Christoph Fleischmann

aus: Freitag 08 vom 14.02.2003

Kollision der Wirtschaftsblöcke

Der kanadische Ökonom Michel Chossudovsky über Irak und den Schlachtruf des Geldes

Michel Chossudovsky (60) - er lehrt an der Universität Ottawa - hat in diversen Staaten Lateinamerikas, Asiens und Europas gearbeitet. An der Katholischen Universität in Chile erlebte er den Militärputsch vom 11. September 1973 und sah viele seiner Kollegen von der Wirtschaftsfakultät in Schlüsselpositionen des Militärregimes wechseln. »Ich begann zu verstehen, dass die makroökonomische Reform weder neutral war noch von den breiteren Prozessen sozialer und politischer Transformation getrennt werden konnte«, schrieb er später.

FREITAG: Was müsste passieren, um einen Irak-Krieg noch zu verhindern?

MICHEL CHOSSUDOVSKY: Zuerst einmal müsste man den Charakter eines solchen Krieges verstehen und begreifen, dass es sich um einen Eroberungskrieg handelt. Die Bush-Regierung hat klargemacht: Erst Irak, dann Iran. Wir stehen vor einem Krieg, der zur Militarisierung einer Großregion führen wird: Von der Ostküste des Mittelmeeres bis zu Chinas Westgrenze. Es wird ein Krieg gegen europäische Ölinteressen, da es eine enorme Rivalität zwischen den Öl-Konzernen gibt, besonders zwischen den anglo-amerikanischen Firmen BP, Chevron-Texaco, Exxon und den europäischen wie Total-Fina-Elf und dem italienischen ENI. Aber diese Rivalität geht nicht nur auf die Ölindustrie, sondern auch auf die Rüstungsindustrie zurück.

Muss diese Rivalität automatisch zum Krieg führen?

Es geht um die Militarisierung der Ölfelder. Und die Europäer stehen geopolitisch schlichtweg vor der Frage, ob sie mitmachen wollen und sich damit eine militärische Präsenz in der Region sichern, wie sie das in Jugoslawien getan haben. Es ist aber die erwähnte Rivalität zwischen den Großmächten, die ein gemeinsames militärisches Vorgehen zu diesem Zeitpunkt erschwert.

Gibt es noch andere ökonomische Interessen für die Bush-Regierung?

Eindeutig. Sie beziehen sich auf die Kontrolle über die Währungssysteme. Seit der Euro existiert, gibt es eine neue Rivalität, die wir nicht unterschätzen sollten - sie ist fundamental. In all den Ländern, die heute klar unter dem Einfluss der USA stehen - man denke nur an die einstigen Sowjetrepubliken in Zentralasien - hat sich der Dollar durchgesetzt. In Osteuropa, dem Balkan und in anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion dominiert der Euro. Wir erleben daher einen Wettbewerb zwischen zwei konkurrierenden Finanzsystemen, die den Prozess der Geldschöpfung kontrollieren - zwischen Amerikas Federal Reserve und Europäischer Zentralbank.

Aber der Direktor der Federal Reserve, Alan Greenspan, warnt vor einem Irak-Krieg, weil der die Konjunktur weiter schwächen könnte.

Es gibt jede Menge Widersprüche in diesem System, aber ich bin trotzdem vollkommen überzeugt davon: das Ziel all dieser militärischen und strategischen Operationen ist - auch - die Destabilisierung nationaler Währungssysteme, die in den vergangenen 20 Jahren entstanden sind. Es wurden doch bereits nationale Währungen zerstört. Wir beobachten in der westlichen Hemisphäre den »Dollarisierungsprozess« - Land um Land wird gezwungen, seine nationale Währung an den Dollar zu koppeln. Wenn Länder in Südamerika den Dollar sogar als nationale Währung akzeptieren, haben sie so gut wie nichts mehr in der Hand. Wenn sie ein Hospital bauen wollen, müssen sie US-Dollar leihen. Die Finanzinstitutionen und Regierungen können sich nicht mehr selbst Kredit gewähren. Sie müssen das Geld in harter Währung leihen. Das war das Schicksal Argentiniens über Jahre hinweg. Heute sehen wir die Konsequenz, nämlich eine völlige Verwüstung.

Ist das der Grund, warum sich die USA einen sagenhaften Schuldenberg leisten können?

In unserer Welt ist es doch inzwischen so, dass Sie keine realen Werte mehr kontrollieren müssen. Worum es geht, das sind die Instrumente der Geldschöpfung. Und die Geldschöpfung erlaubt wiederum die Kontrolle über Ressourcen - Währung ist die Grundlage von Herrschaft.

Wir werden uns also auf weitere Kriege gefasst machen müssen. Schauen Sie auf die öffentlichen Ausgaben. In den USA gibt es eine massive Umleitung zugunsten des Militärs. Das Besondere an einem Rüstungskonzern ist ja, dass er nicht auf dem freien Markt verkauft, sondern an das Verteidigungsministerium. Es gibt nur einen Käufer. Wenn die Firmen diesen Markt nicht haben, sind sie tot. Sie können ihr Zeug ja nicht im Supermarkt verkaufen. Und die Zahlen sind doch astronomisch: Der US-Verteidigungsetat 2003 ist 30 Prozent größer als das Bruttoinlandsprodukt Russlands, wo mehr als 150 Millionen Menschen leben.

Das Gespräch führte Christoph Fleischmann s. Michel Chossudovsky: Global brutal. Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg, Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2002, 480 Seiten, 12,75 Euro. Der Autor ist auch Herausgeber der Zeitschrift Global Outlook (http://www.globalresearch.ca).