Markus Hoffmann (13.9.2013)

Systemtheorien – der Mythos vom System einer naturhaften Gesellschaft

Seit es die bürgerliche Gesellschaft gibt, gibt es auch den ihr zugrunde liegenden Widerspruch zwischen Individuum und Gesellschaft, das Problem der Vermittlung zwischen ihren privaten und gesellschaftlichen Substanzen, den politischen Polen des einzelnen und des sozialen Daseins. Die Sozialwissenschaften, welche die hier auftretenden Probleme lösen sollten, hatten daher selbst auch ein dementsprechendes Vermittlungsproblem, weil sie zwischen den individuellen und den sozialen Notwendigkeiten keine Beziehung, sondern nur gegensinnige Positionen einnehmen konnten, die sie dem menschlichen Wesen zuschrieben, das seine individuellen Impulse an seine Kultur anzupassen habe. War es bei Sigmund Freud noch der im Individuum selbst angelegte Gegensatz von der natürlichen und der kulturellen Substanz seines Lebensinteresses, so bei den Lerntheorien der Nutzen einer optimalen Stimulation durch die Umwelt. Es beruhte alles noch auf einer sinnfälligen sozialen Realität, mit der zu hantieren war.

Mit der globalen Verselbständigung der Finanzmächte wurde es aber für die Sozialwissenschaften unmöglich, die Substanz der gesellschaftlichen Probleme aus ihren konkreten Verhältnissen heraus zu erkennen und zu bewerten. Daher musste auf die Natur und ihre Regelhaftigkeit zurückgegriffen werden und so wurde aus deren Phänomenen eine allgemeine Wahrheit, die Begriffssubstanz einer bloßen Systematik der Natur entwickelt, die inzwischen in der Soziologie, Psychologie und sogar als Grundlage für alternative Kommunaltheorien hergenommen wird. Auf den Schlachtfeldern der bürgerlichen Wissenschaften entstanden schließlich die Systemtheorien.
Den wesentlichen Ansatz hierfür erarbeitete ein Neurobiologe namens Humberto Maturana. Mit ihm befasst sich heute der Biologe Markus Hoffmann und stellt dessen Theoriegebäude und seine inneren Zusammenhänge dar. Zu einem späteren Termin werden wir auch die konsequente Verfolgung dieses Ansatzes durch Niklas Luhmann ausführen.

Wolfram Pfreundschuh

1 Die Ursache Systemischer Krisen

In Zeiten persönlicher Krisen überdenken die Menschen ihre bisherigen Entscheidungen. Manche überlegen, welche Begrenzungen ihnen die Gesellschaft dabei gesetzt hat. Sucht der krisengebeutelte Mensch Hilfe in therapeutischen Maßnahmen, so verweisen sie ihn auf sein Inneres. Unterstützung erfährt er dann nur im Rahmen seines gesellschaftlichen Existenzbereiches, der zuvor durch Diagnoseverfahren erkundet wurde. Die Therapie besteht dann darin, dem Patienten seinen zugewiesenen Existenzbereich zu verdeutlichen und ihm Möglichkeiten zur Anpassung zu offerieren. Systemische Ansätze sind darin besonders wirksam. Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) präsentiert ihre Verfahren als Anwendung interdisziplinärer Forschungsergebnisse, insbesondere jenen der Sozialwissenschaften und der Biologie.

"Die systemische Psychotherapie, die systemische Beratung und die systemische Supervision bauen auf modernen Konzepten systemtheoretischer Wissenschaft auf, die mittlerweile Eingang in alle Disziplinen der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften gefunden haben. Sie ermöglichen es, komplexe Phänomene, die menschliches Leben und Zusammenleben charakterisieren, komplexitätsgerecht aufzufassen und eine passende Methodik zu ihrer Behandlung zu entwickeln. Nach systemischem Verständnis ist der Mensch immer zugleich als biologisches und als soziales Wesen zu betrachten.

Die systemische Perspektive rückt deshalb die dynamische Wechselwirkung zwischen den biologischen und psychischen Eigenschaften einerseits und den sozialen Bedingungen des Lebens andererseits ins Zentrum der Betrachtung, um das Individuum und seine psychischen Störungen angemessen verstehen zu können. Die systemische Therapie und Familientherapie verfügen über eine eigene klinische Theorie und Methodologie zur Erklärung und Behandlung psychischer Störungen. Psychische Krankheiten werden als Störung der Systemumweltpassung definiert." ↓(1)

Systemische Theorien betrachten die moderne Gesellschaft als Folge von soziokulturellen Evolutionsprozessen, die sich an einer Komplexitätszunahme durch Ausdifferenzierungen zeige. Kritik wird als inneres Anpassungsproblem wahrgenommen und bekämpft. Der Soziologe Wolfgang Zapf analysierte 1992 in einem Diskussionspapier für das Max-Planck-Institut die moderne Gesellschaft, dessen Überlegenheit gegenüber anderen Systemen er in der Effizienz der Bekämpfung von Anpassungsproblemen sah:

Strukturell-funktionale, differenzierungstheoretische und evolutionstheoretische Überlegungen bezeichnen die Institutionen, die bestimmten Gesellschaften für die Lösung ihrer inneren und äußeren Anpassungsprobleme und für die eigene Weiterentwicklung eine Überlegenheit (K. O. Hondrich: "Dominanz") gegenüber anderen Gesellschaften mit ihren weniger leistungsfähigen Institutionen verleihen. ↓(2)

Die Verwendung differenzierter und zugleich abstrakter Betrachtungsebenen verdeckt die Gewalt und die Zwänge, die sich zwischen den Ebenen befinden. Schließlich treten selbst im Wohlfahrtsstaat und mitten im Überfluss Störungen auf, die aus den Widersprüchen der gelebten und erlebten Normen entstehen. Sichtbar werden sie dann am Unangepassten, am Abnormen, das aber durch die Psyche des Einzelnen verursacht werde. Derartige Störungen setzen die Leistungsfähigkeit der Menschen herab. Sie gelten als krank und dürfen nicht unbehandelt bleiben. Die Anwendung soziologischer und psychologischer Theorien sorgt schließlich dafür, dass politische Interessen gegen Widerstände durchgesetzt werden können. Zapf fand hierzu deutliche Worte:

"Die handlungstheoretische Perspektive kommt ins Spiel, wenn Modernisierung an die psychische und soziale Mobilisierung von Individuen und Organisationen geknüpft wird, insbesondere an Innovationen, die von individuellen und kollektiven Akteuren gegen Widerstände durchgesetzt werden." ↓(3)

Die Politik arbeitet mit den statistisch erhobenen Daten zum Verhalten bestimmter Bevölkerungsanteile. Handelnde Menschen können den Steuerungsmechanismen jedoch entkommen, indem sie diese zweckentfremden oder durch soziale Kooperationen und Netzwerke unterwandern. Die Politik reagiert darauf mit gezieltem Druck. Ihr Ziel ist es, das Handeln der Menschen einzuschränken und in ein mess- und steuerbares Verhalten zu transformieren. Mikrosoziologische Untersuchungen und quantitative Erhebungen sind daher nicht akademischer Natur. Die Erforschung der Beweggründe für Handlungen bietet die Grundlage um soziologische Theorien zur Anwendung kommen zu lassen.

Systemische Ansätze haben sich darin als besonders dienlich erwiesen. Sie zerteilen die Eigenschaften der Menschen in biologische und psychische einerseits und soziale andererseits und betrachten sie dann voneinander getrennt auf verschiedenen Organisationsebenen. Die sozialen Eigenschaften sind allerdings von zentraler Bedeutung, da sie den biologischen und psychischen Eigenschaften als soziale Lebensbedingungen entgegen gestellt werden. Die daraus gebildeten Widersprüche müssen jedoch nicht aufgelöst werden, weil sie bereits in verschiedenen Ebenen verräumt wurden. Trotz der peniblen Sortierung in biologische und psychische Eigenschaften betrachten die systemischen Ansätze das Individuum wie eine psychobiologische Einheit und trennen dadurch seine Bedürfnisse von seinen sozialen Lebenszusammenhängen ab. In ihrer diagnostischen Anwendung haben die systemischen Ansätze das Wesen des Individuums und seine Bedürfnislage schon festgelegt bevor sie es näher betrachten. Die Biologie und die Psyche des Individuums entspringe dabei einer Natur, die es als in sich geschlossenes Ganzes bilde und von der Gesellschaft abtrenne. Das Individuum müsse sich deshalb den äußerlichen sozialen Bedingungen anpassen. Hierfür bieten die systemischen Therapien den Menschen einen Ort, an dem sie ihre Bedürfnisse äußern und ihre Probleme darstellen können. Ihre Äußerungen werden jedoch dann auf verschiedene Strukturebenen abstrahiert und als gegeben voraus gesetzt, obwohl die Bedürfnisse eigentlich die Grundlage jedes sozialen Verhältnisses bilden.

2 Ontologie: Das Wesen der Organismen

Die Abstraktion menschlicher Bedürfnisse auf systemische Ebenen geht insbesondere auf die Gedanken des Soziologen Niklas Luhmann zurück. Luhmann wurde seinerseits von der Erkenntnistheorie des Neurobiologen Humberto Maturana beeinflusst, weshalb sich die Vertreter Systemischer Ansätze auch biologisch legitimiert sehen. Luhmann übertrug insbesondere Maturanas Begriff der Autopoiesis auf gesellschaftliche Prozesse. ↓(4) Maturana bezeichnete damit die Eigenschaft eines Systems sich selbst zu erschaffen und zu erhalten. Sein Ziel war es, Lebewesen von anderen Formen der Materie durch eine nur diesen innewohnende Eigenschaft abgrenzen zu können. ↓(5) In der Philosophie wird dieses Unterfangen als Ontologie bezeichnet und hat bis heute keinerlei Erkenntnisse erbracht, da sich die Prozesshaftigkeit des Lebens nicht auf nur einen Begriff reduzieren lässt. Friedrich Engels sah beispielsweise im Leben lediglich die Daseinsform der Eiweißkörper und beschränkte es somit auf eine Form, so wie sie auf der Erde verwirklicht ist. Eine nur den Lebewesen zukommende Eigenschaft konnte bisher jedoch nicht gefunden werden. Leben wird schließlich nur durch die Wirkungen dynamischer Prozesse oder deren Ende durch den Tod sichtbar. Aristoteles beschrieb das Leben über Prozesse und sah darin eine Höherentwicklung in drei Stufen 1.) Ernährung und Wachstum, 2.) Bewegung und Wahrnehmung und 3.) Vernunft. ↓(6) Heute besteht die Charakterisierung des Lebens ebenfalls aus einer Aufsummierung von Prozessen wie Stoffwechsel, Fortpflanzung, Reizbarkeit oder aktive Bewegung. Jeder Prozess ist für sich alleine auch in Phänomenen zu finden, die nicht dem Leben zugeordnet werden. Nur in ihrer Gesamtheit können sie ein Lebewesen definieren. ↓(7) Den hierzu nötigen Strukturen wird im Unterschied zu unbelebter Materie eine Funktion zugewiesen. Der Wissenschaftstheoretiker Peter McLaughlin zeigt auf, dass die Zuschreibung von Funktionen eine Zweckbestimmung impliziert:

"In der Biologie werden häufig Organen, Merkmalen und Verhaltensweisen Funktionen zugeschrieben–als wären Organismen Artefakte. Der Zweck, zu dem sie als Mittel betrachtet werden, wird meist stillschweigend als Überleben oder Fortpflanzung bestimmt." ↓(8)

Die Biologie untersucht die Struktur der Lebewesen und unterstellt deren Bedürfnisse einer Zweckbestimmung, die sie als Organismen von Gegenständen unterscheidet. Unbelebte Materie besitzt Eigenschaften, die auf makroskopischer Ebene immanent vorhanden sind oder stets in gleicher Weise induziert werden können ↓(9) Lebewesen besitzen hingegen Fähigkeiten, die das Auftreten bestimmter Eigenschaften ihrer Motivation unterstellen und sich in ihnen auch weiter entwickeln. Als Organismen werden sie jedoch anhand dynamischer Prozesse charakterisiert und ihre Motivation aus der angenommenen Zweckbestimmung abgeleitet. Die Biologin Marianne Schark hat die Intention der Begriffe "Lebewesen" und "Organismus" verglichen:

"Zur Bezeichnung der durch diesen Begriff [des Lebewesens] isolierten Entitäten verwendet die Biologie die Ausdrücke "Organismus" oder "lebende Systeme". Entgegen einem Missverständnis stellen diese Bezeichnungen jedoch keine Synonyme zum Begriff des Lebewesens dar. Es besteht lediglich Extensionsgleichheit, keine Intensionsgleichheit: Wir greifen zwar mit diesen drei Ausdrücken stets dieselben Entitäten heraus; ihre Bedeutung ist jedoch verschieden. Der Begriff des Lebewesens ist v.a. der eines einfachen Einzelwesens, dem als Ganzem und Einfachen bestimmte Vermögen und Tätigkeiten zugesprochen werden, während der Organismusbegriff primär für eine Art von in spezifischer Weise strukturierten oder gegliederten Körpern steht." ↓(10)

"Die Biologie setzt voraus, dass es Lebensphänomene sind, die sie studiert. Dies zeigt, dass sie auf einer vorgängigen Konstitution des Gegenstandes aufbaut. Dementsprechend werden mit der biologischen Beschreibung von Lebewesen als Organismen oder lebende Systeme lediglich einzelne Aspekte des Wesens von Lebewesen hervorgehoben." ↓(11)

Jede biologische Theoriebildung ist an der unterstellten Zweckbestimmung der Organismen zu bewerten. Als Charles Darwin von Thomas Malthus das Postulat der Überproduktion übernahm und daraus seine zwei Selektionsmechanismen - die natürliche und die sexuelle Selektion- ableitete, erhob er die Fortpflanzung zum primären Zweck aller Lebensformen. Alfred Russel Wallace betonte hingegen die Fähigkeit eines Lebewesens, seine eigene Existenz fortzusetzen. In der Biologie ist die Ansicht weit verbreitet, dass die Ausrichtung auf Fortpflanzung der individuellen Existenzsicherung übergeordnet ist. Viele Theorien sind darin stärker darwinistisch als Darwin es war. Die Ende der 60er Jahre entworfenen Theorien der Soziobiologen William Hamilton und Edward O. Wilson bewerteten alle Lebensprozesse wie beispielsweise Altruismus oder die Tötung von Nachkommen durch Kosten-Nutzen-Analysen. Je höher der Anteil des eigenen Erbgutes in der Population der Nachfolgegeneration zu finden ist, umso größer ist danach die biologische Fitness ↓(12) Die subjektive Sicherung des eigenen Überlebens untersteht aus dieser Betrachtungsweise dem objektiven Zweck der Reproduktion. In den 1970er Jahren hat dieser Ansatz über die Theorie des egoistischen Gens des Zoologen Richard Dawkins eine weitere Reduktion erfahren. Dawkins sah die Zweckbestimmung des Lebens in der Replikation von Genen. Das Individuum ist aus seiner Sicht lediglich ein Objekt, das durch die Fortpflanzung den Bestand der in seinen Genen gespeicherten Informationsinhalten, den Allelen, dienlich ist. ↓(13) Die vollständige Objektivierung des Lebendigen zur Zweckbestimmung sich replizierender Informationseinheiten passte zum Zeitgeist Anfang der 70er Jahre. Die Vision einer Informationsgesellschaft, in der die materiellen Träger genauso abstrahiert wurden wie deren materiellen Notwendigkeiten, führte zu einer Vielzahl postmoderner und poststrukturalistischer Theorien. Die Darwinistische Reduktion hat deshalb auch den Geistes- und Sozialwissenschaften Impulse gegeben, die sich in den heutigen Diskurstheorien wiederfinden.

Die Reduktion und die Objektivierung der Lebewesen wurde nicht von allen Biologen mitgetragen. Zunächst regte sich der Widerstand gegen die deterministische Sichtweise der Soziobiologie und ihrer Übertragung von Annahmen auf menschliche Beziehungen oder gar Gesellschaften. ↓(14) Die Kritiker mahnten auch die schlecht überprüfbare Methodik der Soziobiologie als unwissenschaftlich an. ↓(15) Spätere Erkenntnissfortschritte in der Genetik und der evolutionären Entwicklungsbiologie zeigten zudem, dass die Soziobiologie die dynamischen Prozesse der Organismen ausgeblendet hatte. Schließlich sind Gene nur in ihrer Interaktion wirksam und müssen als strukturelle Teile eines regulatorischen Netzwerkes betrachtet werden. Bindungsstellen für Proteine und die sich daraus ergebenden Schleifen des DNA-Stranges wirken mechanisch durch molekulare Wechselwirkungen. Die DNA ist nicht bloß ein materieller Träger von Information wie beispielsweise eine Festplatte, die passiv Informationen bereit hält. Sie ist ein mechanisches Gebilde, dessen Teile aber nicht wie bei einem Uhrwerk statisch interagieren, sondern durch äußere Einflüsse oder Wechselwirkungen kontinuierlich anders konfiguriert werden. ↓(16) Auch dies unterscheidet ein Lebewesen von Gegenständen. Um das regulatorische Netzwerk verstehen zu können, reichen die Objekt- oder Prozessorientierten Modellierungen der Informatik nicht aus. Die individuellen Veränderungen eines Organismus sind nicht mit der Vorstellung einer singulären Wirksamkeit von Genen zu erklären. Selbst der Begriff des Gens wird inzwischen überdacht. ↓(17) Manche Strukturen, die als Gene bezeichnet werden, beinhalten nämlich keinerlei Informationen über die Ausbildung eines Merkmales, sondern sind lediglich an der Regulation anderer Gene beteiligt. ↓(18)

Die Entwicklung eines Organismus und seine Fähigkeit zur Regulation zeigen, dass die Zweckbestimmung des Lebens mehr beinhaltet als nur Fortpflanzung. Niemand würde beispielsweise ein steriles Lebewesen als einen Gegenstand bezeichnen, nur weil es sich nicht fortpflanzt. Umgekehrt werden Viren als infektiöse Partikel, nicht jedoch als Lebewesen betrachtet. Die molekulare Struktur eines Virus ist statisch. In einem Virus laufen weder Stoffwechsel- noch Regulationsprozesse ab und sie enthalten keinerlei Strukturen zur Sensorik der äußeren Umwelt. Ohne eine Sensorik ist die Regulation eines inneren Milieus gegenüber einer andersartigen Umgebung nicht möglich. Doch gerade das Aufrechterhalten eines spezifischen inneren Milieus gegenüber wechselhaften Umweltbedingungen ist eine der Grundvoraussetzung für Lebewesen. Die hierzu ebenfalls nötige Begrenzung trennt das Individuum von seiner Umwelt, ermöglicht aber auch das Ausbilden von Beziehungen zu ihr über den Stoff- und Wärmeaustausch. Zwar besitzen auch die meisten Viren eine Hülle, doch dient diese nicht der Aufrechterhaltung des inneren Milieus. Sie ist lediglich ein statischer Schutz vor äußeren Einflüssen, der erst dann eine Funktion erhält, wenn das Virus zufällig auf eine Zelle trifft und an deren Membran die viralen Hüllproteine binden können. Nur die infizierte Zelle ermöglicht die Repliktion eines Virus, da ihm jegliche Strukturen für Stoffwechselprozesse fehlen. Reaktionen auf wechselhafte Umweltbedingungen oder gar aktive Prozesse zum Zwecke der Selbsterhaltung sind schließlich nur in lebenden Zellen zu finden. ↓(19) Der Ursprung der Viren scheint mit der Entstehung des Lebens begonnen zu haben. Dabei könnten die ersten Zellen Moleküle freigesetzt haben, die die Information zur Replikation in sich tragen.

Auch Maturana kritisiert jene Betrachtungsweisen, die die Organismen zu Objekten sich replizierender Informationseinheiten reduzieren. ↓(20) Viren erfüllen jedoch die Kriterien der Selbsterschaffung und Selbstorganisation, die laut Maturana hinreichend für die Definition eines Organismus ist. Seine Reduktion ähnelt darin stark dem Modell des Hyperzyklus, das der Chemiker Manfred Eigen ein Jahr vor Maturanas Veröffentlichung entwickelt hatte. Eigens Zielsetzung war es allerdings nicht, das Wesen des Lebens zu charakterisieren, sondern die Entstehung von Leben aus unbelebter Materie zu modellieren. ↓(21) Hierzu beschränkte er seine Betrachtung bewusst auf den Aspekt der Selbstorganisation und Replikation auf eine molekulare Welt der RNA. ↓(22) Seine Modellierung bezeichnete er als Quasispezies, da er sie als eingeschränkte Vorform eines Organismus ansah. ↓(23)

Während Eigen mit seinem hypothetischen Modell zur Entstehung von Leben bewusst die Realität reduzierte, ging Maturana davon aus, dass die von ihm postulierten Autopoiese tatsächlich stattfand und weiterhin stattfindet. Aus seiner Überzeugung, dass sich alle alle Lebensprozesse über die Autopoiese auch ohne eine Zweckbestimmung erklären lassen, schrieb er zusammen mit seinem Schüler Francisco Varela ein populärwissenschaftliches Buch mit dem Titel "Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens". Darin versuchen sie aus den biologischen Bedingungen menschlichen Erkennens eine Ethik abzuleiten. Da die Biologie Organismen nicht aber Lebewesen untersucht, kann aus ihr im Gegensatz zur Ontologie keine Ethik abgeleitet werden. Maturana und Varela müssen deshalb der Frage nach der Zweckbestimmung ausweichen, indem sie der Ontologie den Konstruktivismus entgegen setzen.

"Wenn wir nicht in der Lage sind, eine das Lebewesen charakterisierende Aufzählung von Eigenschaften zu geben, warum dann nicht ein System vorschlagen, welches im Operieren seine gesamte Phänomenologie hervorbringt?" ↓(24)

Anhand von Wahrnehmungsgrenzen versuchen Maturana und Varela die Subjektivität des Erkennens durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu unterfüttern. Ungeachtet dieses logischen Fehlers wirkte ihr konstruktivistischer Ansatz nachhaltig auf die Geistes- und Sozialwissenschaften. In der biologischen Fachwelt fanden Maturanas Ideen hingegen kaum Beachtung.

3 Im Zirkel autonomer Erkenntnis

Eine wesentliche Prämisse von Maturanas Theorie ist die Identität von Taten mit Erkenntnis.

"Jedes Tun ist Erkennen und jedes Erkennen ist Tun."

Die gedankliche Konstruktion ist für Maturana und Varela der gleiche Prozess wie die Schaffung einer Welt in der der Organismus tätig ist. Sie gehen davon aus, dass die individuelle Wahrnehmung eine subjektive Realität erzeugt und diese in Einsamkeit mündet, sobald sie zu einer scheinbar objektiven Gewissheit geworden ist. ↓(25)

"In diesem Sinne werden wir ständig festzustellen haben, daß man das Phänomen des Erkennens nicht so auffassen kann, als gäbe es "Tatsachen" und Objekte da draußen, die man nur aufzugreifen und in den Kopf hineinzutun habe. [...] Die Erfahrung von jedem Ding da draußen wird auf eine spezifische Weise durch die menschliche Struktur konfiguriert, welche das "Ding", das in der Beschreibung entsteht, erst möglich macht." ↓(26)

Um den Leser von der Konstruktion seiner scheinbar objektiven Erfahrungswelt zu überzeugen, führen Maturana und Varela dem Leser seine Wahrnehmungsgrenzen über optische Täuschungen vor. Die Darstellung optischer Täuschungen wird auch in der soziologischen Fachliteratur verwendet, um die Konstruktion der eigenen Realität und somit die Existenz multipler Realitäten scheinbar zu beweisen. ↓(27) Dies ist logisch jedoch nicht möglich, da multiple Realitäten nicht auf einer realen Tatsache beruhen können. Somit zeigen die Beispiele über Wahrnehmungsgrenzen eigentlich, dass die Sinnesorgane in ihrer Struktur kaum Unterschiede aufweisen. Optische Täuschungen funktionieren bei sehenden Menschen gerade deshalb, weil ihre Wahrnehmung in vergleichbarer Art und Weise verarbeitet wird.

Zwar zeigen die Beispiele auch, dass die biologischen Strukturen die eigene Erlebniswelt bestimmen, doch ist der Mensch in der Lage seine Erlebniswelt zu kommunizieren. Dies erkennen auch Maturana und Varela. Die Einsamkeit einer solipistischen Perspektive subjektiver Realität könne durch das gemeinsame Erschaffen der Lebenswelt in einer Gemeinschaft überwunden werden.

Menschen können aber auch ihre Wahrnehmungsgrenzen erkennen und diese mit Hilfsmitteln überschreiten. Messgeräte können das gesamte Spektrum elektromagnetischer Wellen erfassen. Solche Daten eröffnen den Blick auf eine objektive Realität, die unabhängig vom Menschen existiert, aber durch ihre Wirkungen und durch Messwerte erschlossen werden kann. Ultraviolettes Licht und Radioaktivität wirkten schon vor der Existenz des Menschen und unabhängig von seiner Wahrnehmung und seinem Wissen auf molekulare Strukturen aller Lebewesen. Die Begriffs- und Kategoriebildung beschreibt, ordnet und bewertet wahrgenommene Phänomene und ihre Wirkungen, bringt sie aber nicht hervor. Anders verhält es sich mit jenen Prozessen, aus denen Gegenstände oder Phänomene nach den Maßstäben bestehender Kategorien oder ästhetischer Vorstellungen durch den Menschen gebildet werden.

Obwohl Maturana und Varela objektive Messwerte zur Unterfütterung ihrer Theorie nutzen, fordern sie nicht die Erhebung objektiver Daten als Grundlage wissenschaftliche Methodik. ↓(28) Ihr erkenntnistheoretischer Ansatz zeichnet sich durch einen Kreislauf des Erkennens und Erschaffens subjektiver Lebensbedingungen aus.

"Unser Ausgangspunkt für die Erzeugung einer wissenschaftlichen validierbaren Erklärung ist das Verständnis vom Erkennen als wirksame Handlung, das heißt, als eine Handlung, die es dem Lebewesen erlaubt, seine Existenz darin fortzusetzen, indem es dort seine Welt hervorbringt. [...]

Und wie werden wir wissen, wann wir eine befriedigende Erklärung des Phänomens des Erkennens erbracht haben? [...] nämlich dann, wenn wir ein System von Konzepten aufgestellt haben, das fähig ist, das kognitive Phänomen als das Ergebnis des Operierens von Lebewesen zu erzeugen. Zudem, wenn wir gezeigt haben, daß dieser Prozeß in Lebewesen geschieht, die wie wir in der Lage sind, Beschreibungen zu erzeugen und darüber zu reflektieren als Ergebnis ihrer Verwirklichung als lebende Wesen, das heißt als Ergebnis ihres wirksamen Operierens in ihren Existenzbereichen (Milieus)." ↓(29)

Für Maturana und Varela ist das Erkennen ein Phänomen, das durch die Tätigkeit der Beschreibung und Reflexion eines Organismus während seiner Verwirklichung und in seinem Existenzbereich geschieht. Insofern ist die Erkenntnis eines Lebewesens auf jenen Bereich begrenzt, den seine biologische Struktur vorgibt. Die Struktur bestimme schließlich, welche Phänomene überhaupt wahrgenommen werden können. Der Wahrnehmungsprozess beruhe jedoch immer auf einer Differenzierung, bei der sich die wahrgenommene Entität vor einem Hintergrund abhebe. Der strukturell bestimmte Existenzbereich eines Organismus legt demnach auch seinen maximalen Erkenntnisraum fest. Da die Wahrnehmung nur Unterscheidungen erzeuge, ↓(30) müssen die Phänomene für sich stehend durch Induktion und Deduktion erschlossen werden. Die Erkenntnistheorie von Maturana und Varela kann Zusammenhänge verschiedener Phänomene nicht erklären. Vergleiche zwischen Entitäten beruhen nie auf einer Einzelbetrachtung. Nur der Vergleich verschiedener Phänomene kann Gemeinsamkeiten und Beziehungen aufzeigen. Kausale Beziehungen, Ursache und Wirkung, aber auch Korrelationen beruhen auf mindestens zwei Phänomenen. Zur Untersuchung der Beziehungen eines Phänomens muss ein Bezugssystem herangezogen werden. Die Einzelbetrachtung lässt keine Bezugnahme auf ein anderes Phänomen zu, das als Kontrolle dienen könnte. Die Autoren verweisen hingegen darauf, dass sowohl die Beobachtung als auch das Aufstellen von Erklärungskonzepten

"in einer für die Gemeinschaft der Beobachter annehmbaren Weise" ↓(31)

zu erfolgen habe. Das einzig gültige Bezugssystem ist demnach die Autorität der beobachtenden Gemeinschaft. Die Wahrheit einer Erkenntnis ergibt sich dann aus dem, was die Gemeinschaft der Menschen akzeptiert. Die Subjektivität der Erkenntnis einzelner Menschen wird somit über das gesellschaftlich allen Gemeine objektiv bestimmt.

Nur durch die Reduktion auf einen Zirkel des Erkennens und Erschaffens von Realitäten gelingt es Maturana und Varela Organismen als autonome Einheiten zu konstruieren, die der von Maturana geschaffenen Kategorie der Autopoiese durch Selbstorganisation und Selbstreproduktion genügen. ↓(32)

"[...] ein System ist autonom, wenn es dazu fähig ist, seine eigene Gesetzlichkeit beziehungsweise das ihm Eigene zu spezifizieren" ↓(33)

Sie unterscheiden dabei zwischen autopoietischen Einheiten erster Ordnung, den Zellen und jenen zweiter Ordnung, den Metazellern. Letztere entstünden aus der Koppelung der Einheiten erster Ordnung. ↓(34) Da jedes Lebewesen aus einer Zelle hervorgeht und seine Fortpflanzung wieder eine Zelle erzeugt, sei die Reproduktion und die Selbsterhaltung gleichermaßen eine Folge der autopoietischen Eigenschaft von Organismen. ↓(35) Der Erhalt der Organisation ist eine Eigenschaft, die über den Tod der Lebewesen hinaus geht. Das Lebewesen kann sterben, der Organismus nicht. Die Einheit des Organismus löse sich hingegen auf, wenn er sich nicht weiter fortpflanzt. Die Fortpflanzung ist somit eine Folge der Autopoiesis. Maturana und Varela sehen in den Lebensprozessen daher keine Zweckbestimmung sondern autopoietische Wirkungen. ↓(36) Die Beziehungen eines Organismus zu seiner Umwelt charakterisieren sie als eine Koppelung mit dessen Milieu. Sie verstehen dabei das Milieu als Hintergrund aus dem sich die autonomen Einheiten durch eine andere Struktur abheben. Das Milieu besitze eine eigene strukturelle Dynamik und sei von der Einheit operational verschieden. ↓(37) Sie differenzieren dabei ganz bewusst nicht zwischen den Interaktionen eines Organismus mit anderen und solchen, die durch die Bedingungen des Milieus entstehen. Die Auswirkungen einer Interaktion werde schließlich nur durch die Struktur des Organismus determiniert, nicht jedoch durch dessen Auslöser. Als Beispiel führen sie die Entwicklungsgeschichte einer Zelle als autopoietische Einheit an.

"Die zelluläre Einheit sieht und ordnet ihre ständigen Interaktionen mit dem Milieu immer im Sinne ihrer Struktur, welche wiederum im Zuge ihrer inneren Dynamik ebenfalls im ständigen Wandel begriffen ist" ↓(38)

Nach der Betrachtungsweise von Maturana und Varela wirken Zellgifte wie Cyanid oder Colchicin nicht deshalb, weil die jeweiligen Moleküle eine bestimmte bestimmte Struktur oder bestimmte Eigenschaften aufweisen, sondern weil die Struktur der Zelle das Molekül in einer Weise verarbeitet, die diese Wirkung hervorruft. Sie beachten durchaus, dass die Wirkung einer Interaktion auch von der Konfiguration der strukturellen Bestandteile bestimmt wird. Colchicin wirkt beispielsweise nur während der Mitose oder Meiose. Die Konfiguration jedes Organismus hängt aber von vielen materiellen Notwendigkeiten ab, die Maturana und Varela nicht berücksichtigen.

"Bei den Interaktionen zwischen den Lebewesen und der Umgebung innerhalb deser strukturellen Kongruenz determinieren die Perturbationen der Umgebung nicht, was den Lebewesen geschieht; es ist vielmehr die Struktur des Lebewesens, die determiniert, zu welchem Wandel es infolge der Perturbationen in ihm kommt. Eine solche Interaktion schreibt deshab ihre Effekte nicht vor. Sie determiniert sie nicht und ist daher nicht instruierend, weshalb wir davon sprechen, dass eine Wirkung ausgelöst wird. [...] Dasselbe gilt für das Milieu, für das das Lebewesen eine Quelle von Perturbationen und nicht von Instruktionen ist." ↓(39)

Maturana und Varela betrachten die Interaktion eines Lebewesens mit seiner Umgebung entweder als destruktive Interaktion oder als Austausch von Perurbationen, wobei sie Perturbation als eine Störung der Gleichgewichte eines Systems definieren. Sie vermeiden jedoch den Begriff Störung, da sich eine Perturabtion auch positiv auf die weitere Entwicklung des Systems auswirken kann. Destruktive Interaktionen führen hingegen zu Strukturveränderungen, die zum Verlust der Organisation als Einheit und somit zu dessen Auflösung führen. Jede Interaktion besteht jedoch aus dem Zusammenwirken mindestens zweier Teile. Deutlich wird dies an einem Extrembeispiel: wird eine Zelle aggressiven Gasen wie Fluor oder Stickstoffdioxid ausgesetzt, reagieren ihre Moleküle ungeachtet der zellulären Struktur und seiner elementaren Zusammensetzung mit allen Komponenten der Zelle. Die Zelle besitzt zwar Schutzmechanismen, die derart reaktive Teilchen abfangen. Diese können aber die strukturverändernde Wirkung nur mindern, nicht jedoch ändern. Trotzdem handelt es sich nicht um eine destruktive Interaktion. Ihre Einheit ist nicht in Gefahr, wenn die Dosis oder die Expositionszeit gering gehalten werden. Nicht nur Extremsituationen, sondern auch Temperaturschwankungen, Änderungen der Salzkonzentration oder des pH-Wertes zwingen eine Zelle zu eindeutigen Reaktionen, die Instruktionen gleichkommen. In der Komfortzone eines Organismus kann er ohne Not agieren, nicht jedoch sobald ihm die Umweltbedingungen keine andere Wahl lassen.

Die Lebewesen können aber durch ihre Aktivitäten Notlagen überwinden und so ihre weitere Existenz sichern. Das eigene Überleben ist die Motivation und die Ausrichtung ihrer Aktivität. Durch diese Zielsetzung kann sie nur als Handlung bezeichnet werden. Viele Handlungen führen zu Kooperationen, für die die Lebewesen soziale Beziehungen ausbilden. Die Grundlage jeder sozialen Beziehung ist, dass sich die Lebewesen als solche gegenseitig erkennen und ihrer Möglichkeiten gewahr werden. Durch die Abstimmung ihrer Kommunikation entwickeln die Lebewesen ihre Beziehungen weiter. Dadurch verändert sich ihre Lebensweise und somit auch ihre Struktur. Die Naturgeschichte der Lebewesen ist deshalb auch eine Geschichte gegenseitiger Beziehungen.

Maturana und Varela stellen sich aber die Frage nach der Zweckbestimmung des Lebens nicht und können deshalb die Lebensprozesse nicht auf Motivationen zurückführen. Für sie bleibt zur Erklärung einer Wirkung nur die jeweilige Struktur als Determinante übrig. Sie bestimme einerseits die subjektive Realität des Organismus, andererseits bewirke sie sein objektiv angepasstes Verhalten. Diesen Widerspruch lösen Maturana und Varela indem sie sich auf zwei verschiedene philosophische Perspektiven beziehen, den Solipsismus und den Repräsentationismus. Nur die Gratwanderung zwischen diesen beiden Perspektiven ermögliche eine umfassende Erklärung des Operierens der Organismen in ihrer Umwelt. Der Repräsentationismus beschreibt die objektive Abbildung von wahrgenommenen Phänomenen. Die solipsistische Sichtweise erklärt hingegen die Erschaffung subjektiver Realitäten durch das Operieren der Organismen.

Da das Operieren der Organismen durch ihre Struktur determiniert sei, verhalten sie sich aus der repräsentativen Perspektive eines Beobachters in der für ihren Existenzbereich angemessenen Weise. Eigentlich sei jedoch das Operieren eine beständige Regulation der Zustandsveränderung innerer Strukturen. Für diese innere Dynamik existiere die äußere Umgebung nicht, sie halte aber die Koppelung mit dem Milieu aufrecht, da durch das Operieren rückwirkende Perturbation für das Milieu entstehen. ↓(40) Maturana und Varela betrachten die Interaktionen mit der Umwelt nicht als objektive Notwendigkeiten, die zu subjektiven Handlungen führen. Umgekehrt würden Perturbationen subjektive Wirkungen erzeugen, die dann ein objektives Verhalten nach sich ziehen. Sie verdrehen damit die Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Umwelt.

Sprachlich könnte man diese Sicht als Verdrehung von Genitiv und (einem inalienablen) Dativ auffassen: es ist nicht die Umwelt des Lebewesens, mit dem es in Beziehung tritt, sondern die Umwelt vom Lebewesen, das sich als Organismus über Interaktionen mit ihr koppelt. Der Genitiv drückt eine Teilhabe aber auch eine Zielsetzung aus. ↓(41) Dieser sprachliche Modus erlaubt den Wechsel des Milieus durch Migration, da das Lebewesen nicht auf eine Umwelt festgelegt ist. Das Aufsuchen einer günstigen Umgebung ist ebenso möglich, wie das Meiden ungünstiger Einflüsse. Der Dativ kann im Gegensatz zum Genitiv eine Unveräußerlichkei ↓(42) ausdrücken. Er bindet das Lebewesen an seine Umwelt an. Sie ist sein Lebensraum und seine Existenzbedingung. Veränderungen sind nur im Rahmen seiner strukturellen Koppelung möglich. Dabei ist es unerheblich, ob die Quelle der Interaktionen vom Milieu oder einer darin auftretenden autopoietischen Einheit stammt. Die Umwelt wird zum solipsistischen Erzeugnis eines Subjektes, das darin als Objekt repräsentationistisch operiert. In dieser Verdrehung können Lebewesen die Wirkung ihrer Interaktion nicht bestimmen oder gar durch Planung vorweg nehmen. Sie sind zu Handlungen unfähig, verhalten sich jedoch aufgrund der in ihnen verwirklichten Struktur und dessen gegenwärtiger Konfiguration. In beiden Perspektiven beziehen sich Maturana und Varela auf die Organisation und die Struktur der Lebewesen. Sie verwenden daher den Begriff des Organismus.

Die Organismen werden von Maturana und Varela als funktionale und in sich abgeschlossene Einheiten behandelt, deren Einheit über die Lebensspanne des Individuums hinaus geht. Die ausschließliche Betrachtung der Lebewesen als Organismen begrenzt sie auf die Funktionalität ihrer Struktur. Lebewesen treten aber zueinander in Beziehung. Ihre Motivation zeigt sich an ihren Handlungen. Fortpflanzung, Existenzsicherung aber auch Entwicklungmöglichkeiten sind Motive, die sie in den vielfältigen Beziehungen zu anderen Lebewesen verwirklichen. Die Interaktion eines Organismus mit seinem Milieu beschränkt ihn hingegen auf die Nutzung von Ressourcen und die Abwehr von Gefahren durch entsprechende Verhaltensweisen.

4 Das Dissipieren der Autopoiesis

Die für die Selbstorganisation nötige Assimilation von Baustoffen ist das einzige Zugeständnis von Maturana und Varela an die materiellen Notwendigkeiten der Lebewesen.

"Zunächst müssen die molekularen Bestandteile einer zellulären autopoietischen Einheit in einem kontinuierlichen Netzwerk dynamisch miteinander verbunden sein. Viele der konkreten chemischen Transformationen dieses Netzwerkes sind heutzutage bekannt. Der Biochemiker nennt sie verallgemeinernd zellulären Metabolismus (Zellstoffwechsel)" ↓(43)

Maturana und Varela setzen die Existenz energiereicher, komplexer Moleküle bereits voraus. Alle Lebewesen müssen diese aber entsprechend ihrem Bedarf aus einfacheren, energiearmen Molekülen synthetisieren. Selbst jene Lebewesen, die sich von anderen ernähren, zerlegen während der Verdauung die komplexen Moleküle der Nahrung zunächst in viele einfache Verbindungen. Die anschließende Synthese der komplexen Moleküle kann nur über die Nutzung eine Energiequelle, wie beispielsweise das Sonnenlicht in der Photosynthese, stattfinden. Doch können nicht alle Organismen die Energie der Sonne nutzen, zudem ist sie weder direkt nutzbar noch immer verfügbar. Die Assimilation findet deshalb nur statt, wenn im Gegenzug die zuvor hergestellten energiereichen Moleküle in energiearme Moleküle umgewandelt werden und die in ihnen gespeicherte chemische Energie freigesetzt wird. Nur dieser als Dissimilation bezeichnete Stoffwechsel ermöglicht die Aufrechterhaltung des Ordnungszustandes eines Organismus und seine Handlungsfähigkeit. Assimilation und Dissimilation sind im Stoffwechsel untrennbar miteinander verbunden. Die Dissimilation passt jedoch nicht in das Konzept der Autopoiesis, weshalb Maturana und Varela den Stoffwechsel auf die Nutzung von Ressourcen begrenzen und dabei die Erkenntnisse der Thermodynamik missachten.

Die Thermodynamik beschreibt die bei Energieübertragungen und Energieumwandlungen gültigen Naturgesetze, auch jene, die bei Stoffwechselprozessen ablaufen. Jede Stoffumwandlung ist dabei immer von einer Energieumwandlungen begleitet. Die Energiemenge in einem abgeschlossenen System ist jedoch konstant. Energie kann weder verbraucht noch erzeugt sondern nur in verschiedene Formen umgewandelt werden. Organismen stehen hingegen mit ihrer Umgebung in einem beständigen Austausch von Energie und Stoffen. Sobald aber ein System Energie abgeben kann, wird bei jeder Umwandlung ein Teil der Energie in Form von Wärme der Nutzbarkeit entzogen, weshalb ein Perpetuum Mobile nicht existieren kann. Dieser Verlust wird als Dissipation bezeichnet. So kann die Reibungswärme, die bei jeder Bewegung entsteht, nie gänzlich genutzt werden. Auch kann ein Säugetier die bei dissimilatorischen Vorgängen erzeugte Wärme nur vorübergehend nutzen, um seine Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Selbst mit einer dicken Fettschicht und dichtem Fell ausgestattet, kühlt der Körper des Tieres aus, wenn es nicht kontinuierlich Wärme durch weitere dissimilatorische Vorgänge erzeugt. Die Dissimilation erzeugt aber beständig Stoffwechselprodukte, die der Organismus ausscheidet.

Zudem muss er seinen Ordnungszustand aufrecht erhalten, indem er die Freiheitsgrade seiner strukturellen Elemente einschränkt. In der Thermodynamik wird diese Größe als Entropie bezeichnet. Je größer die Entropie ist, desto höher sind die Freiheitsgrade aller Struktureinheiten. Jeder Organismus muss seine innere Entropie gering halten. Dies gelingt ihm nur, wenn er die Einstellung innerer chemischer Gleichgewichte über kontinuierlichen Stoffwechsels verhindert. Es entstehen stattdessen Fließgleichgewichte, die die Entropie in der Umgebung des Organismus erhöhen, während seine eigene Entropie abnimmt. Die lokale begrenzte Entropieabnahme kann nämlich nur dann erfolgen, wenn die Entropie der Umgebung in stärkerem Maße erhöht wird. Die Nutzung der Ressourcen geht deshalb immer mit einer Entropiezunahme im Gesamtsystem einher. Dies bedeutet, dass der Organismus selbst bei optimaler Wiederverwertung seiner Stoffwechselprodukte Abfallstoffe ausscheiden muss. Kein Organismus kann seine Ressourcen vollständig aufbrauchen. Aufgrund dieser thermodynamischen Gesetze kann das Leben auf der Erde nicht als geschlossener Kreislauf, wohl aber als ein Kreisprozess dargestellt werden. Aus allen Lebensprozessen gehen Stoffwechselprodukte und Wärme hervor, die für die Lebewesen nicht weiter nutzbar sind. ↓(44) Die Beschleunigung des Dissipierens von Wärme ist der Aspekt, der Leben möglich gemacht hat und der nicht vernachlässigt werden darf.

Maturana geht von in sich geschlossenen Systemen aus, die Interaktionen als Perturbationen über ihre systemeigene Struktur verarbeiten oder bei destruktiven Interaktion zur Auflösung der autopoietischen Einheit führen. ↓(45)

"Das ihnen [allen Systemen und somit auch den Lebewesen] Eigentümliche ist jedoch, daß [...] Determiniertheit und Strukturkoppelung im Rahmen der ständigen Aufrechterhaltung der Autopoiese verwirklicht werden und daß alles in ihnen diesem Prozeß untergeordnet bleibt. [...] Deshalb ist jeder strukturelle Wandel in einem Lebewesen notwendigerweise durch die Erhaltung seiner Autopoiese eingeschränkt. So werden alle Interaktionen, welche mit dieser Erhaltung vereinbare Strukturveränderungen auslösen, Perturbationen sein. Andere, mit der Autopoiese unverträgliche Interaktionen werden destruktive Interaktionen sein." ↓(46)

Lebewesen sind in ihrer Organisation aber offene Systeme. Sie scheiden Stoffwechselprodukte aus und verändern dadurch ihre Umwelt. Die Auswirkungen des Stoffwechsels sind nicht einfach nur Perturbation auf die Struktur des Milieus. Durch ihn bilden die Organismen Beziehungen zueinander aus, die für ihre eigene Fortentwicklung folgenreich ist. Ein wichtiges Beispiel hierfür, das auch Maturana und Varela anführen, ist die Bildung der Sauerstoffatmosphäre auf der Erde. Die Evolution der Cyanobakterien führte zur Freisetzung von Sauerstoff durch die in ihnen verwirklichte Form der Photosynthese. Der atmosphärische Sauerstoff absorbierte die energiereiche ultraviolette Strahlung der Sonne und bildete Ozon, das ein Leben an der Oberfläche und die Besiedelung des Landes ermöglichte. Maturana und Varela sehen in diesem Prozess ein strukturelles Driften des Milieus. Aus ihrer Sicht erfordert die Veränderung des Milieus eine Anpassung der mit ihm gekoppelten Organismen. ↓(47) Durch die Koppelung führen die gegenseitigen Perturbationen zu Strukturveränderungen, die für einen Beobachter als vermeintliche Selektion sichtbar werden, da nur die angepassten Organismen ihre Einheit bewahren können. Maturana und Varela betrachten die Anpassung als Boolsches Attribut, d.h. es gibt für sie nur zwei Zustände: angepasste Organismen sind zur Reproduktion in der Lage und können ihre Organisation im Milieu fortsetzen. Unangepasste Organismen sind dazu nicht in der Lage und lösen sich auf bzw. sterben aus. Aussagen über quantitative Abstufungen eines Anpassungsgrades lehnen sie ab, da diese die Qualität gewisser Leistungen beurteilen, aber keine Aussagekraft über den Fortbestand der Organisation einer Einheit haben. ↓(48)

Die Reduktion der Evolution auf Anpassungsprozesse kann emergente Prozesse wie sie im genannten Beispiel der Sauerstoffatmosphäre auftraten jedoch nicht erklären. Sowohl die Entwicklung der Zellatmung als auch die Besiedelung des Landes waren keine Anpassungsprozesse. Die Sauerstoffatmosphäre gehörte weder zum Milieu ihrer Verursacher noch zu jenem der anderen Organismen. Die schützende Ozonschicht veränderte zwar die Qualität der Lichteinstrahlung, erzwang aber damit keineswegs die Besiedelung des Landes. Die Besiedelung des Landes zeigt aber, dass Strukturveränderungen in ihrer Ausformung unabhängig von etwaigen Interaktionen mit dem Milieu beständig stattfinden. ↓(49) Die strukturelle Variabilität kann erst sekundär zu Anpassunsprozessen führen. Die Besiedelung des Landes entstand nicht durch strukturelle Koppelung. Umgekehrt hat die Ausbildung neuer Varianten erst die Nutzung neuer Ressourcen ermöglicht. Lebewesen besitzen die Fähigkeit neue Ressourcenquellen unabhängig von den Bedingungen ihrer bisherigen Interaktion zu erschließen, indem sie alle in ihnen verwirklichten Strukturen zum Zweck der eigenen Existenzsicherung einsetzen. Obwohl bestimmte Varianten hierzu besser in der Lage sind, müssen nicht notwendigerweise günstigere Strukturen vorhanden sein. Lebewesen können auch aktiv neue Quellen erschließen, kooperieren oder sogar kreativ tätig werden. Reflexion, zielgerichtete Handlungen und Kommunikation sind Fähigkeiten die aus einer Zweckbestimmung hervorgehen und die wechselseitigen Beziehung zwischen den Organismen und ihrer Umwelt gestalten. Maturana und Varela reduzieren die Aktivitäten und Beziehungen der Lebewesen hingegen auf Perturbationen von Organismen mit ihrem Milieu. In diesem Sinn ist für sie sogar die Migration eine Folge der strukturellen Koppelung und nicht ein aktiver Wechsel des Milieus durch eine Handlung. ↓(50)

Durch die Reduktion des Lebens auf autonome Einheiten sehen sie in der Ausbildung der Zellmembran den Ursprung der Organismen, da nur diese einen zirkulären Prozess der Abgrenzung und Selbsterzeugung ermögliche.

"Dieser häutchenartige Rand ist aber kein Produkt des Zellstoffwechsels, wie etwa ein Tuch das Produkt einer Webmaschine ist, und zwar deshalb nicht, weil die Membran nicht nur die Ausdehnung des seine Bestandteile erzeugenden Netzwerkes von Transformationen begrenzt, sondern ebenfalls an diesem Transformationsprozess teilnimmt. [...] Auf der einen Seite sehen wir ein dynamisches Netzwerk von Transformationen [der Stoffwechsel], das seine eigenen Bestandteile erzeugt und das die Bedingung eines Randes ist. Auf der anderen Seite sehen wir einen Rand, der die Bedingung der Möglichkeit des Operierens eines Netzwerkes von Transformationen ist, welches das Netzwerk als Einheit erzeugt." ↓(51)

"Dies sind keine sequentiellen Prozesse, sondern zwei Aspekte eines einheitlichen Phänomens. Es ist nicht so, daß es zuerst einen Rand und dann eine Dynamik gibt und dann einen Rand und so weiter." ↓(52)

Die Vorstellung, dass der Rand zugleich Erzeugnis und Erzeuger des Lebens sei, ist inzwischen durch neueren Erkenntnisse verworfen worden. Seit Ende der 80er Jahre haben neuere Daten die Entstehung des Lebens an Mineralien wie beispielsweise Pyrit gekoppelt. ↓(53) Nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse liefen die beiden Prozesse eben nicht gleichzeitig ab. ↓(54) Die Vorformen der ersten Lebewesen sind in mikroskopisch kleinen Hohlräumen poröser Mineralien entstanden. Die mineralische Struktur bot eine Begrenzung, die den Austausch von Stoffen und Energie erst ermöglichte. Durch die Existenz poröser Strukturen konnte sich dann ein inneres Milieu ausbilden, dessen Stoffwechselprodukte an der mineralischen Begrenzung abgelagert wurden. Darunter waren auch Membranbausteine, die den Rand ausgekleidet haben. Die daraus entstandene zelluläre Hülle ermöglichte später das Ablösen der ersten eigenständigen Zellen. Wie sich in diesem Verlauf die Reproduktion einordnen lässt, ist nach wie vor umstritten. Manfred Eigens Modell eines ursprünglich vorhandenen RNA-Moleküls, das zugleich replizierende und katalytische Eigenschaften aufwies wird von jenen kritisiert, die den Stoffwechsel als Bedingung für eine spätere Reproduktionsfähigkeit ansehen. Die für die Reproduktion nötige Replikation von Molekülen sei demnach sekundär entstanden. ↓(55) Beide Positionen sind sich einig, dass die ersten Lebewesen entstanden, sobald diese eine schützende und selektierende Membran bildeten, welche das Individuum von seiner Umwelt einerseits abgrenzte und andererseits in Beziehung zu ihr setzte. ↓(56) Dass sich aus einer Ursuppe ein großes Molekül, das zur Replikation fähig ist, gebildet hat, ist aus heutiger Sicht extrem unwahrscheinlich aber nicht unmöglich. ↓(57) Die Entstehung eines Stoffwechsels aus niedermolekularen Verbindungen, welcher durch eine externe Energiequelle angetrieben wird, besitzt hingegen eine durchaus annehmbare Wahrscheinlichkeit. ↓(58)

Ob nun das Leben mit der Fähigkeit zur Replikation oder mit der Selbsterhaltung durch den Stoffwechsel begonnen hat, erscheint zunächst hinfällig, zumal die Definition von Leben sich auf keine der beiden Eigenschaften reduzieren lässt. Für die Diskussion um die Zweckbestimmung von Leben ist sie jedoch bedeutungsvoll. Die Reduktion des Zweckes auf sich replizierende Informationseinheiten betrachtet Lebewesen als Objekte wie es Maturana und Varela über ihre Sicht struktureller Determinierung getan haben. Die materiellen Notwendigkeiten der Lebewesen und ihre daraus hervorgehenden subjektiven Handlungen und Beziehungen werden vernachlässigt.

Dass Leben aufgrund eines extrem seltenen Ereignisses entstanden sei, wird auch von jenen bevorzugt, die in der Evolution eine Höherentwicklung sehen. Die Evolution als Wunder im Universum passt besser zu teleologischen Theorien, die im Gipfel der beständigen Höherentwicklung die moderne menschliche Gesellschaft zu erkennen glauben. Die Vorstellung, dass die Entstehung von Leben nichts Besonderes ist, ist unangenehm aber eben wahrscheinlicher. Die Positionen leben in aktuellen Debatten fort. Der Chemiker Robert Shapiro, ein Vertreter der Stoffwechsel-Theorie zitiert den Medizin-Nobelpreisträger Christian de Duve, welcher forderte:

"...dass Hypothesen abzulehnen seien, die Ereignisse voraussetzen, welche so extrem unwahrscheinlich sind, dass sie als Wunder bezeichnet werden müssen und daher nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung sein können." ↓(59)

Ein Indiz dafür, dass die Vorform des Lebens zunächst als Stoffwechselsystem existierte, bevor die Fähigkeit zur Replikation entstand, zeigt sich gerade in den Problemen der Ontologie. Lebewesen müssen sich nicht fortpflanzen um als solche wahrgenommen zu werden. Ohne Stoffwechsel kann jedoch kein Lebewesen existieren. ↓(60) Vieles spricht dafür, dass es nicht den "einen" Ursprung des Lebens gab, sondern ein Prozess der sukzessiven Akkumulation von Lebensmerkmalen ablief, der zu dem geführt hat, was wir heute als Leben wahrnehmen. ↓(61)

Ungeachtet der Bedingungen des Stoffwechsel haben Maturana und Varela das Leben auf den Zusammenhalt einer Form reduziert. Damit wäre das ganzes Theoriegebäude nur eine neue Variante des Strukturalismus, würden sie nicht die Methodik der Kybernetik hinzunehmen. Die Kybernetik ist aus einer Entscheidungslogik entwickelt worden, die sich aus dem Nutzen für das Ganze ergibt. Aus der Verbindung beider entsteht erst die Systemtheorie. Sie sieht die Form als gegeben an und erklärt ihre Wirkungen kybernetisch als eine logische Folge ihrer Struktur.

5 Die kybernetische Invasion des Nervensystems

Die Wahrnehmung des Menschen wird über sein Nervensystem vermittelt. Maturana und Varela sehen dessen Entwicklung als Folge des natürlichen Driftens. Durch die Koppelung der Organismen mit ihrem Milieu seien sie gezwungen, dessen Driften durch Strukturveränderungen auszugleichen, andernfalls verlieren sie ihre Anpassung und somit die Organisation ihrer Einheit. Die durch Perturbationen ausgelösten Strukturveränderungen ermöglichen andere innere Zustände, die die Koppelung im Driftens bewahren können. Die Möglichkeiten innerer Zustände sind jedoch auf die vorkommenden Strukturen aller Individuen einer Generation begrenzt. Die Organismen können aber ihre Struktur durch die Fortpflanzung variieren. Die Varianten der nächsten Generation würden dann die Koppelung aufrecht erhalten und somit die Einheit des Organismus bewahren. Unangepasste Varianten sind nicht mit dem Milieu gekoppelt. Da sie sich nicht weiter fortpflanzen würden, müssten sie aussterben. ↓(62)

Die Entstehung des Nervensystems in der Naturgeschichte erweitere aber den Bereich der möglichen Zustandsveränderungen innerhalb einer Generation durch seine Komplexität und strukturelle Plastizität. Organismen mit einem Nervensystem könnten deshalb ein größeres Spektrum an Perturbationen verarbeiten ohne ihre strukturelle Koppelung zu verlieren. Die Zunahme innerer Zustandsveränderungen zeige sich auch an einer Zunahme möglicher Verhaltensweisen. Maturana und Varela definieren das Verhalten als jenen Anteil innerer Zustandsveränderungen, der aus der repräsentationistischen Perspektive eines Beobachters als Zustands- oder Haltungsveränderungen erkennbar ist. Insofern ist Verhalten nicht an ein Nervensystem gebunden. Auch eine Pflanze könne sich verhalten. Die Bildung des Nervensystems erweitere nur das Verhaltensspektrum eines Organismus. Lernen sei deshalb nichts anderes als eine über das Verhalten sichtbare Folge der Koppelung des Organismus, in der die Verträglichkeit seiner Arbeitsweise mit jener des Milieus aufrecht erhalten bleibe.

"Der Plastizitätsreichtum des Nervensystems ist nicht darin begründet, daß es Abbildungen (Engramme) von den Dingen der Welt produziert, sondern in seinem kontinuierlichen Wandel in Einklang mit dem Wandel des Milieus als Resultat der der Auswirkung seiner Interaktion bleibt. Dem Beobachter erscheint dies als adäquates Lernen. Was in Wirklichkeit geschieht, ist jedoch, daß die Neuronen, der Organismus, den sie integrieren, und das Milieu, in dem sie interagieren, gegenseitig als Auslöser ihrer Strukturveränderungen wirken und strukturell gekoppelt sind." ↓(63)

Angepasstes Verhalten ist demnach nur das sichtbare Operieren der inneren Dynamik eines Organismus und Lernen eine für seinen Existenzbereich adäquate Verhaltensänderung. Nur aus dieser zirkulären Sicht ist das Tun ein Erkennen und das Erkennen ein Tun. ↓(64) Die Neugierde kann dann eigentlich nur dem Grundrauschen von Perturbationen entspringen, nicht aber aus einem inneren Antrieb.

Die Neugierde treibt die dazu befähigten Lebewesen zur Exploration ihrer Umwelt. Sie lernen andere Ressourcen zu nutzen oder die Nutzung ihrer bisherigen Ressourcen zu optimieren. Vor der Entstehung des Nervensystems war diese Exploration nur eingeschränkt möglich. Funktionsänderungen an Strukturen können in der Evolution nur dann entstehen, wenn ihre bisherige Funktion nicht mehr notwendig ist. Die Ausbildung redundanter Strukturen in der Phylogenese, der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Lebewesen, schuf einen Freiraum zur Variabilität. In der Ontogenese, der Entwicklungsgeschichte des Lebewesens, entstehen Innovationen aus dem Spiel mit funktional redundanten Strukturen. Die Bildung und Aufrechterhaltung redundanter Strukturen erfordert aber zusätzlichen Stoffwechsel. Sie können deshalb nur aus einem energetischen Überschuss entstehen. Nicht die durch knappe Ressourcen ausgelöste Not erhöht die Wahrscheinlichkeit von Innovationen, sondern der energetische Freiraum des Überflusses. Die Innovationen führen zu einer weiteren Emanzipation der Lebewesen von ihren energetischen Notwendigkeiten. In der stammesgeschichtlichen Entwicklung vieler Lebewesen, der Phylogenie, ist diese Entwicklung an der Bildung segmentierter Strukturen und deren weitere Gestaltung sichtbar. Nach einer Erhöhung der Segmentzahl über die Generationen, variierten einzelne Segmente, deren bisherige Funktion durch die Redundanz nicht mehr nötig war. Aus diesen Varianten haben sich neue Strukturen entwickelt, die gänzlich andere Funktionen bekommen haben. Die Überwindung der Not ist eine Entwicklung, die nicht in einem teleologischen Sinn zu einer Höherentwicklung führen muss. Die Ausformung des Lebens ist abhängig von den Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Umwelt. Ohne Not besteht auch keine Notwendigkeit zur Veränderung.

Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk redundanter Strukturen, das durch den Aufbau, aber vor allem durch den Abbau von Nervenverbindungen eine hohe Plastizität aufweist. Es ermöglicht aufgrund seiner Plastizität Innovationen, die nicht mehr an Fortpflanzung gebunden sind. Statt Variation und Anpassung ist das Lernen eine Möglichkeit des Lebewesens aktiv die Beziehung zu seiner Umwelt zu gestalten. Das Nervensystem ist aus den Notwendigkeiten heraus entstanden und erzeugt deshalb auch dann Neugierde, wenn keine Not vorhanden ist. Anders als bei Maturana und Varela zeigt sich bei den Lebewesen mit Nervensystem die explorative Nutzung ihrer Strukturen auch ohne Notwendigkeit. Aus ihrer Sicht kann dies zwar als Folge der inneren Dynamik eines Organismus eingestuft werden, nicht aber als Ausdruck der Aktivität eines Lebewesens.

6 Das soziale System und seine Eigenheiten

Soziale Systeme entstehen nach Maturana und Varela aus der rekursiven Interaktionen von Organismen. Kommunikation definieren sie als Koordination des Verhaltens das aus einer sozialen Koppelung resultiert. ↓(65) Für Organismen, die sich sexuell fortpflanzen sei diese Koppelungen eine notwendige Bedingung.

"Wie können wir diese Koppelungen dritter Ordnung verstehen? Nun, zunächst ist festzuhalten, daß bei Organismen mit sexueller Reproduktion solche Koppelungen für die Kontinuität einer Abstammungslinie absolut notwendig sind, da zumindest Fortpflanzungszellen aufeinander treffen müssen, um miteinander zu verschmelzen. Darüber hinaus benötigen die Jungen vieler Tierarten, die die für die Zeugung neuer Individuen der sexuellen Paarung bedürfen, Fürsorge seitens der Eltern. So ist ein gewisses Ausmaß an Verhaltensabsimmung bei zZeugung und Aufzucht der Jungen notwendig."

Nach dieser Aussage wäre die Koppelung eine Notwendigkeit der Sexualität, doch zeigt die Naturgeschichte, dass die Sexualität nur eine Form der Kooperation ist, die aus bereits bestehenden Beziehungen entstand. Dies gilt für jede Form von Kommunikation. Sie kann somit keine Folge einer Verhaltenskoordination sein, da sie aus der Notwendigkeit des Gattungslebens entsteht. Offene Systeme müssen Beziehungen zu ihrer Umwelt eingehen. Die nötigen Ressourcen eines Organismus entstammen seiner Umgebung. Diese wird aber durch die Lebensprozesse aller darin existierenden Organismen verändert und geformt. Jedes Lebewesen, vom Bakterium bis zum Menschen kommuniziert in vielfältiger Weise und über Artgrenzen hinweg. Für Maturana und Varela sind Lebewesen hingegen schon in ihrer Einzelheit abgeschlossene Einheiten und ihre vielfältigen Beziehungen sind ausschließlich gegenseitige Störungen innerer Gleichgewichte, auch wenn sie als Perturbationen positive Effekte erzeugen. Weil sie keinem allgemeineren Wesen entsprechen, kein Gattungswesen haben, weisen Maturana und Varela ihnen einen Status zu, der ihre Beziehung erklärt.

Die Zelle verstehen sie daher als Einheit erster Ordnung, den Organismus als übergeordnete Einheit zweiter Ordnung und das soziale System folgerichtig als Einheit dritter Ordnung. Letztere brächte jedoch eine eigene, soziale Phänomenologie hervor.

"Diese soziale Phänomenologie beruht darauf, daß die beteiligten Organismen im wesentlichen ihre individuellen Ontogenesen als Teil eines Netzwerkes von Ko-Ontogenesen verwirklichen, das sie bei der Bildung von Einheiten dritter Ordnung hervorbringen. " ↓(66)

Die Gesellschaft ließe sich demnach wie ein Nervensystem verstehen, das einerseits aus den Interaktionen der Individuen gebildet wird, aber andererseits die Individuen als Resultat ihres darin vollzogenen Lernprozesses begreift.

Die dritte Ebene des autopoietische Zirkels kann aber weder über die solipsistische Perspektive der subjektiven Wirklichkeit noch über die repräsentationistische Perspektive des objektiven Verhaltens soziale Beziehungen beschreiben. Maturana und Varela entwerfen daher strukturdeterminierte Effekte, die durch das Größenwachstum vernetzter Einheiten auftreten. Obwohl die Einheit dritter Ordnung ebenfalls mit dem Milieu gekoppelt ist, erzeugen die Perturabtionen darin andere Wirkungen als in den Organismen, die sie bilden. Sie besitze schließlich eine andere Struktur und erzeuge in einem eigenen Existenzbereich eine übergeordnete Realität, der von den Organismen unabhängig ist.

Da weder die solipsistische noch die repräsentationistische Perspektive soziale Beziehungen beschreiben kann, entwerfen Maturana und Varela strukturdeterminierte Effekte, die durch das Größenwachstum vernetzter Einheiten auftreten. Obwohl die Einheit dritter Ordnung ebenfalls mit dem Milieu gekoppelt ist, erzeugen die Perturabtionen andere Wirkungen als in den Organismen aus denen sie gebildet wurde. Die Einheit dritter Ordnung besitze eine andere Struktur und erzeuge daher eine übergeordnete Realität in einem Existenzbereich der von den Organismen unabhängig ist.

"Als Beobachter können wir die Bezugsebene unserer Beobachtung verändern und auch die Gruppeneinheit betrachten, für die notwendigerweise ebenfalls gilt, daß sie mittels ihrer Dynamik als Einheit ihre Anpassung in ihrem Existenzbereich aufrecht erhält.

Im Hinblick auf die Gruppe als Einheit ist die Individualität der Mitglieder irrelevant, da sie alle im Prinzip austauschbar sind und die gleichen Relationen verwirklichen können." ↓(67)

Als Beispiel erklären sie Altruismus als Wirkung einer doppelten Koppelung. Jene Organismen, die nur in der Gruppe existieren können, werden sich altruistisch verhalten, da sie damit die Gruppe als Einheit dritter Ordnung erhalten. Der Erhalt der Gemeinschaft ist dann dem Erhalt der eigenen Existenz übergeordnet.

"In der Tat kommt es beim natürlichen Driften zu einem Gleichgewicht zwischen dem individuellen und dem Kollektiven, solange die Organismen durch ihre strukturelle zu einer Einheit höherer Ordnung (die ihren eigenen Existenzbereich hat) die Erhaltung dieser Einheit in die Dynamik der eigenen Erhaltung einschließen" ↓(68)

Aus der systemischen Sicht dient das soziale Verhalten eines Individuums nicht dem Erhalt seiner sozialen Beziehungen, sondern dem Erhalt der sozialen Einheit. Schließlich können die nötigen Beziehungen auch von anderen Individuen über entsprechende Verhaltensweisen verwirklicht werden. Die Gesellschaft wird somit der Natur einerseits übergeordnet und ihr andereseits als eigenes Wesen gegenüber gestellt, obwohl sie aus ihr hervorgegangen ist.

Soziale Beziehungen existieren aber nicht durch ein übergeordnetes soziales System, sondern werden durch die gegenseitige Zuwendung der Individuen gebildet. Ihre individuellen Eigenheiten gestalten die Beziehungen in vielfältiger Weise. Maturana und Varela betrachten nur die Struktur von Beziehungsnetzen in einem sozialen Gefüge, nicht aber die Qualität der Beziehungen, die sich auf dessen Struktur auswirkt. Damit die Beziehungen unabhängig von der Entwicklungsgeschichte der Individuen bestehen bleiben, müssen Maturana und Varela ein adäquates Verhalten postulieren, das generationsübergreifend stabil bleibe. Solch ein Verhalten könne entweder durch Vererbung angelegt und somit strukturell determiniert sein oder es werde in der individuellen Entwicklungsgeschichte, der Ontogenese, erworben. Die strukturelle Plastizität des Nervensystems ermögliche solche Verhaltensweisen. Stabilisiert werde es durch den gesamten Verbund an kommunikativen Interaktionen des sozialen Systems, der Kultur. Durch Selektion und Nachahmung entstünden dauerhafte Verhaltensweisen, obwohl die Mitglieder des sozialen Gefüges kontinuierlich darin abgelöst werden. Maturana und Varela definieren es deshalb als kulturelles Verhalten. ↓(69)

"Die Nachahmung und die ständige Selektion von Verhalten innerhalb der Gruppe spielen hier eine wesentliche Rolle; sie führen zur Herstellung der Koppelung der Jungen mit den Erwachsenen. Dadurch kommt es zu einer bestimmten Ontogenese, deren Ausdruck wir im menschlichen Bereich als kulturelles Phänomen bezeichnen." ↓(70)

Die Erziehung ist demnach jener Koppelungsprozess, der eine passende Identität hervorbringt. Die Entwicklung eigener Wertvorstellungen aufgrund erlebter Widersprüche ist aus dieser Sicht nur im Rahmen der Systempassung möglich, da das soziale System der Existenzbereich des Individuums ist und seine Autonomie beschränkt. Maturana und Varela unterscheiden jedoch die autopoietische Qualität eines menschlichen sozialen System gegenüber der eines Organismus. Obwohl beide aus der rekursiven Koppelung von Einheiten hervorgehen, stehen sie an den zwei entgegengesetzten Enden einer Skala der Autonomie.

"Der Organismus schränkt die individuelle Kreativität der ihn bildenden Einheiten ein, da diese Einheiten für den Organismus existieren. Das menschliche soziale System erweitert die individuelle Kreativität seiner Mitglieder, da das System für die Mitglieder existiert." ↓(71)

...Organismen und menschliche soziale Systeme [stehen] an entgegengesetzten Enden der Skala von Metasystemen, die durch die Verbindung von Zellsystemen jedweder Ordnung entstehen. Unter ihnen gibt es außer den verschiedenartigen, von anderen Tieren gebildeten sozialen Systemen auch jene menschlichen Gemeinschaften, die Zwangsmechanismen zur Stabilisierung aller Verhaltensdimensionen ihrer Mitglieder heranziehen und dadurch entartete soziale Systeme im menschlichen Bereich darstellen. Solche zwangsstabilisierten Systeme verlieren ihre Eigenschaft als ‘soziale‘ Systeme; sie werden unmenschlich, da sie ihre Mitglieder depersonalisieren." ↓(72)

Einerseits sehen Maturana und Varela die Relationen unabhängig von den Individuen, andererseits sei eine Depersonalisierung zu verurteilen, da sie nicht menschlich sei. Ihre Konstruktion der Einheit dritter Ordnung führt in eine soziale Kälte, die sie über das Phänomen der Sprache in Liebe umwandeln möchten. Die Gemeinschaft entsteht nicht durch Zwang sondern durch die sprachliche Koppelung ihrer Mitglieder.

7 Der signifikante Unterschied im Reich der Sprache

Die rekursiven Koppelungen in einem sozialen System ermöglichen sprachliches Verhalten. Maturana und Varela betrachten dieses Verhalten aber eben gerade nicht als Sprache sondern einem sprachlichen Bereich zugehörig. Dieser enthalte alle Verhaltensweisen, die ontogenetisch erworben und zugleich kommunikativ sind. Sie bilden damit einen neuen autopoietischen Zirkel, da solch ein Verhalten nur über die bereits bestehende Kommunikation erlernt werden kann. Aus diesem Zirkel sei dann die Sprache über eine ko-ontogenetischen Koordination menschlicher Handlungen entstanden.

"Im Fluß rekursiver sozialer Interaktion tritt Sprache dann auf, wenn die Operation in einem sprachlichen Bereich zur Koordination von Handlungen im Hinsicht auf Handlungen führen, die zum sprachlichen Bereich selbst gehören. Wenn die Sprache entsteht, dann entstehen auch Objekte als sprachliche Unterscheidungen sprachlicher Unterscheidungen, die die Handlungen verschleiern, die sie koordinieren." ↓(73)

Maturana und Varela transformieren das Verhalten in der Sprache ganz bewusst in eine Handlung. Die Sprache vermittle den Menschen demnach nur den Eindruck, dass sie subjektiv handeln. Die Handlungen seien aber eigentlich ein Ergebnis ihrer Koppelung mit dem sprachlichen Milieu, dem sie entstammen, der Kultur. Die Besonderheit der Sprache besteht nach dieser Sichtweise darin, dass Handlungen zwar aus ko-ontogenetischen Koppelungen entstanden sind, sich aber zugleich selbst zum Gegenstand ihrer Wirkung haben. Die Sprache gaukle über ihre semantischen Beschreibungen eine repräsentationistische Sicht auf objektive Verhaltensweisen vor. Durch die gemeinsame Koppelung der Sprechenden wären aber ihre Handlungen koordiniert, weshalb die Sprache die in den subjektiven Realitäten lauernde Einsamkeit der solipsistischen Sicht überwinde. ↓(74) Die Sprechenden erschaffen sich somit eine gemeinsame Welt, die zugleich ihr Existenzbereich ist.

Die Entstehung der Sprache in der Menschheitsgeschichte begründen Maturana und Varela mit der Erhaltung des sozialen Systems jagender und sammelnder Hominiden. Die Sprache ermögliche Trennungen ohne Verlust an emotionalen Bindungen über eine längere Zeitspanne. Zur Entstehung der Sprache gibt es wenige Daten aber viele Theorien. Ob nun die Sprache aus der Gestik oder dem Gesang oder einer Kombination aus beidem entstand, ist ebenso unklar, wie ihre möglichen Funktionen im sozialen Gefüge. Das monokausale Postulat von Maturana und Varela ist aber insofern bedeutsam, da die Bildung eines sozialen Systems darin ebenso wenig auf einen Zweck ausgerichtet ist, wie die Organismen selbst. Das Paradigma von Maturana und Varela ist die Aufrechterhaltung der Einheiten auf den verschiedenen Ebenen. Der Zweck der Sprache kann aus dieser Sicht nicht der Motivation der Sprechenden entspringen. Die Koordination von Handlungen ist zwar die Bedingung der Sprache, sie entspringt aber den Notwendigkeiten des Stoffwechsels. Die koordinierten Handlungen existieren eben auch außerhalb des Reiches der Sprache. Die Notwendigkeiten des Stoffwechsels hat die Lebewesen in Beziehungen zueinander gesetzt, aus denen die Sprache hervorging.

Maturana und Varela betrachten das Reich der Sprache wie schon den Organismus, das Nervensystem oder das soziale System als in sich geschlossen. Ihre Beschreibungen begrenzen sie deshalb auf Strukturen, weshalb die ablaufenden Prozesse ausschließlich kybernetisch erklärt werden können. Aus ihrer Sicht ist das Selbstbewusstsein des Menschen eine Folge seiner Existenz in der Sprache.

"Ein lebendes System ist auf jeder Ebene so organisiert, daß es innere Regelmäßigkeiten erzeugt. Das Gleiche geschieht in der sozialen Koppelung durch die Sprache im Netzwerk der Gespräche, das die Sprache hervorbringt und dasdurch seine Geschlossenheit, die Einheit einer bestimmten menschlichen Gesellschaft konstituiert. Diese neue Dimension der operationalen Kohärenz unseres gemeinsamen In-der-Sprache-Seins ist das, was wir als Bewußtsein oder als unseren "Geist" und unser "Ich" erfahren." ↓(75)

Da es für Maturana und Varela keine objektive Realität gibt, kann sie auch nicht beschrieben werden. Die Besonderheit der Sprache sei es nun, Beschreibungen zu erzeugen, die eigentlich Differenzierungen seien. Das gemeinsame Operieren in der Sprache erzeuge Unterscheidungen, die dem Sprechenden als Beschreibungen erscheinen.

"Der sprachliche Bereich wird [...] Teil des Milieus, in dem sprachliche Koordinationen von Handlungen stattfinden, und Sprache erscheint einem Beobachter als ein Bereich der Beschreibungen von Beschreibungen. Was ein Beobachter jedoch tut, ist genaugenommen folgendes: Er macht Unterscheidungen sprachlicher Unterscheidungen oder, wie ein anderer Beobachter sagen würde, ontogenetisch erzeugte Beschreibungen von Beschreibungen.

Das erkenntnistheoretische Paradigma von Maturana und Varela ist die allgegenwärtigen Differenzierung. Auf der Ebene ihrer Forschung, den Nervenzellen, ist das richtig. Nervenimpulse beruhen auf Zustandsveränderungen. Sie werden durch Überschreiten des Schwellenwertes durch ein Aktionspotentials angeregt. Der Informationsgehalt dieser binären Codierung erzeugt nur durch ihre Frequenz oder deren Änderung eine Information. Auf der höheren Ebene vernetzter Nervenzellen gibt es jedoch auch den Vergleich. Ein Vergleich beinhaltet neben der Differenz auch Gemeinsamkeiten und erfasst zudem zeitliche Verläufe. Aus allen drei Komponenten können Beschreibungen gebildet werden. Im Sinne von Beschreibungen sind die Begriffe neutral, im Sinne von Unterscheidungen dienen sie hingegen der Bildung von Kategorien. Kategorien können Entitäten mit einer oder mit mehreren gleichen Eigenschaften, den Attributen, zusammenfassen oder umgekehrt voneinander abgrenzen. Außerdem können Differenzierungen auch quantitative Varianten einer Eigenschaft, die Attributwerte, erfassen und daraus Kategorien bilden. Dies geschieht beispielsweise bei der Einteilung von Menschen anhand der Melaninzusammensetzung und -konzentration in ihren Hautzellen. Ob nun eine Kategorie aufgrund der Übereinstimmung oder der Differenz bestimmter oder aller Eigenschaften gebildet wird oder ob sie nur auf quantitativen Varianten der gleichen Eigenschaft beruht, hängt nicht von einer ko-ontogenetischen Koppelung ab. Die Intention handelnder Menschen kann Kategorien bilden, verändern und aufheben. Sie sind es, die die Norm als auch die Toleranzgrenzen festlegen.

Für Maturana und Varela ist ein ein normal funktionierender Organismus dadurch charakterisiert, dass die Verarbeitung seiner Sinneseindrücke von der neuronalen Aktivität seiner inneren Dynamik derart überlagert und moduliert ist, dass sie nur einen geringen Anteil an der Verarbeitung bewirkt. Sie wirke "nicht im Sinne einer Telefonverbindung", die Daten überträgt sondern "nur als eine Stimme wirkt, welche zu den vielen Stimmen bei einer heftigen Diskussion in einer Familie hinzukommt". ↓(76) Selbst die Normalität eines derartigen LSD-Rausches nutzt die durch Sinneseindrücke gebahnten Verschaltungen. Nicht jede Stimme ist darin gleichberechtigt. Die Verschaltungen sind das gegenwärtige Ergebnis der Ontogenese des Lebewesens. Die wahrgenommenen und erlebten Umwelteinflüsse sind wesentlich für den Abbau neuronaler Verschaltung und somit den Aufbau neuronaler Netze. Die Plastizität ermöglicht zwar eine Veränderung der Relationen. Sie muss aber immer auf die Aktivität der Sensorik abgestimmt sein, andernfalls lebt der Organismus im Wahn und verliert jegliche Koppelung.

Für Maturana und Varela ist die Differenzierung nicht nur eine Folge der ko-ontogenetischen Koppelung, sondern auch das, was das Menschsein bedeutet. Der Lebensraum einer Gemeinschaft definiert sich ebenso über die Sprache wie deren Mitglieder. Schließlich könne nur die Differenzierung der Sprache ein Selbst hervorbringen, dessen Grundlage die eigene Identität sei. Die Sprache mache es möglich, die Kohärenz der eigenen Identität trotz der beständigen erlebten Widersprüche aufrecht zu erhalten. Die beständige Wiederholung von Glaubenssätzen sehen Maturana und Varela daher als notwendige Anpassung im Reich der Sprache. ↓(77) Exklusion und Inklusion ist aus ihrer Sicht eine Notwendigkeit der menschlichen Existenz. Nicht die widersprüchlichen Lebensverhältnisse der Menschen, sondern ihre sprachliche Beziehung stelle diese Notwendigkeit dar und bestimme einen Gegensatz, der als kulturnotwendig behauptet wird. Durch die Verlagerung des menschlichen Daseins in das Reich der Sprache können Maturana und Varela ihre Ethik aus der Natur ableiten, obwohl sie diese aus ihren Kulturvorstellungen gebildet haben.

"Mit der Sprache entsteht auch der Beobachter als ein sprachmächtiges Wesen. Indem es in der Sprache mit anderen Beobachtern operiert, erzeugt dieses Wesen das Ich und seine Umstände als sprachliche Unterscheidungen im Rahmen seiner Teilnahme an einem sprachlichen Bereich. Auf diese Weise entsteht Bedeutung (Sinn) als eine Beziehung von sprachlichen Unterscheidungen. Und Bedeutung/Sinn wird Teil unseres Bereiches der Erhaltung der Anpassung.

All das ist es, was das Menschsein beinhaltet. [...] Wir menschliche Wesen sind nur in der Sprache menschliche Wesen, und weil wir über die Sprache verfügen, gibt es keine Grenzen dafür, was beschrieben, vorgestellt und miteinander in Zusammenhang gebracht werden kann." ↓(78)

Nicht die widersprüchlichen Lebensverhältnisse der Menschen, sondern ihre sprachliche Beziehung stelle diese Notwendigkeit dar und bestimme einen Gegensatz, der als kulturnotwendig behauptet wird. Durch die Verlagerung des menschlichen Daseins in das Reich der Sprache können Maturana und Varela ihre Ethik aus der Natur ableiten, obwohl sie diese aus ihren Kulturvorstellungen gebildet haben.

Neben der sozialen Strukturkoppelung in der Sprache, die die Identität und das Selbstbewusstsein erzeuge, gebe es dort auch eine rekursive soziale Dynamik, die Reflexion. Über die Reflexion in der Sprache könne der Mensch erkennen, dass er nur die eine Welt habe, die er zusammen mit den anderen hervorbringe. ↓(79)

"Wenn wir wissen, daß unsere Welt notwendig eine Welt ist, die wir zusammen mit anderen hervorbringen, dann können wir im Falle eines Konflikts mit einem anderen menschlichen Wesen, mit dem wir weiterhin koexistieren wollen, nicht auf dem beharren, was für uns gewiß ist (auf einer absoluten Wahrheit), weil das die andere Person negieren würde.

Wollen wir mit der anderen Person zusammen koexistieren, müssen wir sehen, daß ihre Gewißheit - so wenig wünschenswert sie uns auch erscheinen mag - genauso legitim und gültig ist wie unsere. Wie unsere Gewißheit ist auch die Gewißheit des anderen Ausdruck seiner Bewahrung der Strukturkoppelung in seinem Existenzbereich - so wenig verlockend uns dieser Bereich auch sein mag" ↓(80)

Maturana und Varela vertreten einen radikalen Pluralismus, der die Gemeinschaft der Menschen an eine Struktur koppelt, die sich nur selbst erkennen und verstehen müsse, um die gemeinschaftlichen Konflikte zu bewältigen. Die Gesellschaft ist aber keine Gemeinschaft. Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft hängt vom Wollen ab, in der Gesellschaft ist sie jedoch eine Notwendigkeit, die über die bloße Koexistenz hinaus geht. Die materiellen Notwendigkeiten der Menschen erfordern ihre Kooperation. Konflikte sind dabei unausweichlich und nicht durch ein pluralistisches Nebeneinander aufzulösen. Maturana und Varela betrachten nicht die materiellen Notwendigkeiten. Reflexion existiert für sie nur in einer Scheinwelt über die Sprache. In dieser Welt kann der kognitive Bereich des Menschen auch ausgeweitet werden

"Dazu kommt es zum Beispiel durch eine neue Erfahrung, die durch vernünftiges Denken hervorgerufen wird, durch Begegnung mit einem Fremden als einem Gleichen oder, noch unmittelbarer, durch das Erleben einer biologischen Kongruenz, die uns den anderen sehen lässt und dazu führt, daß wir für sie oder ihn einen Daseinsraum neben uns öffnen. Diesen Akt nennt man auch Liebe oder, wenn wir einen weniger starken Ausdruck bevorzugen, das Annehmen einer anderen Person neben uns selbst im täglichen Leben."

Die Ausweitung des kognitiven Bereiches erfordere eine von Maturana und Varela nicht näher spezifizierte Vernunft. Woher soll aber diese stammen, wenn es keine objektive Realität gibt, die diese durch die Wirkung menschlichen Handelns hervorbringen könnte? Die Existenz des anderen hängt somit nur am seidenen Faden der Erkenntnis eines ethischen Imperativs unter den Gleichen in einer hierarchisch organisierten Gesellschaft. Dass die Beziehungen der Menschen untereinander materielle Not erzeugen aber auch überwinden kann, thematisieren sie nicht. Der Existenzbereich hängt eben nicht nur von der Sprache ab. Die Notwendigkeit des Stoffwechsels treibt jedes Lebewesen zu Aktivität. Die kybernetische Beschreibung des Menschen als Organismus hilft bei dieser Erkenntnis wenig.

8 Die Gesellschaft als Kopie der Kopie

Maturana und Varela sind in ihrer Theorie im Wesentlichen von der Kybernetik der 1970er und 80er Jahre beeinflusst worden. Während die Kybernetik lediglich Modelle zur Beschreibung von Prozessen entwickelt hat, haben sie die Modellierungen kopiert und zu einer umfassenden zirkulären Beschreibung von Leben und Erkennen ausgeweitet. Aus dieser Beschreibung haben sie dann einen ethischen Imperativ abgeleitet, obgleich ihre Grundlagen einer kulturellen Modellierung entstammen. Die Reduktion des Lebens auf strukturdeterminierte Systeme wurde später von Niklas Luhmann kopiert und über seine Theorien schließlich zur diagnostischen und therapeutischen Anwendung gebracht.

 

 

Literatur:

Arnone, Maria I.; Ericson, David H.: The hardwiring of development: organization and function of genomic regulatory systems. Development 124, S. 1851-1864, 1997

Beurton, Peter: Genbegriffe. In: Philosophie der Biologie. Eine Einführung. Hrsg.: U. Krohs; N. Toepfer, Suhrkamp 2005

Caetano-Anolles, Gustavo; Sun, Feng-Jie; Wang, Minglei; Yafremava, Liudmila S. Yafremava; Harish, Ajith; Kim, Hee Shin; Knudsen Vegeir; Caetano-Anolles, Derek; Mittenthal, Jay E.: Origins and evolution of modern biochemistry: insights from genomes and molecular structure. Frontiers in Bioscience S. 5212-5240, 2008

Carroll, Sean B.: Evo-Devo. Das neue Bild der Evolution. Berlin University Press, 2008

Darwin, Charles: On The Origin Of Species, 1. Auflage 1859 http://graphics8.nytimes.com/packages/images/nytint/docs/charles-darwin-on-the-origin-of-species/original.pdf (Oktober 2012)

Dawkins, Richard: Das egoistische Gen. (1976) Jubiläumsausgabe 2007, Spektrum Akademischer Verlag 2008

Eigen, Manfred: Selforganization of Matter and the Evolution of Biological Macromolecules. Die Naturwissenschaften, 58, 10, 1971

Gilgenmann, Klaus: „Am Anfang war die Differenz“: Evolutionstheoretische Aspekte der Ebenenunterscheidung in Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Skriptentwurf vom 17. April 2012 für ein Sonderheft der Zeitschrift für Soziologie, Hrsg.: B. Heintz, H. Tyrell mit dem vorläufigen Titel Interaktion-Organisation-Gesellschaft, 2012

Gould, Steven Jay; Lewontin, Richard: Against Sociobiology, 1975

Gould, Steven Jay: Illusion Fortschritt. (1996), Fischer 1999

Hamilton, William D.: The Genetical Evolution of Social Behaviour. I. Journal of Theoretical Biology, 7, S. 1-16, 1964

Hartard, Christian: Differenz der Differenz. Luhmann und Bourdieu. Zwei Soziologen des Unterschieds, Verlag Silke Schreiber, München 2010

Holland, John; Domingo, Esteban: Origin and Evolution Of Viruses. Virus Genes 16, 1, S. 13-21, 1998
Jaenisch, ; Bird, Adrian: Epigenetic Regulation Of Gene Expression: how the genome integrates intrinsic and environmental signals. Nature Genetics, 33, S. 245-254, 2003

Lewontin, Richard C.: Biological Determinism. In: The Tanner Lectures On Human Values. University Of Utah (1982), 1983
http://tannerlectures.utah.edu/_documents/a-to-z/l/lewontin83.pdf

Lewontin, Richard; Rose, Steven; Kamin, Leon J.: Not in our genes: Biology, Ideology and Human Nature. Pantheon, 1985

Luhmann, Niklas: Interaktion,Organisation, Gesellschaft. In: Soziologische Aufklärung 2: Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft. (1975), S. 9-20, 5. Auflage, Verlag für Sozialwissenschaften 2005

Luhmann, Niklas: Evolution und Geschichte. In: Soziologische Aufklärung 2: Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft. (1975), S. 150-169, 5. Auflage, Verlag für Sozialwissenschaften 2005

Luhmann, Niklas: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main 1984.

Luhmann, Niklas: Ökologische Kommunikation: Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? (1986), 5. Auflage, Verlag für Sozialwissenschaften, 2008.

Luhmann, Niklas: Gespräch mit Hans Dieter Huber (in Bielefeld am 13. Dezember 1990). In: Texte zur Kunst 1.4, S. 121-133. (1991) zitiert nach Hartard, Christian: Differenz der Differenz. Luhmann und Bourdieu: Zwei Soziologen des Unterschieds.

Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft. (1997) Suhrkamp, 1998

Maturana, Humerto R.; Varela, J: Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln menchlichen Erkennens. Goldmann Verlag 1984

Mayr, Ernst: Teleological and Teleonomic: A New Analysis. Boston Studies in the Philosophy of Science. Volume XIV, S. 91 -117, 1974

Mayr Ernst: Das ist Evolution. (2001) Goldmann, 2005

McLaughlin, Peter: Funktion. In: Philosophie der Biologie. Eine Einführung. Hrsg.: U. Krohs; N. Toepfer, Suhrkamp 2005

Schark, Marianne: Lebewesen als ontologische Kategorie In: Philosophie der Biologie. Eine Einführung. Hrsg.: U. Krohs; N. Toepfer, Suhrkamp 2005

Schneider Eric D.; Kay, James J.: Life as a manifestation of the second law of thermodynamics. Mathematical and Computer Modelling, 19, 6–8, S. 25-48, 1994

Schrödinger, Erwin: What is life? John Wiley and Sons, NY, 1944

http://whatislife.stanford.edu/LoCo_files/What-is-Life.pdf; abgerufen im September 2013

Shapiro, Robert: Small molecule interactions were central to the origin of life. The Quarterly review of biology, 81, S. 105, 2006

Shapiro, Robert: Ein einfacher Ursprung des Lebens. In: Spektrum der Wissenschaft Dossier, 01, S. 70-78, 2008

Stolz, Thomas: To be with X is to have X: comitatives, instrumentals, locative, and predicative possession. Linguistics 39, 2, S. 321–350, 2001

Toepfer, In: Philosophie der Biologie. Eine Einführung. Hrsg.: U. Krohs; N. Toepfer, Suhrkamp 2005

Varela, Francisco G.; Maturana, Humberto G.; Uribe, R.: Autopoiesis: The Organization of Living Systems, its Characterization and a Model. Biological Systems, 5, S. 187-196, 1974

Villa, Paula-Irene: Sexy Bodies: Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper. (1999) 3. Auflage, Verlag für Sozialwissenschaften, 2006

Wächtershäuser, Günter: Before Enzymes And Templates: Theory Of Surface Metabolism. Microbiological Reviews, 52, 4, S. 452-484, 1988

Watzlawick, Paul: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn–Täuschung–Verstehen. Piper Verlag, (12. Auflage 2013), 1976

Weber, Marcel: Supervenienz und Physikalismus. In: Philosophie der Biologie. Eine Einführung. Hrsg.: U. Krohs; N. Toepfer, Suhrkamp 2005

Wilson, Edward. O.: On Human Nature. Harvard University Press (2004), 1978

 

Fußnoten:

↑ (1) http://www.dgsf.org/themen/was-heisst-systemisch

↑ (2) Zapf 1992, S. 10.

↑ (3) Zapf 1992, S. 10.

↑ (4) Vgl. Luhmann 1984.

↑ (5) Vgl. Varela, Maturana, Uribe 1974.

↑ (6) Vgl. Toepfer 2005, S.160.

↑ (7) Vgl. ebd. S.163-165.

↑ (8) McLaughlin S. 19, 2005.

↑ (9) Die Quantenmechanik zeigt allerdings, dass Effekte auf der Ebene der Elementarteilchen nicht reproduzierbar sind und nur durch Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden können.

↑ (10) Schark 2005, S. 175.

↑ (11) Ebd., S. 176.

↑ (12) Vgl. Hamilton 1964, s. 1-16; vgl. Wilson 1978, S. 31-42; vgl. Weber 2005, S. 74-79.

↑ (13) Vgl. Dawkins 1976, S. 102-132.

↑ (14) Vgl. Gould, Lewontin 1975.

↑ (15) Vgl. Lewontin 1983, S. 156-159.

↑ (16) Arnone, Davidson 1997 S. 1851-1864; vgl. Jaenisch, Bird 2003, S. 245-251.

↑ (17) Vgl. Beurton 2005, S.195-204.

↑ (18) Vgl. ebd., 205-211.

↑ (19) Hüllproteine können nicht als Sensorik bezeichnet werden, da sie rein mechanistisch Bindungen eingehen, nicht jedoch dem aktiven Aufsuchen der Wirtszelle dienlich sind.

↑ (20) Vgl. Maturana, Varela 1984, S.76.

↑ (21) Vgl Eigen 1971, S. 504-505.

↑ (22) RNA (Ribonukleinsäure) sind makromolekulare Strukturen, die sowohl replizierende als auch enzymatische Eigenschaften aufweisen kann und als Vorläufer der DNA angesehen werden. In den Zellen heutiger Lebewesen haben verschiedene RNA-Typen katalytische als auch replizierende Funktionen.

↑ (23) Vgl. Eigen 1977, S. 541-546.

↑ (24) Maturana, Varela 1984, S.56.

↑ (25) Ebd., S.20.

↑ (26) Ebd., S.30.

↑ (27) Vgl. Watzlawick 1983 (2006), S. 40; vgl. beispielsweise Villa 1999 (2006), S. 98; vgl. hierzu auch die Anmerkungen von Tretter/Grünhut 2010, S. 34. Luhmann hat die Analogie des blinden Flecks so ausgiebig verwendet, dass er in der sozialwissenschaftlichen Literatur zu einem feststehenden Begriff geworden ist. Vgl. hierzu beispielsweise Luhmann 1990.

↑ (28) Maturana, Varela 1984, S.36.

↑ (29) Ebd., S. 36

↑ (30) Vgl. Maturana, Varela 1985, S.

↑ (31)  Maturana 1984, S. 34.

↑ (32) Vgl. ebd., S. 55.

↑ (33) Ebd., S. 55.

↑ (34) Vgl. ebd., S. 84-86 und S. 98-100.

↑ (35) Vgl. ebd., S. 75-76.

↑ (36) Vgl. ebd., S. 110.

↑ (37) Vgl. Maturana, Varela 1984, S. 105.

↑ (38) Ebd., S. 84.

↑ (39) Ebd., S.106.

↑ (40) Vgl. Maturana, Varela 1984, S. 145-150.

↑ (41) Der genitivus partitivus zeigt eine anteilige Relation an, der genitivus subjectivus als auch der genitivus objectivus gehen von einer zielbestimmten Handlung aus. Der genitivus subjectivus nimmt den Handelnden zum Bezug, während der genitivus objectivus sich auf das Ziel einer Handlung bezieht. Insofern lässt der Genitiv offen, ob die Relation (die Umwelt des Lebewesens) veränderbar ist oder nicht. Das Lebewesen muss zwar Tei irgendeiner Umwelt sein, ein Wechsel der Umgebung ist aber möglich. Dabei ist das Wechseln der Umgebung immer zielgerichtet.

↑ (42) Inalienabilität: Vgl. hierzu http://www.fb10.uni-bremen.de/homepages/stolz/alienabilitaet.vbhtml

↑ (43) Maturana, Varela 1984, S. 51.

↑ (44) Vgl. Schrödinger 1944, S. 68-75; vgl. Schneider 1994, S.25-48.

↑ (45) Vgl. Maturana, Varela 1984, S. 105-110.

↑ (46) Ebd. S. 110;112

↑ (47) Vgl. ebd., S. 112-113.

↑ (48) Vgl. ebd., S. 125.

↑ (49) Umwelteinflüsse beeinflussen nicht die Form aber die Frequenz des Auftretens von Varianten. Die Variationsmöglichkeiten werden dabei durch Mechanismen der vorhergehenden Strukturierung (sog. Constraints) eingeschränkt.

$(50)§ Vgl. Maturana, Varela 1984, S. 128.

↑ (51) Ebd., S. 53.

↑ (52) Ebd., S. 54.

↑ (53) Vgl. Wächtershäuser 1988.

↑ (54) Vgl. Caetano-Anolles, Sun, Wang et al., S. 5225-5228.

↑ (55) Vgl. Shapiro 2008, S. 72-73.

↑ (56) Vgl. Monnard, Deamer 2002, S. 196-207; vgl. Shapiro 2006, S. 120-121.

↑ (57) Stabilisierungen durch Mineralien könnten auch hier die Wahrscheinlichkeit erhöhen, doch bisher gibt es dazu nur Spekulationen. Vgl. hierzu Benner 2008.

↑ (58)  Vgl. Briones, Stich, Manrubia 2013, S. 743-745; vgl. Shapiro 2006, S. 118.58

↑ (59) Shapiro 2008, S. 74.

↑ (60) Vgl. Schark 2005, S. 176-177.

↑ (61) Vgl. Toepfer 2005, S. 164

↑ (62) Da Maturana und Varela den Organismus vom Individuum losgelöst haben, vermischen sie im Prozess der natürlichen Selektion das Schicksal eines Individuums mit der Wirkung auf eine Population. Letztere können zwar aussterben, sich aber nicht als solche fortpflanzen. Die Individuen können sich fortpflanzen und sterben, aber nicht aussterben.

↑ (63) Maturana, Varela 1984, S. 186

↑ (64) Vgl. ebd., S. 214-218.

↑ (65) Maturana, Varela 1984, 210.

↑ (66) Maturana, Varela 1984, 209.

↑ (67) Ebd., S. 213.

↑ (68) Ebd., S. 213.

↑ (69) Maturana, Varela 1984, 218.

↑ (70) Maturana, Varela 1984 S. 218.

↑ (71) Ebd., S. 217.

↑ (72) Ebd., S. 217.

↑ (73) Ebd., S. 226-227.

↑ (74) Vgl. Maturana, Varela 1984, S. 20-21 und 265-267.

↑ (75)  Maturana, Varela 1984, S. 251.

↑ (76) Vgl. Maturana, Varela 1984, S. 176-178.

↑ (77)  Maturana, Varela 1984, S. 250.

↑ (78)  Maturana, Varela 1984, S. 228.

↑ (79)  Maturana, Varela 1984, S. 265.

↑ (80) Ebd. S., S. 264.