Gespiegelt aus http://www.labournet.de/GewLinke/vers/kongress8/zuplattform5.html

Labour.net: niedergelegt in Netzwerk-Info Gewerkschaftslinke Nr. 7/2005

Kritik des Entwurfs der Plattform für eine Gewerkschaftslinke

Die Gewerkschaftslinke ist ein Zusammenschluss von Gewerkschaftern, die mit der Führung der DGB- Gewerkschaften und deren Politik nicht einverstanden sind. Sie verstehen sich als Linke, die die Gewerkschaften wieder zu stärkeren klassenkämpferischen Aktionen drängen wollen. Hehres Ziel, denkt man da, und verbindet den Entwurf einer Plattform für diese Gewerkschaftslinke mit der Hoffnung, Kapitalismuskritik vom Feinsten zu lesen, um so den Beschäftigten richtige Gründe zum Dagegensein zu liefern, gegen Staat und Kapital, gegen eine Gewerkschaft, die nicht die Arbeiterinteressen vertritt.

Zunächst beschreiben die Autoren, was Politik und Unternehmer in den letzten Jahren so alles an Grausamkeiten durchgesetzt haben, stellen dann kritisch die Position „ihrer“ Gewerkschaften dazu dar, um schlussendlich einen eigenen Forderungskatalog der G- Linken aufzustellen.

In der Sachstandsdarstellung werden die Angriffe von Staat und Kapital auf Flächentarifvertrag, Arbeitszeit und Sozialstaat, sowie eine Fiskalpolitik dargestellt, die Gewinnsteuern senkt und öffentliche Dienstleistungen verteuert. So weit, so richtig. Allerdings lässt einen die Einleitung stutzig werden: „Seit Jahrzehnten bestimmt die Massenarbeitslosigkeit die politischen und sozialen Kräfteverhältnisse in diesem Land mit all ihren Folgen. In Deutschland entwickeln sich Verhältnisse, von denen viele glaubten, sie gehörten der Vergangenheit an.“ Dann folgt die Latte der o.g. Angriffe. Zunächst wundert man sich, dass die Massenarbeitslosigkeit nur das Kräfteverhältnis beeinflusst. Müsste hier nicht stehen, dass das Elend der Arbeiterklasse tagtäglich wächst bzw. die Arbeitslosigkeit nur ein Synonym für Armut ist? Das ist doch das, was Leute antreibt, sich gewerkschaftlich zu organisieren, das eigene Elend oder das Bewusstsein davon, dass das eigene Elend seine Ursache im Kapitalismus hat, den man nur gemeinsam als Klasse beseitigen kann. Das Kräfteverhältnis, womit das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeint ist, ist erst der nächste Schritt. Sicherlich ist die Position der Arbeitnehmer besser, Lohn einzufordern, wenn es einen Arbeitskräftemangel gibt. Konjunkturen der Arbeitslosigkeit sind sicherlich auch Konjunkturen der Schwäche der Arbeitnehmer, was Lohnforderungen betrifft. Aber warum, fragt man sich? Warum ist das so, und was kann man dagegen tun? Dazu kein Wort. Grund ist doch die Konkurrenz der Arbeiter um einen Job, denn als freie Arbeitskräfte ohne Eigentum sind sie auf Arbeit angewiesen, um Geld zu verdienen, um Waren zu kaufen, um zu überleben. Diese Konkurrenz besteht in Zeiten hoher wie niedriger Arbeitslosigkeit. Sie ist ein immerwährendes Element des Kapitalismus, das Gewerkschaften als Vereinigungen von Arbeitern nur übertünchen, aber niemals beseitigen können, solange Kapitalismus bleibt, trotz gewerkschaftlichen Kampfes. Wenn man das hier analysiert hätte, an dieser Stelle, dann ließe sich auch ein Begriff für die Angriffe von Kapital und Staat und die Schwäche der Arbeitnehmer finden. Dann ließe sich erkennen, dass die Armut der Beschäftigten wie der Unbeschäftigten Produktivkraft für das Kapital ist, hilft, immer mehr für immer weniger Kosten herzustellen, mit immer mehr Profit. Dann ließe sich erkennen, dass Massenarbeitslosigkeit mitnichten Element einer Krise des Kapitalismus sein muss, sondern eine industrielle Reservearmee immer auch dazugehört und Instrument ist, Löhne zu senken, Arbeitszeit zu verlängern, Arbeitsbedingungen allgemein zu verschlechtern. Gewerkschaftlicher Kampf wird unter diesen Bedingungen, in Phasen der Verelendung immer schwieriger sein. Das wäre hier angesagt gewesen. Analyse und Kapitalismuskritik (aber keine Heuschreckenvergleiche bitte).

Und, zum zweiten Satz des obigen Zitates: Wie waren denn die Verhältnisse früher? Wie toll waren sie denn? Woher stammt sie denn, die Massenarbeitslosigkeit? Wann gab es denn diese paradiesischen Zustände, von denen man glaubte, sie gehörten der Vergangenheit an, wenn die Massenarbeitslosigkeit schon Jahrzehnte währt? Wollen die Gewerkschaftslinken zurück in die 50er, in die Wirtschaftsaufschwungszeiten? Gab es damals keine Ausbeutung, keine staatliche Gewalt, keinen Kapitalismus und Imperialismus? Wenn nicht, wie konnte es dann zu den jetzt so beklagten, grausamen Zuständen kommen? Der Urknall?

Auch der letzte Satz ist aufschlussreich. „Wir lehnen sie ab.“ Das „sie“ bezieht sich auf die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze. Ich meine, sorry, aber ist es jetzt schon ein Ausweis korrekter proletarischer Gesinnung und aufrechten Klassenbewusstseins, wenn Gewerkschaftslinke sagen, dass sie die konsequente Verarmung der abhängig Beschäftigten und der Arbeitslosen Scheiße finden? Hier müsste doch gesagt werden, warum der Schröder das will, was der Grund für diese Verarmung ist. Auf der folgenden Seite geben sie selbst den entsprechenden Hinweis. Die EU will bis 2010 der wettbewerbsstärkste Raum der Welt werden, noch vor den USA. Das ist das Programm, das insbesondere die europäische Führungsnation Deutschland betreibt. Schröder selbst hat doch die Agenda 2010, also die soziale Beschneidung der Lebensverhältnisse der Werktätigen in diesem Landstrich, mit den deutschen internationalen Ambitionen verbunden. Es geht hier um die Herrichtung des europäischen und deutschen Wirtschaftsraumes, um die Herrichtung der europäischen und deutschen Arbeiterklasse für die internationale Konkurrenz, um die gute Position im weltweiten Kampf um Reichtum zu stärken und auszubauen. Es geht um Konkurrenz zur Weltmacht USA. Das ist das Programm, das die deutschen Imperialisten fahren und für das die Arbeiterklasse zu bluten hat. Es reicht nicht, dieses Programm abzulehnen. Wichtiger ist es, Klassenbewusstsein zu schaffen, indem man dieses Programm analysiert.

Im folgenden Absatz beschäftigen sich die Autoren mit dem DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften: “Noch erreichen sie [die DGB- Gewerkschaften] Millionen abhängig Beschäftigter. Noch verfügen sie über ein gewisses Ansehen und die Masse der KollegInnen betrachten sie noch als das Stärkste, was die Schwachen heute haben. Aber die Anziehungskraft, die Glaubwürdigkeit und die Bindekraft sind in den letzten Jahren dramatisch gesunken.“

Anziehungskraft, Glaubwürdigkeit und Bindekraft dieser Organisationen, die es als ihr größtes Erfolg ansieht, den sozialen Frieden gesichert zu haben, sind noch viel zu groß. Der DGB und seine Gewerkschaften sind Teil des Problems, nicht der Lösung. Der DGB und seine Gewerkschaften sind im Kapitalismus angekommen. Sie kritisieren nicht die kapitalistische Ökonomie, sondern wenden sich nur gegen deren Auswüchse. Sie akzeptieren den Arbeiter, den Angestellten, den abhängig Beschäftigten in der Logik dieses Systems, als Kostenfaktor fürs arbeitsplätzeschaffende Kapital und als Konsument gewinnbringender Waren fürs Kapital. In seiner ersten Funktion darf der Arbeiter nicht zuviel bekommen, um das Unternehmen nicht zu gefährden, aber auch nicht zu wenig, da er sonst seiner zweiten Funktion, dem Kapital die Früchte der eigenen Arbeit zu vergolden, nicht mehr im ausreichenden Maße nachkommen kann. Fehlende Massenkaufkraft und Schwäche der Binnenkonjunktur kennen diese Weltökonomen nur noch als Problem für das kapitalistische Wirtschaftswachstum und damit für den staatlichen Haushalt. Dass beides nur volkswirtschaftliche Chiffren für das Elend der abhängig Beschäftigten sind, fällt hinten runter, ist wohl nicht bekannt und auch uninteressant, da nur das Allgemeinwohl zählt, für diese Verbände, die einstmals zur Verteidigung der Interessen der Arbeiter gegen das Kapital und gegen das bürgerliche Allgemeinwohl, das auf den Erfolgen der Kapitalisten beruht, gegründet worden waren. Im folgenden zitieren die Kollegen selbst die Positionen der Gewerkschaften, wie Lohnsenkungen, Privatisierung der Rentenversicherung, Hart IV, Senkung der Lohnnebenkosten, die klar machen müssten, wie die Gewerkschaften ticken, was sie denken. Das wäre zu analysieren und der Schluss zu ziehen, dass dieser Verein ein reformistischer Sauhaufen ist, der die Proletarier hindert, sich der Geißel des Kapitalismus zu entledigen.

Im nächsten Absatz leiten die Autoren über zu ihrem Forderungskatalog: „Nicht die angebliche Anspruchshaltung der Erwerbslosen, der Rentner oder das „Besitzstandsdenken“ ist das Problem, sondern das Profitstreben des Kapitals und der Reichen.“ Erste Frage die sich stellt: Um welches Problem geht es denn hier? Worum machen sich denn die Autoren Sorgen? Ist es das Gelingen der Marktwirtschaft, der Erfolg, um auch den armen Würstchen ein paar Brosamen zukommen zu lassen? Ist es die Wachstumsschwäche des deutschen Kapitalismus, die die Autoren umtreibt? Wenn ja, dann kritisieren sie nicht den Kapitalismus, sondern das Ausbleiben der Erfolge. Und was wären diese Erfolge? Doch nichts weiter als erfolgreiche Ausbeutung von zumeist heimischen Arbeitskräften und das Durchsetzen im internationalen Wettbewerb gegen fremde Unternehmen und Arbeitskräfte, also die Herstellung von Pleiten anderswo und die Freisetzung fremdländischer Arbeitskräfte (statt hiesiger – ist das Leid der Arbeitslosen dort geringer?). Das ist doch der Erfolg in der schönen Marktwirtschaft.

Und überhaupt. Das „angebliche Anspruchsdenken“ - was heißt das? „Besitzstandswahrung“ ist sehr defensiv. Bislang war die Lage ja auch nicht besonders rosig, gemessen an den Reichtümern, die allein hierzulande produziert werden bzw. werden könnten. Wäre es nicht angesagt, nicht die Fordernden in Schutz zu nehmen, indem man sagt, sie fordern nichts Unmoralisches, nur das, was ihnen zusteht oder bislang zustand, sondern laut zu rufen: Leute, es ist euer Scheißleben, kümmert Euch drum und sorgt dafür, dass ihr Euren Materialismus bedient bekommt. Es ist nichts Verwerfliches dran, sich für seine materiellen Interessen einzusetzen, im Gegenteil, wenn ich es tue, stoße ich mit Lohnforderungen an Grenzen und vielleicht komme ich dann darauf, dass das nicht der Bösartigkeit des Chefs, des Politikers oder der armen Wurst von nebenan geschuldet ist, die keinen Job oder keinen deutschen Pass hat, sondern meine Armut wie die meiner Nachbarn zwangsläufig zu diesem System gehört, ja notwendig ist, damit es reibungslos funktioniert und Gewinne erwirtschaftet. Ebenso, die andere Seite derselben Medaille: Auch die Kapitalisten, Unternehmer, die Chefs, sind nicht die Ursache, als Personen. Es ist wurscht, ob sie nett oder böse sind, nach Profit streben oder glauben, ihr Auftrag sei die Schaffung von Arbeitsplätzen. Ihr Charakter personalisiert nur die Funktion, die sie in diesem System einnehmen müssen. Als Charaktermasken, als Vertreter und menschliche Funktionsträger des Kapitals müssen sie in der Konkurrenz mit anderen bestehen, müssen sie zu Preisen produzieren, die wettbewerbsfähig sind, müssen sie daher ihre Kosten pro Ware senken, durch bessere Maschinerie, durch Herstellung von mehr Ware in derselben Zeit, durch Einsparung von Arbeit pro Ware. Folge sind einerseits, bei Erfolg seiner Handlungen, der Profit. Andererseits die Armut seiner Beschäftigten oder ehemals Beschäftigten, die wegen der erzwungenen Steigerung der Produktivkraft nicht mehr benötigt werden. Das „Problem“ ist also mitnichten ein „Profitstreben des Kapitals und der Reichen“, das sie sich quasi ausgesucht haben, weil der Teufel mit ihnen im Bunde ist, sie morgens mit dem falschen Fuß aufgestanden sind oder einfach einen Dünkel, einen Hass auf die tumben Proletarier in sich tragen. Nein, die Gesetze dieser Gesellschaft, des Kapitalismus zwingen sie, so zu handeln. Ihr Charakter ist dafür völlig belanglos.

Dann wenden sich die Gewerkschaftslinken gegen Sozialdumping. Da wollen sie sich nicht reintreiben lassen. Mit Verlaub, da stecken wir mitten drin. Das ist das Wesen der „Globalisierung“, der weltweit durch die Staaten forcierten Möglichkeiten für die Kapitale, überall zu investieren, überall die nahezu gleiche Sicherheit zu haben, dass ihr Eigentum nicht angetastet wird, überall die Option für eine Investition zu haben, um so die konkreten Investitionsbedingungen, u.a. die Lohnhöhe, vergleichen und die profitabelste Investition tätigen zu können. Das werden die G- linken mit noch soviel Idealismus nicht ändern können. Das ist die weltweite Konkurrenz der Arbeiter, die die Staaten mit ihren Freihandelsabkommen ermöglicht haben und die jetzt ihre Früchte trägt für die Unternehmen, die tatsächlich überall investieren können, die ernsthaft die hiesigen Arbeiter mit der Verlagerung ins Ausland (oder nur nach Nord- oder Ostdeutschland) erpressen können. Das erfordert Solidarität, wohlwahr, aber ob sich die Arbeiter in China überzeugen lassen, mehr Lohn zu fordern, damit die Löhne sich wieder angleichen und deutsche Unternehmer weniger Lust haben, in China als hierzulande zu investieren, so dass die Arbeitsplätze der Zukunft wieder hier und nicht in China geschaffen werden? Ich wage das zu bezweifeln, bei deren Massenarbeitslosigkeit und Schulung in ML. Diese weltweite Konkurrenz der Arbeiter wird man nicht aufheben können, wenn man nicht den Kapitalismus aufhebt.

Kommen wir nun zu den Forderungen. Arbeitszeitverkürzung wird da zunächst gefordert, als Allheilmittel gegen die Massenerwerbslosigkeit. Arbeitszeitverkürzung ist richtig, weil es das Elend der beschäftigten pro Woche mindert und es ihnen Gelegenheit gibt, ihre Freizeit zu genießen oder sich vielleicht mal ein paar richtige Gedanken über den Kapitalismus zu machen. Arbeitszeitverkürzung als Mittel gegen Massenerwerbslosigkeit zu deklarieren ist aber falsch. Die Gewerkschaftslinke und wohl auch noch die offiziellen Gewerkschaften tun dabei so, als gäbe es ein bestimmtes Arbeitsvolumen in der kapitalistischen Gesellschaft als feste Größe, dass man nur zu verteilen bräuchte. Diese Ansicht verkennt, dass ein Arbeitsplatz, ein bestimmtes Arbeitskontingent seitens der Arbeitgeber nur dann abgefragt und bezahlt wird, wenn es rentabel ist, also der Verkaufspreis über den Produktionskosten liegt, also ein Gewinn erzeugt wird. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich verteuert allerdings die Produktion für den Arbeitgeber. Für denjenigen, der weniger arbeitet, wird gleichviel bezahlt, also wird das, was er produziert, teurer, sofern die geringere Zeit nicht durch höhere Produktivität oder Intensität ausgeglichen wird. Pro Stück also mehr Lohnkosten. Lohnt es sich dann noch zu produzieren? Zudem müsste die fehlende Arbeitszeit durch eine Einstellung ersetzt werden, sollte die Annahme der Gewerkschaften aufgehen. Das würde weitere Kosten verursachen, so dass bei Annahme gleichbleibender Produktivität und Intensität die Gesamtkosten der gleichbleibenden Produktion erhöht würden, somit auch die Lohnstückkosten und in der Folge die Preise pro Stück, soll der Gewinn pro Stück nicht geschmälert werden. An dem Gedanken ist folgendes falsch. Erstens: Der Kapitalist ist per se, qua gesellschaftlichem Gesetz gezwungen, mehr aus seinen Arbeitern herauszuholen als früher, d.h. Produktivität und Intensität würden niemals konstant bleiben, so dass eine 1:1 Rechnung nicht aufgehen würde. Zweitens: die Steigerung der Lohnstückkosten heizt die Produktivkraftentwicklung zusätzlich an, weil durch höhere Lohnstückkosten die Schwelle, ab der der Ersatz von Arbeitern durch Maschinen sich lohnt, herabgesetzt wird. Folglich wird es zu einer Beschleunigung der Produktivkraftentwicklung kommen und somit die Rechnung der Gewerkschaftslinken keinesfalls aufgehen, einmal abgesehen davon, dass das Ziel kapitalistischer Arbeitsplatz mit all seinen gesetzlich erlaubten Nebenwirkungen nicht besonders erstrebenswert ist.

Weitere Forderungen sind ein gesetzlicher Mindestlohn und ein garantiertes Grundeinkommen. Der Mindestlohn soll 10 € pro Stunde betragen, also bei einer 40 Std.-Woche 1600 € pro Monat. Das Grundeinkommen soll 500 € (statt jetzt 345 €) plus Unterkunft und Heizung betragen. Warum sollen eigentlich Erwerbslose weniger Geld haben als Arbeitende? Haben Erwerbslose weniger Bedürfnisse? Ist es richtig, dass sie dafür, nicht arbeiten zu dürfen, auch noch materiell bestraft werden? Was ist hier der Ausgangspunkt des Denkens, das Bedürfnis des arbeitslosen Proletariers oder die Finanzierbarkeit im Rahmen des Systems? Müsste nicht die Forderung lauten, dass der gesellschaftliche Reichtum in Gänze den Produzenten, also der gesamten Arbeitsklasse, ob erwerbslos oder nicht, zusteht? Alles andere darunter ist ein Kompromiss, der den Kräfteverhältnissen, also der Schwäche der Arbeiterklasse geschuldet ist. Und auch die Begründung für einen gesetzlichen Mindestlohn statt einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung der untersten Tariflöhne ist erschreckend und wenig überzeugend: Schon jetzt seien viele Tariflöhne unterhalb des Existenzminimums! Ja, scheiße, wozu dann noch Gewerkschaften, wozu noch Tariflöhne, wenn die so niedrig sind, dass ich nicht einmal mehr einen Gewerkschaftsbeitrag davon entrichten kann? Wäre es nicht angesagter, sich auf die Mobilisierung der so Ausgebeuteten zu konzentrieren, durch Kapitalismuskritik der richtigen Art, anstatt einem Mindestlohn nachzuhängen, der Illusionen verbreitet und letztlich doch nur die Richtschnur für Tarifverhandlungen nach unten sein wird?

Jetzt taucht die Forderung nach kräftigen Reallohnsteigerungen auf. Wieder, wie oben. Forderung müsste der gesellschaftliche Reichtum für die Arbeiterklasse sein, alles andere ist Kompromiss, ja Niederlage. Verquer ist die Forderung nach Festgeldforderungen, mit der Begründung, auch um gerade das Einkommen von Frauen anzuheben. Erstens wäre es das mindeste zu fordern, Frauen und Männer gleich zu bezahlen. Zweitens sollte man mindestens fordern, die Einkommenstabellen nach oben anzugleichen und alle gleich zu bezahlen – da Interesse der Arbeiterklasse nicht die Rentabilität der Arbeit ist, sondern die eigene Bedürfnisbefriedigung auf möglichst hohem Niveau - und da unterscheiden sich Akademiker nicht von Unausgebildeten. Wenn dann gesagt wird, das ginge nicht, sei nicht bezahlbar, dann weiß man ja, für wen das System da ist und für wen nicht. Im übrigen sind Lohnabschlüsse wie die Bezahlung von Löhnen überhaupt immer von der „Ertragslage“ abhängig, nicht nur bestimmte Lohnbestandteile. Das ist das Risiko des Arbeiters, das er trägt; die Pleite des Unternehmens ist in der Regel auch seine Pleite, sein Absturz ins Elend von Hartz IV.


Weitere Forderungen nur noch in Kürze:

Nein zu ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen: Im Kapitalismus sind alle Beschäftigungsverhältnisse ungeschützt bzw. soweit geschützt, wie sich Widerstand erfolgreich durchsetzen kann.

Rente mit 60 ohne Abschläge als Teil der Arbeitszeitverkürzungsstrategie – finanzierbar aus wachsender Produktivität (!!) - „Alter ist keine Last“: Warum Arbeitszeitverkürzung, der frühe Eintritt in die Rente, nicht aus dem Grunde, um das Arbeitsleid möglichst früh zu beenden und die Lebensfreude zu erhöhen? Aber: Wie soll das aus der wachsenden Produktivität finanziert werden? Die verursacht doch gerade, dass Arbeiter vermehrt entlassen werden, als Beitragszahler ausfallen, als Arbeitslosenheer Lohnsenkungen erzwingen, wodurch wiederum das Aufkommen der Versicherung sinkt? Und: Alter ist eine Last, wie jedes Nichtstun der Eigentumslosen im Kapitalismus eine Last ist für den Staat, für die Gesellschaft. Schönreden hilft dagegen nicht!

Einheitliche bedarfsdeckende Krankenversicherung – gegen Ausschlachten der GKV durch Kapital und Versicherungskonzerne – gegen Gesundheit gemäß Geldbeutel: Die Frage, die hier zu klären wäre, ist doch, warum die Gesundheit der Proletarier so teuer, warum sie zu teuer ist für das System. Wer zahlt letztlich die Zeche dafür und welche Rolle spielen die anderen Akteure in diesem Bereich, Pharmaindustrie, Apotheken, Ärzte, Versicherungen.

Keine Privatisierung von Sozialversicherungen und öffentlicher Einrichtungen: Sind staatliche Versicherungen und Einrichtungen besser als private? Erhält man da mehr Gesundheit und Ware fürs Geld? Sind die Löhne höher? Ist es das Paradies, das es früher gab und nun zu verlieren droht? Sind Sozialversicherungen nicht Ausdruck des Elends des Proletariats im Kapitalismus, das der einzelne nicht genug verdient, nicht genug hat, um auch in schlechten Zeiten (Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter) über die Runden zu kommen? Warum soll eine öffentliche Bereitstellung von Infrastruktur besser sein als eine private? Gelten dort nicht dieselben Kriterien von Unterordnung, Lohnzahlungen, Entlassungen, abhängig sein? Und wem dient die öffentliche Infrastruktur?

Zugang und Ausbau Bildungseinrichtungen: Für wen? Für die Elite? Ausgesiebt werden muss im Kapitalismus. Letztlich ist es egal, ob am Ende Kinder der Arbeiterklasse die Chefs sind oder Kinder der Bourgeoisie sich im schulischen Konkurrenzkampf durchsetzen.

Ausbildungsplätze für Jugendliche: So sinnvoll wie die Forderung nach einem Arbeitsplatz. Ausbildung ist auch Ausbeutung. Ausbildung und Ausbeutung finden in dem Maße statt, wie das Kapital Verwendung dafür hat oder sieht. Ergänzend kann der Staat eingreifen, wenn das Kapital nicht das Interesse der gesamten Kapitalistenklasse im Visier hat. Ob Ausgebildete übernommen werden, hängt wiederum von den Kalkulationen des Kapitals ab. Das wäre zu kritisieren, nicht die Einführung eines Gesetzes zur Zwangs weisen Übernahme der Auszubildenden zu fordern.

Bezahlung der sozialen Forderung über Rückgängigmachung der Steuersenkungen der letzten Jahre: Eine Frage dazu: Gab es nicht auch zu Zeiten höherer Spitzen – und Körperschaftsteuersätze Sparrunden? Wäre nicht zu analysieren, warum gerade hier, an Steuereinnahmen, gespart wird, welche Ziele und Zwecke der Staat hier verfolgt, im internationalen Kampf um Ansiedlungen, um Kapital auch mit niedrigen Steuersätzen zu attrahieren? Wäre hier nicht zu fragen, was Imperialismus ist? Und wiederum: Warum die sorge um die Finanzierung? Will die G- Linke ministrabel werden oder ist nicht das Ziel der G- Linken, das Interesse der Arbeiterklasse zum Ausdruck zu bringen? Und wenn es nicht finanzierbar ist – das sagt doch dann genug über dieses System aus, sofern man seine eigenen Forderungen nicht gleich der fiskalischen Zensur oder den Maastricht-Kriterien unterwirft.

Fazit: