menschen, nicht aus den Notwendigkeiten des menschlichen Lebens gebildet ist, sondern als die Gewalt einer Institution durch höheres Recht installiert wird, durch eine Moral, Religion, Ethik oder Sitte begründet, die als institutionelle Macht zwangsläufig zu herrschendem Recht wird (5).

So wurde auch schon der bürgerliche Staat, die Regierung des öffentlichen Besitzstandes, des Habens und des Meinens, in der repräsentativen Demokratie unter parlamentarische Kontrolle gestellt, die nichts anderes ist als die Kontrolle des Habens und des Meinens, d.h. – so Marx – „die direkte Kontrolle der besitzenden Klassen. Einerseits entwickelte sie sich ... „ – so schreibt Marx vor 120 Jahren schon – „zu einem Treibhaus für kolossale Staatsschulden und erdrückende Steuern und wurde vermöge der unwiderstehlichen Anziehungskraft ihrer Amtsgewalt, ihrer Einkünfte und ihrer Stellenvergebung der Zankapfel für die konkurrierenden Fraktionen und Abenteurer der herrschenden Klassen - andrerseits änderte sich ihr politischer Charakter gleichzeitig mit den ökonomischen Veränderungen der Gesellschaft. In dem Maß, wie der Fortschritt der modernen Industrie den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit entwickelte, erweiterte, vertiefte, in demselben Maß erhielt die Staatsmacht mehr und mehr den Charakter einer öffentlichen Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse, einer Maschine der Klassenherrschaft. Nach jeder Revolution, die einen Fortschritt des Klassenkampfs bezeichnet, tritt der rein unterdrückende Charakter der Staatsmacht offner und offner hervor.“ (MEW 17, S. 336)

Nach Marx muss die Überwindung des Kapitalismus die Verwirklichung eines „Vereins freier Menschen“ sein, eine Gesellschaft der Menschen, die ihre Ketten gesprengt haben und eigene Lebenswirklichkeit sozialisieren, eine Gesellschaftsform eingehen, in welchem der gesellschaftliche Reichtum den Menschen zugeeignet wird, die ihn auch erzeugen. Freiheit besteht nach Marx in der freien Entwicklung der Bedürfnisse und der freien Verfügung über die Produkte der Arbeit hierfür. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer freien Gesellschaft sah er bei den Nutznießern der herrschenden Wertformen, bei der Bourgeoisie, nicht gegeben. Die in der bürgerlichen Gesellschaft zum Objekt der herrschenden Klasse bestimmten Menschen, die Arbeiter und Abhängigen, tragen demnach das subjektive Wesen einer freien Gesellschaft als Bedürfnis, als notwendiges Verlangen in sich, wie sie zugleich auch die Träger und Produzenten der alten Gesellschaft waren. Von diesen müsse daher die Entwicklung ausgehen, in welcher die Gegensätze umgekehrt und der gesellschaftlichen Produktion die gesellschaftlich bestimmende Macht politisch überantwortet werden müsse. Diese aber muss ihren Klassencharakter aufgeben, kann nicht Macht eines Staat sein, sondern kann als Macht der Kommunen nur die Naturmacht der gesellschaftlichen Arbeit gestalten. Und diese bleibt eine Macht, die gesellschaftlich kontrolliert sein muss, soll sie zu einem wirklichen Gemeinwesen der Menschen werden können.

Diese Position war zu jener Zeit die der Sozialisten und der ersten Internationalen, die auch Marx und Engels vertraten. Mit dem politischen Agitationsbegriff von der „Diktatur des Proletariats“ wurde allerdings eine Absurdität installiert, die sich an die alte Gesellschaft auf eine fatale Weise fixierte. Prolet konnte eigentlich nur ein Begriff der Unterwerfung sein, ein Begriff der Verarmung und des Elends. Darin war in keiner Weise die freigelegte Subjektivität einer menschlichen Gesellschaft formuliert. Außerdem kann auch eine dermaßen objektive Geschichtsdialektik in Frage gestellt werden, wonach das Unterdrückte einfach nur politische Macht erlangen muss, um Freiheit zu entwickeln. Der subjektive Gehalt einer Gesellschaft muss im Zusammenkommen ihrer Ganzheit als ökonomische und politische Einheit des Lebensprozesses der Menschen wirklich werden, nicht als politische Machtübereignung, welche lediglich die Form der Ohnmacht aufhebt und neue Unterwerfung bestimmt. Es muss den einst Mächtigen lediglich unmöglich gemacht werden, ihre alten Formen zu reinstallieren – und davon schrieben Marx und Engels auch. Für sie sollte der Staat durch die Kommune überflüssig werden, weil diese keine Institution als politisches Subjekt des abstrakten Allgemeininteresses mehr nötig habe, weil und wenn sie selbst ein lebendiges Gemeinwesen, ein politisches Wesen der Lebensproduktion ist.

Die Proklamation einer Diktatur des Proletariats im Kommunistischen Manifest bewahrt dagegen einen Klassengegensatz, indem dieser darin nur gewendet ist, und es dem Willen der Proleten als Subjekte der Arbeitsmaschinerie übereignet ist, über die Bedürfnisse der Menschen zu bestimmen. Das war nicht der Ausgang des Sozialismus und nicht sein Ziel. Ich halte das für ein fatales Selbstmissverständnis. Trägt das Proletariat wirklich die gesellschaftlichen Inhalte, so muss zwar dessen überkommene Form aufgehoben, nicht aber ihr Inhalt vom Bedürfnis zur Arbeit umgekehrt werden. Engels merkte im Vorwort zur letzten Auflage des Kommunistischen Manifestes auch folgerichtig an, dass sich andere Positionen in dieser Frage ergeben hätten und dass es nur aus historischen und dokumentarischen Gründen nach 40 Jahren seines Bestehens unverändert neu aufgelegt werde. Man kann die Korrektur dieser Formulierung bei Marx auch in seiner Kritik des Gothaer Programms, dem Gründungsprogramm der Sozialdemokratischen Partei, nachvollziehen, worin er Lasalle gerade das zum Vorwurf machte, was dieser auf ihn bezogen hatte: Die Macht der Arbeit als „Quelle allen Reichtums“ zu begründen. Marx warf ihm vor, die Gesellschaft eines Arbeitsstaats durch die Verherrlichung der nutzbringenden Arbeit zu begründen. Diese könne nur eine rohe Gesellschaft auf der Stufe eines Wilden mit sich bringen.

"Was ist "nutzbringende" Arbeit? Doch nur die Arbeit, die den bezweckten Nutzeffekt hervorbringt. Ein Wilder - und der Mensch ist ein Wilder nachdem er aufgehört hat, Affe zu sein - der ein Tier mit einem Stein erlegt, der Früchte sammelt etc., verrichtet "nutzbringende" Arbeit." (Marx in der Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 16)

Dass Lasalle in der Arbeit die „Quelle allen Reichtums“ sah, beantwortete Marx: "Jene Phrase findet sich in allen Kinderfibeln und ist insofern richtig, als unterstellt wird, daß die Arbeit mit den dazugehörigen Gegenständen und Mitteln vorgeht. Ein sozialistisches Programm darf aber solchen bürgerlichen Redensarten nicht erlauben, die Bedingungen zu verschweigen, die ihnen allein einen Sinn geben ... Die Arbeit ist nicht die Quelle alles Reichtums. ... Die Bürger haben sehr gute Gründe, der Arbeit übernatürliche Schöpfungskraft anzudichten; denn grade aus der Naturbedingtheit der Arbeit folgt, daß der Mensch, der kein andres Eigentum besitzt als seine Arbeitskraft, in allen Gesellschafts- und Kulturzuständen der Sklave der andern Menschen sein muß, die sich zu Eigentümern der gegenständlichen Arbeitsbedingungen gemacht haben. Er kann nur mit ihrer Erlaubnis arbeiten, also nur mit ihrer Erlaubnis leben." (Marx in der Kritik des Gothaer Programms)

Das verheerende Missverständnis in der Geschichte sozialistischer Bewegungen entstand dann schließlich im Verstand Lenins, der sich in seinem Buch „Staat und Revolution“ auf eben diese Stelle der Kritik der Pariser Kommune von Marx bezog und daraus schloß, dass es um eine „Zerschlagung des bürgerlichen Staates“ und dessen Ersatz durch einen „proletarischen Staat“ gehen müsse. Während Marx und Engels ausdrücklich vom Unnötigwerden des bürgerlichen Staats durch den nationalen Zusammenschluss von Kommunen sprachen, wurde unter Lenin die schlimme Geschichte des proletarischen Staats eingeläutet, die Grundlage des sogenannten Realsozialismus, der schließlich zum Stalinismus führte, einer Staatsidee, die sich von der der Nationalsozialisten nur noch darin unterschied, dass sich in Russland und später auch in China noch keine kapitalmächtigen Interessen entwickelt hatten, welche sich hinter dem Staatsinteressen verstecken konnten.

Von daher war die UdSSR aber auch kein Staatskapitalismus, wie das landläufig behauptet wird, sondern ein Ein-Parteienstaat, der im Widerspruch zu sich selbst stand, also zu seiner Selbstdefinition als politisches Ganzes, wie später auch der chinesische Staat der sogenannten Kulturrevolution. Es war die verselbständigte Politik, die sich sozialistisch nannte, ohne in der Lage zu sein, kommunale Lebens- und Produktionszusammenhänge zu vertreten, weil sich aus den Kommunen in einem Agrarland keine weitläufigen Produktionszusammenhänge bilden konnten. Die Entwicklung der russischen und chinesischen Industrie blieb somit eine Staatsangelegenheit, die mit einer administrativen Planwirtschaft ausbedungen werden musste. Aber so kam sie nicht zu einem wirklichen Reichtum, zu keinem hinreichenden Mehrprodukt und musste viele Waren einführen, die sie zu einem immer größeren Anteil durch Goldexporte finanzierte. Mit der schlagartigen Goldentwertung, die durch den Goldverkauf der USA nach der Kündigung der Verträge von Bretton-Woods einbrach, war die sowjetische Wirtschaft schließlich ruiniert. China entwickelte sich zu einer kapitalistischen Gesellschaft, welche den Kollektivismus dazu nutzte, hohe Ausbeutungsraten mit seiner Weltproduktion zu erwirtschaften und die Profite zur Entwicklung des Parteien- und Staatsapparats zu verwenden.

Der spanische Bürgerkrieg

Auch in Spanien gab es vor inzwischen genau 70 Jahren eine Revolution der Bauern und Landarbeiter gegen die spanische Oligarchie aus Großgrundbesitzer, Kirche und Militär. Anfang des 20. Jahrhunderts war Spanien noch ein gering industrialisiertes Land, vorwiegend bäuerlich besiedelt und von einer ungeheuerlichen sozialen Ungleichheit geprägt. Von 11 Millionen Erwerbstätigen mussten 1931 ca. 8 Millionen zu den "Armen" gerechnet werden, demgegenüber stand eine Schicht von Wohlhabenden, die sich zumeist aus parasitären Elementen zusammensetzte. Einer kleinen Schicht von Großgrundbesitzern gehörte fast das gesamte Land, so entfielen z.B. in der Provinz Sevilla 72 Prozent des Grund und Bodens auf 5 Prozent der Grundeigentümer. Auf der anderen Seite gab es im Süden Spaniens eine große Anzahl vollkommen besitzloser Landarbeiter, die zu Hungerlöhnen auf den Besitztümern der Reichen arbeiten mußten, während in Nord- und Mittelspanien die Ländereien der Bauern mit Grundbesitz so klein waren, daß sich kaum die eigene Ernährung bewerkstelligen ließ.

Die Bauern und Landarbeiter hingen einem eher instinktiv geprägtem anarchistischem Ideal nach, der bäuerlichen Dorfgemeinschaft, die selbstverwaltet war und auf Kollektivismus und Gleichheit beruhte. Dieses Ideal hatte in Spanien eine jahrhundertelange, funktionierende Tradition. Erst mit der Abschaffung der feudalen Eigentumsverhältnisse Mitte des 19. Jahrhunderts gerieten die Dorfgemeinschaften in Gefahr. Land, das vormals vom gesamten Dorf bewirtschaftet wurde, wurde von Privatleuten gekauft. Es entstand im Zuge der Privatisierung von ehemaligem Kollektivbesitz ein ländlicher Besitzindividualismus, der die Genossenschaften und den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft bedrohte. So stellen sich die anarchistischen Aufstände, die in der Folgezeit auftraten, als ein Versuch der Rekonstruktion ehemals funktionierender und als erstrebenswert erachteter Strukturen dar. 

Da auch die Industriearbeiterschaft im immer noch agrarisch geprägten Spanien nach wie vor vielfältige Bande und auch eine emotionale Beziehung zur bäuerlichen Bevölkerung besaß, war dort die Kommunistische Partei eher eine Randerscheinung. Ihr waren die Ideen des Anarchismus nur zu vertraut. "Die städtischen Arbeiter lebten noch in einer Atmosphäre, in der Wut, Zorn und Rache der Volksmassen - wie Jahrhunderte zuvor - die explosive Form des Bauernaufstandes, der vergänglichen gewalttätigen Revolte ... annahmen." (Broué/Témime (1961): "Revolution und Krieg in Spanien - Geschichte des spanischen Bürgerkrieges in zwei Bänden", Frankfurt/ Main, Surhrkamp 1968, S. 63).

Wo dort dennoch theoretisch reflektiert wurde, kam Bakunins Vorstellung von einem freien föderalistischen System autonomer Körperschaften, die miteinander freiwillige Verträge abschließen, weitaus besser an, als die zum Stalinismus hin abtriftenden Parteikommunisten. Mit den Mitteln der "direkten Aktion" (im Gegensatz zur parlamentarischen), d.h. Streiks, Revolten und Sabotageakten sollte die Wut der unterdrückten Bauern und Arbeiter auf ihre Herrscher freigelegt werden und ein allgemeiner Aufstand ausgelöst werden. Der "freiheitliche" oder "libertäre Kommunismus", der die Ideen Bakunins aufgriff war in den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts vor allem in der Schweiz, Italien, Frankreich und Spanien weit verbreitet. Im libertären Kommunismus sollte ebenso wie im leninistischen Kommunismus das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft, jedoch "nicht in Staats-, sondern in Kollektiv- und Gemeineigentum umgewandelt werden" (Souchy (1955): "Nacht über Spanien - Anarcho-Syndikalisten in Revolution und Bürgerkrieg 1936-39, Ein Tatsachenbericht", Grafenau, Trotzdem Verlag 1992 , S. 91).

Bakunin trat entschieden gegen eine politische Beteiligung an den Institutionen des bürgerlichen Staatsapparates ein, da seiner Meinung nach die Macht des Staates deren Träger korrumpiert und die Konzentration auf Wahlen, Parlament usw. den revolutionären Elan des Volkes ersticken würde. Seine Argumentation war weitgehend psychologisch und mit einem Politikverständnis unterlegt, wonach die bloße Konfrontation mit den Herrschenden die revolutionäre Tat ausmacht. Er schloss überhaupt eine Einbeziehung parlamentarischer Strukturen in den Widerstand gegen das kapitalistische System aus, auch in der Form, dass im Parlament antikapitalistische Positionen zu vertreten, zu verteidigen oder im Rechtsboykott oder rechtsparalytisch einzusetzen wären. Von daher wurden die öffentlichen politischen Positionen ignoriert und den rechten Gruppierungen freie Entfaltung in den Parlamenten möglich. Das Bürgertum wurde zunehmend von faschistischen Geisteshaltungen beeindruckt.

Im Jahre 1910 schlossen sich die katalanischen Organisationen der "Libertären" in der CNT zusammen. Diese anarcho-syndikalistische Gewerkschaft wurde in den folgenden Jahren zur mächtigsten. Vor allem in Katalonien, dem eigentlichen Wirtschaftszentrum Spaniens, war sie die bestimmende Arbeiterorganisation. In z.T. monatelangen Streiks, die mit drakonischen Unterdrückungsmaßnahmen beantwortet wurden, kämpften die Arbeiter der CNT für den libertären Kommunismus, für die Selbstbestimmung der Arbeitenden und gegen die Konzernherren. Die direkte Aktion war ihr Kampfmittel. Niemals erhofften sie sich von Wahlen irgendeine Besserung, der Kampf wurde in den Betrieben geführt - konsequenterweise rief die CNT auch bei allen Wahlen zum Boykott auf. Erst als viele ihrer Mitglieder in den Gefängnissen waren und das linke Wahlbündnis, die sogenannte Volksfront, deren Freilassung zum Bestandteil ihres Wahlprogramms machten, gingen auch sie wählen und es kam im Februar 1936 zu einem linken Wahlsieg. Der Beitrag der Anarchisten zu diesem Sieg wurde von ihnen später als Sündenfall bezeichnet, wiewohl ohne diesen schon vor Beginn der spanischen Revolution keine Aussicht auf Verwirklichung bestanden hätte.

Auf den linken Wahlsieg hin sammelten sich die Faschisten und wollten sich als Militärmacht in den Städten präsentieren. Ihnen stellten sich die organisierten Arbeiter mit bloßem Leib und Leben auf den Straßen Madrids und Barcelonas entgegen. Der Durchmarsch der faschistischen Generäle wurde gestoppt, nicht zuletzt aus Furcht vor der öffentlichen Meinung, wie sie im Wahlsieg der Volksfront offensichtlich geworden war.

„Die organisierten Bauern und Arbeiter der CNT und der UGT begannen damit, alle Wirtschaftszweige zu kollektivieren. Jetzt endlich sollten die Forderungen nach "Land und Freiheit" Wirklichkeit werden: Verkehrsbetriebe, Telefongesellschaften, Dienstleistungsbetriebe, Kinos, die Landwirtschaft usw. wurden unter die Kontrolle der Arbeitenden gestellt. Die Fabrik- und Großgrundbesitzer, die ehemaligen Herren wurden verjagt, sofern sie Widerstand leisteten, hingerichtet oder - soweit sie kooperierten - in den Fabriken zu ganz normalen Löhnen weiterbeschäftigt. In Barcelona wurden alle Wirtschaftszweige kollektiviert. Die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln wurde von der Gewerkschaft der Nahrungsmittelindustrie übernommen - "vierzehn Tage lebte man in Barcelona ohne Geld. Die Bevölkerung wurde in öffentlichen Speisehallen von den Gewerkschaften gratis ausgespeist". Die Verkehrsbetriebe wurden in Arbeiterselbstverwaltung betrieben. Ebenso war es mit dem Telefonwesen, nachdem die kriegsbedingten Schäden beseitigt und zahlreiche neue Leitungen verlegt waren.

Auf dem Land, vor allem in Aragón, Katalonien, in der Levante und Kastilien wurde ebenfalls kollektiviert: die Grundbesitzer wurden verjagt und das Land wurde gemeinschaftlich bewirtschaftet. Die bäuerlichen Gewerkschaftsorganisationen der CNT und UGT hatten sich auf eine genossenschaftliche Bewirtung des Landes verständigt. Freiheitliche Parolen wurden verbreitet: „Das Land gehört denen, die es bebauen!“ Weil es keine Arbeitsteilung und entsprechende Quantfizierung (Arbeitszeiten, Arbeitsentgelt) mehr gab, wurden die Kollektive durch Parolen zur Befreiung der Arbeit zusammengehalten und angespornt.

Dennoch gab und gibt es um die Frage der Freiwilligkeit der Kollektivzugehörigkeit noch Streit. Vor allem die Kommunisten betonten in ihrer Propaganda den Zwangscharakter, während von anarchistischer und sozialistischer Seite stets auf die Freiwilligkeit des Beitritts verwiesen wurde.“ (http://www.anarchismus.at/txt3/spanien1.htm)

Die Kollektive machten sich auch gegen die Kleinbauern stark, die sich bis dahin durch ihre Familienarbeit knapp halten konnten. Diese waren entweder von der Kollektivierung angetan oder sie sahen sich gezwungen, dem Kollektiv beizutreten, um nicht unterzugehen. Wo sie sich nicht anpassten, wurden sie als Individualisten abgetan und von den Kollektivleistungen ausgegrenzt, aber nicht verfolgt. Durch die Kollektivierung wurde aber faktisch auch Gewalt nötig und eingesetzt. Ohne die gewaltsame Vertreibung und Hinrichtung der Großgrundbesitzer (die vor allem der Anarchist Buenaventura Durruti und seine Kolonne durchführten), also ohne Gewalt und Terror gegen die Landbesitzer, hätte diese Art von Revolution überhaupt nicht stattfinden können. Wegen der Gewalttätigkeiten ergab sich auch Widerstand gegen die Kollektive von Seiten der Bauern, der im Lauf des Krieges wuchs. In der Anfangszeit der Revolution konnten die Kollektivbetriebe jedoch noch durch das bloße Beispiel überzeugen - in den Kollektiven wurde ein höheres Lebensniveau erreicht, die Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung der einzelnen Mitglieder wurden verbessert, vorhandene Maschinen wurden effizienter eingesetzt, die Produktivität konnte erheblich gesteigert werden.

Darüber geraten Anarchisten gerne ins Schwärmen. Zum Beispiel in der Art, wie der Augenzeuge Augustin Souchy berichtet: "Von den 4.000 Einwohnern des Ortes Alcoriza, traten 3.700 freiwillig der anarchosyndikalistischen Kollektive bei. (...) Die neue Gemeinde wurde auf freiheitlich kommunistischer Basis aufgebaut. Wein und Gemüse wurden gratis verteilt. Jeder erhielt davon, wieviel er wollte. Da Fleisch knapp war, gab es 150 Gramm täglich pro Person. Als man den Kommunismus einführte, verteilte man an jeden Kollektivisten ein Schwein und zwei Hühner. Damit hatten sie etwas für den eigenen Haushalt. Die Kaninchenzucht war frei. Das Geld war abgeschafft worden. Der Handel mit der 'Außenwelt' lag in den Händen des kollektivistischen Wirtschaftsrates. Der Rat hatte eine Wurstfabrik errichtet, in der täglich 500 Kilogramm Wurstwaren hergestellt wurden. Die Würste gingen an die Front für die Milizionäre. Auch eine kleine Schuhfabrik und eine kollektivistische Schneiderei wurde eröffnet. Täglich wurden 50 Paar Lederschuhe und 100 Paar Zeugschuhe hergestellt. Auch davon ging ein großer Teil an die Front für die antifaschistischen Kämpfer. Bekleidungsstücke waren für alle vorhanden. Der kollektivistische Wirtschaftsrat hatte aus dem Erlös der verkauften Wurstwaren von den kollektivistischen Textilfabriken in Katalonien Stoffe gekauft. Die Kollektivschneiderei verfertigte gratis für die Männer Anzüge und für die Frauen Kleider. Niemand erhielt Lohn, doch niemand brauchte etwas kaufen. Alles was die Kollektivisten benötigten, erhielten sie von der Kollektive gratis. 'Sagt mal, Genossen! Wenn da jeder einfach hingeht und sich holt, was er braucht, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen, kommt es da nicht zu Übertreibungen? Gibt es nicht welche, die diese Situation ausnützen?' 'Hier kennt einer den anderen. Wir wissen sehr gut, wer etwas nötig hat und wer nichts braucht. Bis jetzt haben wir noch keinen Fall von habsüchtigem Egoismus gehabt. Wer darauf ausginge, die Kollektive zu betrügen, wäre in der Gemeinschaft unmöglich. Man würde mit dem Finger auf ihn zeigen. Für jeden erscheint es eine Ehrensache, in uneigennütziger Weise am gemeinsamen Werke mitzuarbeiten. Jeder bekommt was er braucht, solange etwas da ist. Vertrauen wird gegen Vertrauen gesetzt. Außerdem wird niemand gezwungen der Kollektive beizutreten. Unser Kommunismus beruht auf dem Prinzip der Freiheit. Wir zwingen keinem das neue System auf. Jeder kann unsere Handlungen in aller Öffentlichkeit kritisieren."

Und weiter berichtet derselbe Zeuge über Calanda, ebenfalls ein Ort in Aragon: "Von den 4.500 Einwohnern des Ortes gehörten 3.500 der anarchosyndikalistischen Organisation an. Sie haben 'gleich nach der Bewegung' - wie sie sich ausdrücken und womit sie den 19. Juli und die darauffolgenden Tage meinen - 'die alte Gesellschaftsordnung beseitigt und durch den Kollektivismus ersetzt'. Das Geld wurde natürlich auch abgeschafft und alles nach sozialistischen Grundsätzen geordnet. Vor der 'Bewegung' gab es nur Anarchisten im Orte. Nachher aber begünstigten die Anarchisten selbst die Bildung von republikanischen und sozialistischen Gruppen. Jeder soll zu seiner Freiheit und zu seinem Recht kommen ...

Im vergangenen Jahre hatte man eine Ausbeute von 1.750 Tonnen Olivenöl. Man baut auch Kartoffeln, Weizen und Wein an und züchtet Obst. Die syndikalistische Verwaltung ist sparsam. Die Überschüsse aus der Kollektive werden an die Gemeinde abgeführt. ...  Die Lebenshaltung der Bevölkerung hat sich nach der Kollektivierung gehoben. Die Landarbeiter hatten vorher nicht einmal die Mittel, um sich einmal wöchentlich rasieren zu lassen. Die Kollektive hat eine Rasierstube mit Haarschneidesalon eröffnet. Da kann jeder Kollektivist sich zweimal wöchentlich gratis rasieren lassen ... Täglich werden vierzig Personen mit Kleidungsstücken verschiedener Art versehen. Jeder erhält, was er braucht. Arzt und Medizin sind gratis. Auch Briefporto wird von der Kollektive bezahlt. Der Stolz der Kollektive ist die neue Ferrer-Schule im ehemaligen Klostergebäude des Ortes. Vorher gab es nur acht Lehrer am Orte. Nur die Kinder der Wohlhabenden konnten zur Schule. Nach dem 19. Juli wurde das anders ... Von der Lehrergewerkschaft aus Barcelona wurden zehn Lehrer angefordert. Schulmaterial wurde angeschafft, Bänke und Stühle von den Kollektivisten selbst freiwillig und kostenlos hergestellt. Nun können alle 1.233 Kinder des Ortes die Schule besuchen ... Der syndikalistische Gemeinderat beschloß, daß nunmehr keine Mieten mehr [zu zahlen sind] ... Die Häuser werden von der Gemeinde verwaltet und Reparaturen auf Kosten der Gemeine, d.h. der Kollektive, vorgenommen. Wasser und elektrisches Licht sind für die gesamte Bevölkerung gratis, auch für die 'Individualisten' ... Die Feldarbeiten werden gemeinschaftlich organisiert. In Zehnergruppen ziehen die Kollektivisten jeden Morgen gemeinsam zur Arbeit aus. Alle betrachten sich als Mitglieder einer großen Familie..."

Die anarchistische Gesellschaftsvorstellung geht von einer freien Entfaltung der Bedürfnisse aus, wie sie aus den unmittelbaren Notwendigkeiten des Lebens entstehen. Für sie ist der Geschichtsprozess von Bedürfnis und Arbeit belanglos, die einander durch ihre gesellschaftliche Wirklichkeit und Verwirklichung als geschichtliches Gemeinswesen begründen. Daher genügt ihnen die Befreiung der Menschen von den offensichtlich herrschenden Gewalten einer Gesellschaft, um eine freie Gesellschaft wie eine Familie freier Menschen zu gründen, das Verhältnis einer quasi natürlichen Bedürftigkeit und Fürsorge. Die Aufwände hierfür werden aus zur Versorgung erbracht, nicht im Verständnis eines gesellschaftlichen Prozesses.

Doch Bedürfnisse entstehen nicht aus einem natürlichen Mangel, sondern aus Lebensinteressen. Ihnen geht es nicht einfach um Selbsterhalt, sondern auch um die Fortbildungen des menschlichen Lebens. Weil Bedürfnisse so gesellschaftlich entstehen, wie auch die Mittel ihrer Befriedigung, muss politische Programmatik sich auf diesen komplexen Prozess beziehen, will sie eine Ökonomie für die Menschen auch wirklich gestalten können. Der anarchistische Familiarismus mag in revolutionären Zeiten für eine Übergangsphase gelingen, auf Dauer und ohne durchsichtige und wirkliche Darstellung im Verhältnis von Arbeit und Bedürfnis kann er nur zu hintergründigen Konflikten führen, die per Kollektivmoral niedergehalten und verdrängt werden müssen. Letztlich entspricht dies auch nur einer Gesellschaft, welche mit überkommenen Mitteln die Reproduktion ihrer Mitglieder aufrecht erhält und von daher keine gesellschaftliche Entwicklung angehen kann.

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ hatte Lenin hiergegen eingewendet, und damit die Extreme sozialistischer Positionen deutlich gemacht: Die Gesellschaft, die unter der Selbstkontrolle einer Partei steht und deren Organe daher auch von dieser kontrolliert sein müssen, macht das Problem der Kontrollmacht überhaupt, wenn sie nicht von den Menschen ausgeht, die ihre Lebenswirklichkeit darstellen können. Das Rätesystem wurde in der Sowjetunion mit Bauern- und Soldatenräten nur persifliert und der Einparteienstaat zur Machtdoktrin einer selbständigen politischen Klasse. Auf der anderen Seite steht die anarchistische Gesellschaft, in welcher sich die Menschen unmittelbar als ihresgleichen ansehen und ohne Zweifel an ihrer Gleichheit füreinander da sind und im Vertrauen aufeinander auch füreinander arbeiten wollen sollen. Wo man sich unmittelbar menschlich versteht ohne sich an seinen objektiven Lebensbedingungen und Beschränktheiten in ihrer Allgemeinheit zu reflektieren, ohne das Sozialvermögen eines Gemeinwesens als Sollen im eigenen Willen zu wissen und zu diskutieren, darf man allerdings auch nicht zweifeln und wird politisch naiv.

So wäre dann Anarchismus in der Tat eine familiäre Gesellschaft, eine Gesellschaft der Menschenliebe, die davon ausgeht, dass menschliche Güte wie von selbst aufgeht, wenn sie leben kann, wenn sie einfach unmittelbare Lebenswirklichkeit ist, die keinen Streit nötig hat. Was aber macht dann die gesellschaftliche Entwicklung aus? Gegen die wirklichen gesellschaftlichen Lebensgrundlagen, gegenüber ihrer Bedingtheit aus natürlicher Notwendigkeit und der Gewalt äußerer Mächte, gegenüber der Komplexität eines gesellschaftlichen Stoffwechsels erscheint solche Auffassung zumindest naiv und ist im Grunde bürgerlich. Sie zehrt in ihren Notwendigkeiten praktisch von Stolz und Anstand, von Sitte, Brauchtum und Moral. Und darin entwickeln sich dann auch gerne Moralisten und Sittenwächter, die gewalttätig sind, ohne hierfür materielle Macht zu besitzen. Moralische oder psychische Macht kann gerade dort besonders gedeihen, wo bloße Lebensvorstellungen den Zusammenhalt begründen und wo keine gesellschaftlichen Verhältnisse wirklich gegenständlich sind, also nicht an den Gegenständen menschlicher Bedürfnisse und ihrer Befriedigung, nicht am Reichtum der Menschen und seiner Produktion bemessen sind. In der Mangelwirtschaft herrscht Not und da erscheint Geschwisterlichkeit notwendig. Doch wo Kapital herrscht, da herrscht Reichtum. Das jedoch hatte in diesem Bürgerkrieg wohl keine so tragende Rolle gespielt.

Den Kollektiven blieb trotz ihrer unbestreitbaren Erfolge nur eine kurze Zeit in der Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs. Die soziale Revolution, die untrennbar zum Widerstand der Mehrheit des spanischen Volkes gegen den Faschismus gehörte, wurde mit zunehmender Dauer des Krieges sowohl von innen, als auch von außen bedroht und letztendlich blutig niedergeschlagen. Ihr Widerspruch lag im Anarchismus selbst, der sich von der linken Regierung programmatisch absetzen musste, obwohl er nur durch sie sich halten konnte. Ohne die zumindest für die Zeit der Revolution einheitliche Position einer Bewegung und ihrer Regierung war ein Sieg gegen Franco undenkbar. Die Regierung stellte faktisch die linke Volksfront, die wiederum im Widerspruch zu den Anarchisten agierte. Letztre kämpften nicht für den republikanischen Staat der Linken oder für ein anderes Gemeinwesen, über das sie verhandelt hätten, "sie wollten das Himmelreich auf Erden" (Souchy, a.a.O., S. 125). Mit der Gründung des "Zentralkomitees der Milizen", einer Art Zentralregierung, an der sich auch die Anarchosyndikalisten beteiligten, sollte der Widerspruch überbrückt werden, indem die Anarchisten - ihren Grundsätzen entsprechend - allen beteiligten Räten gleiche Stimmanteile zusprachen, wie immer sich ihr Mandat auch begründet und ergeben hatte. Ihre eigene Gleichheitsmoral wurde zu ihrem Verhängnis, denn damit war ein Machtverteilungsschlüssel von gleichgestellten Funktionären eingeführt, der sich nicht an den realen Positionen im Land orientierte. Diese Regierung war damit schon abgehoben, bevor sie zu Entschlüssen kam. Es wurde das Dilemma der spanischen Linken deutlich: Sie war weder in der Lage, die Geisteshaltung der Bevölkerung entsprechend zu vertreten, noch war sie hinreichend politisch verankert, dass sie von anderen Staaten anerkannt und unterstützt wurde, selbst nicht von denen (z.B. Frankreich und Großbritanien), welche in den Faschisten eine aufziehende Gefahr für Europa sahen. Ihr fehlte von daher die Macht, um sich gegen die Faschisten im eigenen Land verhalten zu können. Zudem musste sie die Aktivitäten der Basisinitiativen abwürgen, die eine soziale Revolution und deren Vertretung in der Regierung anstrebten, weil sie sich selbst von diesen bedroht sah.

Durch die Verbindung der spanischen Faschisten mit Hitler, Mussolini und deren Waffenlieferungen verschob sich das militärische Gleichgewicht, und so konnte Stalin sich durch Waffenlieferungen in die Landespolitik einmischen, die bis dahin bedeutungslose leninistische Partei machtpolitisch ausweiten, den eigenen Geheimdienst als Berater ins Land bringen, der zudem auch die trotzkistischen Marxisten im Land verfolgte, eben jene Marxisten, die in der POUM organisiert und an der spanischen Revolution beteiligt waren. In den Straßen von Barcelona kam es in der Woche vom 2. bis 7. Mai 1937 zu Kämpfen zwischen den Stalinisten auf der einen Seite und der CNT/FAI auf der anderen. Die CNT-Minister Federica Montseny und Garcia Oliver setzten auf Verhandlungen mit den stalinistischen Kommunisten, die sich als bloße Naivität gegen deren Machtinteressen erwiesen. "Damit war dem spanischen Anarchismus das Rückgrat gebrochen; die CNT führte fortan nur noch ein Schattendasein und sah ohnmächtig zu, wie die Reste der spanischen Revolution liquidiert wurden." (Enzensberger) In der Folgezeit wurden FAI und POUM verboten, die Führer und militanten Mitglieder entweder verhaftet oder ermordet, die Kollektive von den Truppen des kommunistischen Generals Lister zerstört. Franco konnte mit seinen Truppen ungestört Dorf um Dorf und Stadt um Stadt erobern.

„Am 26. Januar 1939 fiel Barcelona, und auch das "Rote Madrid" hielt nicht stand und mußte am 28. März 1939 bedingungslos kapitulieren. Am 20. Mai 1939 fanden die Siegesparaden der Franco-Truppen statt. Franco regierte Spanien diktatorisch bis zu seinem Tod 1975. Unmittelbar nach dem Krieg wurden in ganz Spanien politische Gegner verfolgt, in Konzentrationslagern gefangen gehalten und ermordet. Vorsichtige Schätzungen gehen von 80.000 Todesurteilen und von zwei Millionen inhaftierten Spaniern aus.“ (http://www.anarchismus.at/txt3/spanien1.htm)

Aus der Geschichte lernen

Die Geschichte des Kommunismus und des Anarchismus steht für alle Geschichte, in der Theorie- und Perspektivlosigkeit zur Niederlage von Widerstandsbewegungen durch Unterschätzungen der Lage und des Gegners führten. Auch die Selbstzerfleischung, die falsche Positionen in solchen Auseinandersetzungen mit sich bringen, beschleunigen den Niedergang der Widerstandskraft und der Aussicht auf eine wirkliche Erneuerung der Geschichte. Die späteren Kämpfe der Sozialisten und Kommunisten entsprachen dem. Zu Beginn waren es immer Befreiungskämpfe gegen fremde politische und ökonomische Gewalt, gegen Imperialismus und Korruption, die dann nach und nach in Gesellschaftsformen übergingen, die sich entweder nicht zu einer eigenen Ökonomie entwickeln konnten, weil die Macht der starken Länder sie daran hinderten, oder es wurden selbst radikaliserte Machtkämpfe (z.B. die chinesische Revolution) welche pure politische Herrschaft erstrebten. Dennoch gibt es Versuche und Beispiele, worin Ansätze einer sozialistischen Ökonomie Wirklichkeit waren. Meist wurde diese dann aber durch den Import von Kapital zunichte gemacht.

Auch heute noch bestehen die Pole linker Programmatik gespalten zwischen Ökonomie und Politik. Im Kampf um bessere Löhne und Arbeitszeiten oder in den alternativen Ökonomien wird nur Ökonomie als das Maß der Dinge angesehen und ihre politische Realität als Rechtsform des Kapitalismus, Kapital und Geld als politische Subjekte ausgeblendet. Kapital wurde damit beweglicher und politisch tragfähiger, auch wenn die Nutzung von Arbeitszeit ein grundlegendes Element seiner Verwertungsmacht darstellt. Im politischen Kampf der Befreiungsbewegungen, der libertären Anarchisten und der Terroristen wird der politische Kampf um den Erfolg der eigenen Position zum Maß der Dinge und die ökonomischen Bedingungen und Notwendigkeiten der Gesellschaft zum bloßen Umstand der Bewegung gemacht, zu einer Tatsache, die wie von selbst zu gelingen hat und die meist nur auf die Reproduktion der Menschen, nicht auf die Reichtumsproduktion einer Gesellschaft bezogen war. Der Kapitalismus besteht aber gerade darin fort, dass er Politik als Adjektiv der Ökonomie festmacht, dass er die Rechtsformen des Kapitals, den Besitz an Produktionsmitteln und Grund und Land und Luft, als Natureigenschaften der Ökonomie behauptet (6).

Politische Bewegungen müssen immer auch ökonomisch und ökonomische Bewegungen immer auch politisch sein. Aus der Kritik der politischen Ökonomie muss eine ökonomische Politik erwachsen, die in der Lage ist, sich von Ideologie und Machtinteresse freizuhalten und dazu verhilft, eine ökonomische Gesellschaft zu schaffen, also eine Gesellschaft, die mit geringstem Aufwand optimalen Nutzen für die Menschen hat und hierdurch ihren Reichtum mit immer geringerer Belastung für Mensch und Natur erzeugt. Nur für sich, also nur ökonomisch oder nur politisch gehen solche Bewegungen in Anpassung unter, weil sie entweder ihre politische oder ihre ökonomische Grundlage verlieren, durch welche dann ihre Gegner Macht über sie gewinnen und sie paralysieren (7).

Aus den verschiedenen linken Bewegungen und ihren Theorien, besonders aus den Problemen des Marxismus und Anarchismus heraus habern sich nun Fragen und Gedanken ergeben, mit denen eine kommunale Kultur anzudenken ist, die sich auf die Entwicklung einer menschlichen Weltkultur offen beziehen kann. Es geht dabei um einen internationalen Kommunalismus, der von den organischen Grundlagen des Lebensstandards in den Kommunen ausgeht.

Der Eine-Welt-Gedanke müsste hierbei Mut machen und sie alle auf den Begriff bringen, dass es nur eine menschliche Gesellschaft auf dieser Welt geben kann, wenn sich deren Unterschiedlichkeiten einander befruchtend verhalten können. Dazu gehört, dass Streit nötig ist, um die Beziehungen der Menschen erkennen zu können und dass Wissenschaft nötig ist, um Erkenntnisse als geschichtliches Wissen der gesellschaftlichen Entwicklung zugrunde zu legen und dass eine Politik nötig ist, die nicht auf einer bornierten Willensvertretung und -durchsetzung beruht, sondern sich wissenschaftlich auf die Auseinandersetzungen in der Welt bezieht und Lösungen sucht, die ökonomisch funktionieren. Die Welt kann nicht die Aufsummierung von Gesellschaften und Kulturen sein, sie ist deren lebende Beziehung und sie lebt solange, wie diese Beziehungen leben. Ein Kampf der Kulturen ist notwendig tödlich, weil sich jede Kultur selbst zerstört, wenn sie andere Kultur zerstört. Kultur ist menschliche Beziehung und die kann nicht einfach fortbestehen, wo sie Vernichtung betreibt. Der Kampf der Kulturen ist der Kult der Macht, die sich durch Kultur Selbstwert zu verschaffen sucht. Der kann nirgendwo wahr werden.

Die Welt ist eine menschliche Gesellschaft, die weit mehr als bloß den Zusammenhang der Nationen und Kommunen darin ausmacht und die nicht aus Krieg oder friedlicher Koexistenz besteht, sondern aus Reichtum und Lebensvielfalt. Letztlich steht hinter allem die Frage, wie die Welt zu einem Gemeinwesen der Menschen wird und wie sich die einzelnen voneinander unterschiedenen Gemeinwesen der Welt hierin menschlich zueinander verhalten und sich aneinander bereichern können, nicht durch den Austausch ihrer Sachen, sondern durch die Entfaltung und Beziehung ihres Lebens. So schlecht es auf der Welt aussehen mag, so gut sind auch die Bedingungen, dies zu ändern. Hiergegen stehen vor allem aber kulturelle Borniertheiten (8).

Die Geschichte zeigt auch ein Grundproblem der antikapitalistischen Linken: Sie kann sich nicht einmischen, weil sie sich nicht entziehen kann. Sie will gerade dort wirksam sein, wo die Wirklichkeit sich fixiert hat: In den Parlamenten und Betrieben. Dort aber lässt sich nichts wirklich auflösen sondern nur bestärken. Sie kann sich auf den Staat nur dadurch beziehen, dass sie ihn nutzt und sie nutzt ihm, indem sie ihn kritisiert. Die Vorteile, die eine linke Argumentation zeitweise mit sich bringen, geraten zu Nachteilen, wenn damit regiert wird, wenn die politische Ökonomie des Parlamentarismus eine neue politische Variation erhält oder wenn die Preise der Arbeit mit den Bedürfnissen der Warenproduktion erneuert werden. Die Linke kann sich nicht parlamentarisch verhalten, weil und solange sie sich nicht wirklich verhält. Im Parlament endet alles, was den Menschen politisch werden ließ, weil darin eine Ökonomie bedient wird, die politisch ist, weil der Staat eben kein menschliches Gemeinwesen reflektieren kann (9).

Die Kraftquelle des Gegners ist die Abstraktion, die als Täuschung über Wirklichkeiten sich wahr macht, die Macht, die sich im Mythos nährt, das Ressentiment und die Angst, die letztlich einen wirklichen Garanten nötig hat. Die Kraft der Reaktion kommt aus dem Zerfall menschlicher Identität, dem die Sehnsucht nach Erlösung entspringt, das Bedürfnis nach einem Herrn der Verhältnisse, die für nichts und niemanden Gewissheit bieten, weil sie auf tödlichen Hoffnungen gründen, auf dem Eskapismus der Gewinnsucht, der Macht des Überlebens, dem Gewinn im Risiko, nicht aber im Verlangen nach Verhältnissen, die wirklich durch die Menschen, durch ihre Bedürfnisse und ihre Arbeit gestaltet sind, weil sie in ihrer gesellschaftliche Wirklichkeit politisch und ökonomisch aufgehen können (10).

Es geht also nach wie vor um die Form, worin die Kommunen gesellschaftlich werden können. Sie sind es nicht durch sich. Solange sie lediglich als Reproduktionsstätten für das Lebensnotwendige taugen, bilden sie noch keine Geschichte. Selbsterhaltung ist nötig, macht aber nicht die Lebensentfaltung aus und bewirtschaftet nicht den Reichtum, den die Menschen längst schon für ihr Leben geschaffen haben. Kommunal orientierte Bewegungen müssen Politik und Ökonomie in sich so zusammenfassen, dass sie sich damit auch nach außen beziehen können, dass ihre innere Vertragsform auch eine äußere, eine weltweite Verträglichkeit begründen kann. Dabei geht es nicht um einzelne ökonomische Projekte der Selbstverwaltung, sondern um das Gemeinwesen aller Projektierungen. Es muss eine kommunale Ökonomie von unten entwickelt werden, die auch oben ankommt, eine Basisökonomie, die zugleich sich als Ökonomie der Kommunen, als Gemeinwesen ebenso bewährt, wie sie sich auch im Zusammenhang des weltweiten Ganzen verwirklichen kann. Die gesellschaftliche Veränderung besteht aus der Zusammenführung des politischen Gemeinwesens mit den ökonomischen Grundlagen einer Gesellschaft im Verhältnis zu den Gesellschaften dieser Welt.

 

Wolfram Pfreundschuh

 

 

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Fußnoten:

(1) Wir waren in diesem Zusammenhang darauf gekommen, dass sich eine Kultur der gesellschaftlichen Entfremdung dort, wo sie unmittelbar auf Kapital beruht, sich zur unmittelbaren Selbstentfremdung der Menschen entwickelt hat. Die leiden zunehmend daran, dass sie in ihrer Gesellschaft keinen Sinn für sich finden, ihre Arbeit ohne Beziehung auf sich oder andere hinter sich bringen, von Arbeitslosigkeit und sozialer Isolation bedroht sind und ihrem Alter nur mit bösen Ahnungen entgegen sehen. Es ist offenbar, dass sich die gesellschaftlichen Zwecke des Kapitalismus immer mehr und ganz allgemein gegen die Menschen selbst richten, weil der bürgerliche Staat dem globalen Kapital Folge leisten muss und seinen sozialen Auftrag nicht mehr hinreichend finanzieren kann, weil ihm Einnahmen durch Rückgänge der Steuereinnahmen zum Teil fehlen und weil er die Sozialeinlagen seiner Bürger auch zur Kapitalsanierung einsetzt.

Die Krisen des Kapitals sind unendlich gewordenen, weil das Kapital unendlich bestimmt ist: Es zielt alleine auf Wertquantum, und das ist Arbeitszeit. Es zielt auf mehr Wert als Mehrwert. Es sucht die Überwindung der Krisen durch das, wodurch es sie verursacht, indem es immer mehr Zeit und Kraft der Menschen sich verfügbar macht und eine Produktionsmasse erzeugt, die nicht immer wirklich gebraucht bzw. erstanden werden kann. Aber nur hierdurch kann es seinen Wert schöpfen, unproduktiv verausgabten Wert ersetzen bzw. erneuern und den Preis der Arbeit zugleich drosseln.

(2) Sowohl auf dem Land wie in der Stadt greift eine neue Armut um sich, die sich nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell darstellt. Ganze Regionen veröden und verlieren den Bezug zur Bevölkerung und ihrer Geschichte, weil darin keine Geschichte, kein wirklicher Lebenszusammenhang der Menschen mehr entstehen kann. Die kleineren ökonomischen Existenzen müssen den großen weichen, die dem Takt des Finanzkapitals folgen und mit Massenprodukten zu Massenpreisen aufwarten können. Die Armut der Massen befördert Massenkultur, die sich auf billige Lebensmittel, Medienkonsum und den Konsum von Massenereignissen reduziert. In vielen Städten gibt es nicht mehr genügend Geld in der Gemeindekasse, um die Jugend hinreichend zu unterstützen, die Kultur zu fördern, die gesundheitliche Versorgung und Vorsorge sicher zu stellen, die Altenpflege auf einem menschlich akzeptablen Standard zu bringen, die Kindergärten, Schulen und Lehrstellen hinreichen auszustatten, die Hochschulen und Universitäten allen Menschen, die studieren wollen, zu öffnen, oder überhaupt eine adäquate Sanierungen vorzunehmen, welche absterbende Dörfer oder Stadtviertel wieder zu kommunalem Leben zurück bringen könnten. Während die öffentliche Kultur und die Hochkultur für viele Menschen zur Fremdkultur wird, entwickeln sich bei Arbeitslosen, Ausländern und Jugendlichen Subkulturen zu Parallelgesellschaften.

Die Lern- und Entwicklungsfähigkeit und die Bereitschaft und Offenheit für ein soziales Leben ist bei vielen Jugendlichen durch ihre häuslichen und sozialen Konflikte und durch das hiergegen entwickelte Konsumverhalten stark beschädigt. Nicht nur im sogenannten armen Osten, auch z.B. im Ruhrpott und anderswo im Westen wächst reaktionäre Aggressivität und es gibt immer mehr Jugendgangs, die sich mit Nazisprüchen Gehör und Selbstwert verschaffen und in den Ghettos der Industrie-Ruinen ohne Hoffnung auf Änderung und Zukunft dahinvegetieren. Die Fratze der kapitalistischen Krise zeigt immer mehr Gesichter und durchkreuzt das Land und die Sprüche harmoniebeflissener Politiker. Dem Kapital geht es derweil immer besser. Die Aktienkurse steigen in dem Maß, wie die Arbeitslosigkeit zu Lasten der Menschen und der Kommunen wächst.

Sogar die Klassiker der sogenannten sozialen Marktwirtschaft, die Altminister Heiner Geisler und Norbert Blühm stellen das Aktienkapital an den Pranger, das um so bessere Kurse notiert, je so mehr Arbeitslosigkeit es erzeugt. Sie wollen sich mit ihrer Kritik von ihrer einstigen Politik reinwaschen, die zielstrebig dahin geführt hatte, dass der Kapitalismus boomt, wenn auch zum Teil als bloße Fiktion. Das Ende der kapitalistischen Krise ist nicht nur Bankenkrach und Inflation. Diese lässt sich durch Erpressung der armen Länder schon einigermaßen ausgleichen. Es ist vor allem eine Tendenz zu faschistoiden Positionen, die schon heute aus berufenem Politikermund laut werden. Das Boot wird für die Sintflut zugerichtet und man schaut zu, wer da rein darf. Nicht die Realität der Arbeitslosigkeit soll mehr zählen, sondern die Gewalt gegen die Betroffenen: „Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen!“ so z.B. zitiert an geeignetem Ort (in einer SPD-Sitzung der Bundestagsfraktion) der anscheinend fromm gewordene Müntefering den heiligen Apostel Paulus aus der Bibel (Apostel Paulus, 2. Thessaloniker, 3, 10). Man zielt auf den sozialen Crash und schürt damit in den Grundängsten der Menschen. Sein Tête-à-tête mit der CDU hat ihn eben schon weiter gebracht, weiß doch jeder gute Christ: „Der Müßiggang hat alles Böse verschuldet“ (Chrysostomus zum Evangelium des hl. Matthäus). Kein Wunder, dass der Glaube an das Gute wieder Zulauf hat, - inzwischen nicht mehr nur bei den Christen, sondern immer mehr bei Sekten, die neben dem Heil vor allem auch viel Selbstgefühl versprechen.

(3) Auch auf der Seite des Kapitals weiß der Ökonomie-Professor der Neoliberalen, Professor Sinn, dass nichts mehr ist, wie es war. Man müsse sich eben an die „neue Zeit“ anpassen, wenn man nicht untergehen wolle. Und damit meint er das Kapital. Die Frage, was das für einen Sinn haben soll, hat er längst mit der schlichten Feststellung abgeschlossen, dass es keinen anderen Weg gebe, einen Zusammenbruch des Kapitalismus im nächsten Jahrzehnt zu verhindern, als durch die Aufspreizung der Gesellschaft in eine hoch konzentrierte und hoch motivierte, also gut bezahlte kleine Elite auf der einen Seite und einer Masse von Abhängigen auf der anderen, die für jedes Geld alles tun. Er sorgt sich um den Fortbestand des Kapitalismus und er weiß, wovon er redet und wie man das aufhalten kann: Die Leute sollen einfach für den möglichsten geringsten Lohn möglichst viel und lange arbeiten. Vielleicht verbindet er das unterm Tisch auch noch mit ein paar Tipps für die Außenpolitik, dass nur militärische Macht wirklich Einflussreichtum beschafft und neue Absatzgebiete und günstige Rohstoffpreise sichert.

Das Kapital kann durch seine Besitzrechte inzwischen wie eine Feudalmacht auftreten, die nicht nur über die Arbeitsformen, sondern auch über Land und Leute, über Nationen und Kommunen, ja über die Welt selbst verfügt, über Natur, Luft und Wasser. Das Kapital bestimmt alles zu Wert und bestimmt jeden Wert für sich und presst die Menschen durch die Bewertungen aus, die es ihnen und ihrer Arbeit zumisst. Die Besitzesmacht des Geldes wird damit zur Rechtsfigur menschlicher Ohnmacht gegen herrschende Verhältnisse, Subjekt über alles Eigentum, wie immer es entsteht und aus was es auch bestehen mag, und seien es die Frequenzen der Athmosphäre für den Handymarkt.

(4) Das konkrete Leben ist daher nicht mehr selbstverständliche Grundlage eines Widerstands, solange die Gesellschaft Einkommen und Auskommen der Existenz und der Selbstwahrnehmung verschafft. Die einzelnen Menschen sind längst bereit, sich zu vergessen, wenn sie nur überleben dürfen. Sie leiden an ihrer Angst, dass dies vielleicht nicht gelingen kann. Sie haben vor allem Lebensangst, welche nichts anderes beinhaltet, als dass sie in ihrer Gesellschaft nicht zu ihrem Leben kommen, sich darin nicht lebend wahrnehmen können, sich selbst darin nicht mehr als Menschen erkennen können. Ihr Problem ist, wie ihr Menschsein überhaupt noch gehen können soll.

(5) Wenn Politik sich nicht aus den ökonomischen und kulturellen Verhältnissen und ihren Notwendigkeiten ableitet, kann es kein Recht geben, das den Lebensverhältnissen der Menschen gerecht wird. Durch sich selbst begründet wird es immer wieder zum Recht der Herrschenden, denn die bilden sich daraus, dass Menschen über der Lebenswirklichkeit anderer Menschen stehen und davon leben können, weil sie sich als Funktionäre herrschender Verhältnisse verstehen können und hieraus ihren Lebensunterhalt und ihren Selbstwert gewinnen. Dann ist es gleich, ob das Kapital die Staatsinteressen bestimmt oder die Arbeiterklasse.

(6) Der Kapitalismus ist ja schon in seinem Begriff seit seinem Entstehen eine politische Ökonomie, die es darauf anlegt, den Reichtum, der durch die Entwicklung der Produktivkräfte durch immer weniger Arbeitsaufwand zustande kommt, zu einer immer umfassenderen Privatmacht des Geldbesitzes zu entwickeln, die Politik des Geldes gegen die reale Entwicklung des Produktionsprozesses zu richten. Der Weg in eine menschliche Gesellschaft muss daher über die Kritik dieser politischen Ökonomie gehen. Ökonomie muss hierbei das werden, was sie ihrem Anspruch nach auch ist: Die Lehre, dass jeder Aufwand mit minimalsten Mitteln zu größten Erträgen für die Menschen führen muss, die Arbeit immer weniger wird und ihr Produkt immer reichhaltiger für sie. Der Kapitalismus dagegen ist eine Pervertierung dieses Prozesses: Er erzeugt Güter, die zwar auch die Technologie der Produktion entwickeln und verfeinern und den Bedürfnissen der Menschen hinreichend Lebensmittel erbringen. Er erzeugt aber vor allem die politische Macht des Quantums, des Geldes, durch Güter, die dem Mechanismus der Geldverwertung unterworfen sind und daher nur Geldreichtum auf der Seite der Geldbesitzer und Armut auf der Seite der Besitzlosen hervorbringt, um sie auf der untersten Stufe des gesellschaftlichen Seins zu halten und hierfür auszupressen.

(7) Die Spannweite antikapitalistischer Bewegungen liegt leider immer noch unbezogen zwischen Ökonomie und Politik. Sie reicht von den Alternativbewegungen, der anarchistischen Arbeiterbewegung, der Randgruppenbewegung, den subkulturellen Bewegungen, den bürgerlichen Protestbewegungen, dem Lifestyle-Anarchismus ideologie- und kulturkritischer Intellektueller, der marxistischen Arbeiterbewegung, dem libertären Anarchismus der Syndikalisten, den Autonomen und den Befreiungsbewegungen bis hin zum politischen Terrorismus. Jede dieser Bewegungen hat ihre verschlossene Wahrheit, deren Auseinandersetzung aus Selbsterhaltungsgründen gescheut wird. Solange jeder um seine Identität bangen muss, kann er sie auch nicht wirklich haben, kann er oder sie nicht in der Wirklichkeit angekommen sein. Die heile Welt isolierter Tiefsinnigkeiten fürchtet wirkliche Weltlichkeit.

(8) Jeder Kult scheut die wirkliche Welt und ist zugleich das Resultat ihrer Unwirklichkeit, ihrer Abstraktion. Die Fetische, Götzen und Götter halten die Menschen zurück, ihr Leben als Produkt ihrer Geschichte und als deren Erzeugnis wie auch als allgemeines Resultat der Selbsterzeugung menschlicher Sinne und Bedürfnisse anzunehmen. Das Übermenschliche ist das Synonym der Selbstverweigerung, die Hoffnung auf eine jenseitige Welt, in welcher das Diesseits aufgehoben sei. Der Gegner einer menschlichen Gesellschaft ist daher immer von übermenschlicher Statur und vor allem bewaffnet. Aber er hat nicht alle Waffen und außerdem auch noch viele völlig unbrauchbare. Vor allem kennt er weder die Entschlossenheit und Solidarität der Lebensnotwendigkeiten, noch seinen Selbstverlust im Entzug seiner Mittel, noch die Waffe der Kritik, das Vermächtnis ihrer Wahrheit. Wo sich die Menschen dem entziehen, aus was er sein Vermögen schöpft, da gerät er außer sich. Er kann sich letztlich nur durch militärische Macht, durch Waffengewalt behaupten. Aber wo er sich durch Waffengewalt behauptet, da vernichtet er auch sein eigenes Vermögen. Der Kapitalismus endet immer wieder in Faschismus, weil er immer wieder in politisch nicht mehr beherrschbare Krisen gerät. Was aber der Faschismus vernichtet, das lässt den Kapitalismus neu erstehen. Das ist die schlechte Unendlichkeit, in welche die Geschichte geraten ist und sich darin bewegt, solange die Menschen keine ökonomische Politik machen, solange also das Kapital die Verhältnisse der Menschen bestimmt.

(9) Die systemkritische Linke wird immer erst wirklich wach, wenn die Totengräber der Geschichte schon bereit stehen und das Parlament versagt, das bis dahin mit den Versagungen des Staats gut umgehen konnte. Und sie hat dann einen starken, schier übermächtigen Gegner, der bis an die Zähne bewaffnet ist mit den Waffen des Todes, der Abtötung, der Entleibung und der Abstumpfung, - der Dummheit. Sie kann sich nicht durchsetzen, wenn sie ihm mit seinen Waffen begegnet, denn sie hat im Waffengang immer die schlechteren Mittel. Sie setzt sich nur durch, wenn sie dessen Kraftquelle versiegen lässt, wenn sie die Bündnisse eingeht, worin ihre Wahrheit zumindest möglich ist und ihre Wirklichkeit zumindest wahr sein kann, wenn sie nicht nur den Gegner, sondern auch sich selbst politisch wahrnimmt.

(10) Doch gerade das ist eben auch nicht einfach, ist doch alles, was schon geschaffen war, in der politischen Hand derer, die damit ihre Herrschaft ausüben. Aber Gesellschaft ist nicht nur aus dem begründet, was schon war, sondern begründet auch, was noch wird. Im Wesentlichen geht es immer um die Lebensbedingungen selbst und das ist beides in einem: Gesellschaftliches Sein, wie es schon geworden ist und sich erhält und reproduziert und wie es dem Vermögen nach noch werden kann, sich fortentwickelt und Mehrprodukt als eigene Geschichte hervorbringt. Weder alleine die Reproduktion noch alleine die Produktion macht Gesellschaft aus, es ist insgesamt der Geschichtsprozess aller menschlichen Lebensäußerungen, der Bildungsprozess menschlichen Reichtums, wie er sich als Kultur verstehen lässt. Alle bisherigen Bewegungen sind am Unvermögen gescheitert, eine gesellschaftliche Form zu finden, worin dieser Reichtum für die Menschen und ihre Bedürfnisse gleichermaßen reproduziert wie auch neu produziert werden kann.