Wolfram Pfreundschuh (2009/01)

Der Wahnsinn der „gerechten Kriege“

Am 3. Januar kam es in München zu einer Konfrontation der besonderen Art: Einige in München aktive Gruppen, nämlich das Münchner Friedensbündnis, die „Palästinensischen Gemeinde München e.V“ und die Linkspartei, hatten zu einer Demonstration gegen die Bombardierung des Gazastreifens aufgerufen. Ein bislang relativ unauffälliger münchener Arbeitskreis Antisemitismus sah sich hierdurch veranlasst, eine Mahnwache für die „Opfer des Nationalsozialismus“ am Mahnmal auf dem „Platz der Opfer des Nationalsozialismus“ abzuhalten, an dem die Demonstration vorbeizog. Die Gruppe verteilte Flugblätter mit dem Titel „Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung! Gegen den antisemitischen Terror“, das dem Jargon der sogenannten Antideutschen Gruppierungen entsprach. Da wird keine Frage mehr offen gelassen, wie es mit dem "Ende des Waffenstillstands" tatsächlich aussah (vergleiche hierzu z.B. die Aussage des UN-Berichterstatters Richard Falk zu Gaza, wonach der Waffenstillstand durch Israel gebrochen worden - Eintragung im Newsticker der Wikipool.net vom 4.1.2009).

Dieser ungeheuerliche Zynismus und Missbrauch der  "Opfer des Nationalsozialismus", der ihr Gedenken als Entgegnung  gegen eine propalästinensische Demonstration benutzt, tut gerade so, als ob die Palästinenser Nazis wären, gegen die ein solches Denkmal geschützt und vor Nazismus gewarnt,  an ihre Opfer gemahnt werden müsste. Man hätte meinen müssen, ein an und für sich friedliches Land Israel sei durch eine aggressive Horde von Nazis überfallen worden, Palästina nicht das angegriffene Land sondern der Agressor. Einige der Demonstranten, welche die durch die Mahnwache und ihrem Flugblatt betriebene Gleichsetzung der Palästinenser mit Nazis empörte, etwa 20 Demonstrationsteilnehmer, wollten auf diese losgehen. Sie wurden von der anwesenden Polizei daran gehindert und zum Teil festgenommen. Auf einer Website der Antideutschen, der pi-news.net (http://www.pi-news.net/2009/01/auch-in-muenchen-regiert-der-blanke-judenhass/) wurde dies genüsslich festgehalten.

Es wird dort noch einiges mehr festgehalten. Unter der Überschrift „Auch in München regiert der blanke Judenhass!“ wurden alle, die am militärischen Eingreifen Israels Kritik üben, mit Linksfaschisten bezeichnet, die z.B. mit einem Transparent „Krieg = Terror“ Volksverhetzung betreiben würden. Ich zitiere aus dieser Web-Site:

„Nicht nur in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf, Zürich und Bern durften Muslime und Linksfaschisten ihrem Hass auf Israel und die Juden in den letzten Tagen freien Lauf lassen, sondern heute nachmittag auch in Bayerns Hauptstadt München.“

In den nachstehenden Bemerkungen türmen sich rassistischer Antiislamismus und die Gleichsetzungen von Palästinensern und ihrer Verteidiger mit Nationalsozialisten. Das Resümee: München sei im Begriff, wieder zur Hauptstadt der Bewegung zu werden.

Von indymedia wird berichtet, dass auch anderswo in Deutschland Mittelstandsjugendliche mit Israelfahnen und entsprechenden Sprüchen systematisch Migrantenjugendliche islamischer Herkunft  provozieren, um dann die Polizei zum Schutz gegen die Antisemiten zu rufen. Wer wirklich über Volksverhetzung nachdenken will, dem empfehle ich einen Klick auf diese Site mit der adresse pi-news.net. Nicht nur Israel und Palästina ist dort Thema, sondern auch der angebliche Gewaltimport durch arabische und türkische Jugendliche und dergleichen. Da wird eine liberale Berliner Jugendrichterin wegen zu lascher Urteile gegen Ausländer angeprangert und ihr wird entgegengehalten:

„Das Gewaltproblem der Jugendlichen ist zugewandert: In Berlin haben 80% der jugendlichen Gewalttäter türkische oder arabische Wurzeln. Die Deutschen sind Opfer.“

(Diese Interpretation ist sachlich völlig falsch und widerlegt: Nimmt man die Einkommenslage in der statistischen Auswertung der Gewaltdelikte hinzu, so kommen die Deutschen auf eine wesentlich höre Tendenz zur Gewaltanwendung).

Die Webseiten als solche könnte man trotz ihrer ungemein hohen Besucherzahlen ignorieren, würden sie nicht so klar vor Augen führen, was sich in der öffentlichen Gemütslage da alles vermischt. Natürlich gibt es offenen Antisemitismus bei Deutschen wie bei Ausländern. Aber die Assoziation mit gerechtem Krieg und Denunziation und Abtreibung wird auf diesen Seiten zu einer Verklumpung des Bösen schlechthin. In Krisenzeiten ist das ja auch nicht ungewöhnlich. Der Nationalsozialismus hatte sich hieraus auch gebildet. Ab er wer jetzt nicht seinen Verstand gebraucht, der wird zu einem Mitläufer im deutschen Gemüt der unberührten Güte, der heilen Welt selbstgerechter Überheblichkeit über den Streit in der Welt.

Die vom Arbeitskreis Antisemitismus verlinkten Webseiten bilden ihren eigenen Kosmos. Alle von hier ausgehenden Verlinkungen weisen in ein dichtes Netz rassistischer Webseiten, die allesamt vermittelst einer Kritik des Antisemitismus übelste Hetze gegen Ausländer und linke Gruppen verbreiten und hierbei von keinem Mittel der Denunziation zurückschrecken. Im Fokus dieser Seiten steht die Rechtfertigung des israelischen Angriffs im Zusammenhang mit der Notwendigkeit von sogenannten Weltordnungskriegen überhaupt, die nichts anderes als Verteidigungsbemühungen gegen den weltweiten Terrorismus seien, der schon in jedem Ausbruch von Gewalt zu erkennen sei. Die Seiten sind daher auch voller Kampagnen der angeblich Friedfertigen, der Abtreibungsgegner und Beschützer, der Achse des Guten. Ihr Tenor ist, dass Friede erst bestehen könne, wenn der Terrorismus ausgerottet sei. Und es ist hierbei ganz fraglos, was Terrorismus ist und woher er kommt. Natürlich können die Terrorangriffe der Irsaelis nicht terroristisch sein, weil die Juden immer schon Opfer waren – und Israel sei nun mal der Staat der Juden.

Die anfürsich vernünftige Frage, wie Israel überhaupt noch auf die Hamas reagieren soll, ist längst verwischt zu einer Plakation des Guten, das von bösen Mächten heimgesucht wird, der kleine David in den Klauen eines islamistischen Goliath. Auch die Palästinenser stellen fest, dass es keine einheitliche politische Positition unter ihnen gibt. Ist das ein Wunder nach jahrelangen militärischen Konfrontationen? Das Bombardement Israels auf Gaza steht in keinem Verhältnis zu den Attacken der Hamas. Hier geht es auch um die Zermürbung der Bevölkerung durch Vernichtungsangriffe.

Die rechte Denunziation im linken Gewand

Es ist eigentlich klar, woher der Wind auf den Internetseiten weht, welche die Palästinenser mit den Nazis gleichsetzt. Man könnte daher das ganze Gehabe mit dem Antisemitismusvorwurf einfach für absurd halten. Die Rechten suchen die Öffentlichkeit über linke Argumentation zu erreichen. Wichtige Themen der Linken, wie zum Beispiel der Kampf gegen Faschismus, werden von Rechten okkupiert und appellieren an das deutsche Schuldgefühl, um ihr Ausländerhetze auf Seitenkanälen durchzubringen. Aber die Rechten sind auch nicht wirklich rechts. Eine ganze Reihe antifaschistischer Gruppen begeistert sich daran. Sie sind sich noch nicht klar darüber, dass sie in ein reaktionäres Interessengemenge geraten sind, wenn sie einen beliebigen Umgang mit dem Antisemitismusvorwurf pflegen. Was hier in Süddeutschland sich noch relativ mickrig artikuliert, hat im Norden der Republik schon um sich gegriffen, hat sich lange schon als „antideutsche Bewegung“, als die antifaschistische Bewegung schlechthin breitgemacht. Es gibt inzwischen offenbar einen rechten Antifaschismus. Das hatte man bisher nicht für möglich gehalten.

Man muss sich das einmal vor Augen halten: Im schier unlösbar gewordenen Streit um die Existenz der Bewohner Palästinas wird vom israelischen Militär eine Explosion der Gewalt entfacht, die nur ein Ziel haben kann: Totale Auslöschung jedes möglichen Widerstands gegen die israelische Besatzung. Da wird das am dichtesten bevölkerte Gebiet Palästinas im Gazastreifen, 1,5 Millionen Menschen auf kleinstem Raum, mit dem größten Bombenhagel seit dem Sechstagekrieg von 1967 überzogen.

Mit unvergleichbarer Härte wurden Schulen, Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen mitsamt den dort Zuflucht suchenden Menschen niedergemacht. Zerstört wurde bereits die Islamische Universität von Gaza, Schulen, Moscheen, Krankenwagen, Apotheken, Kliniken und das Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, ein Waisenhaus, Trinkwasser- und Treibstofftanks, das Abwassersystem, eine Hühnerfarm und eine landwirtschaftliche Kooperative. Vermutlich gezielt bombardiert wurden auch Ansammlungen von Menschen, seien es Gläubige, die die Moschee verlassen, oder ein Markt in Gaza-Stadt. Zudem wurden bisher mindestens 55 Wohnhäuser komplett zerstört, hunderte beschädigt. Und dies alles, um die Hamas-Regierung zu stürzen oder zumindest ihre Unterwerfung unter israelische Bedingungen zu erzwingen, die dort lebende palästinensische Zivilbevölkerung für ihren hartnäckigen Widerstand zu bestrafen und die Abschreckungsmacht des israelischen Militärs in der arabischen Welt wiederherzustellen und wohl auch, die Wahlchancen der israelischen Militaristen zu bestärken (Quellen: Heisse ).

Und da stehen in München ein paar Antideutsche vor dem „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus“ und schwenken die israelische Fahne um zu behaupten, dass dieser Krieg gerecht sei, weil die Palästinenser Nazis wären, an deren Opfer man gemahnen müsste. Eine Hetzwelle gegen Palästina durchzieht die deutsche Presse und das Internet und es wird aus der Gegenwärtigkeit der Vernichtung zugleich eine Sprache der Brutalität gekürt, die sich als Sprache der Opfer verstanden wissen will, die daran gewöhnen soll, dass das totale Bombardement das einzig mögliche Werkzeug der Selbstverteidigung sei. Was steckt da eigentlich dahinter? Die wirkliche Geschichte von Palästina kann es nicht sein. Die ist recht eindeutig. Es ist die Geschichte europäischer Kolonial- und Machtpolitik im Nahen Osten.

Zur Geschichte des „Palästina-Konflikts“

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war Palästina noch ein Teil des Osmanischen Reiches. 1917 besiegten die Briten die osmanischen Truppen, besetzten Palästina und Irak und richteten dort eine Militärverwaltung ein, die Occupied Enemy Territory Administration (OETA). Allerdings hatten die Briten nur obsiegen können, weil sie schon während des ersten Weltkrieges zwei Schutz-Versprechungen bezüglich der Gebiete im Nahen Osten gemacht hatten. Durch Lawrence von Arabien versprachen sie den Arabern für ihre Unterstützung eine unabhängige arabische Heimstätte, die fast den gesamten arabischen Nahen Osten umfassen sollte. Und den ansässigen Juden versprachen sie gleichzeitig in der Balfour-Deklaration eine nationale unabhängige Heimstätte (Eretz Israel).

Als die Alliierten die Mittelmächte geschlagen hatten, wurde dem Vereinigten Königreich im Sinne des Friedensvertrages von Versailles die Kontrolle über Palästina übertragen und ein britischer Hochkommissar in Palästina eingesetzt. 1920 wurde bei der San-Remo-Konferenz in Italien das Völkerbundmandat über Palästina grundsätzlich dem Vereinigten Königreich übertragen.

Das Gebiet war multi-ethnisch, Arabisch war die Hauptsprache, vorherrschende Religion war der Islam. Die Bodenbesitzverhältnisse veränderten sich zwischen 1918 bis 1948 nur unwesentlich von 2,5 % bis 1948 auf 5,67 % jüdische Anteile.

Die Landaufteilung in Palästina war damit aber nicht gelöst und als durch den Holocaust viele Juden Schutz in Eretz Israel suchten, war eine Klärung der Landaufteilung nötig. Es kam zu einem UN-Teilungsplans für das Völkerbundsmandat für Palästina, das den Arabern deutlich machte, dass ihr Land vergeben und ihre Rechte durch die ehemaligen Kolonialherren wieder eingeschränkt wurden. Doch diese traten nicht mehr als solche auf, sondern als Schutzmacht für Israel, das sie militärisch ausstatteten.

So kam es zu ersten Kampfhandlungen zwischen jüdischen und arabischen Milizen im Dezember 1947. Der Palästinakrieg von 1948, auch Erster Arabisch-Israelischer Krieg oder Israelischer Unabhängigkeitskrieg genannt, war eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den arabischen Staaten,dem Königreich Ägypten, Syrien, Libanon, Transjordanien und Irak sowie palästinensisch-arabischen Milizen auf der einen und Israel auf der anderen Seite.

Der Krieg endete mit separaten Waffenstillstandsabkommen der staatlichen Kriegsparteien im Jahre 1949. Palästina allerdings war die Errichtung eines eigenen Staates verwehrt geblieben. Der israelische Staat war inzwischen 1948 gegründet worden.

Der Münchner Palästinenser Fuad Hamdan.schrieb anlässlich des Gedenkens an die israelische Staatsgründung in der Süddeutschen Zeitung vom 6.5.2008:

„Die jüdische Staatsgründung markiert den Beginn der Nakba, der palästinensischen Katastrophe.

Es war naiv zu glauben, die Palästinenser - oder irgendein anderes Volk - würden dem Plan der Zionisten und der Briten zu einem jüdischen Staat in Palästina zustimmen. Warum auch? Die Palästinenser hatten keine Ahnung, was den Juden Europas widerfahren war. Und selbst wenn sie es gewusst hätten: Warum hätten sie für Verbrechen bezahlen sollen, die sie nicht begangen haben?

Nachdem die Bilder von Auschwitz bekannt wurden und jedermann das Ausmaß der Katastrophe erkennen konnte, musste die Weltöffentlichkeit der Gründung eines jüdischen Staates zuzustimmen. Die Tatsache, dass dabei einem anderen Volk Unrecht widerfahren würde, musste dabei außer Acht gelassen werden. Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache: Die palästinensische Tragödie ist eine Folge der jüdischen Tragödie in Europa.

Man kann es drehen und wenden wie man will, und bei aller Sympathie und Mitgefühl für die Opfer: Der israelische Staat entstand auf den Ruinen eines anderen Volkes. 700.000 Menschen verloren ihre Heimat, mehrere hundert Dörfer wurden durch die jüdischen Verbände dem Erdboden gleichgemacht. Heute würde man das ethnische Säuberung nennen. ...

Heute noch glaubt eine große Mehrheit in Europa und Nordamerika, der Staat Israel sei schwach und werde von seinen arabischen Nachbarn bedroht. Die Legende vom kleinen David, Israel, das sich permanent im Kampf gegen den großen Goliath, die Araber, zu behaupten habe - diese Legende hat sich in vielen Köpfen verfestigt. Fakt ist: Dieser Staat ist mit Abstand die stärkste und zugleich aggressivste Militärmacht in der Region. ...

Die Arabische Liga hat im März 2002 und im Frühjahr 2007 einen Friedensplan vorgelegt, der die Anerkennung Israels in den Grenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 vorsieht. Die von den Arabern damit dargebotene Hand wurde von Israel jedoch ausgeschlagen.

Die israelische Politik gegenüber der palästinensischen Bevölkerung erinnert stark an das Apartheidsystem, das die weiße Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg für fast ein halbes Jahrhundert in Südafrika errichtete ....

Erzbischof Desmond Tutu, der Friedensnobelpreisträger aus Südafrika, sagte: "Meine Besuche im Heiligen Land erinnern mich so sehr an Südafrika. Die Apartheid ist zurückgekehrt, samt Mauer und Bantustans." Letzteres war die Bezeichnung der südafrikanischen Regierung für die von ihr geschaffenen Homelands, der Reservate für die Schwarzen. Das Apartheidregime in Südafrika konnte nur durch Boykott der Weltgemeinschaft besiegt und beendet werden.“

Seit Israel existiert, gab es schon einige Kriege mit den umliegenden Ländern  – z.B. die Suezkrise (1956), der Sechstagekrieg (1967), der Jom-Kippur-Krieg (1973), den sogenannten Abnutzungskrieg (1968–1970) sowie die israelischen Eingriffe im libanesischen Bürgerkrieg (1975–1990) und den Libanonfeldzug (von 1978 und 1982). Dabei handelte Israel oft „präventiv“, also ohne einen sichtbaren gegnerischen Angriff und zur reinen Vorausverteidigung gegen einen angeblich geplanten arabischen Angriff. Dabei eignete es sich umliegende Länder an, was schlecht als Verteidigung begreifbar ist. Am Ende des größten „Verteidigungskrieges“, dem 6-Tagekrieg, kontrollierte Israel den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem. Der Ausgang dieses Krieges beeinflusst die Geopolitik der Region bis auf den heutigen Tag.

Das immer massiver werdende Problem im Nahen Osten ist nicht religiös oder kulturell. Juden und Moslems hatten sich über große Zeiträume hinweg als Gläubige gut vertragen und auch die Christen stellten keine Gegner dar. Sachlich ist das palästinensische Nakba durch den elementaren ökonomische Unterschied begründet, der sich zwischen der werdenden kapitalistischen Industrienation Israel und den umliegenden Agrarländern unter feudaler Machtverflechtung mit den politischen und geologischen Folgen zugespitzt hat. Eine wesentliche Grundlage für den 6Tagekrieg z.B. war der zunehmende Wasserbedarf Israels, das sich durch die Besetzung der Golanhöhen die Verfügung über 80% des Jordanwassers und eine optimale militärstrategische Position sicherte. Auch die Besatzung der anderen palästinensischen Gebiete und die Ansiedlung von fundamentalistischen israelischen Siedlern entstand in einem größeren Entwicklungskonzept, durch welches die geopolitische Ausdehnung Israels gesichert werden sollte.

Die Geschichte Palästinas und Israels ist zudem durch die dort kulminierenden Machtinteressen der westlichen und asiatischen Politik hoch belastet und für alle Seiten höchst bedrohlich. Aber solange sich Israel nur mit militärischer Macht dort durchsetzt, wird es keinen Frieden in Nahost geben können, schon gar nicht, wenn diese Macht mit finaler Stringenz eingesetzt wird und immer totaler werden muss. Das kann keinen Frieden schaffen und es scheint, dass Israel jede Friedenschance derzeit auch aufgegeben hat. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich das noch weiter verabsolutieren würde. Die israelische Industrie ist vor allem als Militärindustrie hoch entwickelt - pro Kopf der Bevölkerung gerechnet am höchsten weltweit (http://www.steinbergrecherche.com/09wehrwirtschaft.htm#Israel). Das Buch von Naomi Klein "Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus" diskutiert auch darüber, dass sich für Israel ein Frieden nicht mehr lohnen würde.

Wenn man dabei bleibt, wären die bestehenden Friedensvorstellungen allesamt zunichte. Ein Vertrag mit der Weltgemeinschaft, durch welchen die palästinensische und die israelische Bevölkerung unter deren Schutz gestellt würde, wäre eine mögliche Lösung. Es kann dabei aber nicht um einen jüdischen Staat gehen, sondern um ein international besiegeltes Statut der Menschen, die dort innerhalb der letzten 2000 Jahre leben oder gesiedelt haben und sich darauf einigen, wie dies zu verfassen ist. Außerdem müssten die europäischen Staaten bereit sein, die Nationalisierung der Juden dadurch zurückzufahren, dass sie international geschützt werden und in jedem Land willkommen sind.

Was bedeutet angesichts dieser Lage der Propagandakrieg in Deutschland?

Wie schon von dem israelischen Soziologen Moshe Zuckermann bemerkt, handelt es sich bei der sogenannten antideutschen Position nicht um ein wirklich Israelisches Problem und schon gar nicht um ein jüdisches. Zuckermann sagt in einem Interview  mit der UZ:

„Israel betreibt seit Jahrzehnten eine Okkupationspolitik, alleine das rechtfertigt eine scharfe linke Israel-Kritik, die nichts mit Antisemitismus zu tun hat. ... Man muss erst einmal unterscheiden lernen zwischen Judentum, Zionismus und Israel. Nicht alle Juden sind Zionisten, nicht alle Zionisten sind Israelis, und nicht alle Israelis sind Juden. Wenn man das nicht begriffen hat, wirft man alles wahllos durcheinander. ...

Die heutigen selbsternannten Repräsentanten des Judentums in Deutschland (wie z.B. Henryk M. Broder, der den Ludwig-Börne-Preis bekommen hat) stellen das Gegenteil dieser Traditionslinie dar. Denn sie instrumentalisieren den Antisemitismusdiskurs in einer Art und Weise, dass sie mehr als jeder andere den Antisemitismusbegriff entleeren. Das ist politisch sehr gefährlich. ...

Es geht denen nicht um Israel, sondern um zutiefst deutsche Befindlichkeiten. Diese Leute, Israel-solidarische »Antideutsche«, werden mir nie verzeihen, dass ich der Sohn von Ausschwitz-Überlebenden bin. Sie werden mir auch nicht verzeihen, dass ich Offizier im israelischen Militär war.“

Zuckermann ist ein klarer Kritiker der israelischen Besatzungspolitik. Der Nießbrauch der Palästina-Besatzung durch Antideutsche soll vor allem eine politische Tendenz bestärken, die eindeutig nach rechts geht. Es geht hierbei um weitaus umfassendere politischen Ziele. Durch den aktuellen Konflikt in Palästina wird eine scheinbar hierdurch begründete politische Schlacht um die Ausrichtung des politischen Bewusstseins in den großen Belangen der Weltpolitik inszeniert. Wie im Irak soll nun überhaupt Schluss gemacht werden mit den Gegnern des kapitalistischen Weltsystems, die inzwischen auch schon ohne eigenes Zutun überall mit Terrorismus gleichgesetzt werden. Nun soll auch durch die Identifinzierung von israelkritischen Politionen mit den Nazis die Trennlinie verschärft, die Aussonderung von kritischem Verstand überhaupt fortgetrieben, die Spaltung in der politischen Urteilskraft der Bevölkerung vertieft werden. Und man nutz hierzu die oberflächlichsten Komponenten, z.B., dass es auch von der NPD eine Kritik an Israel gebe. Diese Identifinzierung ist ja zur Genüge bekannt und etwas genauso tiefsinnig wie die Behauptung, dass die Kapitalismuskritik der Faschisten mit denen der Kommunisten gleichzusetzen sei. Mit dem Antisemitismus-Vorwurf wird eine ganz und gar niederträchtige Inszenierung rechter Interessen vorbereitet und ihr durch linke Formulierungen zum Durchsatz verholfen.

Der Antisemitismusvorwurf soll die Stringenz eines Denkens kennzeichnen, in welchem Veranschaulichungen stehen, die auf ein Vernichtungsinteresse hinauslaufen, die eine Vernichtungsabsicht implizieren - auch wenn dies manchmal nur gedankenlos erscheint. Allerdings beinhaltet dies ein Wissen um solches Denken und das Interesse, es zu beeinflussen, zu gemahnen und zu erinnern.

Bei der Verwendung diese Vorwurfs spielt die deutsche Linke eine klägliche Rolle. In der inflationären Anwendung hat sie ihn zu einem politpsychologischen Moralbegriff heruntergespielt, der sich einer genaueren Analyse entzieht und vor allem durch theoretische Überhöhungen gefüllt ist. Er war zum Synonym des Nazismus geworden, das sich quasi geisteswissenschaftlich aus der Geschichte deutscher Begrifflichkeit ergeben habe. Adorno sprach in diesem Zusammenhang von dem „Undenkbaren“ oder von der Totalität eines unmenschlichen Denkens, von der „Unwahrheit des Ganzen“, in welchem sich das Vernichtungsinteresse des Nationalsozialismus verbirgt.

Das aber reicht bei weitem nicht, um die Durchsatzkraft dieses Begriffs zu verstehen. Die ökonomischen. kulturellen und staatspolitischen Notwendigkeiten, welche aus seiner Verwendung eine ganze Vernichtungsindustrie ableiten und begründen konnten, ist bisher kaum zur Sprache gebracht worden. Diesbezüglich hat die Linke sich durch die Frankfurter Schule einen sehr sublimen, sich wissenschaftlich gebenden Moralismus eingebrockt, mit dem ihre Analyse nicht wirklich weiterkommen konnte. Der Zweck der faschistischen Vernichtungsindustrie war äußerst praktisch und nutzte die vorhandenen Klischees des fixierten Bewusstseins für sich. Aber Faschismus ist nicht einfach eine Bewusstseinstatsache, sondern eine feudalistische Reaktion auf eine totale Krise des Kapitalismus und von daher totalitär. Ohne dies begriffen zu haben, ist der Kampf gegen Totalitarismus eine bloße Donquichotterie.

Beim Umgang mit dem Antisemitismusvorwurf als politisches Agitwerkzeug spielt die deutsche Linke allerdings eine klägliche Rolle und kann sich immer noch nicht deutlich von den hierbei einbezogenen Rechten unterschieden. In der Analyse des Antisemitismus hat sie ihn zu einem politpsychologischen Moralbegriff heruntergespielt, der nur durch Überhöhung gefüllt war. Adorno sprach in diesem Zusammenhang von dem „Undenkbaren“ oder von der Totalität eines unmenschlichen Denkens, von der „Unwahrheit des Ganzen“. Das reicht bei weitem nicht, um die Durchsatzkraft dieses Begriffs zu verstehen. Die ökonomischen. kulturellen und staatspolitischen Notwendigkeiten, welche aus seiner Verwendung eine ganze Vernichtungsindustrie ableiten und begründen konnten, ist bisher kaum zur Sprache gebracht worden. Diesbezüglich hat die Linke sich durch die Frankfurter Schule einen sehr sublimen, sich wissenschaftlich gebenden Moralismus eingebrockt, mit dem ihre Analyse nicht wirklich weiterkommen konnte. Der Zweck der faschistischen Vernichtungsindustrie war äußerst praktisch und nutzte die vorhandenen Klischees des fixierten Bewusstseins für sich. Aber Faschismus ist nicht einfach eine Bewusstseinstatsache, sondern eine feudalistische Reaktion auf eine totale Krise des Kapitalismus und von daher totalitär. Ohne dies begriffen zu haben, ist der Kampf gegen Totalitarismus eine bloße Donquichotterie.

Bei der Durchsicht der antideutschen Web-Seiten ist der Unterschied von rechtem und linken Moralismus oft nur mit Aufwand zu erkennen. Die Linke bekommt ihre diesbezügliche Begrifflichkeit nun gründlich durch die Okkupation linker Belange durch die Rechte zu spüren. Dass der Antisemitismus-Vorwurf zu einem Allrounder der politschen Denunziation geworden ist, hat sie selbst verschuldet. Da war Friedrich Engels schon wesentlich weiter, als er den Antisemitismus als „eine Reaktion mittelalterlicher, untergehender Gesellschaftsschichten gegen die moderne Gesellschaft“ fasste und feststellte, dass er „nur reaktionären Zwecken unter scheinbar sozialistischem Deckmantel“ dienen könne. „Er ist eine Abart des feudalen Sozialismus“ schrieb Engels in seinem Artikel „Über den Antisemitismus (1890)“. (Marx-Engels-Werke Bd.22, S. 50). Doch wie kam es zu dieser absurden Psychomoral, mit welcher dieser Begriff durch die moderne Linke gefüllt worden war?

Geschichte einer intellektuellen Verblödung

Die Entwicklung dahin hält schon seit über 20 Jahren an und streut inzwischen in viele politische Gruppierungen (z.B. Attac, Gewerkschaften) und auch in Parteien (z.B. SPD und DIE LINKE) hinein. Ihr Ursprung war der Zusammenbruch des Ostblocks und die deutsche Wiedervereinigung. Die Verarbeitung der gesellschaftlichen Probleme, die der sogenannte Realsozialismus aufwies, versetzte viele Linke, die darin bislang ihre Zukunft sehen wollten, in eine tiefe Krise. Ihr Verständnis von Sozialismus war am Boden zerstört. Für sie galt es, einen Schuldigen für die Verbrechen des Stalinismus nicht nur bei Stalin zu finden, sondern im Marxismus überhaupt. Die längst überholten Parolen der Arbeiterbewegung wurden plötzlich wieder aufpoliert zu einem Gegenstand der Kritiker, die deren Ableben nicht mit vollzogen hatten oder es in der heilen Welt linker Kader glatt verschliefen.

Die aus einem schlichten Vorwurf erstellte Kritik am sogenannten Arbeiterbewegungsmarxismus war entsprechend pauschal und reduzierte sich auf die Behauptung, der habe selbst wesentlich antisemitische Anteile gehabt.

Darüber hätte man sicherlich viel diskutieren können, wenn es denn inhaltlich geworden wäre. Aber im großen Bogenschlag der deutschen Kritik ist es schon lange üblich, anstelle einer Analyse der wirklichen Geschichte diese mit einer großartigen Vorstellung beiseite zu fegen. So kam es in dieser Diskussion, die wesentlich im Autoren- und Leserkreis der Zeitschriften KONKRET und BAHAMAS und ihrer Herausgeber geführt wurde, nicht zu einer Analyse der Fehler in der deutschen Arbeiterbewegung, sondern zu einer Verfeinerung der ästhetischen Vorstellungskraft. Im Hahnenkampf der linken Selbstdarstellung wurden die Substanzen kapitalismuskritischer Positionen sprichwörtlich zerfleischt. Übrig blieb psychophilosophischer Popanz der verfeinerten Selbstwahrnehmung (siehe z.B. http://kritische-politik.net/texte/isf-freiburg/Bruhn-Joachim--robert-kurz-und-das-deutschtum-des-marxismus.htm). Es entstand ein neuer Gegner: Die Blamage durch überkomplexe Inhaltlichkeit.

Alle Derbheiten der bisherigen Sozialismus-Diskussion – darunter fielen z.B. auch die Texte von Berthold Brecht – wurden als volkstümelnder Konkretismus und damit selbst als Populismus, der zwangläufig zu Totalitarismus führe, abgetan. Die Sozialisten, die ausdrücklichen Gegner und Verfolgten des Naziregimes, wurden so als Täter aufgebaut. Das Resumee der Debatte ist eine ungeheuerliche Verkehrung: Die deutsche Arbeiterbewegung, deren Vertreter massenweise in den Konzentrationslagern der Nazis geendet waren, seien selbst Volksgenossen und Teil des nazistischen Antisemitismus gewesen.

Dieser nämlich, so fasste das ein Autor namens Moishe Postone zusammen, begründe sich in einer besonderen Version des Warenfetischismus, dem Arbeitsfetischismus. Darin würden sich die Arbeiterinnen und Arbeiter als potenzielle Subjekte der Arbeit mit dem Arbeitsbegriff der Faschisten gleich stellen, weil sie die Arbeit als höchstes nationales Ziel, als Subjekt ihres nationalen Heils ansahen, als schaffendes Kapital, das lediglich durch das raffende Kapital, durch den Judaismus bedroht sei. Von daher sei die Diktatur des Proletariats, wie sie in marxistischen Schriften vorkam, mit dem Faschismus identisch und Lenin und Stalin hätten dies auch nur folgerichtig umgesetzt. So wurde ein großes Problem schnell gelöst und der gesamte Arbeitsbegriff von Marx, der ausdrücklich und überdeutlich z.B. in seiner Kritik des Gothaer Programms der SPD, diesen Arbeitssubjektbegriff kritisiert hatte, beiseite gefegt.

Hätte man das wirklich von der Sache her diskutiert, wäre schnell klar geworden, dass der Großteil der Marxisten sich schon immer gegen die einbrechende Rechte, die sich im Stalinismus gebildet hatte, heftig gewehrt hatte. Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, und Trotzki waren zum Beispiel entschiedene Gegner einer Arbeitsdiktatur und Rudi Dutschke hatte sie ausdrücklich als Linksfaschismus bezeichnet. Es sollte aber nicht wirklich um ein besseres Verständnis der Geschichte rund um die Marx’schen Kritik der politischen Ökonomie gehen, denn die kapitalistische Krise war für die deutsche Intelligenz inzwischen eh eine beschlossene Sache, die sich quasi wie von selbst erledigen würde. Und so entledigte man sich lieber der eigenen Geschichte, als ihrem Fehler auf die Spur zu kommen. Lieber wollte man nur noch mit Ideologie und Wissenschaftskritik zu tun haben, als mit einer adäquaten Diskussion und Korrektur der Marxrezeption und des diesbezüglichen Arbeitsbegriffs. Das seien die exoterischen Anliegen von Karl Marx gewesen, so die sogenannten Wertkritiker. Für linke Positionen gehe es inzwischen aber mehr um dessen Esoterik, um die philosophische Kritik der Arbeit überhaupt, eben darum, das Ende der Arbeit zu konstatieren und durch Arbeitsverweigerung die schon idell vorhandene Selbstauflösung des Kapitalismus endlich zu verwirklichen. Dem konnte allerdings niemand so richtig folgen, der sich auf die vorhandene Wirklichkeit auch wirklich beziehen musste.

Aber die Arbeit in ihrer politischen Formbestimmung durch das Kapital war nun mal der Kern des Marxschen Hauptwerks zur Kritik der politischen Ökonomie. Was außer einer klugen Philosophie- und Ideologiekritik von Marx blieb, war demzufolge fast nur noch ein Denken jenseits wirtschaftlicher Lebensbedingungen, auch wenn man oft im Kapital darüber las. Aber mit den hiervon bewegten Schriften von Theodor W. Adorno wurde dessen philosophische Revision des Marxismus nachvollzogen und Wirtschaft selbst zur bloßen Negation des Lebens, Subjekt einer negativen Dialektik. Adorno, der dieser Welt überhaupt wirkliches Leben und damit Lebenswirklichkeit absprach, weil es kein richtiges Leben im falschen geben könne, versalbte das Selbstgefühl einer politisch verselbständigten Intelligenz, die sich lieber mit der verleugneten Wahrheit ihrer Gegenwart identifizierte und den Rest der Welt als fetischisiert in der Verblendung einer großen Täuschung sah. Das subkulturelle Feingefühl für eine noch nicht vorhandene Welt war für eine ästhetische Abhebung natürlich recht passabel und das Leiden der Ohnmacht wurde mit Adorno zu einem inneren Schmerz tiefer Sehnsucht, zum Wesen einer weltfernen Wahrheit, zur Wunde, welche die Kunst alleine offenbare.

Damit wurden die Widersprüche der wirklichen Lebensverhältnisse selbst zu Metaphern eines Fehlers und dieser lief auch einzig darauf hinaus, sich in der Negation des Lebens durchzusetzen, als negative Dialektik, als Lebensvernichtung in der Glitzerwelt des Kapitalismus, als Verblendungszusammenhang, unter dem leider nur noch die Freunde der Wahrheit zu leiden verstanden. Das Verbrechen lag in der Welt, deren Fehler man außer sich wähnte. Und weil man es als Freund der Wahrheit auch schon kannte, dieses Monster des politischen Verbrechens, war man auch auserwählt, dies der Welt zu präsentieren, es der Welt vorzuwerfen. Auschwitz wurde zum Inbegriff einer neuen politischen Identität, denn Auschwitz kannte jeder. Nur kannte nicht jeder die Selbstgerechtigkeit der kritischen Selbstbehauptung, die Wahrheit des Weltschmerzes.

Das Thema, unter dem sich die anfänglichen antideutschen Gruppierungen verstanden, ist ein universell richtiges Statement, das als der Imperativ von Theodor W. Adorno verfasst worden war, alles zu tun, dass „Auschwitz sich nicht wiederhole“. Von daher geriet Israel ohne eigenes Zutun zu einem Subjekt, welches das Theorieproblem der deutschen Intelligenzia zu lösen versprach. Es musste lediglich ein adäquates Gebräu aus Zionismus und Antisemitismus und Realpolitik beigebracht werden. Hätte man sich hierbei mit der israelischen Intelligenz zusammengetan, so wäre das vielleicht schwer geworden. Denn dort wurde vor allem dieser Zusammenhang heftig kritisiert. Die israelische Demokratie würde nämlich schnell absurd werden, wenn sie sich religiös oder philosemitisch begründen müsste.

Aber man verliebte sich in die eigene Kritik ohne auch nur im Geringsten eine kritische Vorstellung davon zu haben, was dabei wirklich betrieben wird. Sie war schließlich auch als Medium der Selbstveredelung äußerst erbaulich. Als lebendes Mahnmal der „Opfer des Nationalsozialismus“ fühlt man sich ja auch nicht schlecht und hat einiges zu tun. Das war wohl auch der Grund, warum die Antideutschen verblödeten.

Von Links nach Rechts und wieder zurück

Moral ist immer eine Anmaßung, stellt man sich als moralischer Mensch doch immer als Wert dar, als prinzipielle Verwirklichung höherer Werte. Der praktische Mangel, durch den sie überhaupt angerufen werden, die Sünde der Gegenwart, wird dadurch zum Mittel einer Bezichtigung, die sich durch nichts anderes begründet, als durch die Behauptung eines möglichen Wertseins. Indem man sich nur moralisch versteht und mit diesbezüglicher Bezichtigung sich mitteilt, verliert sich jeder wirkliche Grund und jede wirkliche Auseinadersetzung.

Bezichtigung ist allerdings immer auch Selbstbezichtigung. Und Dummheit ist ein logisches Resultat aus dem endlosen Kreislauf der moralischen Selbstbegründung. Deshalb eignet sich die Pauschalisierung der deutschen Schuld auch immer vorzüglich für eine Politik, welche Verdummung nötig hat. Persönliche Schuld kann eigentlich nur dort entstehen, wo ich für eine Tat ursächlich verantwortlich bin. Die geschichtliche Schuld der Deutschen liegt aber in einem Kulturverbrechen, nicht in der Persönlichkeit einzelner Menschen. In der Vermischung von beidem entsteht eine moralische Perversion: Die Wendung der kollektiven Geschichte gegen einzelne Menschen und damit die Aufhebung eines kollektiven Verbrechens durch dessen Überweisung an einzelne Personen.

Von daher kann über diese Pervertierung jede mögliche Kritik auch schon im Vorhinein eines Geschehens kontrolliert werden und dorthin eingebahnt werden, wo sie auch politisch genehm oder nützlich ist. Die persönliche Schuldbeteuerung oder –Bezichtigung ist das probate Mittel, jede mögliche Auseinandersetzung schon zu entscheiden, bevor sie überhaupt stattfinden kann. Im Internet hat sich eine allgemeine Aufwallung von Moralisten gebildet, die sich offenbar selbst nur noch dadurch bestärken, dass sie andere bezichtigen können, ohne die Sache selbst überhaupt vertreten zu müssen, für die sie sich angeblich einsetzen. Diese Leute sind schon auf dem Niveau angekommen, auf welchem sich die große Politik vornehmlich bewegt.

Von daher kann sich jeder Mensch dort beliebig und unterschiedslos darstellen. Das Medium der Moral genügt in dieser Sphäre nämlich selbst schon zu ihrer Begründung – ob dies nun eine Botschaft von Angela Merkel oder die eines rechten Prediger ist. Es muss lediglich die Botschaft einer unbekannten Größe verfestigen, eines Gebots, dass nichts wichtiger ist, als das Richtige zu tun, von dem man nicht weiß, um was es geht. Die ursprünglich antideutschen Positionen sind auf diese Weise sehr allgemein geworden. Jeder Ordnungsruf lässt sich damit begründen, jeder Ordnungskrieg sich legitimieren, wenn er aus dem Imperativ, eine Wiederholung von Auschwitz sei zu verhindern, legitimiert wird. Joschka Fischer hatte damit den Einsatz der Bundeswehr in Jugoslawien begründet. Und Angela Merkel begründet damit sicher auch bald eine deutsche Beteiligung bei der „Verteidigung Israels“.

Linke und Rechte haben sich darin angeglichen, dass sie mit Bezichtigungsformeln ihre Politik vermitteln wollen. Und sie unterscheiden sich nicht mehr unbedingt in der Sache, weil es nicht die wirkliche Sache ist, um welche es dabei geht, sondern es nur die Sache der Moral ist, hinter welcher der eigene wirkliche Zweck versteckt wird. Und der Zweck ist die Aneignung einer Gewalt, mit der man sich vor dem Unheil schützen will, an dessen Erzeugung man beteiligt ist. Es ist die eigene mikrige Angst vor einer Antwort auf die eigene Machtfülle: Die Angst vor der Gewalt der Ohnmacht, welcher man den eigenen Wohlstand verdankt.

Die Staaten haben schon immer viel Moral beigeschleppt, wenn sie Kriege losbrachen. Die höchste und furchtbarste Begründung waren immer schon die gerechten Kriege, die heiligen Kriege, weil sie der Vorsehung geschuldet sind. Sie entziehen sich jedem irdischen Maßstab und sind daher meist von unheimliche Stringenz. Es wird hier viel über die Kriegsmoral der Islamisten geredet, viel davon, welche Glücksversprechen dort einem Selbstmordattentäter geboten werden. Für uns wäre es sicher angebracht, einmal über die eigenen Glücksversprechen nachzudenken, welche die hießige Verteidigungslogik enthält. Dabei ist doch schnell zu merken, dass wir auf Erden das verteidigen, was anderen erst im Himmel geboten scheint. In dem wir einen Kriegsverschuldner im Dunstkreis radikal kultureller Mächte gefunden haben wollen, deuten wir doch auch nur auf unsere Lebensverhältnisse, die von solcher Macht bedroht seien, sei es nun der nazistische Antisemitismus oder ein islamistischer. Es ist in jedem Fall die Behauptung, dass diese Verhältnisse im Grunde Frieden den Menschen auf Erden bringen würden, wenn es nicht jene kulturellen Bosheiten gäbe. Aber es lässt sich leicht nachweisen, dass überall, wo wir in jene kulturelle Finsternis weißen, gerade unsere Lebensverhältnisse den Krieg heraufbeschworen hatten. Gerechte Kriege kann es nie geben. Sie bleiben weiterhin Anlass für gründliche Recherche und höchst intensiven Nachdenkens und Hinterfragens.