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Thesen zu diesem Text: "Auf dem Weg in eine andere Gesellschaft."

 

Wolfram Pfreundschuh (10.11.2006)

Am Ende der bürgerlichen Gesellschaft:
Zwischen Feudalkapitalismus und internationalem Kommunalismus

Vierter Teil:

Von der Kritik der politischen Ökonomie zur ökonomischen Politik einer wirklichen Gesellschaft

Wir hatten in der letzten Sendung die politischen Bewegungen gegen die kapitalistische Gesellschaft besprochen. Heute soll es um die ökonomischen Ideen gehen, die einen Weg aus dem Kapitalismus suchen. Es hat sich ja inzwischen auch wieder für einen relativ großen Teil der Bevölkerung gezeigt, dass Kapitalismus zwangsläufig immer wieder Armut unter immer mehr Menschen produziert und nichts von dem einhält, was er von sich behauptet – nämlich eine Gesellschaftsform des technischen Fortschritts zur Bereicherung der Menschen zu sein. Im Gegenteil: Je reicher die Menschen sind, welche Geld besitzen, desto schlechter für die anderen. Man muss wieder eingestehen, dass es Armut auch in Deutschland gibt und dass diese einen bedeutenden Anteil eingenommen hat. eine inzwischen bedeutsame Schicht der Armen wieder entstanden ist.

Die Armut hat also in einem politisch eklatanten Ausmaß wieder die reichen Länder erreicht. Und das bei enormen Zugewinnen an technologischem Fortschritt und Kapital und auch in dem Land, welches als Exportweltmeister an der Spitze der kapitalistischen Länder steht. Es ist im Grunde grotesk: Gigantische Geldsummen zirkulieren um den Globus und dennoch müssen sich die meisten Menschen enorm anstrengen, um die Mittel der untersten Existenzmöglichkeit ergattern zu können. Der Reichtum der Reichen wird immer mehr, wie auch die Armut der Armen. Die ärmere Hälfte der deutschen Haushalte verfügt gerade mal über 4% des vorhandenen Vermögens in Deutschland – so belegt das schon der Armutsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2004, in welchem noch nicht von einem Prekariat gesprochen wurde. Wie geht das alles zusammen?

Die Raffgier ist wesentlich nicht das psychologische Problem der Reichen, sondern auch ein immanent ökonomischer Zwang der Wertanhäufung des Kapitals, es ist das Problem seines Geldbesitzes selbst, dem Geld, was es festhält und einsetzt, um damit Geld zu schöpfen. Aber das Verlangt Macht und Gewalt, die als Geldmacht auch dort fungieren muss, wo sie ihre Jagdgründe hat, in den Produktionsstätten und auf den Märkten. Da erscheint der Geldbesitz des Einzelkapitals eben auch immer zu gering, um sich durchzusetzen. Und dieses Problem des Kapitals mit seinem Geld ist nicht neu. Auch schon das Finanzkapital des 19. Jahrhunderts war nicht zimperlich. Das hat schon ein früher Präsident der USA, nämlich Abraham Lincoln am 21. November 1864 ganz trefflich beschrieben:

„Ich sehe in naher Zukunft eine Krise heraufziehen. In Friedenszeiten schlägt die Geldmacht Beute aus der Nation, und in Zeiten der Feindseligkeiten konspiriert sie gegen sie. Sie ist despotischer als eine Monarchie, unverschämter als eine Autokratie, selbstsüchtiger als eine Bürokratie. Sie verleumdet all jene als Volksfeinde, die ihre Methode in Frage stellen und Licht auf ihre Verbrechen werfen. Eine Zeit der Korruption an höchsten Stellen wird folgen, und die Geldmacht des Landes wird danach streben, ihre Herrschaft zu verlängern, bis der Reichtum in den Händen von wenigen angehäuft und die Republik vernichtet ist.“

Nun könnte man meinen, dass das Problem des Kapitalismus nur an der Geldmenge selbst läge, die das Kapital besitzt und dass die ungerechte Verteilung selbst nur das Problem zwischen Armut und Reichtum sei, dass das Kapital einfach etwas von dem Geld abgeben müsse, das Geld gerechter verteilt werden müsse, damit sich der Kapitalismus zu einer besseren Gesellschaft wandeln könne.

Reichtum entsteht im Kapitalismus nicht durch die Reichhaltigkeit der gesellschaftlich erzeugten und vorhandenen Produkte, sondern durch das Geld, was sie einbringen, wenn es als Kapital in der Produktion eingesetzt wird. Das hat den großen Haken, dass die Produktion nicht wesentlich durch die wirtschaftlichen Potenzen der Produktionsmittel und der Menschen bestimmt wird, sondern durch die politischen Potenzen der Kapitalbesitzer, durch die Kapitalformen, die dabei eingesetzt und angewandt werden. Nur in den Entwicklungsphasen des Kapitals, in den Zeiten des Wiederaufbaus oder großer technischen Erneuerungen, geht dies zusammen. Danach, also nach Einführung des Neuen in die Wertverhältnisse kippt dies schnell um, gerade dann, wenn die Neuerungen sich amortisiert haben: Es schwindet ihr Wert. Was an menschlicher Arbeit in ihre Entwicklung eingebracht worden war, wird zur Routine, zum Alltag, zur Erleichterung durch Gewohnheit und Preis. Was zur Wertschöpfung bleibt, sind die Veränderung des Designs, des Modells oder ähnliches und die Lebensmittel und Gebrauchsgüter des Alltags, – inzwischen offensichtlich zu wenig, um den modernen Kapitalismus weiter zu bringen. Er hat nach wie vor dieselbe Logik, die schon Karl Marx zum Gegenstand seiner Analysen gemacht hatte, - dass nämlich die gesellschaftliche Entwicklung, die aus der Produktivkraft der Arbeit entsteht, im Verwertungsprozess des Kapitals sich in ihr Gegenteil verkehrt, zu ihrem eigenen Hemmschuh wird. Das liegt an der Logik der Wertverhältnisse selbst.

Je weniger menschliche Arbeit nämlich nötig ist, um ein Produkt zu erzeugen, desto geringer ist auch der Wert, den sie enthält, die durchschnittlich angewandte Arbeitszeit je Produkt. Umgekehrt ist es mit der Masse des hierbei angewandten Kapitals. Je automatischer produziert wird, desto größer muss die Masse der umgesetzten Produkte sein, welche die Kapitaleinträge auslösen und zudem Erträge bringen sollen. Je massenhafter die Produktion hiernach ausgerichtet werden muss, je weniger Wert also in den einzelnen Produkten transportiert wird, desto konzentrierter muss die Arbeit verlaufen und desto weniger Arbeitsplätze können damit gehalten werden. Die Logik der Kapitalmasse, bzw. das Interesse, sie zu erhalten, verlangt, dass die Produktion auf ihr äußerstes Minimum rationalisiert wird. Armut entsteht also, weil die Produkte nicht an die Menschen nach Maß ihres wirklichen Herstellungsaufwands weitergegeben werden und deren Arbeitszeit nicht entsprechend kürzer wird, sondern nach der Logik der Mehrwertproduktion rationiert wird, die das eingesetzte Kapital profitabel halten soll, indem es die Arbeitszeit möglicht hoch hält, möglichst viel Mehrarbeit pro Arbeitskraft abschöpft. 

Arbeitslosigkeit und die Armut der bürgerlichen Gesellschaft

Armut taugt ja letztlich niemandem wirklich - auch nicht dem Kapital, da sie den Absatz seiner Produkte drosselt. Das hatte man schon im 19. Jahrhundert begriffen und eine sogenannte Arbeiterwohlfahrt eingeführt. Kapitalwirtschaft funktioniert nur, wenn auch der Absatz stimmt. Armut ist also auch ein Problem der Kapitalwirtschaft, und nomalerweise ist es auch ihr Anliegen, diese so gering zu halten wie möglich, um den Konsum in Gang zu halten, und so hoch zu halten wie nötig, um die Arbeitspreise damit zu drücken. Solange dies erfolgreich ist, solange also das Kapital nicht in eine Krise gerät, in es dass nicht bewirtschaften kann, prosperiert der Kapitalismus.

Derzeit funktioniert das allerdings wieder mal nicht. Die Armut bedrückt die Konjuktur. Es begann daher eine Diskussion um die Bekämpfung der Armut, an der sich alle beteiligten, von rechts bis links, eine Diskussion, die es eigentlich schon seit langem gibt, und die inzwischen auch im Fernsehen stattfindet. Es wird aber nicht gefragt, warum und wie Armut entsteht, sondern wie man mit ihr in Zukunft umgehen soll. Dahinter steckt wohl die Angst, dass doch etwas grundsätzlich faul sein könnte an diesem System, von dem doch inzwischen meist gesagt wird, es sei ohne Alternative. Wie also Armut bekämpfen, ohne dass der Kapitalismus, der sie erzeugt, dabei zugrunde geht. Eines hat man begriffen: Das Hauptproblem für den Kapitalismus ist der technologische Fortschritt. Und weil der offensichtlich so fatal ist, weil es einfach nicht mehr so viel Arbeit gibt, wie früher, muss man mit Arbeitslosigkeit rechnen – nicht etwa mit einer generellen Verkürzung des Arbeitstags für den Durchschnitt der Bevölkerung, die ja weitaus plausibler und für alle besser wäre. Nein, die gibt’s nicht, denn dann würden ja die Löhne den Profit wegzehren, weil dann der Arbeitstag nicht zugunsten des Kapitals verlängert ist und alle sich durch Arbeit ernähren würden und noch weniger Gewinn und Rendite übrig bliebe. Man sieht: Das Kapital weiß sehr wohl Bescheid, dass Mehrwert nur pro Arbeitslohn entsteht und dass die Mehrwertrate davon abhängt, wie viel Mehrarbeit die Menschen über ihre Reproduktion hinaus erbringen. Dashalb muss Arbeitslosigkeit sein.

Eine der grundlegenden Feststellungen der Neoliberalen besteht ja darin, dass der Massenarbeitslosigkeit nicht zu entkommen sei, will man den Fortbestand des bestehenden Gesellschaftssystems sichern. In San Franzisco hatte schon 1995 einer ihrer profiliertesten Vertreter festgestellt, dass die Gesellschaft im 21. Jahrhundert von mindestens 25 %, wahrscheinlich aber von weit über 50 % Arbeitslosigkeit ausgehen müsse und demzufolge eine neue Art der Konsumsicherung betreiben müsse, um die Wertproduktion weiterhin erhalten zu können. Der amerikanische Konzernchef Scott McNealy hielt es auf allen Ebenen der Wirtschaft für die wichtigste Frage der Zukunft, ob man zu essen hat oder gegessen wir: "To have lunch or to be lunch“. Selbst zum Kannibalismus war man bereit, nur um die so gänzlich überflüssig gewordene Wertproduktion weiterhin zu sichern.

Eigentlich hatte man nicht mehr damit gerechnet, dass es einmal wieder knapp werden könnte in den reichen Ländern. Armut war das Gespenst aus der Untererentwicklung, in welcher die Länder gesehen wurden, die vom Kapital der reichen abhängig gemacht worden waren. In letzteren sollte der Kapitalismus gebändigt sein durch die vielen Ausgleichmechanismen, die seit den Sozialistengesetzen Bismarks und den Reformen des Fordismus und der so genannten sozialen Marktwirtschaft eingerichtet worden waren.

Der Unternehmer Henry Ford hatte bereits im frühen 20. Jahrhundert die Maxime seiner Lohnpolitik in einer angemessenen Beteiligung seiner Arbeiter am Ertrag seines Unternehmens begriffen. Sie sollten genug verdienen, um auch seine Autos kaufen zu können, denn „Autos können keine Autos kaufen“. Der Absatz war zur Überlebensfrage des Kapitalismus in den reicheren Ländern geworden. Nur dann könne der Kapitalismus dort gesund sein, wenn er auch Anteile des gewonnenen Lebensstandards an die unteren Schichten und Klassen weiterreicht. Und das hatte ja auch die soziale Marktwirtschaft weiterentwickelt . Sie hatte auf der Grundlage der Theorie von John Maynard Keynes einen allgemeinen Wohlstand auch innerhalb der bürgerlichen Produktionsverhältnissen, ein „Wohlstand für alle“ (Ludwig Erhard) versprochen. Es waren die Grundlagen eines Liberalismus, den man den weißen Sozialismus nannte und der war schließlich auch zur Grundlage des Gesellschaftsverständnisses der bürgerlichen Parteien in Deutschland geworden. Der Kapitalismus sollte hier dadurch länger fortbestehen, dass immer mehr Menschen an seinem Geldreichtum teilnehmen sollten. Dazu gehörte, dass die diesbezüglichen Anliegen der Beschäftigten mit denen der Unternehmer offen verhandelt und zu Tarifabschlüssen gebracht wurden, mit denen beide Seiten leben können sollten. Das war schlichtes Selbstverständnis des modernen Staates und die Grundlage für freie Gewerkschaftspolitik. Geld sollte allen leistungsbereiten Menschen zukommen können. Doch Geld ist eine eigene Sache und hat sich als solche weiterentwickelt. Inzwischen hat es wieder den Geruch der Besserstellung, einer Schicht der großen Geldverdiener bekommen, welcher eine Unterschicht gegenübersteht, die Tag für Tag um ihr Einkommen besorgt sein muss. Was ist da falsch gelaufen? Fehlt da vielleicht nicht einfach nur wieder mal eine Anpassung an die Zeit, eine gerechtere Verteilung von Geld? Es kann doch einer Gesellschaft nur gut gehen, wenn es möglichst vielen darin gut geht. Das weiß man doch schon lange.

Auch die Väter der freien Marktwirtschaft waren darüber erschrocken, was aus ihr geworden war, nachdem ihr großes Feindbild, die sozialistische Planwirtschaft, erledigt war und das Kapital seinen großen und ebenso freien Feldzug weltweit durchziehen konnte. Es zog das Geld der Geldbesitzer an, weil sich sein Einsatz zunächst mal lohnte, solange der Kapitalbedarf noch hohe Renditen einbrachte – und im Weltmaßstab war die technologische Entwicklung am boomen, die Bedarfsmenge groß und das angewandte Kapital massig. Nachdem das Kapital hierbei eine Masse angenommen hatte, welche das Vermögen der Nationalstaaten weit übertraf und deren Wechselkurse außer Rand und Band gebracht hatte, zeigte es aber auch immer offener sein wahres Gesicht: Wer Geld besaß konnte sich am Kapital- und Aktienmarkt beteiligen, wer keines hatte, müsste dafür löhnen, und dies um so mehr und für immer weniger, je kräftiger die Aktienkurse wuchsen. Das beste für diese Kurse waren nämlich Massenentlasungen.

Die Sache mit dem Geld

Zweifellos geht es den Leuten besser, wenn sie mehr Geld in der Tasche haben, sofern sie sich damit auch was kaufen können, sofern also die Güter auf dem Markt entsprechende Preise haben und auch tatsächlich vorhanden sind. Die Kämpfe um Löhne und bessere Sozialleistungen haben dennoch, auch wenn sie durch höheren Lohnvereinbarungen beendet wurden, zu einer Reduktion des Realeinkommens geführt, also zu einer Verschlechterung des realen Lebensstandards, der mit dem Lohn erbracht werden kann. Um Löhne muss zwar gekämpft werden, damit man für die Produktverteuerungen wenigstens Ausgleich hat, aber im Grunde hat doch nur der das Sagen, der die Produktion nach seinem Maß bestimmt. Und das ist und bleibt im Kapitalismus das Wertmaß des Kapitals. Und dieses ist auch unter den Ländern und Nationen selbst extrem verschieden. So muss ein Mensch in Chicago durchschnittlich gerade mal 14 Minuten arbeiten, um sich ein standardisiertes Mac-Donald-Menü zu verdienen, in London oder Mailand 36 Minuten, in Nairobi 177 und in Caracas 243 Minuten. Die indischen Bauern, die chinesischen Landarbeiter oder die asiatischen Hilfsarbeiter, die maximal 5 Dollar pro Tag verdienen, werden bis heute wohl noch keinen Mc Donald zu Gesicht bekommen haben.

Angesichts der Verknappung des Lebens der einen und dem Reichtum der anderen ist es natürlich nahe liegend, mehr Geld zu fordern und das muss auch getan werden, um weiter existieren zu können. Doch ändert das wirklich etwas Wesentliches am Wohlstand der Lohnabhängigen? Solange Löhne und Mieten kapitalbestimmt bleiben ist es wohl eher der Lauf in einem Hamsterrad des Kapitals. Jede Lohnerhöhung zieht bald eine Erhöhung der Lebensmittelpreise nach sich, die sie wieder real aufheben. Die Reallöhne sind seit 25 Jahren trotz verschiedentlicher Lohnerhöhungen um 18 % gesunken. Alles, was an Geld gewonnen wird, wird durch den, der den Geldwert bestimmt, auch wieder eingeholt. Geld ist immer relativ und sein Wert bleibt nicht unbedingt so in der Kasse, wie das Geld, das ihn mit wechselnden Beträgen darstellt.

Karl Marx hat deshalb als einzig wirklichen Fortschritt im Kampf gegen den Kapitalismus den Kampf um die Verkürzung des Arbeitstags erkannt. Denn nur durch die Verkürzung der Arbeitszeit gewinnen die Menschen Lebenszeit und nur darüber können die Arbeitsleute ihre Konkurrenz gegeneinander überwinden, am technischen Fortschritt teilnehmen und mehr Menschen am gesellschaftlichen Entwicklungsprozess beteiligen. Es ist die einzige Möglichkeit, die Entwicklung der Automation auf die Menschen zu übereignen, ihr Leben wirklich zu verbessern. Um Lohn muss zwar gestritten werden, doch sein Betrag ist immer nur der Kompromis der Zeit.

Das Kapital hat das längst begriffen, wenn es die Verlängerung von Lebensarbeitszeit fordert, obwohl keine Arbeit hierfür überhaupt vorhanden wäre. Der Wert ist eben nach wie vor menschliche Arbeit, die in die Rente genauso wie in ein Produkt eingeflossen sein muss, um dieses wertvoll zu machen oder zu entwerten, wenn es nicht verwirklichbar ist, z.B. nicht verkauft werden kann. Geld, sobald es seine Naturalform wie etwa Gold abgestreift hat, stellt Wert nur dar, stellt eben dar, was bei der Einlösung des Geldes an Wert realisiert werden kann. Der Wert besteht in Wirklichkeit aus diesem Kreislauf, nicht durch die Kaufkraft des Geldes allein und nicht durch die Arbeit allein, sondern darin, dass Arbeit aufgewendet und wieder an die Menschen in Produktform zurückgegeben wird. Das festgehaltene Geld, das als Vermögen hierfür besteht, verliert seinen Wert, wenn es nicht als Kaufmittel angewandt wird oder als Produktionsmittel oder als Besitz an Grund und Boden oder ähnlichem weitere Werte erheischt. Solange es auf solche Anwendung nur spekuliert, ist es lediglich fiktives Kapital, das bestrebt sein muss, sich eine Anwendung in gegebener Zeit zu ergattern oder andere Wertmengen im An- und Verkauf von Geld zu transportieren. Es stellt ein Vermögen dar, das in seinem Wert heftig schwankt, je nachdem, was hiervon realisiert wird.

Durch Änderungen in der Geldverteilung wird lediglich der Bewertungsstandard neu positioniert, nicht aber der Wert selbst. Es ist dennoch auch heute die ausdrückliche oder implizite Auffassung von vielen, dass Geld einen absoluten Wert hätte, dass Menschen wirklich immer so reich sind, wie sie Geld haben. Wertmäßig aber kann das heute dies und morgen jenes bedeuten, je nachdem, wie viele wirklich vorhande Warenwerte Geld auch darstellt. Inflationär wird es, wenn zuviel Geld zum Wertausdruck eingesetzt ist. Aber ist eine hartnäckige Vorstellung, dass mehr Geld auch immer mehr bringt, dass die Forderung nach einer besseren Geldverteilung mehr als nur eine kreisläufige Realisierungschance enthält, die Vorstellung, dass durch mehr Geld auch gerechtere Lebensverhältnisse eintreten würden. Demzufolge würden stringente Lohnkämpfe mit hohen Lohnforderungen auch wirklich höheren Lebensstandard bedeuten. Aber der Lebensstandard, wie er durch den Lohn vermittelt wird, der sogenannte Reallohn sinkt beständig seit über 25 Jahren. Geldforderungen selbst irritieren den Kapitalismus nicht, sie bringen nur vorübergehende Linderungen für unterbewertete Arbeit, sind Momente des Preiskampfs, der dann aber unsinnig wird, wenn die Arbeitsleute sich gegenseitig unterbieten. Dennoch glauben immer noch viele an die Beständigkeit des Geldwerts, an die Möglichkeit, damit selbst schon eine existenzielle Grundsicherungen der Menschen erreichen, dass eben Geld selbst schon gut für die Wiederherstellung einer intakten Konjunktur sei, wie auch gut für die Menschen.

Die Macht der Krise

Doch diese einfachen Grundlagen einer modernen bürgerlichen Gesellschaft sind ziemlich gründlich aus dem Ruder. Der Ausgleich zwischen Lohnarbeit und Kapital, der zuletzt noch zu einem „Bündnis für Arbeit“ ausarten sollte, ist gründlich in die Hose gegangen. Er findet schlicht und einfach nicht mehr statt, die Lohnkämpfe sind bloßen Farce geworden. Die letzten Kompromisse, auf die sie zu Lasten der Arbeitsleute hinausgelaufen waren, wurden von den Unternehmungen je nach Gewinn- und Aktienlage gebrochen und die Gewerkschaften offen verhöhnt. Das Geldeinkommen der Unternehmen und Spitzenverdiener wurden zum Schaukampf einer absurden Welt: Während die Konzerne Spitzengewinne machten und ihre Chefs offen in die Kasse griffen und sich Spitzenlöhne auszahlten, wurde auf der anderen Seite gerade bei den Ärmsten bis zum Brotaufstrich verknappt. Die politische Klasse diskutiert jetzt öffentlich, ob die Hartz-IV-Empfänger die ihnen bisher och gestatteten 100 Euro Zuverdienst nicht auch abgeben müssen. Um Geldeinnahmen für den Staat kann es hierbei ja nicht wirklich gehen. Das wird ja einfach nicht mehr fließen, weil kein Mensch gerne Geld verdient, das er nicht behalten darf. Das wäre lächerlich. Nein. Es soll mit solchen Gesetzesvorhaben jedem öffentlich klar gemacht werden, dass er durch Sozialgelder ins vollkommene Loch stürzt, dass ihm nichts mehr übrig bleibt, wenn er dort ankommt. Es ist die pure Drohung des Staats an seine Bürger, dass sie nichts mehr zu erwarten haben, wenn sie sich nicht vor dem sozialen Abstieg in acht nehmen.

Das Kapital zeigt sich jetzt auch durch seine parlamentarischen Vertreter politisch und öffentlich als die Welt einer Elite, welcher der Rest der Welt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist und ihr zu folgen hat. Die Politik vermittelt die Botschaft: Wer nicht dazu gehört, der ist am Ende. Der muss zusehen, dass er mit zwei oder drei Minijobs sein Leben fristen kann oder mit den monatlich 132,51 Euro zurecht kommt, die ihm per Hartz-IV als Anteil für Lebensmittel zugedacht sind. Die Politik ist nicht nur in ihren Vorstellungen und Entscheidungsfähigkeiten verarmt, sie ist auch eine Politik der Armut, die erzeugt, was sie bekämpft. Armut ist nicht nur Resultat der Vereinseitigung gesellschaftlich existenzieller Macht, sondern soll zugleich wieder zur Keule gegen alle, zur allgemeinen Drohgebärde, werden, damit die Arbeitspreise ein immer tieferes Niveau bekommen können. Die sollen sich schließlich an den Preisen auf der ganzen Welt bemessen können. So muss man sich über das „Prekariat“ auch nicht wundern.

Die Angst vor der Armut ist das Mittel, wodurch das Kapital seine Krise allgemein mächtig macht und über das hinausgeht, was die Unbefangenenheit des bürgerlichen Alltags sonst nicht so direkt wahr hat. Das ist wohl auch der Grund, warum wieder mal Vorschläge zur existentiellen Geldabsicherung als Eröffnung einer neuen Zukunftsperspektive angesehen werden. Auf Geld kann man nicht verzichten und muss fordern, so viel wie geht. Wo jetzt Hartz-IV-Empfänger mit 345 Euro pro Monat für alle Lebenshaltungskosten abgespeist werden, da erscheint es wundervoll, wenn von einer Grundsicherung die Rede ist, deren Betrag weit höher beziffert wird, mal mit 800 Euro, mal mit 1.200, mal mit 1.500 oder sogar mit 2.000, je nachdem, was man sich vorstellt und für möglich hält. Immerhin würde es die grundsätzliche Angst auflösen, die Menschen im Kapitalismus um ihre Existenz haben und welche dem Kapital zur Grundlage seiner Arbeitspreise gereicht. Wäre diese Angst wirklich durch Existenzgeld gegenstandslos, weil die Menschen damit besser gesichert wären, als durch die Sozialhilfe, so wäre das zweifellos eine wichtige Entwicklung zurück in die bürgerliche Gesellschaft, ein Kapitalismus ohne Angst vor Entwertung, Ausgrenzung und Selbstentfremdung.

Doch es geht dabei die Vorstellung ein, dass Geld tatsächlich nur als ein Zahlungsmittel fungieren könnte, dass es tatsächlich auch mal ohne seine Kapitalform zu nehmen sei, das Kapital also auch auf einen Teil seines Geldwerts verzichten könne. Aber letztlich würde auch das nur bedeuten, dass die alte Scheiße noch mal von vorne losginge, denn solange Kapital angewandt und eingesetzt wird, wird Geld auch zu Kapital. Die Logik der Wertproduktion erzeugt immer wieder dieselben Probleme. Denn Armut und Arbeitslosigkeit sind keine natürliche Folge von wachsender Produktivität, sondern allein davon, dass das Kapital sie nötig hat, um seine Verwertungsverhältnisse fortzuspinnen, Verhältnisse, die zwangsläufig gegen Mensch und Natur gerichtet sind.

Aber dies würde bedeuten, dass solches Geld auch eine Veränderung der Bewertung von Kapital und Arbeit nach sich zieht, dass das Kapital auf einen Teil des Mehrwerts verzichten kann und die Untergrenzen der Selbsterhaltung wirklich höher setzt, den Grundlohn wirklich erhöht. Dies zu fordern ist richtig, aber das Geld alleine wird es nicht bringen. Wenn, dann ist es die Sorge des Kapitals selbst, dass es seinen Boden verlieren könnte, wenn die Verhältnisse durch seine Verwertungsgier zugrunde gehen. Das Kapital, das immer aus einem unbändigen Einzelintereresse handelt, musste ein Allgemeininteresse erkennnen, sich in seiner Konkurrenz gegen andere selbst beschränken, eigene Grenzen ziehen. Es müsste gegen sich selbst kontrollierend auftreten, seine Aktionäre bezähmen und sich selbst auf einen Kurs der Selbstbeschränkung bringen, eigentlich alles riskieren, was es hat: Den Glauben an das Versprechen, Geld immer zum Vorteil der Anleger einsetzen zu können. Wie soll das gehen?

Aber die Vorstellung ist nett: Es wäre doch zu schön, wenn Geldbeträge, die heute viele Menschen nicht mal durch ihre Arbeit verdienen können, als Existenzgeldbeträge frei vergeben würden, wie dies im Gespräch ist. Immerhin sprechen sich ja auch viele Vertreter des Kapitals dafür aus, sich vom konventionellen Sozialsystem zu verabschieden, und den gesamten Etat nur noch durch Steuern zu finanzieren und auch eine allgemeine Grundsicherung zur Stabilisierung des Grundkonsums auszugeben. Solche Vorschläge gibt es schon seit über 50 Jahren. Sie haben für alle Beteiligten den Vorteil, dass eine Grundsumme für jeden da ist, sowohl für den Grundumsatz an Konsum für das Kapital wie auch an Arbeit, welche die Existenz der Lohnabhängigen sichert. Und hierfür müsste kein konkreter Geldverkehr mehr vollzogen und verwaltet werden, keine Ämter teure Aufwände betreiben, keine Sozialleistung mehr umständlich und entwürdigend abgewickelt werden und kein Verschleiß an Kraft und Vermögen der Menschen durch Isolation und psychische Krisen mehr hingenommen werden. Das alles ist ja eigentlich auch ein volkswirtschaftlicher Unsinn und wäre von daher zu verhindern, sofern es noch volkswirtschaftliche Eingriffsmöglichkeiten gibt. Es wird sich zeigen, was hiervon das globale Kapital noch zulassen kann. Vielleicht wird es tatsächlich auch irgendwie noch dahin kommen, dass die Formen vereinfacht, die Bürokratie gemindert wird. Ob das aber einen Fortschritt für die Betroffenen darstellt, ist noch nicht klar. Schauen wir doch erst mal genauer hin, was das dann sein wird und um welche Beträge es dann gehen wird und ob die dann wirklich so anders liegen, dass man sich damit zufrieden geben kann.

Das sogenannte "bedingungslose Grundeinkommen"

Der Grundgedanke des bedingungslosen Grundeinkommens ist relativ einfach: Ein Betrag unterhalb des Mindestlohns, um den auf dem Arbeitsmarkt gefeilscht wird, soll jedem Bürger grundsätzlich ausbezahlt werden, entweder, wenn er darum anträgt, oder auch ganz bedingungslos, weil darauf dann erst der Konkurrenzlohn aufsetzt, also das, was darüber hinaus der Arbeitsmarkt hergibt. Es wird also hierdurch ein Teil des allgemein zum Grunderhalt nötigen Lohns einschließlich Sozialbeiträen als Steuer über die Staatskasse allgemein vermittelt, als Steuer einbezahlt, statt als Lohn und als Grundsicherung ausbezahlt, statt als Lohn. Und weil der Existenz erhaltende Betrag dann an alle ausbezahlt wird, braucht es keiner eigenen Sozialverwaltung und keinen komplizierten und teuren Behördenkram. Das variable Kapital, das den Lohn finanziert, soll einfach zu einem durchschnittlichen Grundanteil über die Steuerkasse verteilt werden und auf unterster Wertebene zur Stabilisierung und Verwaltungsvereinfachung die hochwertigeren Wertkreisläufe abstützen. Das wäre wertmäßig zwar dasselbe, wie bisher, aber der Sache nach wesentlich einfacher und billiger. Dies erscheint sogar einem rechten Nationalökonomen wie dem inzwischen allseits bekannten Professor Sinn als eine gute Stabilisierungsgrundlage gegen die Krisen des derzeitigen Systems. Demnach wäre es also auch an der Zeit, dies einzurichten und die Diskussion hierüber hat gute Chancen Gehör auch bei der Politik zu finden. Nur: Was wäre das in Wirklichkeit, was brächte das tatsächlich an existenzieller Verbesserung. Das ist die eigentlich interessante Frage, um die es gehen muss.

Der inzwischen als Kopf der Neoliberalen fungierende Milton Friedman z.B., hatte schon in den 1960er Jahren in diesem Sinne eine negative Einkommensteuer empfohlen, wonach die Bürger, wenn sie unter ein bestimmtes Mindesteinkommen gerieten, das Geld bekamen, das ihnen hierzu fehlte. Freilich sollte das damals nicht unbedingt mehr Geld sein, als der Sozialhilfesatz hergab. Aber es hätte den Aufwand der Sozialverwaltung wesentlich vermindert und die Sonderleisungen für Arme abgeschafft. Auch die FDP kam in den 1990er Jahren auf das Bürgergeld, das ähnlich gedacht war. Der Unterschied zur Sozialhilfe sollte eine Grundsicherung der Menschen sein, die über Steuer finanziert würde jedem zusteht, eine Art Grundeinkommen, auf welchem der eigentliche Lohn erst aufsetzen würde. Auch die PDS brachte sich mit einem Modell des Solidarausgleichs der Mehrverdienenden mit den weniger oder nicht Verdienenden in die Diskussion ein, welches jedem Bürger eine Grundsicherung finanzieren können sollte – finanziert von den Besserverdienern. Das solle dann ganz jenseits der Steuer und als Sonderabgabe gestaltet werden – nicht des Kapitals, sondern der Leute, die z.B. mehr als 1.500 Euro im Monat haben. Ein konsequenteres Modell auf dieser Basis wurde inzwischen sowohl von Politikern als auch Unternehmern in die Diskussion gebracht, das sogenannte „bedingungslose Grundeinkommen“.

Am explizitesten hat sich dafür der Inhaber der Drogerie-Kette „DM-Markt“, der Unternehmer Götz Werner, stark gemacht. Er sieht sich mit seinem Modell als besonders human und sozial und greift deshalb besonders die soziale Entwertungsspirale an und zeigt sich vor allem als Kritiker des bestehenden Sozialsystems. Götz Werner sagt es ganz deftig: „Hartz IV ist offener Strafvollzug!“ Damit kommt er gut an. Es stimmt ja ganz einfach. Als Hartz-IV-Empfänger wird man extrem bewegungslos, wenn man z.B. für die Verkehrsmittel zur eigenen Fortbewegung grade mal 19,18 Euro pro Monat hat und für Lebensmittel 132,51 Euro – das sind gerade mal 4,42 Euro pro Tag - und für Strom, Gas Wasser 26,83 Euro pro Monat – so die Aufgliederung des Regelsatzes. Jeder Gefängnisplatz ist teurer.

Das Konzept des „bedingungslosen Grundeinkommens“ klingt dagegen geradezu einfach, klar und für alle Beteiligten in gleicher Weise vorzüglich, besonders, wenn man dabei wunderschöne Zahlen so ganz nebenbei einfließen lässt: 1.500 Euro für jeden auf die Kralle, ohne Wenn und Aber – und fürs Jobben dann noch was drauf. Man stelle sich vor, wie ausgeruht dann die Menschen zur Arbeit gingen, und das täten sie nach seiner Meinung, weil sie gerne arbeiten, und eine andere Arbeit als die an seiner Drogeriekasse wollen sie sich auch nicht vorstellen, vor allem, weil es ja auch wenig andere gibt. Keine demütigende Amtsbefragung mehr, keine Minderwertigkeitsgefühle, kein Verwaltungskram in den Betrieben und keine Schikanen durch Eingriffe in die Privatsphäre, den Wohnraum und die Zukunftsperspektiven eines jeden. Und das – so meint der Anthroposoph - wäre als bedingungsloses Grundeinkommen finanzierbar, und man könne das ganze Sozialsystem vergessen, die Bürokratie abschaffen, die Lohnnebenkosten senken, die Arbeitslosen- und Rentenversicherung versenken, die Krankenversicherung mit dem Grundeinkommen finanzieren und Hartz IV natürlich vergessen. Stattdessen hätten die Menschen genügend Geld zum Einkauf für ihre Lebensmittel und einen größeren Anreiz, eine ihnen auch wirklich entsprechende Arbeit aufzunehmen, da das Grundeinkommen ihnen gesichert ist. Und auch dem Kapital würde das gut tun, denn es wäre genügend Geld da für den Konsum, die Absatzkrisen würden schwinden und die verbesserte Konjunktur würde alles wieder antreiben, was ansonsten in Stagnation gerät. Ja mit 1.500 Euro wär allen geholfen, ist ja schließlich auch 1.155 Euro mehr als der Sozialhilfesatz. Man müsste hierfür nur eines ändern: Die gesamten Staatseinnahmen aus Sozialgeldern und Steuern auf eine einzige Steuer zusammenfassen, auf eine Konsumsteuer, die ja schon deshalb sehr viel höher sein darf als die Mehrwertsteuer bisher, weil alle anderen Abgaben wegfallen.

So, als würde der Kapitalismus in einem großen Rechenkontor stattfinden, rechnet der Drogist vor, dass die Staatseinnahmen über die Konsumsteuer einfach so erhöht werden müssten, dass der Staat auch in die Lage versetzt wäre, allen seinen Bürgern das Geld zum Lebensunterhalt auszuschütten. Das wäre bei den derzeit 48,5 Millionen deutschen Haushalten je 1.500 Euro insgesamt 72,75 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommt der allgemeine Staatsbedarf von 261,7 Milliarden Euro, insgesamt also ein Einnahmesoll von 334,45 Milliarden Euro, die durch Konsumsteuer eingebracht werden müsste und letztlich durch die Arbeit der derzeit noch 26,5 Millionen Arbeitnehmerhaushalte erwirtschaftet werden müsste. Die müssten dann entsprechend mehr einbringen, nicht nur den Wert der Sozialabgaben der 22 Millionen nicht arbeitenden Haushalte, sondern auch das, was sich das Kapital an Einkommensteuer einspart. Es wäre nämlich von den Folgen seiner Misere und vor allem von allen Steuern freigestellt, weil es die Kosten für seine Rohstoffe und Arbeitsmittel weitergibt und außer Arbeitskraft nichts konsumiert – und die kostet keine Konsumsteuer.

Rein rechnerisch geht das Ganze auf der Ebene des Geldes scheinbar wunderbar auf: Für die Lebensmittel der Arbeitnehmer wurde im Jahr 2005 insgesamt 1.129,26 Milliarden Euro brutto (und ohne Mieten) ausgegeben. Um das Grundeinkommen zu sichern, wäre eine Konsumsteuer von etwa 40 bis 48 % erforderlich, also ein Preisaufschlag von fast der Hälfte des Preises der Lebensmittel. Da diese Teuerung den bisherigen Abgaben entspricht, würde das Ganze für den Durchschnittshaushalt erst mal rein rechnerisch auf dasselbe herauslaufen – aus den 1.500 Euro des Grundeinkommens wären allerdings real schon mal wieder etwa 800 Euro geworden. Zusammen mit Miete kommt dies bei vielen in etwa an den Sozialhilfesatz heran, wie er bisher war, - in teuren Städten wäre es bei einigen eine Verschlechterung. Besser wäre damit nichts, im Grund auch wertmäßig nichts wesentlich anders, vorausgesetzt, die Arbeitsleute arbeiten um den Betrag mehr, den das Kapital an Steuern einspart. Und da natürlich liegt der Hase im Pfeffer. Das wird es ihnen dann verklickern, denn den Wohlstand mit dem Grundeinkommen, den kann man ja nicht einfach umsonst kriegen. Immer weniger Menschen müssen dann immer mehr arbeiten, die anderen werden zum Konsum gebraucht, so billig es nur geht und so komfortabel es dann scheint und so mickrig es dem Einzelnen dann zugemutet wird. Ihm wäre vor allem das gesamte Risiko mit den Mietpreisen vollständig übertragen, denn eine Berücksichtigung seiner lokalen Bedingungen, jede Regelung extremer Notlagen würde damit zwangsläufig entfallen. Und da ist er dann auch schon wieder, der Grundgedanke des Neoliberalismus, der nichts anderes darstellt als ein Krisenmanagement in Permanenz, ein Management, das zu Lasten der Armen geht und nie aufgehen kann.

Aber die Unternehmen profitieren wirklich von dieser Steuer: Ihre Einkommen wären „steuerlich neutral“, also steuerfrei. Kapitaleinnahmen blieben unangetastet in ihrer Kasse. Die volle Steuerlast hätten alleine die Konsumenten, und das sind eben wieder mal die Leute, die nichts anderes machen können, als für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Für sie bleibt es finanztechnisch letztlich gleich, ob ihre Einnahmen oder ihre Ausgaben, ob ihr Lohn oder ihr Konsum zur steuerlichen Berechnungsgrundlage gemacht wird. Sie müssen ja sowieso ausgeben, was sie einnehmen.

Es bedurfte nur eines rhetorisch begabten Mannes, um dieses alte Konzept der ausschließlichen Konsumbesteuerung unter die Leute zu bringen. Die Botschaft von Götz Werner („Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen“, Verlag Freies Geistesleben, 2006) ist schlicht und einfach: Passen wir die Gegenwart an die Zukunft der Verkaufserfolge der Wirtschaft an (S. 10)! Denn das Problem macht nicht nur die Armut aus, sondern vor allem auch die Staatsausgaben. Erledigen wir also zwei Probleme auf einmal: Sozialabgaben und Einkommenssteueranteil sind überholt; die machen unsere Produkte weltweit zu teuer. Überlassen wir alle Abgaben der Konsumsteuer im Inland, dann wird der Weltmarkt besser laufen. Schnüren wir das Steuerpaket für den Verbraucher in einem Guss und erledigen wir dabei die Sozialmisere auch gleich mit, indem wir sie einfach unsichtbarer machen!

Der kaufmännische Genius oder das naive Glück des pollitischen Ökonomen

Der Unternehmer Werner kann dabei aus vollem Herzen schöpfen, denn sein Unternehmerherz kann höher schlagen. Das “Bedingungslose Bürgergeld“ klingt einfach, sozial, entschlossen und auf der Höhe der Zeit. Er meint, es wäre ein Vorteil für alle – und das zu entdecken, daraus besteht nun mal kaufmännische Genialität. Die kennen wir schon von Herrn Hartz und Herrn Kirchhof, denn es gibt immer mehr von solchen Genies, die bei der Politik gerne mitreden, weil sie mitkriegen, dass dort niemand mehr so richtig weiter weiß. Aber er hat in seinem Rechenkontor an vielerlei gedacht, nur nicht daran, was Geld überhaupt ist. Geld ist für ihn nicht mal ein Preisschild, sondern ein „Bezugsberechtigungsschein“, wie er in seinem Buch schreibt (S. 23).

Dass Geld nur durch Arbeit entsteht und nicht einfach ein Verteilungsmaß ist, das wissen die Neoliberalen freilich auch. Nur sehen sie das nicht so eng. Es ist doch ganz einfach: Eben weil jeder Mensch arbeiten muss, wenn ihm nichts anderes möglich ist, dann arbeitet er auch. Die Dinge entstehen und vergehen, die Leute arbeiten und konsumieren und wer viel Geld hat, der macht dann eben auch noch viel Geld. So erledigt sich das allgemein Nötige sowieso wie von selbst und der glückliche Geldbesitzer schmiedet sein Glück durch das, was er schon hat – um es eben zu vermehren.

Geld wird angesehen wie ein Lebensspender. Es ist eine Bezugsberechtigung für Wachstum, der göttliche Funke des Kapitals. Es gleitet durch seine Hände und über seine Konten, als ob es wirklich der Same für alle Erträge sei, die er macht und die auch seine Aktien erbringen. Mutter Erde ist und bleibt ihm der Markt. Erst einmal von Gott gegeben treibt der Geldsame alles weiter, was wachsen will und was deshalb auch Wachstum erbringt. Und sei es durch eine Mehrwertsteuer, die gar keine Mehrwertsteuer ist, weil sie keinen Mehrwert besteuert, sondern - im Gegenteil - den, der ihn unbezahlt erbringen muss. Es ist eine verrückte Welt, in der die Neoliberalen ihr Stelldichein haben, das eigentlich auch nur ein Stelltsichein ist.

Für sie ist die Welt so, wie sie in jeder Bankenwerbung erscheint: Es muss nur Geld zusammengebracht werden, und schon werden Wünsche wahr und Ideen verwirklicht. Den Leuten fehlt eigentlich immer nur das Geld, um was aus sich zu machen. Wohl wahr, unter gegebene Umständen: Wer wagt gewinnt und wer sein Geld ins Risiko einsetzt, kann das große Geldglück auch finden, wenn er nicht sein ganzes Vermögen verliert. "To have lunch or to be lunch“ – so einfach ist das. Es ist eben ein Gewinn, ein Sieg im Wettbewerb, nicht eine billige Lebensnotwendigkeit, welche das Kapital erst unter die Leute bringt. Man glaubt wieder gerne an die „unsichtbare Hand“ des Werts, wie sie schon 1760 von Adam Smith „entdeckt“ worden war, diese höhere Vernunft der Verwertung, die von selbst regelt, was durch Wagnis entzündet wird. Wert entsteht demnach nicht durch Arbeit, sondern durch Risiko. Geld ist nur der Schein, über das sich sein Ertrag vermittelt oder sein Verlust abführt. Es ist eine Art Wette, eigentlich eine Lotterie, die durch Geld in Gang gesetzt und gehalten wird. Lotterien haben immer viele Verlierer und wenige Gewinner. Gut für die Gewinner, besonders wenn es wenige sind.

Aber Geld ist doch nicht ganz so einfach. Es ist sogar höchst kompliziert. Es entsteht und vergeht in einem fort, nicht nur durch die Produktion von Waren, sondern zugleich auch in ihrer Zirkulation als Güter auf dem Markt. Es ist nicht nur Zahlungsmittel für Wertdinge, sondern selbst Wertmaß. Es entsteht durch den Verkauf von Waren und verschwindet im Verkauf von Geld gegen Waren. Es transportiert Wert, während es zugleich Wert bemisst und es bemisst, was es transportiert – es ist ein Äquivalent und doch selbst auch Wertmaß, allgemeines und zugleich einzelnes Wertding, Produkt und Produzent des Wertverhältnisses. Das lässt es so vielfältig sein und lässt die Menschen glauben, dass es selbst nicht nur Wert habe, sondern selbst auch Wert sei. Die Geldmenge selbst erscheint dabei als Reichtum für sich, Reichtum um seiner selbst willen, Fetisch aller Dinglichkeit.

Aber das Problem ist heute vor allem, dass immer weniger Wert entsteht, je automatisierter die Produktion ist. Maschinen haben nur soviel Wert, wie ihre Produktion an menschlicher Arbeit aufwendet, und das ist inzwischen äußerst wenig pro Produkt, das sie erzeugen. Eigentlich müsste man zunehmend auf die Wertformen überhaupt verzichten, also auch auf den Kapitalismus verzichten, damit die Wirtschaft wieder vorankommt.

Verwertungsprobleme der Automation

Was der technologische Fortschritt den Menschen an Reichtum und Vermögen bringt, das wird ihnen vom Kapital in ihren konkreten Lebenszusammenhängen wieder genommen. Was die Maschinen und Automaten den Menschen an Arbeit nehmen oder erleichtern, das wird zu ihrer existenziellen Falle. Sie erbringen nicht ihnen eine Minderung ihrer Arbeit, sondern werden zur Bedrohung ihrer Existenz, vernichten Arbeitsplätze, weil sie dem Kapital damit Einsparung verschaffen. Deshalb verliert die Produktion für die Menschen zunehmend an Inhalt und Kraft und Sinn, denn wo sie sich an ihr beteiligen, da werden sie zum Teil eines Ganzen, das letztlich gegen sie geht, zum Teil des Geldes, das sie verdienen müssen, um existieren zu können. Je mehr Kapital im Einsatz ist, desto weniger können sie sich überhaupt inhaltlich an der Produktion beteiligen. Als Kapital stellt Geld nur noch ein Vermögen dar, dem sie immer zu Diensten sein müssen, um es zu erwerben und das sie nur erwerben können, wenn es sich durch sie vermehren kann. Der Kreislauf von Geld und Kapital ist für sie geschlossen. Was sie produzieren, ist letztlich nur noch nebenbei ein Bedarfsgegenstand. Hauptsächlich ist es Masse, produziert für die Vermehrung von Masse – viel Konsum für die Massenproduktion und möglichst wenig Erfolg für die Menschen, die dafür arbeiten. Was quantitativ wächst, muss qualitativ reduziert werden, um als bloße Wertmasse geschichtlich dominant zu werden. Der Kapitalismus überhaupt ist die Produktion menschlicher Verarmung zur Ansammlung von Wertmasse. Dies verlangt höhere Konsumbeteiligung und viel Arbeitsumsatz, aber wenig Menschen, die wirklich daran beteiligt werden. Die kapitalistische Kultur enthält zum einen das Streben nach Elitenbildung und zugleich die Vermassung von Abhängigkeit, die Vervielfältigung des Mangels durch Reduktion der Bedürfnisse auf ihre bloße Form.

Das logische Problem des Kapitalismus ist allerdings, dass die Masse des angewandten Kapitals nicht unendlich Wert schöpfen kann, wenn es nicht in irgendeiner Form in das Leben der Menschen zurückkommt, wenn es nicht als Ware seine Arbeitsprodukte auch wieder abgesetzt und damit erst als Geldwert realisiert wird. Die ersparte Arbeit ist damit auch für das Kapital zwiespältig: Einerseits erbringt sie eine Kostenersparnis für das vorgeschossne Kapital, andererseits aber verliert es in der Arbeitslosigkeit auch Käufer für seine Produkte. Der gewachsene Mehrwert durch die Verlängerung der Mehrarbeit, also durch die relative Ausdehnung des Arbeitstags wird schwieriger zu realisieren sein. Die Quantifizierungsprozesse des Geldes, die immer weiter getriebene Verwertung der Wertanlagen, hat damit eine selbständige Logik, die zugleich ein Verhängnis ist.

In der Form des Kapitals hat die angewandte Wertmasse sich einerseits zu einer selbstständigen Macht als politische Form des Kapitalsbesitzes entwickelt, welche ganz allgemein die unmittelbaren Lebensverhältnisse der Menschen bestimmt, ihre gesellschaftlichen Beziehungen, die Notwendigkeit, ihre Lebensmittel, ihre Wohnungen und Energieträger und so weiter zu erwerben, für sich ausnutzt und sie auslaugt und ausbeutet – aber andererseits stößt es gerade dadurch an seine eigene Grenze, dass es irgendwann nicht mehr genügend Lohn auszahlen kann, damit diese Masse auch gekauft wird. Im Gegenteil: Je mehr das Kapital an Produkten absetzen muss, desto geringer wird sein Vermögen an anteiligen Geldwerten pro Produkt, und je geringer sein anteiliges Vermögen ist, desto knapper muss es mit seinem Geld hantieren und sich gleichzeitig immer weiter expandieren. Das hatte ja letztlich auch die Expansion des Kapitals auf den Weltmärkten ergeben. Aber das heißt vor allem: Das Kapital muss im einzelnen immer mehr an den Löhnen sparen, von deren Höhe allgemein der Erfolg seiner Wertrealisation abhängt. Das macht seine Krise immer wieder aus, die nur dadurch bereinigt wird, dass sich Wert vernichtet, indem entweder das Geld inflationiert, oder dadurch, dass neue Märkte erschlossen werden oder dass Anschübe zur Massenproduktion in Gang gebracht werden, und sei es durch Krieg.

Vom Standpunkt des Kapitals sind eben nicht die Bedürfnisse der Menschen Ausgang seiner Produktion und Inhalt des Reichtums einer Gesellschaft, sondern allein die Wertschöpfung, die Erzeugung und Gewinnung von Mehrwert, Wertwachstum, das nichts anderes ist als die Aufhäufung vergangener Arbeit als Wertanlage, als Formation und Macht der toten Arbeit, Arbeit die einbehalten wurde um als Geldwert Preis bestimmend zu wirken, sei es durch den Besitz von verwertbaren Arbeitsprodukten, von Maschinen, Kommunikations- oder Verkehrsmittel und anderes oder sei es durch den Besitz von Rechten an Boden, Luft, Wellenlängen, Energie, Erfindungen, Kunst usw. Nur solange es seinen Wert darstellt und einsetzt, kann Geld mächtig sein und sich den Anschein geben, selbst Geld zu „erarbeiten“. Der Geldanleger muss nicht wissen, dass er Macht ausübt. Aber er verfolgt dennoch allein die Frage: Wie kann ich mein Geld „günstig“ einsetzen, eben so, dass es möglichst viel einbringt. Und das ist nach wie vor die Frage, die auch schon der Kapitalist des 19. Jahrhunderts gestellt hatte, wenn er über seinen Büchern saß: Wie kriege ich die Leute dazu, so viel wie möglich zu arbeiten und so wenig wie möglich zu fordern. Für den Nationalökonomen verallgemeinert sich die Frage des Geldes dahin, wie es am besten zirkulieren kann, wie es zwischen Produktion und Konsumtion effektiv im Sinne des Wertwachstums ist. Wie lässt sich Geld so einsetzen, dass die davon abhängigen Leute, also die, die keins haben, so viel wie möglich arbeiten und zugleich so viel wie möglich konsumieren, dass sie also Geld einnehmen, wie sie es ausgeben, ohne dass sie Wert für sich bekommen und behalten? Wie kann ich die Preise und die Löhne so knapp halten, dass das Wertwachstum gesichert ist, dass also noch hinreichend Rendite hängen bleibt, dass das Kapital Geld abwirft und die Aktionäre zufrieden sind? Denn zu Geld kann nur Geld kommen, wenn es mehr wird, wenn es sich durch Nutzung seiner Macht als Kapital vermehrt.

Von daher begegnen dem Kapital seine eigenen Krisen als Probleme mit dem nützlichen Einsatz von Geld – nicht aus dem Arbeitsprozess heraus, also auch nicht wesentlich aus den Problemen mit Löhnen oder Lohnstückkosten. Denen kann es immer schon im Vorhinein begegnen, indem es seine Produktion rationalisert und drosselt oder billigere Arbeitskräfte aus dem Ausland einstellt. Seine Krisen kommen aus der Wertmasse, welche das Kapital in Gang hält und beständig vergrößern muss, um seinen Wert bei wachsender Produktivität zu erhalten, um also nicht zu inflationieren. Von daher erscheinen ihm seine Absatzprobleme als Grund für seine Krisen, also die Tatsache, dass nicht alles gekauft wird, was es verkaufen müsste. So hat das auch schon Karl Marx vor 130 Jahren beschrieben, als er im 3. Band des Kapitals schrieb

"Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde." (Karl Marx, MEW, Bd. 25, S. 501).

Das Kapital sieht selbst in der Armut seine Schranke, auch wenn es gerade diese produziert. Denn es weiß: Nur durch das Quantum des Warenumschlags in möglichst kurzer Zeit, also durch den eiligen Kauf und Verkauf von Waren, entsteht und realisiert sich Mehrwert. Es muss hierfür immer genügend Käufe und Verkäufer geben. Eine Kapitalmasse, die keine Produktion in Gang hält, stellt nur potentiellen Wert dar, der sich als fiktives Kapital aggressiv in alle gesellschaftlichen Beziehungen einbringt, um sie für sich zu nutzen und sie in seinem Sinn zu beschleunigen. Heute besteht weltweit dieses fiktive Kapital, also die reine Wertmasse ohne Anwendung, die rein spekulative Wertmasse, zu einem Anteil von 95% bis 98% der zirkulierenden Geldmenge, und diese wird täglich mit weit über 1,5 Billionen Dollars umgesetzt. Man kann sich vorstellen, was in den Krämerseelen der Geldbesitzer vor sich geht, wenn sie bemerken, dass ihre Werte sinken, weil sich ihre Geldanlagen nur durch die Bewertungen anderer Geldanlagen gegenseitig bestimmen. Derweil bestimmen ungedeckte Währungen die Interessenslagen der großen Weltpolitik und versuchen, den offenen Crash der Kapitalkrise zu verhindern. Er wäre sofort da, wenn die USA für ihre Schulden alleine gegenüber China wirklich aufkommen müsste. Alleine die Devisenreserven Chinas sind mehr als eine Billion US-Doller. Allerdings ist umgekehrt auch der US-Dollar nicht mal zur Hälfte gedeckt und von daher ein Betrug an China – ein Zahlungsversprechen, das nur bei einer wesentlichen Verbesserung der US-Konjunktur realisiert werden könnte, oder eben auch nicht.

Feudalkapitalismus und der Niedergang ds Kapitalismus selbst

Der Kapitalismus ist selbst ist nicht nur unwirtschaftlich für die Menschen, weil er nicht wirklich für ihre Bedürfnisse mit mindest möglichem Aufwand produziert. Er ist geradezu antiwirtschaftlich geworden. Er funktioniert nicht mehr und scheint seine Herkunft aus dem Produktionsprozess zunehmend aufzugeben. Nur noch ein winziger Teil des Kapitals – nicht mal 5 % – ist produktiv tätig und dies mit beständig wechselndem Einsatz. Allgemein kann er sich nur erhalten, indem er zunehmend seine politische Gewalt einsetzt, auf das zurückgreift, worin sich seine äußerste politische Form begründet hat: Im bloßen Recht einer Sachgewalt, die das Kapital durch Besitz, durch seine Wertanlagen erworben hat, die nicht Produkte der Arbeit, sondern die Lebensquellen selbst zum Kapitalbesitz machen, von denen die Menschen abhängig sind oder gemacht werden: Land, Luft und Wasser, Boden, Wohnraum und Gemeindeeigentum und schließlich auch Lizenzen und Patente, und sei es die Patentierung von Genen oder Viren oder Kettenmoleküle.

Es ist ein Feudalkapitalismus entstanden, auf den wir uns einstellen müssen. Der hat immer weniger mit dem Produktionsprozess selbst im Sinn, als mit der Macht des Besitzstandes, welche die Ausbeutung der Bodenschätze und Naturquellen beherrscht. Die Arbeit der ganzen Welt ist inzwischen dem unterordnet. Rohöl bestimmt die Weltmärkte ebenso wie Genreis, Gas, Strom und die Goldschätze, die längst von weltweit agierenden Aktiengesellschaften fest im Griff sind. Was die Menschen noch als Besitzer ihrer Arbeitskraft aushandeln und sich auch verweigern konnten, wo sie sich unterbewertet oder entwürdigt sahen, das ist inzwischen dem Besitz an Lebensquellen unterordnet und muss sich dem Diktat der politischen Macht des Kapitals unterwerfen. Das Kapital benutzt die ganze Welt als Produktionsstätte und Absatzmarkt zugleich. Es findet immer Produkte, die es noch billiger produzieren kann, weil es immer jemanden findet, der sich noch billiger verwerten lässt, weil es ihm noch schlechter geht. Wäre das Kapital selbst nicht eine höchst widersinnige Sache und würde es sich nicht selbst im Wege stehen, weil es die Menschen, die es zu beherrschen sucht, eben doch weiterhin zu seiner Grundlage hat, ihre Arbeit wie ihren Konsum in seinem Massenumsatz braucht und verbraucht, die Menschen hätten keine Chance. Aber gerade das entblößt die Armseligkeit des Kapitalismus, dass er sich selbst zu bestimmen vermeint und doch nichts ist ohne sie ist, dass er nur solange mit seinem Geld und Kapital und Grundbesitz hantieren kann, solange die Menschen sich darauf einlassen und sich nicht als eigene gesellschaftliche Wesen zusammenfinden, welche ihr Leben selbst meistern können. Der Kapitalismus wäre schnell erledigt, wenn auch nur ein Teil der Menschen sich aus seinen Bedingungen entziehen und ihr Leben im vollen Umfang ihrer Natur gesellschaftlich entwickeln könnten. Dies mag noch utopisch klingen. Aber die Menschen haben auf Dauer keine andere Wahl.

Der Kapitalismus kann nicht durch Geld überwunden und die Überwindung des Kapitalismus kann nicht durch Geld vermittelt werden. Das Dilemma von Geldforderung liegt in der Bindung an die Verhältnisse, gegen die sie sich richten. Sie sind nötig, aber sie ändern nichts wirklich. Ein Widerstand auf der Basis des Geldes ist ein Widersinn in sich. Geld selbst hat für den Menschen, der nur seine Lebensmittel damit kaufen kann, einen ganz anderen Wert als für das Kapital: Er sucht damit zu überleben, jenes lebt davon, ihm bedeutet es die Dürftigkeit einer anachronistischen Gesellschaftsform, jenem das Mittel seiner Macht. Das Tote beherrscht das Lebendige, die tote Arbeit die lebendige.

Der Kapitalismus ist nicht einfach nur ein Geldverhältnis, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis der Menschen zu ihrem Reichtum überhaupt. Er besteht nach wie vor aus dem Wertprinzip und verschafft in einförmiger Stringenz seinen Reichtum den Wenigen durch den Mangel der Vielen. Reichtum mag als Menge an Geldbesitz erscheinen, aber dieser ist für die Menschen eben doch nicht wesentlich das, worum es in ihrem Leben wesentlich geht, um die Reichhaltigkeit ihres Lebens und ihrer Lebensentfaltung. Der Kapitalismus ist eigentlich höchst armselig. Er reduziert alle Vielfalt des Lebens auf die Einfalt seines Wertes. Und er verkümmert, wenn die Kümmerlichkeit seiner Mittel begriffen ist und das, was sie am Leben hält, der Mangel der Gegebenheiten, als unnötig erkannt ist.

Das Kapital hat die Angst der Menschen um ihre Existenz nötig, um seinen Besitz als Quelle seiner Macht einzusetzen, um den Preis ihrer Arbeit zu erpressen. Von daher kann geschehen, was will: Im Kapitalismus ist der Lohn immer zu niedrig und die Arbeitszeit immer zu lang. Damit so viel Kapital wie möglich aus Kapital entsteht und so viel Geldbesitz wie irgend möglich durch Arbeit bedient wird und die Arbeitenden hiervon immer abhängiger werden, braucht das Kapital immer die Daumenschraube des Mangels, den es erzeugen muss, um sich zu bestärken. Als Mittler des Allgemeinen erscheint es dabei so naturnotwendig, dass jeder Politiker es ihm gerne nachfühlt, dass es Geld braucht, dass ihm der Sozialetat geopfert werden muss, dass die Gesundheit für die Menschen zu teuer wird, dass die Mieten die Hälfte ihres Einkommens verschlingen können und dass ihm auch schon die Jugend und die Kinder als zukünftiges Zahlungsmittel für die Staatsschulden beigegeben werden. Die Menschen sind dem Kapital schon über Generationen hinweg verschrieben, weil der Staat dem Kapital vor allem die Schulden zu bezahlen hat, die es ihm zuerst nötig gemacht hat, um dann die Kredite mit Zins und Zinseszins wieder bei ihm einzutreiben. Erst recht in der Allgemeinheit des weltweit angewandten Kapitals erscheinen inzwischen auch die Nationalstaaten selbst wie Zwerge und müssen ihren Bürgern weitergeben, was ihnen selbst schon von ihrem Hauptgläubiger aufgezwungen ist.

Gegen das globale Kapital haben die Menschen keine Chance. Wo die einen noch zu widerstehen suchen, springen die anderen ein, denen es in einer anderen Ecke der Welt noch schlechter geht. Das Allgemeine hat sich scheinbar durchgesetzt. Geld erscheint als das einzige Überlebensmittel, das noch zählt, auch wenn es voller Widersprüche ist. Aber es ist eine Allgemeinheit, die sich immer an dem brechen muss, was für das menschliche Leben nötig ist. Und damit ist es nicht wirklich allgemein, sondern höchst brüchig. Seine Mittel sind dürftig und seine Kriege fatal für es selbst.

Die andere Allgemeinheit, das sind die Menschen, ihr zunehmend international gewordener Zusammenhang: Die Weltkultur der Menschheit. Sie ist die wahre Allgemeinheit, wenn sie begriffen hat, dass es ihr Ende bedeutet, wenn sie sich den Besitz- und Besetzungsansprüchen des Kapitals, seinem Geld in jedweder Form überlässt. Ihre Chance gegen das Kapital zu bestehen, steckt in ihr selbst, wo sie in der Lage ist, Kapital für sich unnötig zu machen. Die Menschen haben längst selbst das gesellschaftliche Vermögen, welches sich als Besitz des Kapitals ausgibt. Sie müssen es für sich nur wahrmachen. Dem globalen Kapital kann man nichts entgegensetzen. Man kann es auch nicht bekämpfen. Die Menschen können sich ihm aber entziehen, indem sie ihre menschlichen Grundlagen, ihre Gemeinwesen, wirklich aufeinander beziehen, ihre Kommunen internationalisieren. Wenn aus der Kritik der politischen Ökonomie des Kapitals eine ökonomische Politik werden kann, eine Politik, die sich auf ein Gemeinwesen bezieht, das ökonomisch funktioniert, in dem die Einzelnen allgemein aufgehen und das Allgemeine im Einzelnen auch wieder untergehen kann, dass ist der Zusammenhang der Menschen gegen die Maßgabe des Wertverhältnisses im entstehen.

Das Wertverhältnis ist nur die Abstraktion von einem wirklich menschlichen Verhältnis, eine Abstraktion, welche die Menschen nur nötig haben, solange sie sich nicht konkret aufeinander beziehen können, solange sie ihre Arbeit nur in ihrer Abstraktion, in ihrem bloßen Geldwert für ihre Bedürfnisse verwirklichen. Sicher, es ist der Traum von einer Sache, von der Marx schreibt:

„Es wird sich dann zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt.« (MEW 1, S. 346)

 

Wolfram Pfreundschuh

 

 

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