Wolfram Pfreundschuh (10.9.2010)

Die Verödung der Städte und Gemeinden

In Stuttgart sind die Bürger aller Klassen und Schichten gegen Bürgermeister und Stadtregierung aufgestanden, weil sie sich im Umfang der Entscheidung für den Umbau des Hauptbahnhofs und des Stuttgarter Kerngebiets hintergangen fühlen; in Duisburg verlangen sie den Abtritt ihres Oberbürgermeisters, weil der durch leichtfertige Erlaubnis einer ungesicherten aber einträglichen Veranstaltung eine Katastrophe ausgelöst hatte; und in Hamburg ist er schon gegangen, weil er sich nicht mehr in der Lage sah, seine politischen und kulturellen Vorstellungen zu verwirklichen und vor der Bevölkerung zu vertreten. In den Kommunen reißt eine Kluft zwischen Einwohner und Regierung auf, die immer tiefer geht, weil das Leben in den Kommunen der Belastung nicht folgen kann, welche die Finanzwirtschaft ihnen auferlegt. Kommunalpolitik ist einer Schuldenwirtschaft unterworfen, die sich immer mehr gegen die Bedürfnisse der Bevölkerung richten muss und im Teufelskreis der Verschuldungsspirale keine wirklichen Probleme mehr auflösen kann, es sei denn, die Verordnungen der Kommunen passen sich an die Interessen des Finanzkapitals an und vollstrecken als dessen Dienstleister, was sie als ihre "politische" Entscheidung ausgeben müssen. Der Umfang des Nötigen hat ihre Eigenmittel meist längst überschritten. Es herrscht Angst vor der Zukunft, welche durch Gigantomanie niedergerungen wird.

Man spürt es in der Taktik, Heimlichkeit und Massivität der Zukunftsentscheidungen, die sich immer mehr an den Vorstellungen einer profitträchtigen Zukunft ausrichten. In Stuttgart zum Beispiel wurde schon lange geplant an einem Umbau des Hauptbahnhofs. Der Umfang des Eingriffs in die gesamte Stadtstruktur und Finanzbelastung wurde aber immer verharmlost, bis es zu spät war für eine Durchsichtigkeit der Zumutungen. Das hatten dann die Bürgerinnen und Bürger erst gemerkt, als Tatsachen geschaffen worden waren. Sie fühlten sich betrogen. Und in diese Erfahrung mischte sich die allgemeine politische Entwicklung zum Gesamtverständnis einer Entrechtung bürgerlicher Einflußnahme. Die nämlich soll möglichst „unter den Tisch fallen“ - nicht so augenfällig, eher nur so nach und nach. Man hatte politisch korrekt gehandelt, nur nicht deutlich genug. Das ist auch eine Methode, die Betroffenen „hinters Licht“ zu führen. Jetzt war ihnen das klar geworden, als herauskam, dass der gesamte Bahnhofsbereich zu einem gigantischen Immobilienprojekt der Hochfinanz werden soll und dass der Stuttgarter Schloßpark 280 seiner alten Bäume verlieren wird und auf fast ein Jahrzehnt nicht mehr zu begehen ist. Das ist auch eine Art von Privatisierung, während die Aufwände hierfür vollständig von der Gesellschaft getragen werden müssen. Die Unsummen von immerhin öffentlich eingestandenen 4 Milliarden Euro Kosten, die wahrscheinlich auf 8 oder sogar 11 Milliarden anwachsen werden, machen sofort klar, dass ihr Steuergeld nur noch in eine Richtung fließen kann, in die der Großprojekte einer Metropole, deren politische Führung darin die einzige Chance für eine ungewisse Zukunft sieht. Das alles lässt sich mit wirtschaftlichem Ausgleich durch eine absehbare Rentabilität nicht mehr belegen. Das wissen die Gutachter und Finanzberater und Politiker sehr genau. Sie sagen das sogar schon so und verweisen auf die Notwendigkeiten einer sogenannten Zukunftsgestaltung, eben auf die Interessen einer vom Finanzkapital bestimmten Stadtplanung.

Und das ist nicht nur in Stuttgart so. Es hat ein bisher beispielloses Spiel auf Risiko begonnen, das alle Lebenssubstanzen betrifft. Dass das in den Konzernen geläufig ist, wusste man schon, und nimmt es auch immer wieder wahr, z.B. wenn man das Betreiben der Bohrinsel von BP im Golf von Mexiko sich vor Augen hält, bei der die wichtigsten Sicherheitsvorkehrungen gegen Ölaustritt ausgeschaltet waren, um die Ölförderung leicht gängig zu halten und zu beschleunigen. Dass das aber jetzt direkt vor der Haustür stattfindet, hat viele neu erschreckt. Im Prinzip hat sich eine geradezu abenteuerliche „Risikoabwägung“ auf alle politische Ebenen übertragen und zeigt Resultate.

Das Risiko trifft natürlich nicht die Politik und nicht das Kapital, sondern die Menschen. In Duisburg hat es sich schon mal vernichtend aufgelöst: 21 Teilnehmer an der „Love-Parade“ mussten sterben, weil die Stadtregierung diese Veranstaltung „auf Teufel komm raus“ durchziehen wollte, für deren Ausmaß ihr die Mittel und Sicherheiten fehlten. Auf jeden Fall bringt sie dieser Stadt des Ruhrgebiets, die verarmt ist und finanziell nicht mehr vorankommt, hohe Profite und Steuereinnahmen und sollte eigentlich auch für ein kulturell gepflegtes Image sorgen. Da dürfen auch mal die Sicherheitsbestimmungen außer Kraft gesetzt werden. Und so wurde eine Veranstaltung genehmigt, für die es lediglich ein Gelände gab, das gerade mal 250.000 Menschen fassen könnte. Es wurde mehr als doppelt überbelegt und es kam zur Katastrophe, weil niemand begreifen durfte, dass die Veranstaltung völlig überzogen war und der Zulauf von vorne herein professionell zu beschränken gewesen wäre. Das aber hätte das Projekt selbst unmittelbar in Frage gestellt.

Es sind nicht nur die Großprojekte, welche das öffentliche Gut verarmen lassen. Armut grassiert inzwischen in vielen Kommunen schon allein durch die Minderung der Einnahmen bei wachsenden Ausgaben in den sozialen Selbsterhalt. Das verlangt Verzichte und Notverordnungen und Provisorien. Nicht nur Theater, Schwimmbäder und Museen werden geschlossen. Auch Altenheime, Kitas und Schulen werden nicht mehr so versorgt, wie es geboten ist. Feuerwehrleute und städtische Dienstleister können oft nicht mehr adäquat entlohnt werden und vielerorts steht längst der Konkurs der Kommune auf der Tagesordnung. In kleineren Gemeinden leisten vielfach die Bürger neben ihrem Beruf noch freiwillige Arbeit für die dringendsten Erfordernisse der Gemeinde.

Nicht so arm ist die Hansestadt Hamburg, der es eher an Zukunftsperspektiven gebricht. Ihre Wirtschaft fokussiert sich in ihrem Hafen und die Schifffahrt. Hier hat die Produktivität der Lastarbeitsmaschinen, die Automation des Transportwesens und die Konkurrenz der Werftarbeit mit Ostasien in kurzer Zeit die gesamte Infrastruktur der Arbeit auf den Kopf gestellt. Seit den 90ger Jahren ist die Stadt bemüht, dies durch Produktionen von Kultur und Medien auszugleichen. Ihr Design als Kulturmetropole sollte mit der Architektur der Elb-Philharmonie als Wahrzeichen aufgerichtet werden. Doch der ästhetische und fiskalische Größenwahnsinn, zu dem dies geworden ist, hat die Hamburger Bürgerschaft um ihre Zukunft bangen lassen und gegen die Stadtoberen eingenommen. Misstrauen gegen die Pläne zur Stadtentwicklung ist angebracht.

Ob arm oder reich: Die Städte haben fast alle dasselbe Problem mit ihrer Stadtentwicklung, das sich inzwischen im Kreis dreht, weil ihre Zukunft als Wohnstätten von Menschen nicht mehr bewirtschaftet werden kann, wenn und solange sie von der Verfügungsmacht des Geldbesitzes großer Finanzspekulanten abhängig sind. Wenn ihre Wirtschaft keine Produkte für den Export erbringen kann, wenn sie also nicht über den Exporthandel hinreichend viel Wert importiert, reicht sie nicht mehr aus, um das nötige Geld zu verdienen, mit denen die Infrastrukturen und Sozialverträge auf Dauer zu erhalten sind. Sie werden dann selbst zu Objekten der Finanzspekulation und müssen sich auch also solche reproduzieren. Und weil zuviel Geld auf den Finanzmärkten ist, die den hießigen Geldwert der Selbsterhaltung bedrängen, wird der internationale Geldwert zur Bedrängung jeder Realwirtschaft. Selbsterhaltung verliert ihre Grundlagen aus dem Arbeitsprozess und wird zur Belastung, die oft nur durch Verschuldung getragen werden kann. So wie der Staat das Problem mit der Finanzierung der Infrastrukturen hat, weil zugleich immer größere Anforderungen an ihn gestellt werden, geht es auch den Städten, die nicht mehr wissen können, ob morgen noch das weiterführt, was gestern noch das Nonplusultra der Stadtentwicklung war. Obwohl es mehr als genug Geld in den Händen der Banken und Spekulanten gibt, herrscht im Land und seinen Kommunen große Sorge um den Bestand ihrer Lebensgrundlagen. Es geht nicht einfach nur um Geld, sondern um das wachsende Problem mit den Wirtschaftskreisläufen, die es verdienen und erhalten sollten. Es herrscht eine substanzielle Armut schlechthin, die aus dem Reichtum an Geld resultiert, das nicht mehr produktiv investiert werden will, weil die Spekulation durch Geldbesitz unmittelbar ertragreicher zu sein scheint, die über den Finanzmarkt um die Welt kreist. Hierüber haben wir in der letzten Sendung berichtet (siehe „Wie und warum sich das globale Kapital zum Feudalkapitalismus entwickelt hat“). (1)

Die Verarmung der Kommunen

Kapital beherrscht die Lebensverhältnisse durch die Rendite seines Geldwerts. Und die beruht immer weniger auf langfristigen industriellen Projekten als auf der augenblicklichen Chance einer Verwertbarkeit, auch wenn sie schon bald ausgeschöpft ist. Das Kapital flüchtet von einem abgewerteten Ort zu dem, wodurch es sich aufwerten kann. Es strebt dorthin, wo ihm noch Wertsubstanz verfügbar scheint, wo Lebensstrukturen herrschen, in welchen die Menschen den Wert ihrer Arbeit noch vollständig umsetzen und damit auch bezahlen können. Es springt von Ort zu Ort und bezieht aus den räumlichen Bedingungen seiner Verwertbarkeit den Lebenssaft seiner Machtentfaltung, - und dieser besteht nicht nur aus angeeigneter Arbeitskraft, sondern letztlich aus der Rendite durch Grund und Boden, worein die Arbeitsleute einen beträchtlichen Wertanteil ihrer Lebensgrundlagen verausgaben, das in sie verausgabte variable Kapital rückvermitteln. Wo Kapital noch funktioniert, wo es also verwertbar ist, ist auch der Wohn- und Geschäftsraum teuer. Wo es sich auflöst, ist er fast überflüssig. In München herrscht Wohnungsnot, in Leipzig stehen ganze Gründerzeitquartiere leer, in Chemnitz werden sie schon abgerissen. Leerstand von Wohnraum auf der einen Seite und Mangel auf der anderen offenbaren den Gegensatz von Reichtum und Armut an Kapital im praktischen Leben und Lebensraum der Menschen. Das Kapital zieht immer die Armen an, die es durch die Verwertung ihrer Arbeit und ihrer Lebensgrundlagen zugleich auch produziert. Sie ziehen ihm nach in die Städte, auf die Baustellen und Fabriken und auf die Märkte, wo es noch irgendein Einkommen zum Auskommen gibt. Kapital besteht aus der Aneignung von Lebensarbeitszeit und sucht diese überall auszupressen, wo Menschen gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zum Wert ihres bloßen Selbsterhalt zu verkaufen und zugleich unbezahlte Arbeit dem zu überlassen, der die Macht über ihre Verfügung hat. Das Kapital bestimmt nicht nur den Ort der Produktion, sondern auch die Mobilität der arbeitenden Menschen überhaupt. Dem wird alles geopfert, was wirklich zum Leben gehört, vor allem auch die Ansässigkeit des eigenen Lebensraums. Von daher variiert auch der Wert der Lebenräume. Was die kapitalisierte Arbeit in ihrer Zeit verwertet, das muss sie im Raum entwerten. Das ist schon im 19. Jahrhundert klar gewesen als Marx in den Grundrissen über die Logik der kapitalistischen Produktivkraft schrieb:

„Während das Kapital also einerseits dahin streben muss, jede örtliche Schranke des Verkehrs ... niederzureißen, die ganze Erde als seinen Markt zu erobern, strebt es andererseits danach, den Raum zu vernichten durch die Zeit; d. h. die Zeit, die die Bewegung von einem Ort zum anderen kostet, auf ein Minimum zu reduzieren. ... Die universelle Tendenz des Kapitals erscheint hier, die es von allen früheren Produktionsweisen unterscheidet." (K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 445)

Das globale Kapital hat dies lediglich auf die Spitze getrieben: Es gibt keinen Ort der Welt mehr, der nicht für kurzfristige Auszehrung geeignet ist, um dem Kapital Wert zuzuführen, wo Armut herrscht, die alles gibt, um überleben zu können. Die Armut, die es damit zugleich erzeugt und verschärft hilft ihm dann auch über den eigenen Wertverfall hinweg, den es in seinen Krisen durchmacht, wenn es zuviel Produkte hat, die nicht mehr absetzbar sind oder zuviel Kredite vergeben hat, die sich nicht einbringen lassen. Armut erzeugt den Überfluss, der zeitweise immer wieder vernichtet wird, damit das Kapital seinen Wert behält. Seine Produktivität, also die Produktivität einer reinen Mehrwertproduktion und Umsatzbeschleunigung beherrscht den Globus, während die Lebensgrundlagen der Kommunen, ihr gesellschaftliches Vermögen an Arbeit und Infrastruktur dem Finanzkapital fast lückenlos unterworfen werden.

Kapital ist flüchtig und die Menschen müssen ihm folgen. Früher war es die reine Landflucht, als die Landwirtschaft relativ unproduktiv wurde; heute ist es die Wanderarbeit selbst, die globale Bewegung der Wanderarbeiter, auch der Pendler innerhalb der Nationen. Die Nationen unterliegen selbst dieser Bewegung, entvölkern und bevölkern sich nach der Maßgabe der Kapitalbewegung. Die Existenz arbeitender Menschen ist vereinzelter denn je, ihr Gemeinwesen als ihr Lebensraum verkommen. Und dennoch muss es funktionieren; es muss sie heranbilden, arbeitsfähig machen und ihnen eine Sicherheit bieten, auch wenn diese nicht mehr wirklich vorhanden und nicht mehr finanzierbar ist. Letztlich müssen die Kommunen die Heranbildung und Sicherung der Menschen gewährleisten, ob sie das können oder nicht, - dann eben durch Kreditaufnahme. So fordert es der Staat und die Gesetze und das Kapital lebt davon. Je mehr Kredite es vergibt, desto mächtiger wird es. Der Mehrwert, vergangene, tote Arbeit beherrscht alles Lebende. (5)

Die monetäre Verarmung der Kommunen beruht ganz allgemein auf einer simplen Diskrepanz von gesetzlich verordneten Leistungen und schwindenden Einnahmen aus Steuergeldern. Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude hat dies angesichts der gesetzlichen Garantie auf einen Kita-Platz für jedes Kind so formuliert: Es ist ähnlich, als würde man allen Menschen einen Arbeitsplatz garantieren und die Städte hätten ihn dann zu finanzieren, ohne entsprechende Einnahmen machen zu können. Den größten Teil der Sozialleistungen haben sie zu erbringen und was inzwischen immer schwerer wiegt: auch die Mietkosten für Harz-IV-Empfänger (6). Und solche Beträge können sie nur tragen, wenn sie genügend Steuereinnahmen haben. Deshalb müssen sie alles geschehen lassen, was große Unternehmungen anreizt, sich dort nieder zu lassen. Ganze Wohnblocks werden an Immobilienkonzerne oder Privat-Equity-Firmen verschachert, um ihnen den Weg zur Ausbeutung der Wohnungsnot frei zu machen (siehe hierzu „Systematische Entmietung - wie das Privat-Equity-Kapital den Wohnungsmarkt abgrast“). Wie von selbst ergibt sich auf gleiche Weise die Bereitstellung der Atommeiler und Endlagerstätten und Wasserquellen und Straßen und Bahnen und Kommunikationswege. Es gibt fast nichts, was lokal nicht der staatlichen und kommunalen Verschuldung wegen geopfert wird, was nicht feudalisierbar ist, nichts, was das internationale Finanzkapital aus der zunehmenden Existenznot der Kommunen durch Aneignung an Infrastrukturen herausholen könnte, um sich darin zu verfestigen und zu bestärken.

Privat-Equity-Firmen bestimmen die Immobilienpreise, treiben die Mietspiegel insgesamt in die Höhe und ziehen horrende Mieten aus dem Lohn der Bevölkerung, in München z.B. längst mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Nettoeinkommens. Um den Druck zu verschärfen lässt man Wohnraum lieber für eine Weile leer stehen, als die Mieten zu reduzieren. Leasingfirmen haben den Städten, denen Einnahmen fehlen, ihre Müllabfuhren oder städtische Verkehrsmittel abgekauft, um sie dann zu höheren Laufkosten wieder zu erschwinglichen Beträgen aber auf Dauer teuer zu verleasen. Überall ist Geld mit Armut zu machen, weil dort das Diktat der Not die maßgebliche Gewalt ist. Und das verschärft wiederum die Armut, weil es die lokalen Infrastrukturen der Selbsterhaltung ausbluten lässt.

Der Reichtum einer Exportnation und die Armut ihres inneren Lebenszusammenhangs

Die existenziellen, sozialen und zwischenmenschlichen Probleme der Menschen sind die Erscheinungsformen einer Bedrohung und Zerstörung ihrer gesellschaftlichen Lebensgrundlagen. Arbeitslosigkeit, Insolvenz, psychische Krankheiten und radikale Vereinsamungen haben in den letzten 30 Jahren eklatant zugenommen. Es ist nicht nur der allgemeine Lebensstandard der Menschen gesunken, sondern auch ihr innerer Lebenszusammenhang verarmt. Die Armut der Kommunen hat viele Gesichter. Aber alle Armutsphänomene sind in ihrem Kern an einer Stelle gleich: Sie lassen sich auf das Wohnen in der Stadt und Gemeinde reduzieren, auf die Möglichkeit, sich mit den hier erreichbaren Mitteln am Leben zu erhalten und Leben zu entfalten, Kranke und Alte zu pflegen und Kinder zu gebären. Alle Konflikte, welche aus den wirtschaftlichen Widersprüchen des Kapitalismus unter den Menschen selbst entstehen, tragen sich in den Städten und Gemeinden im sozialen und familiären Leben der Menschen zu. Hier sind sie nicht einfach nur Geldprobleme. Z.B. ist Arbeitslosigkeit nicht einfach nur ein Problem der Geldbeschaffung, sondern vor allem auch eines der gesellschaftlichen Aussonderung und Verarmung der Alltagswirklichkeit.

Soziale und psychische Konflikte entstehen nicht unmittelbar durch rein quantitative Verteilungsungerechtigkeiten des Geldes, sondern auf der Basis gegensätzlicher Lebensgrundlagen, in welche die Menschen durch ihre wirtschaftlichen Lebensbedingungen qualitativ gestellt sind. In ihrer individuellen Geschichte erwerben sie sich je nach Herkunft und Vermögen in den Bildungsstätten der Kommunen ihre sozialen Positionen, die ihr weiteres Leben bestimmen. Ihr Wohnlage ist zugleich ihr Stigma oder Hoheitszeichen des sozialen Status; ihre geistige Differenzierung resultiert aus der Lebensvielfalt ihrer sozialen Beziehungen, Freundschaften und Niederlagen; ihre Selbstentfaltung gründet auf den Perspektiven und Verfügbarkeiten ihres unmittelbaren gesellschaftlichen Lebensraums.

Umgekehrt ist dieser Lebensraum nicht nur Grundlage, sondern auch Resultat der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die großen gesellschaftlichen Entwicklungen treffen sich hier auch im kleinen. Das hatte der französische Soziologe und Philosoph Henri Lefèbvre bereits in den 60ger Jahren zum Gegenstand seiner Überlegungen gemacht. Raum ist für ihn immer "ein soziales Produkt", eine komplexe soziale Situation, die räumliche Praxis und Wahrnehmungen beeinflusst. Zugleich ist dieser Raum "auch ein Mittel der Kontrolle und damit von Herrschaft, von Macht". Gesellschaftliche Konflikte sind hier unmittelbar auch persönliche, treten hier auf als Selbstmächtigung oder Verteidigungslinien der Selbstbestimmung und Klassenlage. Die Kommune ist zum Wohnraum der Sozialkonflikte geworden.

Dieser ist heute schwer beschädigt. Infolge hoher Mieten und verringertem Lebensstandard geht das Sozialgefüge ganzer Stadtviertel zugrunde. Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel und ein hoher Anteil von Migranten, die als kulturelle Feinde wahrgenommen werden, ergeben eine gefährliche Mischung – nicht, weil hier einander fremde Kulturen aufeinanderträfen, sondern weil die undurchschaubar gewordene wirtschaftliche Entwicklung auf eine mentale Gegnerschaft hin kulturalisiert wird. Städte drohen auseinander zu brechen. Besonders in ehemaligen Industriegebieten, die jetzt als Ruinen eines vergangenen Wohlstands erscheinen. Die Städte veröden in ihrem Kerngebiet und das Kapital zieht sich über kurz oder lang von dort zurück, weil es dort auch seinen Nährboden verliert. Es verlässt seine vormalige Einnahmequelle nach dem Prinzip der verbrannten Erde, um neues Gebiet zu erobern, das ihm noch Ressourcen zu bieten hat. Es ist ein Teufelskreis der Verelendung und Abwanderung.

Während das Kapital sich an großen Technologie-Exporten bereichert und sich hohe Mehrwertraten durch die Ausbeutung von Billigarbeit in den Ländern der Dritten Welt sichert, droht den Menschen hierzulande der Verlust an Lebensperspektive und Lebenszusammenhang. Vor allem in der jungen Generation wird dies glasklar wahrgenommen. Ein großer Teil der Jugend befindet sich schon im Abseits, ist oft ohne Arbeit und ohne gesellschaftlichen Ort, ohne Treffpunkt und Chance auf Veränderung. Die Banlieus der Metropolen sind auch in Deutschland am Entstehen, in Mülheim bei Köln (2), in Duisburg oder Wuppertal oder anderswo.

Die Kulturalisierung des Stadtlebens (Gentrifizierung)

Allein schon um die Mieteinnahmen zu erhöhen, hatte sich in den Städten eine Veredelung von Wohnbereichen ergeben, in denen sich nur noch die Menschen mit stabilem Einkommen aufhalten konnten und die wirtschaftlich Instabilen in ärmere Wohngegenden, zunehmend in den Stadtrand wegsortiert wurden. Wer Geld hatte oder beibringen konnte und Wohnungsbesitzer war, der versuchte es natürlich so zu investieren, dass ihm höhere Mieteinnahmen ermöglicht wurden. Es wurde „modernisiert“ und verschönt, damit der Preis sich durch das verbesserte Design auch steigern ließ. Hinzu kam die Wertsteigerung durch die verbesserte Markt- und Verkehrslage, die solche Aufbesserung mit sich brachte. Mieteinnahmen machten das gewöhnliche Monopoly der Wohnungs-, Haus- und Grundbesitzer. Es war immer in ihrem Interesse, Wohnraum zu veredeln und durch Zukäufe zu erweitern.

Geld hierfür war im nötigen Umfang aber meist nur über Kredite zu bekommen und deren Risiko wurde von den Banken durch Haus- und Grundbesitz des Schuldners abgedeckt. Im Verlauf der Globalisierung wurden mit den Krise des produktiven Kapitals in den letzten beiden Jahrzehnten für das Finanzkapital Investitionen in die Produktion immer riskanter, immer sicherer jedoch die Verwertung des Immobilienbestands (siehe letzte Sendung "Wie und warum sich das globale Kapital zum Feudalkapitalismus entwickelt hat"). Dies spaltete das Kreditwesen zwischen Immobilienbesicherung und Investition in eine Produktionsrendite auf. Dadurch wurde die Immobilie, die als Grundredite bewertet wurde, extrem wertvoll. Immer größere Summen flossen in den Neubau von Immobilien und in die Aufbesserung des Immobiliendesigns und ganze Stadtteile wurden vornehmlich durch begüterte Yuppies bevölkert, also junge Karrieristen, die es sich leisten konnten, städtisches Wohnen ganz in ihrem intimsten Interesse zu gestalten. Erlebnissucht bestimmte das Stadtbild dieser Gegenden, wohingegen ärmere Stadtbereiche zunehmend verödeten. Die Vereinseitigung der Stadtkulturen ist für das Leben in der Stadt nicht unbedingt förderlich, weil die damit aufgebrochenen Konflikte in der Polarisierung zwischen Elitekultur und Armengetto die Stadtentwicklung immer weiter in einem Status Quo verfestigten, der sie lähmt und verödet. Stadtsoziologen nennen das Gentrifizierung. (3) Es ist ein soziologischer Begriff, der zur Beschreibung der Stadtentwicklung in allen Metropolen passt. Zur Umwandlung des Glockenbachviertels in München z.B. schrieb die Süddeutsche Zeitung vom 30. Juli:

„Es ist abzusehen, dass die Reichen und Kinderlosen irgendwann unter sich bleiben. "Man wird durch die Stadt gehen können", prophezeit der Stadtsoziologe Jens Dangschat von der TU Wien, "ohne über Armut und Integrationsprobleme jemals nachzudenken." Doch lag der Reiz des Urbanen nicht gerade im Zusammentreffen verschiedener Schichten und Lebensentwürfe? "Willkommen im Viertel, ihr Arschlöcher", verkünden Aufkleber in der Isarvorstadt. Oder: "Mir gärtnerplatzt der Kragen". Eine Anti-Gentrifizierungs-Bewegung, wie sie bei der Besetzung des Gängeviertels in Hamburg sichtbar wurde, oder Solidaritätsaktionen nach dem Muster der in Berliner Kiezen organisierten Mietstreiks findet man in München kaum. Zumal die politischen Verantwortlichkeiten kaum durchschaubar sind. Stadtsoziologen denken deshalb längst über Eingriffe der Kommunen in den freien Markt nach: Gentrifizierung sei immer von Städtebaufördermitteln und Steuererleichterungen angekurbelt worden. Warum also sollten nicht auch gesetzliche Regulative ihre Auswüchse bekämpfen?" Wenn es nicht zu einer Polarisierung der Gesellschaft kommen soll", sagt Dangschat, "muss die Stadt einen sozialen Ausgleich zwischen den auseinanderdriftenden Quartieren schaffen." Das für seine mieterfreundliche Politik bekannte Münchner Rathaus allerdings stößt hier an Grenzen. Das Gemeinwohl steht gegen die Freiheit des Eigentums. Und Renditehaie kennen die Gesetzeslücken.“ (SZ vom 30.7.2010) (4)

Was die Gentrifizierung betrifft, so ist man damit im Norden Deutschlands schon auf einer höheren Stufe angelangt. Dort wird eine modernere Version der Stadtverödung in einem strategischen Umfang betrieben, der administrativ durchgesetzt wird. Was man mit Geld am Dilemma der Städte verschönern konnte, war ja gelegentlich bereitwillig getan. Inzwischen geht es um den allgemein beklagten Verlust ihrer Urbanität, wie er sich aus den verschärften wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben hat. In Ost- und Norddeutschland und im Ruhrgebiet war in den letzten 7 Jahren eine rege Bemühung um Stadterneuerung entstanden, die unter dem Markenzeichen einer „Internationalen Bauausstellung“ (IBA) sich gegen Abwanderung, Überalterung und Leerstand wenden wollte. Es wurden zusätzliche Gelder aus dem Topf der Städtebauförderung des Bundesbauministeriums frei gegeben und mit Beiträgen aus der mittelständigen Wirtschaft aufgepäppelt. Man will im größeren Maßstab die Unternehmen anziehen, indem die Vereinseitigung des Stadtbilds durch die rein wirtschaftlichen Interessen mit Kultur und Kunst camoufliert werden, so dass auch neue wirtschaftliche Perspektiven, z.B. für den Tourismus und Kultur eröffnet werden können. Es handelt sich bei der IBA nicht nur um eine Ausstellung im herkömmlichen Sinn, sondern auch selbst schon um ein Bauprojekt, ein Zukunftslabor, das auch schon städtische Umgestaltung mit sich bringt. Es liest sich im Prospekt der IBA ganz großartig und „bürgernah“:

„Hier werden nicht nur Gebäude ausgestellt. Statt dessen wird live geforscht und entwickelt. Wie in einem Labor. Nur dass das Labor ein ganzer Teil der Stadt ist und die Forschungsergebnisse gebaute Wirklichkeit werden. Im Fall der IBA Hamburg sind es die Elbinseln zwischen der HafenCity und Harburg. Der Forschungsauftrag lautet – wie immer bei den bisher acht IBAs: Die Stadt der Zukunft entwickeln. Wie und wo wohnen, arbeiten, lernen und bewegen wir uns in 20 Jahren? Wie lösen wir unsere großen Probleme, wie den Klimawandel?“

Fiktionen sollen nun über die Grundlagen der wirklichen Entwicklung hinwegtäuschen. In 19 ostdeutschen Städten, in 120 Standorten in Nordrhein-Westfalen wurde an der Zukunft der Städte gebastelt, - so wie sie eben in den Köpfen von Soziologen, Psychologen und Kulturwissenschaftler entsteht und so, wie sie für die interessierte Bevölkerung reizvoll erscheinen könnte. Da wird dann in die lokale Vorstellungswelt investiert: Im Osten werden die Reize eigener Geschichte hervorgeholt, um diese als eigene Kultur zu bebildern, pädagogisch zu vermitteln und zu verkaufen; das Ruhrgebiet wurde zu einem Museum der Industriekultur umgebaut, das zugleich bewohnbar ist; in Hamburg-Wilhelmsburg und Veddel wurde ein Stadtteil der armen Leute entdeckt, ursprüngliche Wohnstätte von Hafenarbeiter und Randständigen, die bisher wegen ihrer Verkehrslage noch nicht so richtig gentrifiziert worden war. Mit der anstehenden Internationalen Gartenschau (IGA) 2013 lässt sich das jedoch ändern. Es bietet sich hier ein ganz eigenes Material städtischer Kulturalisierung, weil dieses Viertel mit Bundesmitteln nun auch verkehrstechnisch neu erschlossen werden kann - und vor allem zukunftsgerecht und Umwelt schonend, wie man versichert. Dafür wurden schon erst mal „mehrere tausend Bäume in der Wilhelmsburger Mitte gefällt“ („Erklärung zur Eröffnung des IBA-Docks“) . Hernach wird dann ausgiebig dargelegt, wie sehr sich IBA und IGA um Klimaschutz bemühen wollen. Aber die soziale Lage der Bewohner wird sich dadurch nicht verbessern. Im Gegenteil. Darauf hatten die Aktivistinnen und Aktivisten des „Arbeitskreises Umstrukturierung Wilhelmsburg und Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg (Veddel)“ in ihrer „Erklärung zur Eröffnung des IBA-Docks“ hingewiesen :

„Nach Auskunft des Statistikamts Nord leben auf der Veddel rund 5.000 Menschen, davon sind fast 30% auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Das Jahreseinkommen der Erwerbstätigen liegt bei rund der Hälfte des Hamburger Durchschnitts. Über die Hälfte der Menschen auf der Veddel sind nicht im Besitze einer deutschen Staatsbürgerschaft und damit in rechtlicher und sozialer Hinsicht besonders benachteiligt. 2009 gab es auf der Veddel 414 Sozialwohnungen, ein im Hamburger Vergleich überdurchschnittlicher Anteil. 2014 wird die Sozialbindung aller dieser Wohnungen verschwunden sein. Wenn also nichts geschieht, wird es keine Sozialwohnungen mehr geben. Neu gebaute Wohnungen auf der Veddel im Jahre 2009: Null. Dabei ist die Veddel nur ein Beispiel für vergleichbare andere Quartiere auf den Elbinseln. So fallen auch im Stadtteil Wilhelmsburg bis 2014 von jetzt 6.617 Sozialwohnungen 5.146 aus der Sozialbindung.“ (aus dem Flyer „Erklärung zur Eröffnung des IBA-Docks“)

Widerstand in den Kommunen

Es gibt bereits viele Menschen und Gruppen, die erkannt haben, dass das kommunale Geschehen im Fokus der globalen Ausbeutung der Lebensstrukturen steht und dass Widerstand vor allem von hier nötig und sinnvoll ist, weil vor allem in den Kommunen alle Momente des globalen Kapitals wirklich und wirksam zusammentreffen. Die Konzentration auf die kommunale Lebenswirklichkeit entwerteter Arbeitsverhältnisse, auf Lohndumping, Arbeitslosigkeit und Plünderung durch Miete und Auflösung der Infrastrukturen hat daher auch eine zentrale Stellung im Widerstand gegen den globalen Kapitalismus. Hier fällt Sein und Bewusstsein zusammen. Hier muss die Vereinzelung der Ausbeutung in die verschiedenen Einzelaspekte aufgegriffen werden und die Illusionen der einzelnen kritisch gemeinten Aktivitäten in eine wirkliche Chance der Veränderung der Lebensbedingungen gewendet werden. Und das kann hier sogar auch relativ einfach sein, wenn die Kommunen in der Lage sind, ihren Selbsterhalt auf unterster Ebene sicher zu stellen. Das Kapital funktioniert nicht mehr, wenn es die Menschen nicht erpressen kann. Und wenn ihre Lebensgrundlagen sicher sind, so haben sie nichts zu befürchten. Von daher ist jede Lokalität zugleich global. Es geht ums Ganze und um die Vielen. Und das wissen auch bereits viele.

In einem Flyer des BUKO-Projekts „Die Stadt übernehmen“ heißt es:

„Wesentliche Merkmale neoliberaler Stadtentwicklung sind soziale Polarisierung, Gentrifizierung, strategische Gettoisierung und Privatisierung des öffentlichen Raums - und damit eine Spaltung nicht nur der Stadt und ihrer BewohnerInnen, sondern oft auch der sozialen Bewegungen. Sind dagegen Gemeinsamkeiten in Kontext und Themen der unterschiedlichen Kämpfe erkannt, ist eine Vernetzung lokaler Initiativen und Bündnisse auch über ihre jeweiligen Städte hinaus nötig. Gerade dort, wo die herrschende Stadtpolitik durch ähnliche Projekte und Strategien auffällt, können Protestbewegungen voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen. Nur so kann ausreichend Druck aufgebaut werden, um ein Wiederaufleben des neoliberalen Programms zu verhindern. Doch es gibt nur wenig Austausch zwischen Gruppen und Initiativen über Stadtgrenzen hinaus. Historisches Wissen - z.B. um staatliche Vereinnahmung von Bewegungen in den 1980er Jahren - ist in aktuellen Protesten kaum präsent. Und auch internationale Beispiele stadtpolitischer Proteste könnten die Bewegungen hier inspirieren: die Selbstorganisation von Obdachlosen in Frankreich, die wohnungspolitischen Proteste in Spanien, die Arbeit Sozialer Zentren mit Prekarisierten und MigrantInnen in Madrid, Barcelona oder Mailand oder die Right-to-the-City-Coalition in den USA.“ (Flyer BUKO: „Unternehmen Stadt übernehmen ... eine Veranstaltungsreihe des BUKO-Arbeitsschwerpunkt StadtRaum“)

Es ist klar geworden, dass die Menschen in den Dienstleitungsgesellschaften vor allem auch durch das Leben in der Stadt selbst deklassiert sind. Die Klassengegensätze sind zu Gegensätzen der Wohnbezirke geworden und die Verarmung nicht nur im Einkommen fortgeschritten. Sie bekommen in der kulturellen Abschätzigkeit der Stadtplaner gegen die unmittelbare Lebensgestaltung eine Kulturform, die den sozialen Zusammenhalt selbst zerstört und wohl auch zerstören soll. Die Stadt soll bereinigt werden von der sozialen und kulturellen Wirklichkeit des Kapitalverhältnisses, soll clean erscheinen. In einer Broschüre vom „Projekt revolutionäre Perspektive“ (mit dem Titel "Vorbei an den Bedürfnissen – Hintergründe zur Aufwertung der Elbinseln" (PDF) heißt es hierzu:

„In Anbetracht der Wiederkehr der Klassenfrage im städtischen Raum halten wir Widerstand gegen die Verdrängung einkommensschwacher BewohnerInnen an die Randbezirke und gegen die „Aufwertung“ des Stadtteils für einen wichtigen Schritt. Dabei wollen wir uns nicht nur gegen Verdrängung, Privatisierung und Standortkonkurrenz wehren, wir müssen auch die „weichen“ Strategien erfassen. Wir müssen feststellen, wo Selbsthilfe, Stadtteilarbeit und Aktivitäten im Interesse der Umstrukturierung instrumentalisiert werden und wo sie einer Bewegung gegen die bestehenden Verhältnisse nützen. Es kann für uns nicht darum gehen, entweder eine (autonome) Subkultur zu etablieren oder sich in bürgerlichen Formen der „Mitbestimmung“ zu verlieren, sondern es muss der Ansatz einer gesellschaftlichen Intervention verfolgt werden, der die verschiedenen Menschen im Stadtteil mit einbezieht. Ein Anfang kann es sein, zusammenzukommen, sich zu informieren, auszutauschen und eine gemeinsame Praxis zu entwickeln. Wenn wir solidarisch aktiv werden und das trotz der unterschiedlichen Lebenslagen, in denen wir uns als MigrantIn, ArbeiterIn, JobberIn, Erwerbslose oder StudentIn zweifellos befinden, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Von der kapitalistischen Umstrukturierung sind wir früher oder später alle betroffen. Protest und Widerstand können die Pläne des Senats und der Investoren stören, die Auswirkungen abmildern und vielleicht die ein oder andere Verbesserung für die BewohnerInnen erreichen. Außerdem können sie einen allgemeinen Prozess der Organisierung und eine grundsätzliche Debatte über den Zustand der Gesellschaft anregen, die über die Zeit der Umstrukturierung hinausreichen und die Stadtteile auch in Zukunft nachhaltig prägen.

Eine weiterreichende Perspektive sehen wir in den Kämpfen für bessere Lebensbedingungen und gegen die Verwertungspläne dann, wenn sie nicht allein eine verfehlte Politik des Senats kritisieren und sich die vergangen Tage des Sozialstaates zurückwünschen, sondern nach den Ursachen fragen und den ganzen Kapitalismus und bürgerlichen Staat als Teil des Problems begreifen. In einer Gesellschaft in der sich soziale Beziehungen in Warenbeziehungen verwandeln, in der Standorte und Menschen in Konkurrenz gesetzt werden und sich alles um Verwertung von Kapital, um Profite und die Ausbeutung von Arbeitskräften dreht, folgt auch die Stadtpolitik dieser Logik. Die Stadtteile werden auf die Anforderungen des Kapitals zugeschnitten und die Lebensverhältnisse diesen Bedingungen untergeordnet. Deshalb darf ein Kampf im Stadtteil nicht isoliert ablaufen, sondern sollte die Verbindung zu anderen sozialen Konflikten suchen und sich als Teil eines gesamtgesellschaftlichen Aufbegehrens für eine andere – solidarische, klassenlose und an den Bedürfnissen der Menschen orientierten Gesellschaft verstehen!“

Die internationale Kommunalisierung der Wirtschaft

Gewerkschaftlicher und kommunaler Widerstand für den bloßen Selbsterhalt kann heute keine vollständige Antwort auf die gesellschaftlichen Probleme des feudalisierten Kapitalismus sein. Auch nicht die vielen Bürgerinitiativen, die vor Ort unmittelbar sinnvoll sind. Es sind solche Initiativen aber erste notwendige Formen der Selbstverwaltung, der Versuch von Selbstorganisation in der Armutsbekämpfung, die sich der rein monetären Übermacht entgegenhält, weil durch Billiglohn und hohe Miete vielen Menschen schon die Befähigung zum Protest genommen wird. Der Primitivität des Aneignungsrechts der Lebensbedingungen durch Privatbesitz an Wohnung, Grund und Boden kann aber auch schon durch politischen Protest entgegengetreten werden, wenn dieser durch die ganze Breite der Initiativ- und Gewerkschaftsbewegung bestärkt wird. Politischer Widerstand kann politische Kräfte mobilisieren und Direktiven und Gesetzesänderungen bewirken und ist von daher immer die Voraussetzung für ökonomische Auseinandersetzungen. Politische Gewerkschaften und Bürger schaffen die Bedingung, dass die wirklichen ökonomischen Grenzen und ihre Machtstrukturen überhaupt allgemein wahrnehmbar werden. Gesetzesänderungen, die durch Protest von dort in diesem Sinn erzielt werden können, werden sich in verfeinerten kommunalen Beziehungen und Widerstandsformen fortbestimmen, so dass die vollständige Lebenswirklichkeit des feudalisierten Kapitalismus überhaupt durch das Zusammentragen der Erscheinungen erkennbar wird. Dessen Grundlage aber, die Arbeit der Menschen, ist hierzulande nur teilweise gegenwärtig. Die Arbeitswelten der Güterproduktion sind weltweit verteilt und existieren auch sachlich und wirklich international in kommunaler Vereinzelung. Die Aneignung der Produktionsmittel für eine selbstbestimmte Geschichte der Menschen geschieht daher nicht mehr unbedingt in der Konfrontation mit dem nationalen Einzelkapital und den kommunalen und nationalen Gewalten.

Eine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Situation lässt sich auf Dauer nicht durch unmittelbare Gegenmacht erreichen, weil ihre Grundlage international ist. Die internationale Verschuldungspolitik des Finanzkapitals, das internationale Kreditgeschäft des fiktiven Kapitals auf den Aktien- und Immobilienmärkten bestimmt die grundlegenden Verhältnisse der Kapitalverwertung (siehe hierzu Feudalkapitalismus). Ein großer Anteil unserer Reproduktionsmittel wird billig importiert und deren Wert durch Ausbeutung der Herstellerländer in der dritten Welt bestimmt. Der gesellschaftlichen Verödung, die wir hier erleiden, steht Versklavung der Billigarbeiterinnen und die Auspressung ihrer Selbsterhaltungskette bis in die Grundernährung gegenüber. Wenn sie mit dem Wert von 28 Euro im Monat – wenn auch sehr schlecht - leben können, weil sie für ihr Mittagessen nur 16 Cent rechnen müssen, so ist der Wert ihres Lebensstandards und der ihrer Lebensmittelproduzenten ein Hundertstel dessen, was er hier bei einem Monatslohn von 2.800 Euro darstellt. Doch der deutsche Arbeiter lebt deshalb nicht 100 mal so gut, wenn er sich durch ihre Produkte einkleidet, ihre Festplatten und Fotoapparate ersteht oder ihr Billiggemüse kocht. Er arbeitet so viel er hier arbeiten muss, um hier von dem leben zu können, was er dafür bezahlt. Aber der Wertimport durch Arbeit aus unterentwickelten Produktionsverhältnissen ermöglicht ihm hierzulande dennoch einen Selbsterhalt mit fremden Produkten, die für ihn günstiger zu haben sind und von daher das variables Kapital verbilligen. So werden unter der Hand die hießigen Lohnkosten zu einem beträchtlichen Anteil – vielleicht zu 40 % - mit fremdem Wert gefüllt, der unseren Lebensstandard relativ hoch und uns als Käufer der hießigen Produkte auch möglichst potent und als Konsumenten der Kulturevents auch vielleicht noch relativ befriedet hält. Der Druck auf den Arbeitswert selbst, wie er dem produktiven Kapital notwendig ist, ist damit zu einem großen Teil exportiert. Bei gleichbleibender Mehrwertrate vervielfacht sich hier der Mehrwert durch den Wertimport aus Sklavenarbeit in der dritten Welt.

So ist eine Dienstleistungsgesellschaft entstanden, eine Welt des Reichtums, dessen Wert sich hier nur teilweise ereignet und abstrakte soziale Verhältnisse stiftet und gesellschaftliche Verödung der Kultur befördert. Weniger durch Arbeit als durch erhöhte Energiekosten, Kommunikationsgebühren und Mieten wird dieser Wert im Nachhinein hier abgeschöpft. Übrig bleibt nichts für die Menschen, im Gegenteil: Ihnen bleiben im Krisenfall die Schulden für den Erhalt ihrer sozialen Strukturen, denn ihr Staat selbst ist fast vollständig vom Weltmarkt abhängig und kann nur noch betriebswirtschaftlich kalkulieren. Von daher tendiert er zum Nationalstaat, der seine Bevölkerung wie seine Untergebene anleiten will. Der Staat hat seine Administration auf der politischen Form der Kapitalwirtschaft errichtet, um dieser und ihrem Recht Macht und Gewalt zu verleihen. Er kann keine wirkliche und grundlegende Veränderung dulden. Eine gesellschaftliche Veränderung muss deshalb seinen Interessen widerstehen, sie untergraben und in internationalen Beziehungen jenseits der kapitalistischen Verhältnisse aufgehen. Das ist ein weiter Weg.

Mit zunehmender Öffentlichkeit aber wird er weniger beschwerlich. Die Medien befassen sich damit schon ziemlich umfassend und die Kommunikationsmittel und das Internet dienen hervorragend zur Wissensvermittlung, Beweisführung und Verständigung hierüber. Von der Verwertung von Wohnlagen werden die Städte inzwischen mehr bestimmt als durch den Arbeitsalltag der Bevölkerung. Und die strukturelle Gewalt des Finanzkapitals wird gerade darin sinnfällig. Aber auch die danach ausgerichetete Lokalpolitik, die politische Vereinseitigung der kommunalen Entscheidungen, die Verselbständigung utopistischer Selbstermächtigungen wird immer deutlicher, ob in Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, München, Berlin, Köln, Duisburg, Wuppertal, Dortmund, Köln oder anderswo. Deren Absurdität gerät immer mehr in die öffentliche Wahrnehmung.

Das Finanzkapital erscheint sonst weit weg und vor allem in der Dritten Welt aktiv. In den Kommunen ist aber kein Abstand zwischen der Kapitaladministration und der Bevölkerung möglich, denn hier ist der Ort der existenziellen Konflikte, des Klassenkampfs zwischen dem Kapital der Grundrente und der Bevölkerung. Hier könnten die Menschen ihre eigenen Administrationen stellen und eigene Kulturen des Grundbedarfs ihnen entgegensetzen, wenn nur über die entsprechenden Mittel verfügt werden kann, wenn also die organischen Lebensinteressen der Menschen in den Kommunen die Verwertungsinteressen des Kapitals bekämpfen und aufheben können und dies zugleich zu einem Flächenbrand politischer Energie in allen Kommen der Welt wird.

Hier entscheidet sich, ob die Notwendigkeiten der Subsistenz, der Umwelt, des Klimas, der Wasserwirtschaft, der Energiewirtschaft, der Kommunikation, des Verkehrswesens und vieles andere von den Menschen, die sie bewirtschaften auch übereignet werden und ihnen auf Dauer zugute kommen. Es wird einen heftigen Kampf um die Kommunalwirtschaft geben – so oder so. In den Kommunen selbst aber wird er nicht gelingen, wenn diese grundsätzliche Existenzfrage der Menschheit nicht auch zur Sache aller gesellschaftlichen Bereiche und Vertretungen wird, und wenn nicht die wirtschaftlichen Grundlagen der Menschen vereinigt werden zu einer internationalen Kommunalwirtschaft auf der Basis einer weltweiten Vertragswirtschaft, die sich dem Finanzkapital entzieht. (7)


Fussnoten:

(1) Deutschland ist zu einer Dienstleistungsgesellschaft geworden. Darin werden die grundlegenden Strukturen der Selbsterhaltung der Kapitalwirtschaft des Exporthandels mit Technologie unterordnet, denn die Mittel zum Leben können durch die Handelsprofite weitgehend billiger importiert werden, als ihre Erzeugung im Inland selbst zu finanzieren wäre. Der wirtschaftliche Existenzdruck auf die eigene Landwirtschaft und das Handwerk ist groß und der Zerfallsprozess unterer und mittelständiger Lebenszusammenhänge unverkennbar. Die Einkommensunterschiede werden immer gravierender und zeigen sich in der Abtrennung von Wohnung und Arbeit auch im Stadtgebiet als Zergliederung zwischen aparten Wohngegenden der Eliten und Gettos der Armut. Städtisches Leben, wie es noch im letzten Jahrhundert im kleineren Handel mit Lebensmittel und Haushaltswaren auf den Straßen und Märkten und Kneipen und Lokalen auszumachen war, verliert zunehmend an Substanz und wird von den Stadträndern her durch Massenveranstaltungen des Einkaufserlebens von Handelskonzernen konterkarriert, die dort massenhafte Absätze mit Billigprodukten durch Billigarbeit aus Drittweltländern machen. Der urbane Charakter der Stadtstrukturen verliert an Sinn, weil die ausgeweitete Macht der großen Privateigentümer und Gelder praktisch alle Lebensverhältnisse bestimmt. Zugleich werden diese durch Spekulation getragen und vermehrt, die immer weniger Geld und Steuern an die lokale Gesellschaft zurückgibt, um ihre Gewinne von hier zum Erhalt der weltweiten Kapitalmacht aufzuhäufen. Die politisch Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden sind in der Klemme zwischen Tun und Lassen in einer Finanzwirtschaft und handeln in einer Perspektive, die sie zu erwürgen droht. Zugleich befinden sie sich in einem politischen Dilemma, dass sie deren Totalität nicht darstellen können, weil sich dann vielleicht nichts mehr gegen die Bevölkerung durchsetzen ließe und diese vollständig aufgebracht wäre.

(2) Statt "Neuer Arbeit" in Mülheim brennen Jugendliche Autos ab. Rainer Kippe plädiert in der Neuen Rheinischen Zeitung, das Programm Mülheim 2020 zu nutzen zur Schaffung sogenannter "niederschwelliger Arbeitsplätze". Da die städtischen Kassen leer sind, setzt Roters dabei auf Entwicklungsprogramme wie Mülheim 2020, wo die Stadt EU-Gelder neben Landesmitteln erhält. Die Stadt Köln scheint allerdings andere Wege zu gehen, egal, ob in Mülheim die Arbeitslosenzahlen steigen, wie der Kölner Stadt-Anzeiger in einem Artikel von Rainer Kippe am 2.9.2010 schreibt:„In Mülheim brennt's! Bürgermeister Roters hat Stadtentwicklung zur Chefsache gemachtAls erster Oberbürgermeister in Köln hat Jürgen Roters das Amt für Stadtentwicklung ganz direkt seinem Amt angegliedert und sich persönlich untergeordnet. Am 31. Mai nahm er im Domforum dazu Stellung. Sein Beitrag war brisant und fundiert. Zusammengefasst: immer mehr Stadtteile verarmen und rutschen ab.“

(3) „Mit Gentrification wird die bauliche Aufwertung eines Quartiers mit nachfolgenden sozialen Veränderungen bezeichnet, die in der Verdrängung einer statusniedrigen sozialen Schicht durch eine höhere resultieren. Zu beobachten waren solche Prozesse in Deutschland zum ersten Mal in den späten siebziger Jahren, als Studenten und Künstler (,Pioniere’) sich in leerstehenden Wohnungen und Gewerbegebäuden in Quartieren aus der Zeit der Industrialisierung einrichteten, durch ihre baulichen, kulturellen und ökonomischen Aktivitäten das Milieu und das Image der verfallenden Nachbarschaft veränderten und so einen neuen Investitionszyklus auslösten, an dessen Ende dann das Quartier überwiegend in den Händen von überdurchschnittlich gut verdienenden, jungen Haushalten lag – überwiegend Haushalte von Alleinstehenden, in hochwertigen Dienstleistungstätigkeiten beschäftigt. In den USA wurden sie als young urban professionals charakterisiert, und die Abkürzung Yuppies ist auch in Deutschland zum gängigen Begriff in der Beschreibung dieses ungeplanten Wandels von innerstädtischen Altbaugebieten geworden.“ (Hartmut Häußermann, Dieter Läpple, Walter Siebel, Stadtpolitik, Ffm. 2008, S. 242f.)

(4) "Es war lange Stadtratspolitik, die einfachen Leute in der Mitte der Gesellschaft einzubinden", sagt Christian Stupka, Mitbegründer der Münchener Wogeno-Genossenschaft. "Alles andere würde der Stadt ökonomisch und sozial gewaltige Kosten aufbürden." Ein wirksamer Schutz vor einer ausufernden Gentrifizierung im Münchner Glockenbachviertel hätte zum Beispiel eine landesstaatliche Umwandlungsverordnung erfordern. In Hamburg hat der Senat - alarmiert von der Abwanderung einkommensschwacher Mieter aus der Stadtmitte - eine solche beschlossen. Die Aufteilung und Luxussanierung von Immobilien ist dort seither um rund 90 Prozent zurückgegangen. Entsprechende Anträge der bayerischen Grünen scheiterten bisher an der Regierungsmehrheit der CSU.

(5) Wie zynisch sich die Bundesregierung mit den Problemen der Kommunen befasst, wird an der Ignoranz deutlich, mit der sie ihre Besteuerungsbeschlüsse gegen sie durchsetzt und deren infrastrukturelle Planungen einfach kappt. Da wurden z.B. Stadtentwicklungen in Gang gesetzt, die durch das Städtebauförderprogramm finanziert werden sollen. Jetzt, auf halber Strecke, kürzt man dieses auf die Hälfte. Verausgabte Energie wird schlagartig zunichte. Und noch deutlicher zeigt sich am Beispiel der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke die Selbstherrlichkeit einer Politikerkaste, die sich inzwischen wie eine Parallelgesellschaft des Finanzkapitals gleichgültig gegen das Vorankommen der Menschen in den Kommunen verhält. Da bereitet man sich seit Jahren mit hohen Ausgaben auf die Abschaltung der Atommeiler vor, richtet sich auf erneuerbare Energieträger ein und kalkuliert auf eine Zukunft mit weit unschädlicheren und besseren Energieressourcen. Mit der nun beschlossenen Laufzeitverlängerung ist den Kommunen schlagartig ein Defizit von 4 Milliarden Euro entstanden, das selbst wenn es durch Subvention voll ausgeglichen werden würde, als ein elementarer Kapitalentzug für lokal sinnvolle Planung zur Energieversorgung verbleibt. Selbst wenn es einer sogenannte Brückentechnologie bedurft hätte, wäre deren Beitreibung durch Import für die Städte billiger, komfortabler und zukunftsträchtiger gewesen, als der Rückfall in veraltete Technologie. Jetzt ist die lokale Planung auf Null versetzt und der hier produzierte Strom eher eine Last, die unterwertig kalkuliert werden muss, weil die Leitungen durch Atomstrom verstopft sind. Abgeschriebene Produktionsmittel wie die Atommeiler entwerten jede neue Technologie schon bevor sie überhaupt verwendet werden kann und verteuert damit die Produktion, weil sie nicht mehr zeitgemäß und unrentabel ist. Das weiß jeder Betriebswirt. Nur der Staat setzt sich darüber hinweg, weil der damit Schulden zu begleichen sucht, die ihm das Finanzkapital auferlegt hatte. 

(6) Die Mieten der Hartz-IV-Empfänger übersteigen längst die Beträge des für Mietkosten angesetzten Regelsatzes und würden alleine schon das Vermögen der Sozialkasse sprengen, wenn die Sozialämter die Betroffenen nicht mit rabiaten Druck zum Auszug und Umzug an den Stadtrand bewegen würden. Oft lässt sich aber auch dort keine diesem Regelsatz für Mieten angepasste Wohnung finden. In München z.B. ist selten mal eine 1-Zimmer-Wohnung für 380 Euro zu bekommen, also für den Betrag, den das Sozialamt maximal ausgibt. Das Problem, unter diesen Bedingungen eine Wohnung finden zu können, wird dann dem Hilfesuchenden überlassen. Gegen Obdachlosigkeit gibt es keinen durchgängigen Schutz mehr.

(7) Um die Vielfalt der einzelnen Aspekte in einen Zusammenhang zu stellen und in größerem Umfang kommunizierbar zu machen, sollten sie zu einer Plattform zusammen gestellt werden. Nach meiner Auffassung könnten die Themen einer solchen Plattform folgendermaßen gegliedert sein:

Vernetzung der kapitalkritischen Initiativen (z.B. zu Energiepolitik, Anti-AKW, Stadtentwicklungskritik, Genossenschaft, Gewerkschaft, Arbeitslosigkeit, Kulturkritik, Selbsthilfe) zu einer gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit gegen die Kapitalisierung von Kommunen und gemeinschaftlichen Aktionen.