Wolfram Pfreundschuh (13.10.2013)

"Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage. Weh dir, daß du ein Enkel bist!"

Man muss nicht mehr allzu viel von Politik verstehen, um zu erkennen, dass die Bundestagswahl keine große Wahl offen ließ. Was nötig ist, das muss sich fügen. Und was frei steht, ist der Streit um ein rechtes oder linkes Quantum an Versprechungen je nach ideologischer Position, die auch nur dort eingehalten werden können, wo sie sich auch rentieren. Bezahlen müssen eh immer dieselben und das sind die, welche nicht das wählen können, was ihnen nötig wäre. Das ist vor allem das Recht, am gesellschaftlichen Leben so teil zu haben, wie sie für diese Gesellschaft auch hergenommen und verpflichtet werden. Inzwischen sind es auch schon die Ungeborenen der nächsten vier bis fünf Generationen, die für die Folgen der Kapitalwirtschaft noch zu arbeiten hätten, weil sie als Staatsbürger hierfür längst verpfändet sind. Ihre Leistung ist schon versprochen, bevor sie überhaupt mit ihrem Leben beginnen können.

Aber es sind auch die Bürger fremder Welten und Nationen, deren Leben durch die deutsche Wirtschaft und Politik fast vollständig bestimmt ist, die aber hier nichts zu wählen haben, weil sie keine deutschen Staatsbürger sind und höchstens als Immigranten oder Asylanten oder Flüchtlinge aus elendigen Verhältnissen auffallen. Weil ihr Land durch die Masse des internationalen Kapitals verwirtschaftet wurde und wird, suchen sie eine Existenz zu finden, wo Geld noch erdient werden kann, wo also die Unternehmungen noch zahlungsfähig sind. Die Macht des Geldes gründet auf der Ohnmacht der Besitzlosen. Und die nehmen in ihrer Zahl rasant zu und verteilen sich über die ganze Welt.

Aber auch der Geldbesitz hat nicht mehr allzu viel mit dem realen Leben zu tun. Mindestens 95% seines Werts besteht aus Schuldverschreibungen oder Kreditversicherungen, die über Finanztransfers und fiktivem Kapital durch Handel und Wetten in eigenen Sphären um den Globus schwirrt. Es herrscht als Kreditwirtschaft in einem Schuldgeldsystem, das inzwischen vor allem durch Staatsverschuldung getragen wird. Es herrscht als Glaube an eine zukünftige Erfüllung der Werte durch das Geld, das keinen Wert mehr hat, das ausgegeben wird, um es mit Wert zu füllen. Und dieser kann nur aus dem Leben der Menschen entstehen, aus dem, was sie zum Leben brauchen und was sie hierfür zu erbringen haben. Geld gilt ja eigentlich als eine Recheneinheit der Marktwirtschaft für das Verhältnis von Bedürfnissen und Arbeitsaufwendungen. Aber als diese funktioniert es nicht wirklich, weil es dem Geldbesitzer schon immer als Vorschuss auf einen Kapitalprofit dient, schon immer auf dessen Zukunft spekuliert, dadurch, das es den besitzlosen Menschen zum Lebenserhalt nötig ist, weil es ihr Leben und ihre Lebensverhältnisse wertmäßig darstellt und reproduziert, dem Kapital aber zugleich Mehrwert, also unbezahlte Arbeit beischafft. Aber als Kreditgeld eines fiktiv gewordenen Kapitals, das verwettet wird, eines Kapitals das dem Leben der Menschen Kraft und Zeit entzogen hat und nichts davon nicht einmal für Investitionen in die Produktion zurückgibt, verhält es sich gänzlich unabhängig hiervon allein durch die Verschuldung von Menschen, also dadurch, dass sie es brauchen, um einer hierdurch erzeugten Lebensnot zu entkommen.

Auf dem Markt herrscht es dann Prinzip von Lebensnotwendigkeiten, als die Vernünftigkeit von Schuld und Pflicht, wie eine selbstverständliche Tatsache, dass es sozusagen vergeben wird wie eine Wohltat, für die man dann eben auch etwas tun muss, um den Wohltäter zu befriedigen. Durch Markwirtschaft kann mit dieser Herrschaft dann schließlich alles kapitalisiert werden, was da kreucht und fleucht. Der Wohltäter meint es schließlich gut mit den Armen. So jedenfalls sieht es für ihn aus, kümmert er sich doch immerhin um ihre Arbeit. Und für ihn ist die Vernunft der Märkte auch mehr als ein leeres Prinzip. Denn würde er seinen Profit verschenken, so würde das Prinzip nicht funktionieren und er schließlich selbst auch nicht existieren können, weil da überall die Konkurrenten lauern, um an seine Stelle zu treten. Niemand wird ihm nachtrauern und niemand eine selbstlose Wohltat zu schätzen wissen, weil er das Risiko seines Geldbesitzes trägt, und damit auch "zu Recht" aus der Anarchie des Marktes seine Profite ziehen kann, um durch sie zu existieren. Die Konkurrenz ist es schließlich, die alles an seine Grenze treibt und den arm macht, der keine Geldwerte aneignen kann, weil er das erdiente Geld für seinen Selbsterhalt ausgeben muss, und den reich macht, der sie mit seinen Profiten übersteht. Sein Schatz gilt ihm deshalb als deren Verpflichtung, wenn er sich damit als Leistungsträger versteht, denn er versammelt die Arbeit, die sie zum Lebenserhalt brauchen, und was er davon braucht, müssen sie ihm also auch überlassen, um seinen Fortbestand zu sichern. Es ist bloß vernünftig, wenn sie nicht durch zu hohe Forderungen die Arbeitsplätze gefährden. Aber eigentlich ist es absurd, wenn Arbeit als Gewinn erscheint, weil Arbeitsplätze sich als reine Notwendigkeit anbieten, nicht für die Bedürfnisse der Menschen, die mit immer weniger Arbeit zu befriedigen wären, sondern für das Geld, das der Geldbesitzer braucht, um seine Geldwerte zu decken, welche die arbeitenden Menschen immer ärmer machen.

Armut ist Bedingung und Resultat der Finanzwirtschaft, denn sie liefert vor allem billige Arbeitskosten und hochwertige Produkte. Man weiß das alles und nimmt es achselzuckend zur Kenntnis. Schließlich entsteht Geld nur durch Leistung. Und man hatte es ihnen gegeben, damit sie was zum Leben haben, dass sie es zumindest mal gerochen haben, diese Droge der Sorglosigkeit, die den Menschen Entspannung verspricht, wenn man ihr sein Leben überlässt und die Ohnmacht produziert, sobald das Leben aufgezehrt ist. Es ist ihr Teufelskreises und der Teufel tritt ganz praktisch als ihre Lebensnot auf. Die Sucht greift unbändig um sich, sucht immer neue Armut auf, die sie mit Geld bedröhnt, um ihr Leben zu nutzen, das Mittelmaß der Ansprüche in ein Höchstmaß an Verpflichtung zu vertauschen und zu verbrauchen, was es noch hergeben kann, so lange es noch die Kraft dazu hat. Das Leben wird damit nicht zufrieden gestellt, wohl aber der Dealer, der die Geldsucht befeuert, weil es eigentlich seine Sucht ist. Wo es scheinbar nur um ein Zahlungsmittel geht, geht es letztlich um bloße politische Macht, denn wo Schulden gemacht werden, wird Verpflichtung erzeugt, die weit wertvoller ist als das Geld, das damit zu machen ist. Es ist die Stetigkeit der Verpflichtung, welche vor allem die Schuld der Lebenden verewigt, indem sie sich durch die Vertiefung von deren Armut und Abhängigkeit stetig erneuert. Geld kann immer und überall Fortschritt versprechen. Aber es hält seinen Wert nur dadurch, dass es den für sich aufbraucht.

Diese Versprechen haben ein Reich von Mythen geschaffen, die als politische Vernunft, als Alternativlosigkeit eines in sich geschlossenen Systems der Schuldverwertung verstanden werden will. Und solche Mythologie beherrscht besonders die deutsche Bundeskanzlerin aufs wunderbarste. Angela Merkel wird gefeiert. Sie ist auf der Höhe ihrer Macht. Und sie ist auf der Höhe der politischen Kultur, weil sie dem Glauben dient, dass alles irgendwann sich zum Guten auflösen wird. Wer die längerfristigen Wirtschaftsdaten kennt, wird tiefe Zweifel daran haben. Doch man sagt, sie hätte die Krise geschafft, die Weichen für eine gute Zukunft gestellt, die Politik in die richtigen Zusammenhänge gebracht. Kurzum: Sie verkörpert die politische Vernunft des Augenblicks. Und nur dafür ist sie von einer großen Mehrheit wiedergewählt worden.

Die Vernunft dieser Politik und ihre Wahrheit klaffen weit auseinander. Sie beruht einfach darauf, dass Geld überhaupt nur als Zahlungsversprechen gehandelt wird, das als politische Gewalt durchgesetzt werden muss. Das im Grunde fiktive Kapital gewinnt seine Erträge nicht mehr aus Arbeit und Produktion, sondern aus der Macht des Privatrechts am gesellschaftlichen Eigentum, am gesellschaftlichen Faustpfand, am Geldbesitz, der sich inzwischen hierzulande zunehmend vor allem im Preis der Selbsterhaltung der Menschen, als Lebenshaltungskosten vor allem durch Mieten, Gebühren und Energiekosten darstellt und verteuert. Ein immer geringer werdender Teil der Geldwerte und Preise befindet sich als reale Sache auf dem Markt der Arbeitsprodukte. Es ist vielmer der Markt der Eigentumstitel, durch den so viel Wert für deren Inhaber bezogen wird, wie irgendwie bezahlt werden kann. Es sind rein politische Konstruktionen, die ihnen eine Macht verleiht, die sich nicht mehr sachlich darstellen und verhandeln lässt, weil sie jenseits der Arbeitswelt ihre Substanz hat: Die reine Form des Privateigentums. Politik ist nur noch die Frage, wie mit dieser Macht umgegangen werden kann. Um sie zu erhalten ist es lediglich die Frage der Werterhaltung des Geldes, das hierfür bezahlt werden soll. Kein Protest, kein Aufstand hiergegen erscheint den Geldbesitzern noch bedrohlich. Nur eine Inflation kann den Besitzern von Eigentumstitel noch das Fürchten lehren ↓(1). Nur dadurch würde sich ihr Mehrwert mindern.

Frau Merkel ist tatsächlich eine bedeutende Persönlichkeit der deutschen Zeitgeschichte, die Mutti der Nation, die sich um alles kümmert, was Verbindlichkeiten schafft. So nennt man das heute, was Pflicht und Schuld meint. Und sie verwendet hierzu alles, was diese Zeit noch gut erscheinen lässt. Es ist im Grunde nur eine Botschaft: Schaut doch mal, wie schlecht es den anderen geht. Uns geht es ja so gut! Und damit hat sie momentan nicht mal so unrecht, wenn man den Blick auf den Finanzstatus der deutschen Geldwirtschaft reduziert und von den Blasen absieht, die er zugleich erzeugt. Es gab da immer noch ein par Schrauben, an denen gedreht werden kann, vor allem an den Daumenschrauben der prekären Existenzen. Der Normalbürger hat im Grunde nicht viel zu wählen, kann sich aber mal wieder als gefragt verstehen, als jemand, der durchaus politisch souverän ist, wenn er eine vernünftige Wahl getroffen zu haben meint. Man erbaut sich am Selbstgefühl des aufrechten Demokraten, wenn auch nur für ein paar Stunden in die Wahlnacht hinein, die vom nächsten Morgen noch nichts weiß.

Schauen wir aber wirklich auf die Anderen, dann wird auch klar, was der Kern dieser wirtschaftlichen Vernunft ist: Es ist die Vervielfachung einer Lebensschuldigkeit fast aller Menschen, die Feudalisierung aller Gesellschaften, die sich dem Verwertungsprinzip des Geldes, dem Freihandel der Finanzmacht, der Freiheit einer Fiktion, der Ideologie des fiktiven Kapitals unterworfen haben. Und damit geht dann immerhin alles ganz einfach: Man muss nur etwas Geld haben, das man zur Geldvermehrung einsetzen kann. Aktien werden schon auf unterstem Niveau angeboten.- Aber wer dieser Glaubensgemeinschaft beitritt wird auf Dauer auch nicht mehr allzu viel zu Lachen haben. Denn sie überzieht alles, was auf dieser Welt entsteht, weil darin nur wert ist, was auch möglichst schnell zugrunde geht. Es ist teuflisch und so hat das auch schon der Teufel in Goethes Faust trefflich formuliert. Er glaubt an nichts. Und das ist seine Macht in einer Welt, wo nur noch der Glaube herrschen kann. Und nur der Teufel kann sich direkt an den Gott der Weltenherrschaft wenden, weil er als gefallener Engel nicht mehr gottgefällig sein muss. Als Goethes Mephisto bringt er es im Kreis der Himmelsspären auf den Punkt:

"Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn' und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein."

"Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag"

Es ist ja kein Geheimnis, dass Merkels Pragmatismus ihr Lösungsverhalten ausmacht und ihr die Zustimmung des Alltagsbewusstseins der Bevölkerung sichert, die ob der Allgewalt komplizierter Problemlagen sich nur noch am Eindruck über das Verhalten von prominenten Persönlichkeiten der Politik orientiert. Merkel kann das - zumindest für die Entscheidungen im Augenblick. Aber es verlangt ein hektisches Springen von einer Position zur anderen und man ahnt schon lange, dass das nicht genügt und höchstwahrscheinlich ein dickes Ende haben wird. Aber was kümmert das im Augenblick, wenn niemand etwas Besseres weiß. Und genau dies kennzeichnet den Zustand eines Parlamentarismus der Repräsentation, der seiner Wirklichkeit fassungslos zu begegnen versucht. Die ist ihm schlicht entlaufen. Jeder kümmert sich nur noch um das, was ihm nützlich erscheint, um sich damit repräsentieren zu können. Und das kann immer noch vieles sein, wo doch allgemein schon der Eindruck genügt, um Wirkung zu haben. Wo die Substanz fehlt muss man ein Problem nur so verpacken, dass es am meisten Zustimmung findet, irgendwie populär und möglichst prominent wird. Die Medien werden hierfür zu den wichtigsten Träger politischer Botschaften. Klar: Die bringen auch wieder Leben in die Politik. Sie dürfen nur nicht zu monoton wirken, müssen mit möglichst vielen Bildern und Meinungen unter die Leute gebracht werden Und es gibt da ja doch auch immer gewisse Unterschiede, die je nach der Auffassung einer Problemlage in einem anderen Licht erscheinen und in Talk-Shows bis zur Erschöpfung vorgeführt werden. Die Masse der Positionen und Meinungen macht ihre Diffusion und Wirkung aus. Entscheidend ist eben nur die Bestrahlung, das Licht einer Lösung, die nicht unbedingt eine Lösung der wirklichen Probleme sein muss, wohl aber auch Persönlichkeiten von minderen Erkenntnissen zu Lichtgestalten macht.

Immerhin: Pragmatismus ist immer eine Lösung, weil er ja nur aus Lösungsversuchen besteht. Er ist von daher die Ideologie der Nützlichkeit, ihre praktische Vernunft, die kein Ende findet, solange immer irgendetwas Nützliches damit verbunden werden kann. Und es ist für den Moment ja auch tatsächlich nur der bloße Nutzen, der zum Erfolg führt. Ludwig Thoma hat es trefflich formuliert: "Es hat alles sein Gutes und befruchtet sich gegenseitig". Jedes einzelne Problem hat die verschiedensten Eigenschaften und wird vom Standpunkt des unmittelbaren Erfolgs eben mit der allgemeinsten Wirkung des Nützlichen schlechthin bedacht, wenn auch nur eine davon ins rechte Licht gestellt werden kann. In seiner Allgemeinheit ist die Substanz des Nutzens das Geld, mit dem im Grunde alles zu haben ist und dessen Wert im Einzelnen immer alles auflösen kann, weil man mit Geld darüber bestimmen kann, sofern man es hat. Der Sinn, den etwas von und für Menschen hat, wird im Geld nicht nur aufgehoben sondern auch aufgelöst und in die Relationen des Marktes gebraucht, durch den Tausch von Waren zur Täuschung eines wirklichen Fortkommens. Das gibt es aber nur, wo es dem allgemeinen Zweck der Geldverwertung entspricht. Geld kann eigentlich nur Geld erzeugen. Der Rest ist die Sache der Menschen. Der Nutzen des Geldes ist allgemein, die Sache immer vereinzelter, abgetrennt und in seiner Isolation von seiner gesellschaftlichen Substanz entfremdet. Doch der pragmatische Verstand hilft, darüber hinweg zu kommen, wenn er einen Nutzen darin erkennen kann. Rationalisierung ist vernünftig. Zeitarbeit ebenso. Eigentlich auch Kurzarbeit. Zumindest für die Betriebswirtschaft. Es ist die Vernunft der in sich bestimmten Produktion, der gesellschaftlich abgeschotteten, der abstrakten Arbeitsteilung. Und die käme jedem zugute, wird behauptet.

Das ist ja alles nicht neu. Das machte man ja auch schon immer so, - besonders erfolgreich zum Beispiel bei der Übernahme der DDR in die Wirtschaftspolitik des Kapitalismus. Da wurden die großen Betriebe im Verhältnis der Altwährung der DDR zur D-Mark-Währung, wie es der Westen diktiert hatte, einfach dadurch zugrunde gerichtet, dass nach marktwirtschaftlichen Grundlagen nicht der Bestandswert der Anlagen zählt, sondern ausschließlich der Ertragswert der Umsatzes, der sich ja nur an den alten Verhältnissen ausrichten konnte. Nein wie praktisch! Und das Tollste war dann auch die schlichte Wertbestimmung des Grund und Bodens, der zu DDR-Zeiten kostenfrei als Volkseigentum zur Verfügung gestanden war. Plötzlich war er leibhaftiges Kapital, so groß, wie der Boden der ehemaligen DDR eben war. Ein Super-Coup also. Und die Mieter und Baugesellschaften der DDR hatten mit einem Schlag ungeheuerliche Schulden bei den Banken, die tatsächlich wie Heuschrecken alles abgrasten und zu Schleuderpreisen vom neuen Grundbesitzer des DDR-Volkseigentums abkauften. Und das war die Bundesrepublik.

Die unmittelbare Folge waren die im Vergleich zu früher horrende Mieten, die viele nicht mehr mit den Löhnen bezahlen konnten, welche die abgewerteten DDR-Betriebe nicht mehr erwirtschaften konnten. Die Menschen mussten in Scharen in die "bessere Welt" des nicht wirklich mit der DDR geeinten, wohl aber mit sich selbst wunderbar einigen Westens abwandern. Die Kommunen dort verödeten oder wurden zu Museen einer veralteten Kultur herausgeputzt, an der doch immerhin die Vorstellungen von einem einfacheren Leben sich beachaulich machen konnten. Statt blühende Landschaften entstanden blühende Geldwerte. Aber das war alles vernünftig vom Standpunkt des Geldwertes. Schließlich ließen sich damit ja vor allem die Geldwert-Probleme der Bundesrepublik Deutschland lösen. Da ging dann der Boom erst wieder so richtig los. Die DDR-Einvernahme war daher kein Wirtschaftsverbrechen, wie das viele behaupten. Es war das schlichte Prinzip der Verwertung von Privateigentum überhaupt, das zwar zuvor gesellschaftliches Eigentum war, das aber nun durch die wundersame Umtitulierung des Eigentumsrechts zu einer ungeheuerlichen Wertquelle für das Kapital wurde. Zum Wertwachstum taugt eben die Verwertung von Eigentumstitel am besten, die selbst kein Arbeitsprodukt darstellen, sondern unmittelbar als Mehrwert zum Beispiel durch Mieten, Gebühren und Zinsen den Arbeitslöhnen entnommen werden. Es war das Muster für das, was heute überhaupt geschieht: Die Wertbestimmung von Eigentumstitel sind die Grundlagen für die materiell nicht mehr gedeckte Realökonomie, die sich nur noch durch ein Kreditsystem erhalten kann, das alles verwertet, was auf den Märkten der Welt noch Substanz anzubieten hat. Und das sind nach wie vor Arbeitskraft, Natur, Lebensmittel und Produktionsmittel, ganz gleich, wo diese hergestellt werden, wenn sie nur durch Geld zu haben sind ↓(2).

Der "kleine Gott der Welt" hat die anderen Götter sich längst unterworfen. Die Vernunft des Geldes herrscht heute weit mächtiger als die kulturellen Schätze dieser Welt es je können, denn Kultur kann nicht vernünftig sein. Sie entsteht im wirklichen Leben der Menschen und kann nur den Sinn haben, den sie hierein äußern. Aber wenn der Wirtschaftsgott zu einem übermächtigen Gott geworden ist, der sich von den irdischen Substanzen abgelöst hat und diese nun in eigenem Allmachtsstreben bestimmt, bestimmen sich auch seine Interessen kulturell. Er ersetzt, was er der Kultur entnimmt und kulturalisiert die Verhältnisse der Menschen durch einen Selbstwert, den sie anstelle des Wertes annehmen, dem sie sich unterwerfen müssen. Dieser auf sich selbst bezogene Wert betreibt daher die Umkehrung ihrer Wirklichkeit, ihrer reellen Entwertung.

""Mit der Verwertung der Sachenwelt nimmt die Entwertung der Menschenwelt in direktem Verhältnis zu." (Marx in MEW 40, S. 511)

Wenn die Menschen ihr Leben nicht mehr gegenständlich aufeinander beziehen, wenn sie nur noch als Dienstleister ihre Existenz in einer Welt sichern, die von der materiellen Armut der produktiv arbeitenden Menschen zehrt, dann verlieren sie auch den Sinn für ihr materielles Lebensverhältnis. Materiell besteht es nurmehr aus der körperlichen Anwesenheit von Menschen. Der nurmehr erdiente, auf sich selbst reduzierte Wert herrscht damit in Leib und Seel' der Menschen selbst, in ihrem Verhältnis zu sich und anderen, in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen, so dass er nicht mal mehr direkt über Sachen und Menschen verfügen muss, sondern sich alles unterwirft, was keinen Wert hat, weil es durch ihn entwertet ist. Was den großen Vorstellungen dieser zunehmend ungegenständlichen Welt dienlich ist, was in einer vollständig abstrakten Wirklichkeit immerhin als reizvolles Erlebnis zählen kann, wird kulturell dadurch wertvoll, dass es reell keinen Wert hat, wohl aber die bloße Anwesenheit von Menschen, ihr an und für sich leeres Dasein aufwertet. Indem somit der nichtig gewordene Wert zu einer Selbstbeziehung geworden ist und als Trieb des Selbstwerts nach Selbstverwertung auch die unmittelbaren zwischenmenschlichen Beziehungen in in seine Pflicht versetzt, sie in sein Schuldsystem einweist, bestimmt er ihre Kultur unmittelbar durch eine Pflichtschuldigkeit einer gesellschaftlichen Beziehungsnot. Indem er ihre Minderwertigkeit durch seine körperlich gewordene Vorstellungswelt erzeugt (siehe Körperfetischismus), bestärkt er seine Allmacht durch eine zwischenmenschliche Scheinwelt, die nur noch abstrakt sinnlich sein kann, während ihr die einzelnen Menschen durchaus mit Sinn und Verstand zu folgen haben, denn sie finden darin ihre private Geschichte, ihre Beziehungen und ihre Liebe. Aber es ist nur die Lovestory des Selbstzweifels, die sich auf dieser Grundlage verwirklichen kann und die Verwirrungen der bürgerlichen Egozentrik sinnfällig macht, eine Traumwelt unendlicher Sehnsucht kultiviert, die sich auch leicht medial visualisieren und verkaufen lässt.

Was nicht wirklich gelingt, das ist weit ertragreicher als jedes reale wirtschaftliche Handeln es sein kann. Verzweifelt suchen viele Menschen ihre Rettung durch ihre alten Gottheiten und metzeln sich im Streit um diese nieder. Irgendwann wird das Kapital aber auch diesen Kampf ablösen können, sobald es den Menschen ihren Platz im Verwertungssystem zugewiesen, und sie der Gewalt des Sytems total unterworfen hat. Die Staatskultur eines Kulturstaats wird das zu richten haben, in welcher ihre Gesellschaft nur noch als Menschenpark existieren kann, nebst einem Zoo für die Unnützigen, den sonderbaren Kreaturen des Absonderlichen, die man hinter den Gittern der herrschenden Vernunft mehr oder weniger schick absondern wird und in entsprechende Anstalten steckt.

Vernunft ist immer eine Einsicht in das Notwendige. Sie folgt damit der Logik der Gegebenheiten, die sie einsieht. Von daher ist ihre Einsicht eine Bindung an die Not, von der nur befreit ist, wenn er das Notwendige hinter sich lassen kann, weil er seine Not gewendet hat. Freiheit setzt die Einsicht in das Notwendige voraus und ist zugleich dessen Emanzipation. Ohne diese bezieht sich Vernunft nur auf sich selbst, fügt sich ein, in das, was nötig ist und was nötig ist das verfügt dann auch über alles, was notwendig erscheint und zur Gewalt einer bloßen Erscheinung wird. Pragmatische Vernunft kann in der Not keinen Sinn finden und also auch keine wirkliche Notwendung erstreben. Ihr erscheint das Nötige selbst nur unsinnig, weil sie gerade über das am besten verfügen kann, was notwendig bleibt. Jeder kennt den Spruch: Sei doch mal vernünftig! Und oft wird er gerade dann fällig, wenn das Recht der Vernunft widersinnig wird, wenn der Sinn gegen sie aufbegehrt und sie als Idealisierung fremder Interessen erkennt.

Das herrschende Recht ist das Recht auf Privateigentum, also auf ein Eigentum, das nicht auf das zurückkommt, woraus es gebildet wurde, nichts von den gesellschaftlichen Synergien und geschichtlichen Zusammenhängen erkennen und wissen muss, in denen der Sinn entstanden war, der sich darin vergegenständlicht hat. Privateigentum gehört Menschen, deren Beziehung hierzu im Grunde gleichgültig ist, weil solches Eigentum einem Gegenstand zugerechnet wird, der zwar in gesellschaftlichen Verhältnissen erzeugt, aber in einer privaten Form angeeignet ist, der also dem gehört, der einfach nur darüber verfügen kann, gleich was zu seiner Entstehung geschaffen und erfunden wurde und gleich, welchen Sinn er hat. Vor jedem Individuum und vor jedem Eigentum und vor jedem Recht stehen aber die Menschen in einem gesellschaftlichen Verhältnis zueinander, indem sie sich durch ihre Sinne aufeinander beziehen. Das Recht auf Eigentum wird unsinnig, wo es dieser gesellschaftlichen Beziehung entgegensteht, wo es ihr das entnimmt, was es für sich nur haben will, sich im Ausschluss von dessen gesellschaftlichen Zusammenhang bereichert. Es ist der Ausschluss von dem, was die Menschen im Grunde zusammenhält: Privateigentum. Als Eigentumstitel reißt es alles Rechte an sich, was mit seiner bloßen Existenzform schon dem Titel auf ein Aneignungsrecht unterworfen wird. Natur und Mensch verlieren ihren Sinn in dieser Rechtsform. Sie ist eine Krankheit, die das zermürbt, durch was sie sich ernährt, die sich einverleibt, was ihr Leib nicht mehr bilden kann und Siechtum erzeugt, weil ihre Lebenssubstanz ihr entfremdet ist und sich auch über Generationen hinweg fortpflanzt, in denen sie immer tückischer und verworrender auftritt. So hat es Goethe auch seinen Teufel sagen lassen, der die wunderbarsten Offenbarungen gegen die bürgerliche Rationalität der Aufklärung, der Vernunft des abstrakt allgemeinen Rechts zu formulieren versteht:

"Es erben sich Gesetz' und Rechte
Wie eine ew'ge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist, leider! nie die Frage."

Ein höchst vernünftiger Unsinn

Die Reichhaltigkeit des menschlichen Lebens besteht aus dem Sinn, den es in den Verhältnissen der menschlichen Kultur bildet und den die Güter der Menschen für sie, in denen sie ihr Leben gegenständlich haben, weil sie sich hierfür vergegenständlicht hatten. Sinn ist rein subjektiv bestimmt. Und es mag vernünftig sein, alles dafür zu tun, um ihn zu erfüllen, zu verwirklichen, also um sinnlich leben zu können. Vernunft ist aber hiergegen ziemlich einseitig. Sie zielt lediglich auf den Nutzen einer Sache, eine Tätigkeit oder Entscheidung, auf ihren Gebrauchswert, nicht unbedingt auf ihren Sinn. Und nützlich kann alles sein, was einen Aufwand reduziert oder einen Ertrag hat oder irgendwie brauchbar ist, ganz gleich, ob es für den Markt oder für den Gebrauch hergestellt wird, ob es wirklich für die Menschen ist oder nur Mehrwert für das Kapital einbringt. Der Nutzen ist der objektive Zweck einer jeden Wirtschaft. Und daran ist nichts auszusetzen, solange Sinn und Nutzen sich nicht widersprechen. Die hohe Vernunft der Wirtschaft ist ja ihr eigentlicher Nutzen, Bedingung dafür, dass mit immer geringerem Aufwand immer mehr und bessere und sinnvollere Dinge erzeugt werden. Ihre Effizienz bringt die Menschen weiter, solange sie den Reichtum und die Vielfalt ihres Lebens vergrößert, ihren Lebensstandard verbessert, weniger menschliche Arbeit nötig hat, so dass also ihr Leben immer freier und sinnvoller, also immer erfüllter werden kann. Doch die Marktwirtschaft sieht den wesentlichen Nutzen ihrer Produktion nur im Marktverhältnis, im Warentausch, für den alleine hier produziert wird, also für die Möglichkeit, durch sein Produkt in der Form eines Gebrauchswerts auf dem Markt an Geld zu gelangen, an möglichst viel Geld, denn nur das ist hier das Maß der eigenen Existenzsicherheit.

Auf den Märkten der Welt findet sich daher auch nur der Geschäftssinn, die Vernunft des Handels, für das eigene Produkt einen möglichst hohen Wert zu ergattern. Alles Brauchbare kann hier nur durch seinen Preis bestehen, soll als einzelner Gebrauchswert für den einen so billig wie möglich erstanden, wie er für den anderen möglichst teuer verkauft werden soll. Die Konkurrenz um die Preise regelt den Selbsterhalt wie den Fortschritt, was auch immer hieran nützlich sein sollte. Die Preise reduzieren dabei allerdings jeden Fortschritt nur auf einen Durchschnitt seines Werts, der durch Geld dargestellt wird. Wirtschaftswachstum ereignet sich hier nur als Wertwachstum. Wirtschaftlicher Fortschritt kann eigentlich nur heißen, dass immer weniger Aufwand für immer sinnvollere Produkte aufgebracht wird. Doch genau das kann Marktwirtschaft nicht erbringen, weil sie sich nur am Wertwachstum ausrichtet, an der Steigerung des Geldwerts, dem alles unterworfen ist, was auf den Markt kommt. In ihr müssen die Menschen um ihre Existenz bangen, wenn der Preis ihrer Angebote aus der Konkurrenz herausfällt, wenn sie nicht mehr gefragt sind oder wenn sie keinen Wert mehr einbringen, weil es zu viele davon gibt. Was heute noch nützlich und teuer, kann morgen schon unnütz und wertlos sein. Alles hängt daran, wie und warum es für den Markt produziert wird und was es dort dann auch wirklich ist. Niemand kann das wirklich genau voraussagen, aber jeder ist gezwungen, dafür zu arbeiten oder zu handeln.

Der Sinn, den etwas hat und sein Nutzen stehen sich in der Marktwirtschaft diametral gegenüber, weil die Konkurrenzverhältnisse auf den Märkten alle Existenz bestimmen ↓(3). Es entstehen dort auf der allgemeinen Ebene gänzlich andere Notwendigkeiten, als die Sinnfälligkeiten des Nutzens im einzelnen Gebrauch darstellen können. Warum sollen nicht alle Menschen möglichst viel Lohn bekommen, durch den doch auch die Produkte bezahlt werden, die sie erzeugen? Warum bedroht es die Arbeitsplätze, wenn hohe Löhne bezahlt werden? Warum sind Billiglöhne zur Krisenbewältigung des Kapitals nötig? Warum entsteht Inflation, wenn die Finanzmärkte abstürzen oder wenn der Euro wieder abgeschafft werden würde? Es ist doch einfach nur absurd, wenn in den Ländern mit den höchsten wirtschaftlichen Standards der größte Druck auf die Menschen ausgeübt wird, deren Leben immer totaler für die Verschuldungswirtschaft verpfändet ist. Soll dieser ganze Unsinn etwa vernünftig sein?

Ja, leider ist er es. Es ist längst keine Vernunft mehr, welche die Menschen aus ihrem Leben heraus begreifen können. Es ist die Vernunft des Wertwachstums, das durch das Wirtschaftswachstum bedroht ist. Wo der Wert sich nicht mehr vermehren kann, wo keine Konkurrenz mehr möglich ist, wo nur noch Subventionen die Verhältnisse erhalten können, da sackt der Geldwert in sich zusammen und Kredite werden verschleudert, die immer weniger nützen, weil kein höherer Produktwert durch sie möglich ist. Weil die Profitrate dann fällt, wird die Mehrwertrate zerstörerisch. Sie fordert Billiglohn unter die Existenzgrenze der Menschen und ihrer Gesellschaft, erfordern Staatsverschuldung und die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. Die Banken sind nicht die Ursache des Verfalls, sie sind nur dessen bloße Vollstrecker. Sie sind die einzigen Institutionen der Schatzbildung, der Aufhäufung von Geld für spätere oder höhere Zwecke. Alle sind froh über jedes Geld, das durch sie, durch ihre Kredite und Finanzofferten einzunehmen ist. Und alle werden betrogen, weil es für sie immer wertloser ist. Ihre Verpflichtungen hierfür werden in dem Maß verewigt, wie ihre Leistungen entwertet werden. Es liegt alles längst nicht mehr in ihrer Hand. In ihrer Hand liegt nur noch, ob sie Miete, Heizung, Steuer und Sozialabgaben bezahlen können. Was über alles zählt, das ist das, was nötig ist, um die Verhältnisse im Allgemeinen aufrecht zu erhalten. Und das ist das Geld und sein Wert. Das höchste Augenmerk der Politik bezieht sich darauf, dessen Inflation zu verhindern, denn diese ist die allgemeinste Folge seiner Krisen. Das Finanzkapital fürchtet das wie die Pest. Es ist aber zugleich auch der wichtigste Helfer gegen die Inflation, indem es viel Geld noch bewegt und in Fahrt hält, das auf die Märkte der Realwirtschaft nicht zurückfindet. So lassen sich Geldwerte erhalten, die nur noch durch Zahlungsverpflichtungen und vorzugsweise immer mehr durch Versicherungsgeschäfte auf der Basis nicht einlösbarer Pflichten existieren. Mit der Unsicherheit der Gelddeckung macht der Finanzmarkt seine Geschäfte. Er kann einen Mehrwert transportieren, der keine Entsprechung mehr in der realen Ökonomie hat. Aber je mehr die Akteure des fiktiven Kapitals auf den Hochseilen der Finanzmärkte jonglieren, desto umfassender wird ihr Absturz sein und das Geld zerstören. Es ist leider nicht nur ihr Geld sondern das Geld schlechthin, die allgemeine Sicherheit und Versicherung der Renten und Löhne und Investitionen.

Vom Recht, das mit dem Geld geboren ist

Gesellschaft sollte eigentlich den Einzelnen ergänzen, ihn bereichern und fördern, um von ihm und durch ihn auch den Anteil an Kraft und Vermögen zu erfahren, aus der sie sich so bildet, so wie sie auch ihn zu bilden vermag, den Sinn vermittelt wie ihn auch der einzelne Mensch für sich darin finden und erzeugen kann. Ihr Nutzen liegt in seinem Sinn und Sinn macht sie erst wirklich wirtschaftlich. Sinn und Nutzen machen die gesellschaftliche Geschichte überhaupt aus, die immer wieder in Unsinn und Verschwendung verloren gegangen war, in Macht und Ohnmacht der Herrschaft, die den Kampf der Klassen entschieden hatte. Auch die bürgerliche Gesellschaft hat es noch nicht geschafft, dass Sinn und Nutzen der gesellschaftlichen Verhältnisse eine Einheit bilden können. Die Bedürfnisse der Menschen werden stets versachlicht und auf einen Nutzen reduziert, der durch den Markt bestimmt ist. Freiheit gibt es daher nur für Geldbesitzer ↓(4) und durch Geld wird alles in eine Gleichheit gezwungen, die jede Besonderheit in ihrem Sinn auflöst und auf ihren bloßen Nutzen verdurchschnittlicht. Freiheit, Gleichheit und Solidarität ist die bloße Ideologie, die Verklärung dessen, was gerade nicht wirklich sein kann, der Idee nach aber bereits wirksam ist. Die Ideale der Marktwirtschaft scheitern an der Abstraktion, die sie vollstrecken, die ihre Unwirklichkeit ausmachen, ihre Mythologie vernünftig erscheinen lassen, ihren Fetisch Geld mit allen Herrlichkeiten ausstatten, die siese Welt zu bieten hat.

Die Gleichheit der Menschen kann eigentlich nar darin bestehen, dass alle Menschen gleich geachtet werden, nicht unterworfen und ohne Klassen existieren können. Freiheit gibt es nur im Verhältnis und der Aufhebung von Notwendigkeiten, als Fähigkeit, eigene Not zu überwinden. Das eine ist nie ohne das andere. Doch wo die Not der Menschen das Mittel einer Herrschaft über sie ist, wird Gesellschaft zu einem Diktat des Notwendigen. Ihr Leben selbst kann sich nicht gesellschaftlich verwirklichen. Sie müssen es sich erst erdienen, um an das gesellschaftliche Mittel ihrer Notwendung zu gelangen. Sie werden unter dieser Bedingung schon geboren, kommen pflichtschuldig auf eine Welt, die nicht die ihre sein kann, weil sie nur durch die Anpassung an die Notwendigkeiten der Märkte leben können und dem Wert des Geldes sich fügen müssen. Sie erfahren ihre persönliche Bildung unter der Bestimmung des Geldes, für dessen Erwerb sie alle Fähigkeiten sich aneignen müssen, mit denen sie es ergattern können. Das Maß ihrer Bildung ist ihre Existenz auf dem Markt, und ihre Fähigkeiten sind darauf ausgerichtet, dort konkurrenzfähig zu sein, um ihr Leben - wie man so treffend sagt - auch bestreiten zu können. Geld ist unter diesen Umständen das einzig wahre Medium ihres gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs, das allgemein notwendige Mittel des menschlichen Daseins, das den Menschen nur den gesellschaftlichen Nutzen des Geldwerts vermitteln kann. Und der ist sehr widersprüchlich, denn Geld kauft Lebenskraft ein, die es zur Bereicherung des Geldbesitzers wieder verkauft. Der lebendige Sinn wird vom Nutzen seiner Verwertung angeheuert, um ein Mittel zum Maß einer Allgemeinheit seiner Verwertung zu machen. Die Menschen selbst sind dem Nutzen unterworfen, für den sie alle Sinne entwickeln, um darin noch bestehen zu können. Ohne Geld ist nicht nur ihre Existenz bedroht, sondern auch der Sinn, den ihr Leben in dieser Gesellschaft finden kann, die vor allem nur dem Sinn des Habens frönt.

Alle Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaft fassen sich in dem Widerspruch von Sinn und Nutzen zusammen, den jeder Mensch in seiner Einzelheit als Individuum zu leben hat. In ihrer privaten Existenz mag es den Menschen damit schlecht oder gut gelingen, ihn für sich in der Weise aufzulösen, wie eben ihre Bedingungen hierfür günstig oder ungünstig sind. Allgemein fehlt ihnen hierfür aber ein wirklich sinnlicher Gegenstand, den sie gesellschaftlich auch bilden und bestimmen, um damit wirklich gesellschaftlich leben zu können. Ihre private Existenz und ihre gesellschaftliche Existenz können unter den Bedingungen der Marktwirtschaft nie zusammenkommen. Sie werden durch den Existenzkampf der Konkurrenten erdrückt, ausgeschlossen und vernutzt.

Lediglich das Privatrecht sichert ihnen ein Dasein als Bürger dieser Welt, durch das ihnen zumindest theoretisch eine Vermittlung verbürgt sein soll: Das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Doch die hängt von dem Geld ab, das sie hierfür haben. Aber zumindest formuliert das Privatrecht damit einen allgemeinen Anspruch, das individuelle Leben unter einen gesellschaftlichen Schutz gestellt zu bekommen, ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit erwerben zu können. Doch gerade das wird gegenwärtig zerstört. Mit dem Diktat der generellen Verschuldungspolitik fällt diese Gesellschaft wieder in ein bloßes Pflichtverhältnis zurück, entwickelt aus der Marktwirtschaft ein ein Schuldsystem, ein Feudalsystem , indem das Privatrecht selbst die allgemeinen Notwendigkeiten des Gemeinwesens in seiner Verschuldungsspirale zu bedienen hat. Das Privatrecht hatte zwar schon immer den Rechtstitel auf jegliches Privateigentum politisch abgesichert. Und als bloßer Eigentumstitel auf Grund und Boden, Natur und Ressourcen, reichte es schon immer das über die gesellschaftliche Sachproduktion hinaus, war es schon immer auch ein bloß politisches Recht jenseits der sachlichen Notwendigkeiten.

Jetzt aber geschieht aber etwas gänzlich Neues: Es handelt sich bei dem derzeit entwickelten Schuldgeldsystem nicht mehr nur um eine Form des Mehrwerts, der in bloßer Geldform zirkuliert, und bezahlt wird, sondern um den politischen Wert eines Gemeinwesens, eben der Staaten, die Schulden aus fremdem Geld aufnehmen müssen, weil sich das entwertet hat. Sie nehmen nicht Geld auf, um damit etwas zu finanzieren, Schulen oder Verkehrswege zu bauen oder Kriege zu führen. Dies würde ja wirklich in ihre Realwirtschaft zurückkommen und sich auch wieder retieren. Sie verschulden sich, damit die Entwertung ihres Wirtschaft keine Folgen zeitigt, ihr Geld nicht inflationär wird. Es handelt sich um ein negatives Verwertungsinteresse, um eine Wertdarstellung im Nachhinein des Wertverlustes. Um auf dem Weltmarkt noch ihre Konkurrenzfähigkeit erhalten zu können, müssen sie den Wert ihres Geldes sicherstellen, so, wie es bisher die einzelnen Betriebe in der Nationalökonomie mit ihren Schecks und Wechsel taten.Wo diese durch Personen oder Wertsachen bürgen müssen, die dieser Bürgschaft zustimmen mussten, werden jetzt die Staatsbürger selbst verpfändet, ohne dass sie sonderlich um Erlaubnis gefragt werden. Von daher befinden wir uns nicht mehr in der Fortentwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Marktwirtschaft mit dieser entsprechender Wertdeckung, sondern im Übergang zu einem gänzlich neuen Feudalsystem, das letztlich nur noch in der Politik um die Währungen, dem Kampf um die Geldwertstabilität verläuft. Seine Bürger sind dem Staat nicht nur zur Steuer verpflichtet, sondern schon unmittelbar verpfändet für einen Geldwert, der keine andere Grundlage mehr hat, als die Zukunft ihrer Kinder und Kindeskinder und Enkelkinder und noch mehrere Generationen. Man muss das kenntlich machen, denn der Kapitalismus hat sich damit in ein Lehnswesen zurückgebildet. Ein solches Schuldverhältnis nennt man feudal (lat. feudum = Lehen) und daher ist ein Kapitalismus, der seine Negativverwertung auf diese Weise finanziert, ein Feudalkapitalismus. Und der eröffnet auch gänzlich neue Perspektiven für den Welthandel des Finanzkapitals.

Die Nationalökonomen sahen bisher die Lösung der Krisen der kapitalistischen Produktionsweise darin, dass sich die überschüssigen Werte produktiv zerstören, dass also die Verwertungsbedingungen wieder auf ihre realwirtschaftliche Grundlagen zurückgesetzt, sozusagen neu kalibriert werden. Es handelte sich dabei um Werte, also geleistete menschliche Arbeit, die als Überproduktion auftraten und nicht mehr realisierbar waren und selbst im Finanzkapital ihre Substanz bzw. Deckung verloren hatten. Die Nützlichkeit der "produktive Zerstörung" war bis in die 90ger Jahre der Weisheit letzter Schluss und auch die der keynesianische Vorstellung von einer Selbsterneuerung des Systems. Das ließ die Krisen in einem positiven Licht erscheinen, weil sie als Marktbereinigung und Auflösung von deckungslosen Schuldverschreibungen angesehen wurden. Doch diese Zerstörung hat sich inzwischen zu einem chronischen Zustand verfestigt, weil der Auflösung die Erneuerung abging, weil sie schlicht keine hinreichende Substanz mehr vorfand, das zu erneuern, wofür sie zu funktionieren hatte: Der Geldwert, mit dem das Leben der Menschen so finanziert werden kann, dass das Kapitalwachstum damit zugleich sichergestellt werden konnte.

Es wurde eine Erneuerung durch Verschärfung der Konkurrenz versucht. Die Folgen waren Hartz IV und die Hinzunahme von armen Ländern in die EU, von denen es absehbar war, dass ihre Armut nur verschärft werden konnte und dadurch die Arbeitspreise in den reicheren Ländern zu Billiglöhnen übergehen konnten. Die Produktivität hatte sich einfach schon so weit entwickelt, dass die menschliche Arbeit einen zu geringen Anteil am Wert der Produkte erfuhr und von daher eben auch die Auspressung der arbeitenden Menschen an ihre Grenzen kam, - auch in Bangladesh oder China. Die Armut war als Konkurrenzfaktor systemnotwendig geworden. Armut selbst wurde verwertet, indem sie die Preise in den reichen Ländern bedrängte. Sie war Ursache wie Ziel der Verwertungskreisläufe, ein Kreislauf der weltweiten Verelendung der Armen und der schier endlose Bereicherung der Reichen, die dahin führte, dass selbst die Nahrungsmittel, die in den Ländern der Armut geerntet wurden, von den Einwohnern nicht mehr erstanden werden konnte, weil sie zu teuer für sie geworden waren. Der Hunger der Armen und die Sucht der Reichen ergänzen sich in einer absurden Perversion des Geldes.

Und es geht jetzt im selben Zweck ungebremst weiter. Das modernere "Problem" des Kapitals ist eben nicht mehr die Ausbeutung der Arbeit, sondern die Zahlungsfähigkeit der Bevölkerung, die alleine den Umsatz sicherstellen kann, den das Kapital machen muss, um seine Produkte und Investitionen und Schuldverschreibungen zu vermarkten, während die reale Produktion einen immer geringeren Anteil an der Mehrwertrate ausmacht. Auch Wertpapiere verlieren ihren Wert, wenn der darin kalkulierte Mehrwert nicht eingenommen wird, wenn die Mieten nicht mehr bezahlt werden und die Energieversorgung zusammenbricht. Und wenn der Mehrwert auf Dauer nur noch virtuell existiert, so mag er eine Zeit lang das Geld noch in Gang halten, auch wenn es wertlos ist. Aber der Zahltag des Geldes wird sich dann als reale Inflation herausstellen, sobald die Glaubenswelten der Kapitaleigner zusammengebrochen sind, wenn das Jonglieren auf dem Hochseil der Finanzspekulation keine Zuschauer mehr hat, weil sie zu lange draußen im Regen stehen mussten ↓(5).

Was nötig ist, das fügt sich - und wenn nicht, wird es dazu gezwungen

Was Merkel so salonfähig gemacht hat, ist ihre Anpassungsfähigkeit, ihr Pragmatismus, der für andere schnell zwingend wird, weil er durch die ökonomische Macht Deutschlands unterlegt ist, die sie bestens als Fürsorge zu verbrämen versteht. Pragmatismus ist das Vertrauen auf die Einseitigkeit eines Nutzens, dessen Idealisierung und daher seine Ideologie, die gänzlich sinn- und beziehungslos zu seiner Wirklichkeit steht ↓(6). Es ist die schlichte Logik einer Idee, an die man ganz fest glauben muss, um die Machtverhältnisse noch handhaben zu können, deren einziger Zweck ist, sich selbst zu erhalten, indem Geld hergestellt wird, das nur noch durch Staatsgewalt gedeckt ist ↓(7).

Wer also glaubt, dass es in der Politik nur um Geld als eine bestimmte Wertgröße ginge, dem entgeht das Wichtigste: Insgesamt geht es vor allem um etwas, das im Grunde unbezahlbar ist: die Verfügungsmacht, die Rechtsposition der Gläubiger, die sich zur Verschuldung der ganzen Welt bereithalten, die wie Drogenhändler ihre User suchen, um sie mit ihrem wertlos gewordenen Geld zu verpflichten, ihre Leistungen hierfür zu erbringen und es durch frisches Geld zu erneuern. Sie sollen Teil haben am bloßen Titel, am Privateigentum einer eigenen Welt, für den sie nur ihr Leben verschreiben müssen, wie dem Teufel die eigene Seel. In den USA laufen unendlich viele Kredite und Kreditkarten ohne Deckungsgrundlage, Wertkäufe ohne Wert und Gebühren ohne Sinn und Zweck. Die Immobilienkrise hat dort schließlich allen gezeigt, wie flüchtig doch der Geldwert sein kann, wenn er jedem versprochen wird und hierdurch alle Preise nach unten drückt. Ganz real sind dort längst die Verwüstungen, welche sich durch Kredite auf Immobilien, auf Grund und Boden und Natur schon weit ausgebreitet haben, weil niemand mehr das Geld zurückbezahlen konnte, weil sein Eigentum wertlos geworden war und keine Hypothek mehr abdecken konnte. Ganze Städte sind durch unbezahlbar gewordene Kredite auf ihre Immobilienbestände verödet, die "broken Windows" ganzer Stadtviertel werden von immer mehr Kriminellen aufgestoßen und auf den Straßen treiben sich die Menschen ohne Dach über dem Kopf rum.

Die Angst um die Verhältnisse kommt von der Wertlosigkeit ihrer Besitztümer, von dem, dass Mensch und Sache überzählig ist, dass alles zu viel ist, um für das wirkliche Leben zu taugen. Jedenfalls erscheint das so, obwohl es Unsinn ist, von Überfluss zu reden, wo der Mangel anderswo evident ist. Es ist aber ein totalisierter Verdrängungsmarkt entstanden. Jedes Angebot tötet schon das nächste. Und die Sinnlosigkeit solcher Verhältnisse lässt um die Grundlagen der Gesellschaft fürchten, um die Arbeit der Menschen und die Gegenstände ihres Lebens. Das bisherige System konnte sich durch bloßes Eigentumsrecht nicht mehr halten. Sachlich und materiell hat sich die bürgerliche Gesellschaft überholt. Und auch das bürgerliche Recht hat eine neue Bedeutung bekommen. Es ist allgemein zum Gläubigerrecht mutiert. ist zum Mittel einer Austeritätspolitik geworden, die sinnlos gewordene Geldwerte einzutreiben hat. Es geht inzwischen um eine Zukunft durch Pfändung, um die Verdingung der Gemeinden und Staatshaushalte, um die Produktion von politischen Schulden, welche von den Menschen beglichen werden müssen, die nicht mal wissen können, wie sie entstanden sind. Es geht einfach nur noch darum, die Kraft der Menschen in eine unmittelbar Schuld der Menschen zu stellen, die sie über ihre Geburt erwerben ↓(8). Solche Staatsverschuldung hat mit der Gegenwart nichts mehr zu tun, weil es der Geldwert selbst ist, der irreal geworden ist und also auch das Geld in dem Maß wertlos ist, mit dem die Schulden bezahlt werden. Leicht lässt sich eine Billion Schulden mit einem Schein ausgleichen, auf dem eine Billion drauf steht - auch wenn man dafür gerade mal eine Monatsmiete begleichen kann. Das kennen wird doch schon. Es ist der Trick, auf den der Staat schon jetzt spekuliert, wenn er seine Banknoten ausgibt. Allerdings hat der auch jetzt schon Folgen für die ganze weitere Entwicklung einer Staatsform, die auf einer repräsentativen Demokratie beruht. Diese wird Schritt um Schritt abgebaut, nur um die Schuldverpflichtungen aufrecht zu halten, damit der Geldwert nicht im freien Fall endet. Und sie hat dem nichts entgegenzustellen, eben weil sie nur repräsentativ ist.

Wir haben es ja auch in Europa schon mitbekommen, wie die sogenannte Beschlusslage sich gestaltet, wenn das Finanzsystem an seinen Fiktionen zusammenzubrechen droht. Einige Politiker ziehen sich zurück, wenn sie den Umfang der Verschuldung nicht mehr begreifen können, andere setzen alles durch, was eine Verschärfung der Preise, also eine schleichende Inflation nach sich zieht. Und selbst das Verfassungsgericht hat mit seinen vorsichtigen Vorbehalten gegen die Aufgabe staatlicher Souveränität durch den sogenannten Europäischen Sicherheitsmechanismus (ESM) letztlich dessen Gestaltung mit einigen Einwänden doch durchgewunken. Wie sonst sollte der Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern sein, wenn man diese Wirtschaftsform erhalten will? Und das transatlantische Freihandelsabkommen, das derzeit unter dem Kürzel TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) in der Mache ist und bereits im Oktober 2014 wirksam sein soll ↓(9), wäre schon ein deutlicher Schritt in eine Zukunft ohne Recht, wenn es realisiert wird. Es zeigt schon in seinem Entwurf auf, wie die Nationalstaaten verdingt werden und wie eine nationale Mitbestimmung auf dem Weltmarkt des Finanzhandels ausgeschlossen werden soll ↓(10). Der Münchner Literatur- und Sprachwissenschaftler Fritz Glunk beschrieb dies in der Süddeutsche Zeitung vom Freitag, den 05. Juli 2013, auf Seite 2:

"Anlässlich der in Kürze startenden zweiten Verhandlungsrunde zum geplanten EU-USA-Freihandelsabkommen (TTIP) weist ein neuer Bericht des internationalen „Seattle to Brussels“-Netzwerks (S2B) auf große Gefahren für Mensch, Umwelt und bestehende Rechtssysteme hin. Der Report „A Brave New Transatlantic Partnership“ beschreibt ausführlich, wie Firmen und ihre Lobbyverbände versuchen, mit Hilfe des Freihandelsabkommens wichtige Arbeits-, Gesundheits- und Umweltstandards, z.B. das europäische Vorsorgeprinzip auszuhöhlen

Das Abkommen schaffe Arbeitsplätze (angeblich 100.000 für die EU, das wären gerade mal 0,4 Prozent EU-Arbeitslose weniger als 2012). Und natürlich Wachstum. Da sagt der britische Premierminister David Cameron gleich zwei Prozent voraus. Erlogene Zahlen gehören heute zum politischen Geschäft. Nach offiziellen Studien, die auch die liberale Friedrich-Naumann-Stiftung zitiert, sind aber nur 0,27 bis 0,48 Prozent Wachstum zu erwarten. Um auch nur das zu erreichen, will man Handelshindernisse, Umweltauflagen etwa oder Bankenreglements, die als Protektionismus und Diskriminierung angesehen werden, abschaffen.

Der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind die sogenannten Schiedsgerichte. Sie gibt es in allen Freihandelsabkommen. Vor einem solchen Schiedsgericht kann der Investor gegen einen Staat wegen Benachteiligungen aller Art klagen; der umgekehrte Weg, Staat gegen Investor, ist nicht möglich. Der Investor kann schon klagen, wenn der 'volle Schutz' der Investition etwa durch neue Umweltgesetze nicht mehr garantiert ist. Die Verhandlungen vor dem Schiedsgericht sind geheim, wie die Bundesregierung erst neulich auf eine Anfrage der Grünen hin bestätigte.

Man muss wohl eigens darauf hinweisen: Hier hat sich kaum sichtbar ein paralleles Rechtssystem entwickelt. Auf den ersten Blick sieht es nach einem Verfahren in einem privatrechtlichen Streit aus. Das Urteil jedoch hat plötzlich öffentlich-rechtliche Wirkung: Es ist der öffentliche, mit Steuern finanzierte Haushalt, aus dem das Privatunternehmen die Entschädigung erhält. Eine Kontroll- oder Revisionsinstanz gibt es nicht. Mit anderen Worten: In einem Geheimprozess wird gegen den ahnungslosen Steuerzahler eine Strafe verhängt, ohne dass er weiß, wie sie zustande kam - eine perverse Public-Private-Partnership."

Es ist damit auch klar, worauf dieses Abkommen abzielt: Es soll die bestehenden Gesetze zur Bankenregulierung und zum Umweltschutz untergraben, damit der Finanzmarkt weiter entgrenzt werden kann. US-Firmen drängen inzwischen heftig nach Deutschland vor, wo sie sich als Konkurrenten mit Chinesischen und japanischen Investoren trifft. Hier sind nicht nur besonders wertvolle Immobilien zu erstehen, sondern auch hoch-technologische Industrieanlagen und vor allem ganz neu ersuchte Bodenschätze ↓(11). Das aktuelle Interesse an gekrackten Schiefer aus dem mithilfe von hochgiftigen Chemikalien Gas gewonnen werden und das nur durch brutalste Verschmutzung aufbereitet werden kann, findet in Deutschland reichliches Vorkommen. In Filmen auf ARTE und ARDinfo wurden bereits die verheerende Folgen der damit verbundenen Umweltzerstörung gezeigt. Man gibt sich hier noch kritisch. Der deutsche Pragmatismus wird aber dennoch nicht dauerhaft hiergegen ankommen, wenn es um den Geldwert geht. Frau Merkel hats schon vorgemacht und Frau Kraft kann ihr fast schon das Wasser reichen. Immerhin hat die schon die ersten Verträge zum Fracking in Nordrhein-Westfalen unterschrieben. Das wird viel Geld ins Land und eine ungeheuerliche Vergiftung ins Grundwasser spülen.

Das Ende der politischen Ökonomie sei der Beginn einer ökonomischen Politik!

Wir müssen begreifen, dass die Politik selbst sich dem Geldwert vollständig unterworfen hat und dies auch so sein muss, solange dieses für die Menschen wertlose Geld in der bisherigen Form zirkuliert. Es stellt nichts anderes dar als eine Existenzmacht, die nur den Besitzern von Geld dient, die inzwischen keinen Widerstand mehr aus der Industriearbeit zu befürchten haben, weil die schon weitgehend prekarisiert und von der Angst um die Arbeitsplätze beherrscht ist. Die Entwertung der Arbeit ist eben schon so weit fortgeschritten, wie die Technologie der Produktion entwickelt ist und einen Mehrwert erzeugt, der nur noch Finanzmacht darstellt. Die Finanzkapitalisten fürchten nur noch eines: Inflation. Um diese zu verhindern, setzen sie alles durch, was ihnen nötig erscheint. Eine alte Parole kursiert wieder mal als Schlagwort, das alles erschlägt, das darüber nachzudenken wäre: Wir sitzen alle in einem Boot. Und wer das nicht so sieht, wird zunehmend am Rand stehen oder sein eigenes Boot nach rechts rudern. Man wird den durchaus plausiblen Argumenten der Wortführer der inzwischen etwas umformulierten politischen Positionen auch zuneigen: Es ginge um unser wirtschaftliches Wohlergehen auf den Finanzmärkten schlechthin, um stabile Verwertungsverhältnisse, um die sogenannte "Sicherheit" der Arbeitsplätze und Löhne in Deutschland und um die Kaufkraft des Euro. - Oder vielleicht besser doch eine wieder erneuerte D-Mark?

Gegen den Neoliberalismus und Pragmatismus stellt sich das Bedürfnis nach einem staatlich regulierten Kapitalverhältnis ein, das durch die Steuerung der Investitionsströme Abhilfe für möglich hält, so, als ob der Staat das Verwertungsverhältnis des Geldes selbst bestimmen könne. Ja, Hitler hatte es bereits vorgemacht, wie durch Kreditaufnahme des Staates Arbeitsplätze geschaffen werden konnten - allerdings nur auf Kosten der Menschen, die mit den Ruten der Staatsgewalt bedacht wurden und auf Kosten einer Zukunft, die den fatalsten Krieg der Neuzeit zur Folge hatte. Noch etwas heimlich und mit überalterten Argumenten entsteht schon wieder ein neuer Nationalismus, der auf die Kraft der deutschen Wirtschaft vertraut, als ob gerade die nicht am meisten aus ihren Exportverhältnissen in die Eurozohne schon gerade durch ihren technologischen und finanzwirtschaftlichen Vorsprung am meisten profitieren würde. Es ist der moderne Populismus mit der Staatsverschuldung, die wie eine persönlich Pflicht dargestellt wird, die man zahlen muss wie seine Spielschulden vom letzten Skatabend. Es wird nur noch mit der Angst vor einer Zukunft argumentiert, die wie eine schwere Last auf den Gemütern liegt. Doch gerade die macht höchste Anpassung passabel. Sie formuliert nur, was unabänderlich scheint. Tatsächlich dient alles nur mehr der Funktionalisierung der Politik für einen Feudalkapitalismus, der sich nicht mal mehr als Diktatur darstellen muss, weil er auch schon im Geldbeutel des sogenannten "kleinen Mannes" nur noch Angst zu vermitteln hat, um gut zu funktionieren. Es sind wieder mal die Kleinbürger, die ihre heile Welt einfordern und von einer Geldwertstabilität, von der Gerechtigkeit des Geldes träumen, die es auf Dauer nicht wirklich geben kann. Der Hilferuf an Vater Staat hat das Übel immer nur verstärkt und den Durchsatz von Gewalt in alle sozialen Verhältnisse zur Folge. Und auch wenn Mutti Merkel das nicht will, so wird sie doch nichts anderes tun, als was die politische Ökonomie ihr abverlangt.

Wesentlich ist nicht das Geld, sondern die Macht, die Geld auf Leben und Lebenszeit hat, also die Verfügungsmacht überhaupt. Nicht nur die Angst, auch der Neid auf das Geld der Reichen ist ein schlechter Ratgeber. Er macht blind für die Politik, die dahinter steckt. Es ist daher besonders wichtig, das Bewusstsein hierauf zu konzentrieren und gegen die herrschenden Geldformationen überhaupt zu kämpfen. Dazu nötig ist ein Wissenschaftlicher Sozialismus, der die Argumentationen aufbereitet, zur Mediation der politischen Verhältnisse bereit ist und dort Gewissheit und kritisches Bewusstsein entwickelt. Und nötig ist eine Organisation mit der Perspektive eines gesellschaftlichen Zusammenwirkens, die diese Argumentation verbreiten und durchsetzen kann. Das können nur eine Organisation sein, die sich in den Verhältnissen der Menschen bilden oder schon gebildet haben, besonders eben Gewerkschaften und Betriebsgruppen, Interessensverbände und soziale Einrichtungen. Es muss nur klar sein, dass es in Wahrheit letztlich eben nicht um Geld geht, sondern um die Enteignung und Vergeudung von Leben, was ein ganze Gesellschaft auflösen kann. Die Entwertung des Geldes stellt diese Auflösung lediglich dar.

Es geht darum, den wahren Grund dieser Gesellschaft im wirklichen Leben der Menschen, in ihren unmittelbar praktischen Lebenszusammenhängen hier und heute zu entdecken, in ihren Kommunen zu finden und ein internationales Netzwerk der Wirtschaft, eine internationale Kommunalwirtschaft zu entwickeln, die nicht mehr zwangsläufig der politischen Ökonomie des Geldes gehorchen muss, sondern vor allem eine wirtschaftliche Politik mit einer Rätedemokratie durchsetzt. Um Geld wird man kämpfen müssen, solange es dieses gibt, auch um den Preis der Arbeitskraft und Mieten usw.. Aber nur wo sich dessen Unwirtschaftlichkeit als Resultat einer verückten Rechtsform herausstellen lässt, wird es überwindbar sein. Eine Organisation, die dies vertritt, wird in der Lage sein, sich den abstrakten Verdinglichungen der Verwertungsmacht zu widersetzen. Der politische Streik kann zu ihrem wesentliches Mittel werden, sodass ihr Ziel im Kampf gegen die Vereinzelung, im Kampf gegen die Macht des Privateigentums, im wirklichen Eigentum der Menschen aufgeht, das dem gesellschaftlichen Menschen und seiner Natur auch ihre Eigenheiten überantwortet. Es geht doch eigentlich nur um das, was Menschen gebildet und entwickelt haben und was ihr Leben auch in Zukunft sinnvoll sein lässt. Eigentlich sind wir doch schon längst auf den Weg dorthin. Wir müssen ihn nur richtig begehen.

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↑(1) Die repräsentative Demokratie ist derweil zu der Farce geworden, die mit ihrer Gründung auch schon angelegt war. Sie repräsentiert letztlich immer das, was notwendig für den Erhalt des Ganzen nötig erscheint, das Gemeinwohl einer Wirtschaft, die nur das Wohl des Geldes meinen kann, weil dies das einzige und wirklich Allgemeine der Marktwirtschaft ist. Natürlich ist es damit auch nur das Wohl der Geldbesitzer, um die es bei aller Politik letztlich geht, - diese Schatzbildner für eine Zukunft, die im Geldwert und seiner Stabilität das einzige Maß und Mittel hat und wodurch alle Aufwände für Leben und Arbeit bestimmt sind, das Verhältnis der Arbeitsplätze zu den Arbeitszeiten, das sich nur noch darin manifestiert, was jeweils wichtiger für das abstrakt Allgemeine der Geldverwertung erscheint. Mal ist es die Bedrohung durch Arbeitsplatzverlust, mal die Bedrohung durch Wertverlust einer Arbeit, deren Zeitdauer immer weniger dazu ausreicht, mit dem Lohn leben zu können, den sie erbringt.

↑(2) Letzte Woche wurde z.B. von einem Pharma-Konzern in den USA erstmals die Lizenz auf die Verwendung von menschlichen Genen rechtmäßig erworben. Mit ihnen können Genkorrekturen an schwachen Anlagen vorgenommen werden, also Veränderungen an der Genausstattung von Menschen, die kranke Erbanlagen haben. Deutlicher kann man es nicht zeigen: Es paart sich die Vernunft der herrschenden Gesundheitsvorstellungen aufs Innigste mit der Vernunft des Geldes, die dem Privatbesitz auf solche Realisierungen zugute kommt. Es ist ja eigentlich ein Geschäft wie jedes andere mit Lizenzen auf Gene. - Montsando kennt ja inzwischen ein jeder Mensch und weiß, was damit alles besonders dort angerichtet wird, wo die Produktion und Landwirtschaft nach Vorsprung in der Konkurrenz sucht oder auch nur mitkommen will, weil andere vorgesprungen sind. Es ist eine praktisch fast endlose Geldquelle und ein dem adäquates Betätigungsfeld für Genbastler und dem Handel mit deren Produkten. Mit der neuen Lizenz auf die Verwendung von menschlichen Genen betrifft dies auch den genetischen Pool des Menschen. Den Antrieb hierfür liefert die Not der einzelnen, die zu versagen drohen oder sich ausgeschlossen fühlen, wenn sie bestimmten Vorstellungen nicht genügen können. Von den Protagonisten dieser Industrie wird natürlich an die Vernunft appelliert, die doch daraus bestünde, dass jedem geholfen werden können und also auch geholfen werden muss. Die Medizin liefert immer ganz finale Argumente für die Heilkraft, wenn auch deren Anwendung fast ebenso final für die Menschen sein kann.

Aber wer würde da widersprechen wollen? Es ist eine simple Argumentation, die vor allem ihre eigenen Interessen verstecken, bzw. zu verpacken versteht. Diese folgen nicht dem, was sie vorstellen, nämlich eine Gesundheitsvorstellung, die man auch hinterfragen könnte, sondern der Logik der Konkurrenzverhältnisse in der Marktwirtschaft, die in diesem Zusammenhang wie selbstverständlich unterlegt ist und gerade deshalb auch nicht befragt werden kann. Es ist ein doppeltes Versteck, das alles ausschließt, was in seiner Allgemeinheit durch den Einzelfall erledigt gilt. Das Einzelne dient dem Allgemeinen, indem es dessen Zweck zu einer Abstraktion entstellt, es einem einfachen vernünftigen Prinzip der Hilfe überträgt, um die eigenen Erträge zu verschleiern.

Was aber damit hinterrücks entsteht, wird durch den allgemein gemachten Einzelfall seiner Wirklichkeit entzogen: Es ist die Grundlage für die Aufzucht eines idealtypischen Menschen, eines Menschen, der den Verhältnissen idealiter angepasst werden kann. Totalitärer können die Wirkungen einer Ideologie nicht sein. Auch das kenne wir schon. Aber auch das entspricht der herrschenden Vernunft: Wer sich nicht an den Markt anpassen kann, fällt einfach aus. Das ist ja mit dem Geld und dem Geldverdienen längst schon so.

↑(3) Was aber die Arbeit und den Fortschritt der Wirtschaft bestimmt, das ist die Produktivkraft und damit auch der Fortschritt der Technologie. Nach ihr richten sich die Werte, die auf dem Markt verhandelt werden, denn sie bestimmen die gesellschaftlich notwendige, die durchschnittliche Arbeitszeit der Menschen und damit auch den Wert, den ihre Arbeit hat, der in ihrem Lohn sich darstellt, also den Preis ihrer Arbeitsangebote ausmacht. Je höher eine Technologie im Vergleich zu anderer entwickelt ist, desto weniger Arbeitsaufwand erfordern ihre Produkte, desto weniger menschliche Arbeitszeit ist für ihre Herstellung nötig, desto weniger arbeitende Menschen werden benötigt und desto billiger kann ihr Preis sein. Aber für den Markt ist nur vernünftig, was möglichst teuer verkauft und möglichst billig eingekauft werden kann. Denn davon hängt die Sicherheit der Existenz in der Konkurrenz auf den Märkten ab. Es verlangt nach Wertwachstum, nach einem beständigen Mehrwert des Geldes, der schließlich das Wirtschaftswachstum bestimmt. Das bestimmt den Nutzen des Geldes gegen den Nutzen der Dinge, gegen ihre Gebrauchswerte. Was sie im einzelnen für die Menschen bedeuten, entziehen sie auf dem Markt in die Gleichgültigkeit der Sachen, wie sie dem Geldbesitzer erscheinen. Für ihn sind sie nur Wertdinge für sein persönliches Kalkül. Das treibt den Nutzen von den Menschen weg in den des Kapitals und der Finanzwirtschaft hinein. Und das treibt sonderbare Blüten.

↑(4) Tatsächlich war mit dem Geld eine erste Form von politischer Freiheit entstanden, als sich die Geldverhältnisse auf immer mehr Menschen ausdehnten und die persönlichen Abhängigkeiten der Sklavenhalter- und Feudalgesellschaften überwunden werden konnten. Doch es blieb eine Freiheit, die an den Besitz gebunden war, an die private Verfügungsmacht über gesellschaftliche Existenzialien, über Land und Boden, Sache und die Kraft von Menschen und Maschinen. Das Privatrecht auf die "Freiheit zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit" beruht damit auf einer Täuschung über allgemeinen Lebensbedingungen. Privatrecht und gesellschaftliche Pflicht stehen sich damit genau so gegenüber, wie sich Sinn und Nutzen widersprechen. Es ist das Recht, sich gesellschaftliche Produkte durch Geld anzueignen, das dadurch erworben ist, dass es von einem Geldbesitzer erworben wird, denn der verfügt über das einzige allgemeine Existenzmittel für das Leben der Menschen. Und er hat es erworben, indem er durch seine besondere Existenz in besonderer Konkurrenzlage oder manchmal auch durch Vererbung an eine besonders allgemeinen Nutzbarkeit gelangt war. Dieses besondere Allgemeine herrscht über die Allgemeinheit der einzelnen, indem es als Privatmacht in der Lage ist, ihren gesellschaftlichen Nutzen für sich anzueignen. der Enteignung.

"Herrschaft und Benutzung ist ein Begriff" (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 339). Das hatte schon Karl Marx so formuliert. Diese Herrschaft hat besonders die letzten drei Jahrhunderte bestimmt und ist heute inzwischen sogar fast schon abgelöst von der sachlichen Form des Privateigentums. Das Nutzungsrecht durch Privateigentum, die reine Lizenz auf die Nutzung gesellschaftlich notwendiger Lebensmittel und Ressourcen, auf Wasser, Energie, Versorgung, Wohnen, Verkehr usw. - auf Natur im Allgemeinen - werden selbst zunehmend privatisiert und den Geldbesitzern übereignet, die damit ihren Mehrwert aus den Löhnen der Menschen abpressen können, soweit diese noch irgendwie und unter irgendwelchen Umständen noch zahlungsfähig sind. Es waren die Wirtschaftskrisen der bürgerlichen Gesellschaft, die eine Konzentration auf diese letzte Kapitalform der Ausbeutung von menschlichem Leben, die Aneignung menschlicher Arbeitskraft durch die Bestimmung ihres zeitlichen Anteils im Leben der Mensch, vorangetrieben hatte. Der Fall der Profitrate in der realen Ökonomie hat sich in einem Finanzmarkt eines fiktiven Kapitals aufgelöst, der zunächst unendlich bestimmt zu sein scheint, weil und solange jeder Mensch in dieser Form diesem Eigentum von vorn herein mit seinem ganzen Leben pflichtschuldig geworden ist. Das Privatrecht auf die "freie Entfaltung der Persönlichkeit" hat sich im Allgemeinen zu einer Verpflichtung verkehrt, für diese Form der Lebensschuld zu bürgen, seine Lebenszeit zur Erdfüllung von Zahlungspflichten aufzuopfern, die mit seiner Wirklichkeit nur das eine zu tun haben: Dass er ohne sie nicht existieren kann. Sie stellen weder ein Produkt seiner Arbeit dar, noch kann er je in ihren Besitz gelangen, weil ihr Preis für ihn unerschwinglich ist, weil er nur für sich behalten kann, was er zu seinem Lebenserhalt nötig hat, und alles andere an Gebühren zur Nutzung von Privatbesitz abdrücken muss, die ihm per Privatrecht aufgezwungen sind.

↑(5) In den USA wird schon heute deutlich, was dann mit den Lebensressourcen und auch auf der politischen Bühne passiert: Der Staat wird zum Spielball der Entwertungsspirale. Er wirbelt im Kraftfeld einer Negativverwertung um die Achse der Gläubigermacht, die sich kaum noch entschleunigen lässt. Sie kann alles mit ihm machen, alles verlangen, weil sie das Maß und Mittel jedweder gesellschaftlichen Entwicklung geworden war und der Staat ihren Vorstellungen und Zwecken gebeugt ist. Und diese Gläubigermacht ist selbst in einer beständigen Aufholjagd um den Geldwert ihrer Kredite begriffen, weil sie hierfür auch Druck machen muss, um sich damit auch weiterhin Werte, sprich menschliche Arbeitszeit, aneignen zu können. Die Staatsfinanzierung kann daher auch wirklich in Frage stehen. Der Staat gerät an seine Grenzen, wenn seine Bürger nicht mehr bürgen können, nicht mehr ihre Mieten, Steuern und Gebühren bezahlen können, weil sie dann als Pfand nicht mehr angenommen werden und der Staat in dieselbe Situation gerät, die bisher nur arme Länder kannten: Er taugt nicht mehr als Garant für finanzielle Investitionen. Die Staatsverschuldung treibt ihn in den Abgrund, denn er hat die Folgen dieser Entwertung zu tragen - gerade dann, wenn seine Binnenwirtschaft durch ihren Ausverkauf am Boden liegt.

↑(6) Das Umweltinstitut München informiert auch über Pläne der EU-Kommissare Oettinger und Almunia, eine Subventionierung der Atomkraft in den künftigen EU-Beihilfe-Richtlinien zu verankern. Der Entwurf für diese EU-Beihilfe-Richtlinien soll im Herbst ausgehandelt werden.

↑(7) Von daher ist Merkel tatsächlich ihrer Zeit voraus, wie sie schon immer ihrer Zeit voraus war, wie ihr die Grundlagen ihrer Verhältnisse gleichgültig waren. Sie konnte in Moskau studieren, weil sie dorthin passte, sie konnte Wendepolitik machen, weil sie sich überall hinwenden konnte und sie wurde Kanzlerin, weil sie das auch jetzt noch kann und im letzten Augenblick immer wieder die Richtung zu ändern verstand. Sie selbst muss auch nichts von all dem verstehen, was diese Verhältnisse ausmacht. Sie muss sich nur von denen beraten lassen, die ihr die Währungs- und Finanzpolitik beibringen, durch die Probleme mit den Banken und Währungen handhabbar machen. Es sind eben die Probleme mit dem Geldwert, der auf der Wirtschaftsleistung der Staaten beruht, die immer abhängiger von ihren Gläubigern, den internationalen Finanzkapitalisten geworden sind.

↑(8) Und es sind die Rechten, die deren Prinzip radikal einfordern: Die Bezahlung für einen verlorenen Mehrwert, der in Staatsverschuldung angelegt ist, einem Wert, für den längst gearbeitet worden war und der jetzt im zweiten Durchgang nochmal finanziert werden soll. Und dafür wird nun viel Geld ausgegeben, das nichts anderes als heiße Luft ist, das aber durch Arbeit nochmal Wert schaffen soll, die nicht gebraucht wird, keinen Nutzen hat und nur Sinn zerstört. Es ist der Kreislauf der Sucht, der hier staatlich verordnet wird.

↑(9) "Ermöglicht werden die deutschen Billigimporte schon länger durch Freihandelsabkommen, die die Staaten Westafrikas zwingen, ihre Märkte für Produkte aus der Europäischen Union zu öffnen. Schon 2003 musste etwa Ghana den Schutzzoll auf Hähncheneinfuhren als Gegenleistung für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds drastisch mindern. Ein zwischen der EU und der ghanaischen Regierung 2007 geschlossenes "Economic Partnership Agreement" (EPA) geht sogar noch weiter. Danach ist das westafrikanische Land verpflichtet, die Zölle für über 80 Prozent der europäischen Importe bis spätestens 2023 auf Null zu senken. Umgekehrt konnte Deutschland einen weitreichenden "Schutz für Produktionsanlagen (und) geistiges Eigentum" sowie "Rechtssicherheit für Investitionen" durchsetzen (german-foreign-policy.com berichtete). Die eingeschlagene Strategie war offenbar erfolgreich: Hatten die deutschen Ausfuhren nach Ghana 2010 noch einen Wert von 208,5 Millionen Euro, lag dieser 2012 bei 328,5 Millionen Euro; dies entspricht einer Steigerung von mehr als 57 Prozent." (Fritz Glunk in der SZ vom 5.7.2013)

↑(10) Am 8. Juli 2013 begannen in Washington die geheimen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA. Es geht dabei um die weitere Liberalisierung des Handels, um die „Harmonisierung“ der Regulierungssysteme und mehr Schutz und Sonderrechte für Investoren.

Die geplante Handelsliberalisierung wird nach der bisher bekanntgewordenen Marschroute fast alle Lebensbereiche umfassen. Betroffen sind Bereiche wie Verbraucherschutz, Datenschutz, Sozialstandards, kommunale Beschaffung und kleinbäuerliche Landwirtschaft. Es ist zu befürchten, dass soziale, ökologische und gesundheitliche Standards in den EU-Ländern zu Gunsten des freien Handels, amerikanischer Investoren und des Imports amerikanischer Produkte ausgehebelt werden. Die nationalen Parlamente könnten in ihrer Autonomie eingeschränkt werden und dürften dann nicht mehr bestimmen, was der Wirtschaft erlaubt ist und was nicht: Investoren könnten künftig vor geheimen Schiedsgerichtsverfahren gegen ein Gastland klagen dürfen, wenn der „volle Schutz“ ihrer Investition durch neue Sozial- oder Umweltgesetze gefährdet ist.

↑(11) "Alle Bestimmungen der TTIP werden auf allen Regierungsebenen bindend sein, also für Bund, Länder und Gemeinden. Da fragt man sich: Hatten die Städte bei den Verhandlungen ein Wort mitzureden? Wissen sie, was da auf sie zukommt? Wissen sie, dass ihre kommunalen Wasserwerke in den Augen der TTIP-Verhandler Monopole sind? Die müssen natürlich abgeschafft und einem freien und gesunden Wettbewerb ausgesetzt werden. Wissen sie, dass eine kommunale Armutsbekämpfung durch Einkäufe in der Region die Diskriminierung ausländischer Investoren ist? Etwa 80 kanadische Städte weigern sich deshalb, das vergleichbare EU-Kanada-Abkommen für sich gelten zu lassen. Wissen sie, dass sie künftig alle Wasserschutzverordnungen vergessen können, weil diese womöglich die legitimen Gewinnerwartungen eines ausländischen Investors schmälern? Dass Umweltschutz-Einwände etwa gegen Fracking dann nur noch auf der Basis 'gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse' erlaubt sein werden und nicht etwa zur Abwendung einer möglichen Gefahr? Welche Rücklagen bilden die Städte für die zu erwartenden Prozesse vor den Schiedsgerichten?" (Fritz Glunk in der SZ vom 5.7.2013)