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2. Zwischen Psychologie und Selbsthilfe

Psychologie kramt gerne in Gefühlen herum und macht aus dem Leben Geschichten von Gefühlen und aus den Gefühlen eine Geschichte von Urtümlichkeiten, von Mythologien und Ursprungsphrasen, die von all dem weg führen, was Gegenstand der Psychologie sein sollte: Die Wirkungen der Psyche zu ergründen. Narziß, Ödipus und Elektra begleiten ein psychologisiertes Leben stattdessen fortan wie eine Lebensmetapher, in der alle Urkonflikte eingeschmolzen sind mit denen Mann und Frau zu leben haben sollen, und sie begleiten das alltägliche Leben wie die Gebetsmühle der ewigen Widersprüchlichkeit des Menschen, bzw. seiner "Triebe“, was immer dies auch sein mag: Das Tierische, Göttliche, Prinzipielle, Utilitaristische oder Archetypische. Die Geschichten des Lebens werden auf die Geschichte der Gefühle reduziert und alles wirkliche Leben hierin subsummiert, wie eine Oberfläche über abgrundtiefen Begriffswahrheiten, in der ja nur aufscheinen, was die Unendlichkeit schon bereitet haben soll. Doch dies ist nur die Unendlichkeit von Begriffsbildern, die Wirkung ihrer konkreten Tautologie. Und Psychologie ist hierbei reine Theologie, eine der vielen Lehren vom Ursprung allen Lebens.

Eine Gefühlsgeschichte kann es aber eigentlich nicht geben, wo doch Gefühle entstehen und vergehen und sich in Geschichten ereignen, die "Realitäten“, also Ereignisse, Beziehungen, Verhältnisse oder Tatsachen hinterlassen. Darin sind sie aufgehoben und in der Wirklichkeit, auch der unmittelbaren Wirklichkeit bewahrt. Sofern die wirkliche Geschichte mit den Gefühlen in Einklang steht, ist die Geschichte der Gefühle sachliche Begebenheit von Lebensgeschichte, Haus und Hof, Mann und Maus. Es bauen sich Bezüge auf, die Produkte und Quelle der Lebensgestaltung sind. Geist und Körper ändern und entwickeln sich, indem sie sich äußern und durch ihre Äußerungen fortbestehen und darauf neue Geschichte gründen. Alle unsere Erkenntnisse bestehen hieraus und bestehen in dieser Form fort. Unsere Kulturgeschichte bezeugt dies ebenso, wie jede einzelne Lebensgeschichte, denn zumindest in der Geschichte stellt sich das Ganze der Beziehungen, die Wahrheit ihres Zusammenhangs dar. Und aus ihr heraus werden daher auch die Lügen erkennbar, die Scheinwelten und Mystifikationen der Verhältnisse, die uns ihren Sinn verschließen sollten. Nur in der Geschichte entfaltet sich ihr Begriff. Deshalb läßt sich Leben auch nur in seiner Geschichte begreifen, allerdings erst dann, wenn sein Begriff entfaltet, Geschichte vorbei ist (28).

Gefühlszusammenhänge zwischen den Menschen haben die Eigentümlichkeit, dass sie keine Spuren jenseits der Menschen hinterlassen, keine sachliche Wirklichkeit, die ihren Erzeuger, ihre Ursache verraten könnte. Wenn diese Wirklichkeit für unsere Wahrnehmung nicht entstehen kann, wenn sie also keinen Fortbestand außer uns hat und nicht gegenständlich, nicht wirklich vergegenständlichter Sinn von Menschen ist, dann bildet sich dieses übersinnliche Gefühlsgebilde, das wir Psyche nennen (15), das menschlichen Sinn hat ohne sinnlich zu sein. Darin steckt die Geschichte unserer Beziehungen zu Menschen, die nicht existent außer uns geworden ist, eine Geschichte, die nur in unseren Gefühlen haust. Die Psyche ist ein Gefühlszusammenhang, in welchem wir Subjekte wie Objekte unserer zwischenmenschlichen Geschichte sind – subjektiv als Agierende, objektiv als Agenten. In jedem Fall haben wir mit anderen dabei etwas im Sinn – etwas, das wir unmittelbar nicht erkennen, weil wir es nur in der Vermittlung leben. Nirgendwo wird dies außerhalb von zwischenmenschlicher Beziehungen existieren, – mal ist es ihr Reiz, mal ihre Not. Zum Glück oder zur Schande kann darin werden, was in Wirklichkeit weder beschämt noch beglückt, weil es Sinn hat oder einfach nötig ist. Schuldig sind wir, wo wir dies nicht erkennen; die Frucht vom Baum der Erkenntnis erbringt die Erbsünde der Seele und die Arbeit als Strafe. Jedenfalls ist das Seelische der Sinn dieser Beziehungen, die keinen Sinn außer sich finden, der Sinn der Empfindungen und Gefühle, wie sie in der Wahrnehmung bei sich bleiben. So er keine ökonomische Form bekommt (z.B. als Familienhaushalt), besteht solcher Sinn nur in den Absichten der Menschen. Insgesamt ist das ein Doppelsinn, mit welchem Gefühlsinteressen ebenso verfolgt werden, wie sie auch verfolgt sind. Dies macht seelische Zusammmenhänge und seelische Wirklichkeit komplex und kompliziert. Aber auch sie haben Geschichte. Vielleicht kann man sie nur deshalb erkennen, weil sich in ihr nicht das Gestaltende, sondern das sich Wiederholende hervortut.

Als Kinder sind wir seelisch passiv, vorwiegend bedingt durch das Leben unserer Eltern, meist im Zusammenhang mit einer Familiengeschichte. Als Erwachsene stellen die Menschen selbst ihre Bedingungen und sind auch Lebensbedingung für andere, z.B. für ihre Lieben, ihre Angehörige und Zugehörige, ihre Kinder oder ihre alt gewordenen Eltern. Im Erwachsenwerden treten daher auch erst die Probleme auf, die solche ursprünglichen Lebensbedingungen als Kinder in ihnen aufgebaut haben. Auch wenn sie oft als Liebesprobleme oder Lebensangst auftreten und auch nur dort verlaufen, so sind sie doch Probleme der Selbstwahrnehmung, die sehr von den seelischen Lebensbedingungen abhängen, die ein Mensch hinter sich oder auch gegenwärtig hat. Art und Umfang dieser Probleme hängen davon ab, inwieweit sich ein solcher Mensch als bedingt und zugleich als Bedingung für andere, also objektiv ansehen kann oder sich der Objektivität der zwischenmenschlichen Beziehungen insgesamt beugen muss (13). Wie er sich von der einen Seite her wahr hat, so ist dies auch die Bedingung dafür, wie er andere Menschen wahrnimmt. Es macht sein Erkenntnisvermögen aus, was er unter dieser Bedingung empfinden und fühlen kann, was er wahrnimmt und was er wahr hat und wie er beides aufeinander für sich bezieht.

Im Wahnsinn ist dies verschmolzen. Er ist eine Implosion des Erkenntnisvermögens – Äußeres verschwindet nach innen, Inneres wird veräußert, das Gefühl wird empfunden, die Psyche kommt in ihrer Abgetrenntheit zu sich. Die Selbstgewissheit ist verloren, bzw. sie verliert sich zwischen Zuständen von Ungewissheiten und Gewissheiten in einem umfassenden Zweifel, einem leibhaftigen Erkenntnisproblem, in dem ein Mensch seinen Sinnen nicht mehr trauen kann, weil sie ihm mal in einem äußeren Sinn, mal in einem inneren gewahr sind, ohne dass beide miteinander zu tun haben. Alle Wahrheit ist entäußert, weil die Äußerungen anderer Menschen mächtiger sind als das Vermögen, mit eigener Wahrheit zu erkennen, was Äußerlich ist. Die Wirklichkeit, das Verhältnis von Ursache und Wirkung ist weit entfernt; aber sie verursacht letztlich immer das, was im Wahn wirksam ist, was er wahr hat. Er vollzieht in einer abgetrennten Innenwelt, was er an Ursachen wähnt für das, was in den Sinnen der Wahrnehmung wirksam ist (29).

An dieser Stelle wird dann der oder die Betroffene von anderen – meist besorgten Menschen – oder anfangs auch durch sich selbst als "krank" bezeichnet und ein Arzt gerufen, der ja nun mal der Profi für Gesundheit sein soll, dann der Psychiater oder der Psychologe. Die kommen aus ihrer Welt und ihren Vorstellungen und müssen (und wollen) sich von Berufs wegen in diese Situation einmischen. Es ist eine ziemlich absurde Situation – niemand kann was dafür. Wie soll sich da etwas erschließen, wie soll ein Kampf zu Tage treten oder sich auflösen lassen, der ja schon lange währt und sich unter klinischen Bedingungen noch weiter denn je von seinem Ursprung entfernt hat. Die Ungegenwärtigkeit war ja schon das Problem der Gefühle; jetzt wird sie total (14). Die Psyche ist ein objektives Problem geworden, das sich die Berufstätigen zum Gegenstand machen. Was auf den Betroffenen noch objektiv vielleicht Ursache für vielerlei Kränkungen war, was er nur aushalten konnte, indem er immer mehr sich selbst zurückgenommen hat, das macht nun ihn selbst objektiv. Er wird zum Fall, zu einer "seelischen Erkrankung“ oder noch krasser: Zum Geisteskranken. Weil er die Objektivität seiner Gefühlsprobleme nicht erkennen konnte, wird er nun selbst zum Objekt des Problematisierens, zum Objekt gut gemeinter Hilfe. Aber was soll da helfen? Was kann das sein, was das abgetrennte Seelenleben wieder einholt? Geht es da um Beistand, Rat, Unterstützung, Beruhigung, Medikamente ...?

Die Situation ist wirklich absurd und der betroffene Mensch ist jetzt wirklich schlimm dran. Was ihm wichtig war, wird ihm abgenommen. Was er für sich noch als Ausweg hatte, ist ihm jetzt versperrt. Gut für ihn gilt nur, was gut ist "für die Therapie“. Und das hängt davon ab, was darunter überhaupt verstanden wird. Die allgemeine Fürsorglichkeit betrifft seinen Zustand. Jetzt soll in ihm aufgebaut werden, was ihm fehlt. Jetzt soll er den seelischen Halt bekommen, an dessen Bildung er selbst gehindert war. Jetzt soll all das mit den Mitteln und Handwerkzeugen der Therapie hergestellt werden, was er nicht von selbst ausgehend entwickeln konnte. Der Entstehungsort der Probleme ist verschwunden, ihr Werden obsolet. Es geht um das Funktionieren, um das Machen, um das Sein, um die Beruhigung, die Linderung – oder auch nur um die Kasernierung oder Einschläferung.

Die Psyche aber wirkt höchst subjektiv. Niemand kann wirklich verstehen, was für einen anderen Menschen wichtig ist; nirgendwo können sich Menschen in irgendeinem Sinne voll und ganz verstehen oder begreifen. Und vor allem kann ein Mensch seine Befreiung nur durch sich selbst finden. Wo er kämpft, da kämpft nur er und was er sucht, das weiß nur er. Andere können das vielleicht so nach und nach begreifen, aber erkennen können sie es nur – wenn überhaupt – wo sie diesen Menschen lieben. Aber um Liebe im eigentlichen Wortsinn kann es hier nicht gehen. Wenn ein Mensch Hilfe sucht, weil er sich von seinen Gefühlen bedrängt fühlt, so handelt es sich eben doch vor allem um ein objektives Problem. Nicht, weil man auf das "Subjektive“ objektiv eingehen müsste, sondern weil das Hilfe-Suchen selbst nur objektiv ist. Eigentlich sollte es nur darum gehen, dies zu verstehen. Deshalb muss die seelische Situation so objektiv begriffen werden, wie sie ist – nicht, um Hilfsmittel bereitzustellen, sondern um einen "Zugang“ zu dem Menschen zu finden (30).

Wie gesagt, die Situation ist absurd. Im Grunde braucht der betroffene Mensch wohl wirklich nur das, was er schon gefunden hat: eine neue Lebensbedingung, die sich von seiner vorigen darin unterscheidet, dass er Abstand finden kann. Oft ist auch einfach nur wichtig, Menschen zu treffen, die in einer ähnlichen Lebenslage sind und hierüber sich verbinden können, die darüber sprechen können, wissen haben, wie man damit zurecht kommt. Hierfür sind Selbsthilfegruppen und Selbstorganisationen entstanden. Aber alleine das Zusammensein ändert noch nicht, was im Leben eines Betroffenen geschehen ist und geschieht. Zugleich hält er den Umstand ja auch nicht aus, weil er noch im Überkommenen, in vergangener Gegenwärtigkeit seinen zwiespältigen Halt hat. Um aus dem Gefängnis wirklich auszubrechen, kann eine Veränderung oder Unterbrechung des Alltags zwar schon ein erster Schritt sein, es ist aber noch keine andere Wirklichkeit. Wenn noch die Brücken zum Alten bestehen, so können sie vielleicht aus der Ferne anders angegangen oder wirklich gelöst werden, ein wirkliches Ende finden, weil neue Welten entstehen. Aber es besteht auch die Gefahr, neue Formen der Isolation aufzubauen.

War das Alte eine lebende Isolation, so darf das Neue kein Leben der Isolation, kein Ghetto werden. Isolation ist zwar schon mal räumlich überwunden, wenn sich die Betroffenen innerhalb oder außerhalb der Psychiatrie zu einer Selbsthilfegruppe, Selbstorganisation oder dergleichen zusammengefunden haben. Aber von Bedeutung ist, was sie sich zu sagen haben, was sie verbindet, worin sie sich austauschen können. Immerhin haben sie irgendwie ähnliche Probleme und können sich aus ihrer Lebenserfahrung heraus gegenseitig meist besser helfen, als dies ein Profi kann – solange sie ihre Probleme nicht verwechseln, solange sie darin eben auch genügend Abstand bewahren und ihre Unterschiedenheit ebenso erkennen, wie ihre Verbundenheit. Der wichtigste Schritt ist der Schritt aus der Isolation. Und der ist nun nicht einfach nur räumlich zu verstehen. Der Fortgang der Geschichte hängt sehr davon ab, was die Leute miteinander zu tun haben, die so zusammen gewürfelt werden, und wie sie damit zurecht kommen.

Aber Zustände bleiben eben auch Zu-Stände, wenn sie sich nicht durch neue Geschichte öffnen. In den Beziehungen der Menschen, auch wenn sie als Betroffene ein hohes Maß an Solidarität haben, setzen sich oft die selben Probleme fort, die zur Selbstisolation gezwungen hatten. Neben der äußeren Notwendigkeit, mit Menschen zusammenzutreffen, die in einer ähnlichen Lebenslage sind, gibt es auch eine innere Notwendigkeit, die sich nicht einfach abtun lässt, und die sich nur in den Abschnitten des wirklichen Lebens aufheben kann, aus denen sie erwachsen sind (oder in denen sie überhaupt nur auftreten).

Deren Grund wirkt fort, auch ohne dass er anwesend ist. Er steckt in dem Verhältnis, das ein Mensch zu sich selbst hat, während er mit anderen verkehrt. Manchmal wird er schon durch neue Beziehungen überwunden, manchmal nur dadurch, dass ein Mensch das Verhältnis, das er zu sich hat, als Störung des Verhältnisses, das er zu anderen hat, erkennen muss. Auch solche Erkenntnisse können spontan sein. Sind sie es nicht, so sind Erfahrung und Wissen nötig, mit denen sie ermöglicht werden. Solches Wissen ergibt sich aber nicht aus den unmittelbaren Verhältnissen, sondern aus der ganzen Lebensgeschichte eines Menschen und ihrer "Fortpflanzungslogik“ (31). Darin muss der Grund stecken, warum ein Mensch unter Gefühlen leiden kann, die ihm so objektiv erscheinen, wie eine Stimmung, der er nicht entrinnen kann.

Aber gibt es solche Objektivität wirklich? War das vielleicht nur eine Reminiszenz unvollkommener Gedanken oder Entwicklungen, subjektive Schwäche, die mit Objektivitätsbehauptungen zerredet wird, weil sie nicht als Bestandteil des Subjektiven anerkannt werden soll? Das kennt man ja zur Genüge, dass alles aus einer Individualgeschichte erklärt wird, damit sein gesellschaftlicher Grund nicht erkannt wird. Umgekehrt wird vieles mit der Feststellung, dass es gesellschaftlich begründet sei, bis zur Unkenntlichkeit entleert. Ist es vielleicht doch noch die Krankheit der Psychologie, der man da wieder mal nachrennt, nämlich dort ein seelisches Problem zu sehen, wo man einfach zu akzeptieren hätte, dass das objektive daran noch nicht begriffen ist, dass man akzeptieren muss wie es ist, um "richtig“ handeln zu können, wenn man es begriffen hat?

Es ist ein schwieriges Thema. Natürlich geht es letztlich um die Anerkenntnis der eigenen Subjektivität und um das Handeln können. Aber gerade das scheint durch etwas Fremdes verstellt, das sich als Eigenes eingeschlichen hat: Wie sonst können seelische Regungen überhaupt objektiv sein, die doch einer zutiefst subjektiven Geschichte entspringen. Wie kann sich aus einer Lebenserfahrung ein Gefühl heraustrennen, selbständig werden und eigene Kraft besitzen? Diese Kraft steckt in den Sinnen der Wahrnehmung, ist körperlich wirksam und geistig zugleich und scheint unentrinnbar zu sein, weil sie selbst wie ein Sinn, wie ein Lebensbestandteil des Betroffenen tätig ist.

Wenn selbstständige Kräfte entstehen, so ist das zwar verselbständigte Subjektivität. Aber gerade hierdurch sind sie auch objektiv: Gegen-Stand, etwas, das dem Subjekt gegenüber steht. Wahnsinn ist für mich ein lebendiges Erkenntnisproblem, in welchem sich Grausamkeiten fortleben, die keine Gegenwart haben können und die einen Menschen gebildet haben, der sich fortwährend selbst einholen muss. Er ist nicht einfach fortgesetzte Grausamkeit, sondern das Verhältnis einer grausamen Geschichte zu einer Gegenwart, in welchem er sich solange fremd bleiben muss, bis er dort angelangt ist, wo er auch lebt. Das macht schließlich auch die Isolation aus, in der sich der Kreis schließt und in einem Menschen solange fortlebt, bis sie wieder durchbrochen werden kann, d.h. wieder Sinn bekommt.

Ein Mensch kann keiner Macht unterworfen sein, wenn er darin nicht in seinem Leben abhängig ist. Die Geschichte isolierter Gewalt ist daher auch die Geschichte isolierter Macht, eine Geschichte, in der die Unentrinnbarkeit aus einem Machtverhältnis bestimmend ist. So wird sich noch zeigen lassen, dass eine Macht von Menschen über Menschen, die sich seelisch auswirkt, sich auch nur durch die Abgetrenntheit von Lebensräumen wirklich entfalten kann. Letztlich ist die Grundlage seelischer Gewalt tatsächlich eine Lebensform (wenn man so will auch Lebensstruktur). Es geht hier sehr oft um die Familie. Aber die Gewalt besteht nicht aus dieser Form. Sie hat ihren Sinn in dem, wie sich Menschen in dieser Form aufeinander beziehen, wie also ihre Beziehungen formbestimmt sind. Dadurch, dass Eltern innerhalb der Familie allmächtig sind und sich ihre Macht auch als Liebesmacht äußern kann, sind ihre Kinder vor allem innerlich mit der formbestimmten Gewalt verstrickt. Alles, was sie werden können, hängt von der Verbundenheit ihres Lebendigseins mit anderen Menschen zusammen. Besteht hierbei eine Isolation, so meist durch die Macht, welche Eltern über ihre Kinder haben. Von daher ist die Geschichte des Lebensraums Familie sowohl subjektiv vom Leben der Eltern, ihrer Liebe und Zuwendung, wie auch objektiv durch die Art und Weise des Gebrauchs und der Ausdehnung von elterlicher Macht bestimmt. Nicht nur innerhalb der Familie, aber meist dort, wird Macht und die darin begründete Gewalt gegen sich und andere für ein ganzes Leben bestimmt, solange dieses nicht in seiner Not dagegen aufsteht.

Psychologie kann diese Geschichte aufspüren, wenn sie sich kritisch zur Isolation eines inneren Wesens stellt. Man könnte sagen, dass Psychologie die Erforschung der Logik des Seelischen ist, die erklären können muss, wie es entsteht, sich entwickelt und als ein selbständiges Wesen erhält. Psychologie kann also nur als Kritik der Psyche bestehen, als Selbstfindung geistiger Kräfte, welche die Vergegenständlichung der Gefühle aufgreift, um ihr Leben zu befreien, um das frei zu setzen, was in den Gefühlen an Leben besteht – denn Gefühle für sich leben nur davon, dass sie einem Leben entsprungen sind und leiden daran, dass sie es im Inneren eines Menschen zusammenhalten müssen. Dies ist mühevoll und verlangt viel Arbeit, welche die Psyche zum Zusammenhalt der Gefühle aufwenden muss. Die Geisteskraft, die sie dabei benötigt, wäre besser verwandt in der Lebensgewinnung des Geistes, der in den Gefühlen haust. Doch von dem ist die Psyche das gerade Gegenteil, – wohl seine Form aber diese auch nur für sich. Nur die Aufhebung der Psyche wird diesen Geist freisetzen können.

Für mich ist klar, dass es Psyche in dieser Isolation des Geistes von seinem Sinn gibt und nur in dieser Form besteht und fortbesteht. In dieser Form unterscheidet sie sich auch von ihrer Geburtsstätte, den Gefühlen und Empfindungen, die ein Mensch hat. Die Ideologen der Psyche machen aus ihr ein positives Individualwesen, das als quasi schöpferischer Kern des individuellen Menschen anzusehen sei. Aber zum schöpferischen Menschen braucht es keine Psyche. Er arbeitet ja mit Sachen, Menschen und Gefühlen, ohne irgendetwas verselbständigen zu müssen. Ja, gerade seine Fähigkeit, Zusammenhänge aufzugreifen, lässt ihn schöferisch sein. Das ist seine Eigenschaft. Die Psyche aber hat Absichten, die es zu ergründen gilt, wo die Not es verlangt – oder die Sehnsucht der Freiheit es erfordert.

So war mir klar geworden, dass ich diese Gründe erarbeiten muss, durch welche seelisches zu einer geistigen Verselbständigung, zu einer inneren Objektivation des Geistes führt. Und ich dachte auch, dass ich das muss und kann, ohne die Auffassung eines seelischen Wesensprinzips zu teilen. Ich war fest davon überzeugt, dass Psychologie nicht eine Theorie der Individualität sein konnte, sondern eine Theorie der Selbstentfremdung sein muss. Und ich wusste, dass die bisherige Psychologie diese Theorie noch nicht zustande gebracht hatte (32). Ich verstand mich im Grunde als Forscher, welcher einer Psyche auf die Spur kommen wollte, die sich nicht durch eine Individualisierung von natürlicher Geschichte, sondern aus kultureller Selbstentfremdung des Menschen im Individuum erklären ließ (33). Es war für mich ein Grund, warum Menschen nicht nur die Hallen ihrer existetiellen Isolation verlassen sollten, sondern sich auch treffen müssen, um sich durch ihre Erfahrung und Wissen über diese Entfremdung gegenseitig zu bereichern.

 

In diesem Zusammenhang eines Ganzen lässt sich auch das Teil anders sehen. Die Strukturen der Kultur werden nicht unbefragt als Lebenstatsachen hingenommen, wenn sie sich nicht als Lebensausdruck der Menschen bewähren. Wo sie Macht gegen Menschen verkörpern, geht diese Macht auch in das Leben der Menschen ein. Das ist im Einzelnen so, wie auch allgemein. Psychologie, die auf der Seite der Menschen steht, wird diesen Mächten nachgehen und ihre Gewalt hinterfragen.

Die Themen, die in unserem Verein allgemein bearbeitet wurden, entsprachen diesem Anliegen. Die Formen kultureller Gewalt sind äußerlich und wirken innerlich, wenn sie akzeptiert werden – sie funktionieren so gut, wie die Schnur an einem Hampelmann: Wer akzeptiert, wie er gezogen wird, der muss sich nicht wundern, wie er sich bewegt. Von dieser Seite war eine Selbsthilfegruppe eine gute Selbsterkenntnisgruppe. Aus den Themen entstanden Kontakte und Verbindungen. Die Menschen lernten sich besser kennen und hatten miteinander zu tun.

Im Einzelnen sah dies allerdings anders aus. Hier war ein so sachgegebenes Zusammensein nicht möglich. In den Einzelbetreuungen musste mehreres zugleich geschehen: Sozialarbeit, Psychologie und Kulturarbeit. Ich verstand die Aufarbeitung von kultureller Gewalt in zwischenmenschlichen Verhältnissen als den wichtigsten Stoff meiner Einzelbetreuung. Meist war dabei die Familie der wichtigste Ort, worin sie sich ereignete. Die Arbeit bestand zum einen darin, Gewalt konkret zu begreifen, vor allem, dass sie von den Subjekten meist gar nicht gewollt, wohl aber betrieben wird, wie bei einer Kette von Hampelmännern, die nicht ausscheren können. Zum Zweiten ging es um die Erwägung von Strategien, wie dem ausgewichen oder wie sie angegangen werden kann, oder wie ein hiervon geschiedenes Leben möglich ist. Und zum Dritten ging es um die Einbeziehung des Einzelgeschens in die Aktivitäten des Vereins.

Ich fasste das zentrale Thema der Kulturmacht als das in allen Verhältnissen durchgängige Thema auf. Obwohl im einzelnen die Not erst mal oft nur durch Hilfreichungen gelindert werden konnte, gelang es doch auch öfter, die Geschichten seelischer Not aufeinander zu beziehen. Dies hing stark vom Engagement in den Einzelbetreuungen ab und wie dort die Probleme angegangen und die puren Notwendigkeiten relativiert werden konnten.

Gewaltige Lebensräume

Nun ging es aber erst mal darum, kulturelle Gewalt zu erkennen. Ich fragte mich also, welche Gewalten es da in Marias Leben gegeben und wie die auf sie gewirkt haben mussten. Es mussten übermächtige Gewalten gewesen sein. Aus dieser Überlegung entstanden meine Fragen, die ich an sie hatte und durch deren Beantwortung ich zusammen mit ihr weiterkommen wollte. In der Frage von Gewalt waren wir uns einig geworden, wenn auch in völlig verschiedenem Sinn. Sie suchte jede Feststellung von Gewalt zu meiden, sich allzeit versönlich zu zeigen und sie letztlich zu ignorieren. Ich versuchte, sie in Lebensstrukturen (z.B. Familie), Institutionen (z.B. Psychiatrie) und Ästhetik (z.B. Bauweisen) aufzuspüren und zu zeigen, dass sich die Menschen darin auch gewalttätig verhalten. Ich wollte hierüber aufklären; sie wollte davon nichts wissen. Aber immerhin hatten wir jetzt unsere Arbeit am Wahnsinn als gemeinsame Arbeit mit verteilten Funktionen begriffen. Nur kamen wir in diesem Gesensatz nicht weiter.

Ich verspürte in Maria diesen ungeheuer umfassenden Kampf um sich selbst. Sie konnte ihn nur bestehen, wenn sie ihre wirkliche Ohnmacht ent-decken könnte – nicht aufdecken, wie ein unterschwelliges Leben, sondern als eine Wirklichkeit, der sie sich unterworfen wissen muss, um sich aus ihrer Unterworfenheit zu emanzipieren.

Sie war von all den Kräften, die ein Mensch subjektiv hat, von ihrer Liebe, ihren Gefühlen, ihrem Herz so beherrscht, dass sie ihr Leben selbst nur als Objekt ergriff, sich als Objekt ihrer eigenen Kräfte wahr hatte und sich selbst gar nicht anders kannte. Die "Krankheit" war eine unendlich mächtige Ungeheuerlichkeit, die eigentlich nichts mit ihrem Leben zu tun zu haben schien. In ihrem Leben erschien sie ihr so unbegründet und hinterhältig wie ein Geist. Und wenn man dem Recht gibt, wie Wahnsinn auftritt und erscheint, so musste man sich diesem Mythos des Übermächtigen, Übersinnlichen auch beugen. Vielleicht kann man sich zur Begabung hierfür sogar beglückwünschen, übersinnlich fühlen oder seine Nähe zum Unheimlichen, sich als Kenner der Hexerei feiern. Geändert hat dies aber noch nichts.

So konnte Maria das auch nicht verstehen. So verstehen es ja meist nur Menschen, die dem subjektiv überhaupt nicht ausgeliefert sind, aber gerne Bücher darüber schreiben. Aber sie litt auch nicht an ihrer Seele, sondern an dem Unvermögen ihres eigenen Lebens. Sie litt daran, dass sie ihr Leben von lebensfremden Interessen verstellt fand. Sie litt an ihrer Selbstentfremdung, die zugleich Macht über sie hatte. Die "seelische Erscheinung" des Wahnsinns ist nach meiner Auffassung nichts anderes als die Wirklichkeitsform eines aufgehobenen Lebens, das der lebende Mensch sinnlich nicht mehr wahr hat. Er wird verrückt, weil ihm seine eigene Welt entrückt ist; die Welt seiner Wahrnehmung, die Vertrautheiten und Vertraulichkeiten fehlen ihm genauso wie die Hintersinnigkeiten, die darin übermittelt werden. Die Vergangenheit isolierter Lebensräume wird so zur Gegenwart isolierter Gefühle.

Wenn und weil das vergangene Leben in einem geschlossenen Raum stattfand, ist es im gegenwärtigen nirgendwo vorhanden. Ich konnte zwar davon ausgehen, dass dieser Raum Marias Familie gewesen sein musste, aber ohne sie konnte nicht erkennbar werden, wer darin wie wirksam war. Die Familie ist durch ihre Funktion als Lebensburg Hort von Intimität und hat ihre gesellschaftliche Macht vor allem dadurch, dass sie als ein Negativ zur öffentlichen Kultur, als Ausgleich öffentlicher Funktionalitäten einen wesentlichen Teil des Menschseins bewahrt und behütet. Was Eltern als Verhütung und Behütung betreiben, gestaltet den Familiensinn und das Verhältnis der Menschen darin. Zugleich sind sie darin lebende Menschen, die selbst auch den Notwendigkeiten des formalisierten Lebens folgen müssen und zugleich darin ihren Sinn haben. Was sie im Sinn haben, ist in diesem Widerspruch oft unerkennbar und unterliegt dem erzieherischen Verhältnis (vergl. "Skizzen zu einer Erkenntnistheorie der Kultue“). Wenn die Geschichte in der Familie vollständig isoliert ist, so wirkt sie als vollständige Lebensbestimmung in den Kindern fort. Ihr Leben jenseits der Familie wird zum Fiasko.

Die Gegenwart erscheint geschichtslos, weil die Mächte der Vergangenheit keine Wirklichkeit mehr haben können, aber in den Gefühlen der Menschen wirken. Deshalb tritt das vergangene Leben in keiner Weise gegenwärtig und auch nicht als ein jenseitiges auf, sondern treibt sich in den Wahrnehmungen selbst herum wie ein Gespenst. Sie selbst werden doppelsinnig, enthalten einen Sinn, der hinter aller Wahrnehmung wirkt und sich in den Wahrnehmungsprozess selbst hineindrängt wie eine Stimme der Vergangenheit, eine Meinung aus einer Geschichte, die nirgendwo wirklich ist, aber in Maria viel Wirkung hatte. Die Wähnungen verraten also eine hinter jeder Wahrnehmung verborgene "Meinung der Seele", die sich nur noch in der Wahrnehmung gestalten kann wie ein fremder Sinn, der aber für die Wahrnehmung zugleich nicht wahr ist. Er besteht daher fort wie eine objektive Macht vergangener Gefühle, welche in der Gegenwart dadurch wirken, dass sie diese nur so erkennen können, wie sie für die Vergangenheit sein darf. Das ist nicht irgendein Verarbeitungsmodell oder Muster, sondern ein wirklich aktives Körpergedächtnis mit einem Sinn, der die Gegenwart bedroht und für den Maria noch keinen gegenwärtigen Sinn hatte.

Das Objektive des nicht wahr gehabten Lebens, dieser Hintersinn der Wahrnehmung, ist aber auch kein "Unbewußtes" – nichts, was durch inhaltliche Hervorkehrung in das Bewußtsein gelangen könnte und sodann Ruhe und Friede oder Befriedigung finden könnte, so als seien die Getrenntheiten der Wahrnehmung lediglich eine Abspaltung der Sinne vom Bewusstsein. Es ist vergangene Wirklichkeit, die als Unleben fortbesteht, das im Leben wirksam bleibt, so dass es keine keine Wirklichkeit bekommen kann und in einem tötlichen Teufelskreis sich erzeugt, wo es vernichtet wird. Es kann seine Wirklichkeit, seine Wirkung und seine Bestätigung als menschliches Leben nicht erreichen, solange die tötlichen Kräfte der Vergangenheit nicht erkannt sind und überlebt werden können. Nach meiner Auffassung ist dieser Hintersinn ein ungelebtes Leben, ein Leben, das nicht leben kann, aber fortbesteht als eine "Meinung der Seele", mit der sie sich überall in die Wahrnehmung einmischt und so agiert, wie sie es nötig hat. Es ist pure Lebenserfahrung, die keinen Sinn mehr hat, aber sich aller Sinne bedient. In der Stimme spricht das Gebot der Stimmung und dieses kommt aus vergangener Geschichte, welche die Gegenwart nicht erträgt.

Für viele Menschen ist der Wahnsinn vielleicht eine natürlich Durchgangsphase ihrer Gefühle, eine Geschichte, die in eine Krise gekommen ist. Niemand sollte sich da groß einmischen. Wer es selbst leben muss, weiß sicherlich am besten selbst, was er oder sie brauche und wird vielleicht auch die Mittel finden (oder sie müssen geschaffen werden), durch die er oder sie weiterkommt. Aber das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Krisen gibt, für die alle Wege verschlossen sind, sei es, weil sie keine Existenz, sei es, weil sie keinen Sinn mehr haben.

Hier geht es dann erst mal um Spurensuche, um das Hervorbringen von Verdecktem, das nur leben kann, wo es sein kann und das nicht ist, weil es in seinem Leben verstellt ist. Das macht das Problem psychologischer Tätigkeit aus: Ohne sich einzumischen sollte sich der Psychologe als Wegbegleiter, als Mitdenker und Rückhalt zur Seite stellen, seine Gedanken spinnen und mitteilen. Die Entwicklung läuft nicht über ihn, aber seine Anwesenheit macht den Rückhalt aus (hierüber muss er sich selbst gewiss sein und auch Rechenschaft abgeben). Seine Arbeit dabei ist nicht so sehr das Mitfühlen, sondern das Schlußfolgern und das Erschließen. Zustände lösen sich auf, wenn Bewegung entsteht, wenn Erschlossenes Fragen aufwirft und neue Orientierung erfordert. Sie verlieren ihre Objektivität, wo sie in das Leben zurückfinden oder ein anderes Leben verlangen – wenn sie also eine Lebensänderung begründen.

Die Sprache wird die wichtigsten Brücke zum Leben der Betroffenen sein. Andererseits muss ein Psychologe oder eine Psychologin auch allgemein verstehen, was vor sich geht, damit er oder sie Rückhalt sein kann, der auch seinen eigenen Sinn einbringt und Verfestigtes befragen oder Verwirrtes aufgreift und seine Notwendigkeit befragen kann. Ihr oder sein Lebensverständnis ist entscheidend für das, was zur Sprache kommt. Und hieraus ergeben sich auch die Kenntnisse oder Erkenntnisse über die seelischen Zusammenhänge, welche die Schlüssel für seine oder ihre Fragen sind, die sich bei dieser Arbeit entwickeln. Die psychologische Arbeit ist gänzlich anders als die, welche der Betroffene zu leisten hat. Aber dennoch sehe ich darin eine Interessengemeinschaft, wenn sich beide in ihrem Lebensverständnis treffen können, wenn es beiden um die Befreiung und um das Eintreten gegen objektive Mächte geht (35).

Deshalb bestand meine erste Arbeit überhaupt aus der Entschlüsselung des Sinnes, den der Wahnsinn hat. Die Nuss, die dabei für mich zu knacken war, war zuallererst, das "Symptom" als wirkliches und begründetes Geschehen zu begreifen. Aber das waren eigentlich auch schon zwei Arbeiten: Zunächst ging es überhaupt darum, den Wahnsinn als wirklichen subjektiven Sinn zu begreifen, als eine Lebenserfahrung, die nicht einfach nur moralische Kontrollinstanzen hinterlassen hat, sondern mit gutem Grund sich nicht erkennbar zeigt. Und um diesen Grund auch zu verstehen, musste sozusagen der objektive Sinn begriffen sein, den der Wahnsinn hat. Mir konnte ja niemand einfach berichten, was hinter den Zuständen so alles steckt. Ich musste nachfragen und überlegen. Es erforderte einen Denkakt, den subjektiven und objektiven Sinn des Wahnsinns zu unterscheiden, sozusagen eine Arbeit an der Wahrnehmung selbst, nämlich daran, in der Form des "Symptoms“, in den Stimmen, durch welche die Psyche sich zu erkennen gibt, ihrem Gehalt, ihrem Anlass usw. überhaupt etwas zu entdecken, was jenseits dieser Erscheinung jedermann zugänglich und verständlich wäre, wäre es nicht für sich abgeschlossen. Es ging um den Sinn, der die Meinung der Seele geschaffen hat und um den Sinn, der sie verschlossen hält. Es besteht ein Doppelsinn in dieser wahnsinnigen Form, der nur regelnd und handelnd auftritt, ohne subjektive Begründung zu zeigen. Und um sein Regelwerk zu unterbrechen, muss man die Regeln kennen.

Die dritte Arbeit bestand schließlich darin, die Bedingungen zu schaffen, dass sich die Verstrickungen dieser Wahrnehmungszusammenhänge auflösen können. Sie besteht nicht mehr aus Denken, Rat oder Tat oder Sprache überhaupt, sondern aus wirklichem Dasein als Rückhalt für sie. Aus dem gemeinsamen Wissen ihrer "Zustände" war ja auch schon ein Vertrauen erwachsen, durch das sie sich besser sein lassen konnte, zugestehen konnte, wie sie war. Mein Ziel war einfach nur, dass sie sich in einer neuen Weise kennenlernen, Erfahrungen machen kann, denen sie sich ohne Beistand nicht ausgesetzt hätte und somit ein Selbstvertrauen möglich zu machen, das ihr ihre bisherige Geschichte verweigert hatte.

Alle diese Arbeiten verliefen praktisch gleichzeitig. Es erforderte Aufmerksamkeit und auch die Bereitschaft, in den kritischen Phasen eine Art Lebensbrücke zu sein. Das ist ziemlich problematisch, weil ich nicht ohne Grund einfach und jederzeit für sie gegenwärtig sein konnte oder wollte. Aber ich war auch neugierig genug, um immer wieder da zu sein, wenn sie Kontakt suchte. Dadurch, dass sie auch bald wirklich weiter kam, hatten sich keine Leerläufe ergeben, in denen sich solche Betreuungsverhältnisse leicht auch verschleißen können, wenn darin der Gewinn eines Beistands nicht die Angst vor einer Abhängigkeit und Selbstaufgabe überwiegt.

Ich denke, dass es nur durch dieses fortschreitende Begreifen ihrer Lebenszusammenhänge möglich war, auch mein eigenes Interesse zu bestärken und ihm auch in der Beziehung zu ihr nachzugehen. Ich konnte mich hierdurch auch dort mit ihr verständigen, wo sie mit sich verzweifelt war, wo sie im Zwiespalt ihrer Empfindungen reine Anwesenheit eines "Mitwissers" brauchte, ohne dass der ihren Selbstzweifel auflösen konnte. Aber er war da und "erinnerte" sie an das Wissen, das auch schon mal als Brücke funktionieren kann. Auf jeden Fall war diese kleine Gemeinschaft eine große Hoffnung, vielleicht manchmal zu groß. Wichtig war, dass wir beide in unserer Arbeit auch weiter kamen.

Ein wirkliches Lebensproblem als Problem unwirklicher Lebensverhältnisse

IIn der Auseinandersetzung mit Maria waren für mich ihre Stimmen, ihre Verfolgungsangst und ihre Schuldgefühle Wirklichkeiten von ihr, die ich als Verkörperungen von Wahrnehmungen verstand, die sich in diese Form verwandelt hatten. Durch den Gedanken der Metamorphose von Wahrnehmungen wollte ich diese mit mir verständlichen Verhältnissen verbinden, wollte also von einer Körperform der Wahrnehmung rückschließen auf die Verhältnisse, in denen sie körperlich keine andere Form haben konnte.

Ich kann Wahnsinn als eine Verrückung von Sinn und Wahrheit in der Wahrnehmung begreifen, als Beherrschung der Empfindungen durch Gefühle, die stärker sind, als es das Wahrnehmungsvermögen sein kann. Die Heftigkeit dieser Gefühle und vor allem ihr Sinn waren mir lange völlig unklar. Freud sah in der "Psychose" eine Überflutung des "Ichs" durch Wünsche aus dem "Unbewussten". Das waren für mich leere und auch falsche Begriffe – irgendwie gemein, weil sie den Betroffenen auch noch zum Subjekt seiner Ohnmacht machten. Natürlich war es auch mein Ehrgeiz, diesem "Individualpsychologen mit gesellschaftskritischem Touch" entgegenzutreten. Ich benutzte zunächst einfache dialektische Denkschemata, durch welche Rückschlüsse auf die Quelle des Reflektierten möglich sind, ohne dass denen eine sonderliche Wahrheit zugesprochen wurden. Material hierfür waren entweder inhaltliche Geschichten aus Träumen oder Stimmen, oder es waren Überlegungen zur Fortbildung von Formverwandlungen, z.B. die Wiederkehr vernichteter Gefühle in der Verfolgungsangst. Oder es waren Versuche einer Interpretation von immer wiederkehrenden Stimmungen oder von Wahrnehmungen, die sich mir lediglich über ästhetische Brücken (z.B. Architektur und Stimmung) erschlossen. Von da her stand zwischen mir und Maria nicht die Frage von verrückt oder gesund (obwohl gerade Maria sie mir ständig stellte), sondern das, worum es in Wahrheit ging – da war sie genauso gefordert wie ich. Zunächst ging es mir um die Herausarbeitung des "Problems" innerhalb der verwandelten Form selbst und später um die Notwendigkeit der Formverwandlung als solche. Ich sah Maria also wirklich als verfolgt an, wenn sie von Verfolgung sprach, nicht – wie das gerne gemacht wird – weil ich ihr den Status des Verfolgtseins mit Leichtigkeit zubilligen konnte, sondern weil ich wirklich davon überzeugt war, dass in ihr Verfolgung stattfand. Mir war lediglich der Kern der Verfolgung selber unklar, denn ich fand an Maria allein die Wirkungen derselben vor.

Andererseits aber begann diese Auseinandersetzung nicht mit den Inhalten ihrer Probleme, sondern durch mein praktisches Dasein als Mensch, mit dem sie reden konnte, der eine andere Haltung zu ihrer "Krankheit“ hatte, die sie kennenlernen wollte, und der eine Art Wirklichkeit innerhalb ihrer eigenen Wahrheitsfrage war. Die Frage, ob sie wähnt oder wahrnimmt, ob sie "spinnt" oder ob es sich um "Tatsachen" handelt, was sie hörte oder fühlte, wollte sie ständig von mir beantwortet haben. Gegen diese "Rolle" musste ich erst mal ankämpfen, bevor unsere Beziehung überhaupt beidseitiger werden konnte. Es war ja ganz natürlich, dass ich mit meiner "Art, etwas zu sehen" für sie zu allererst die Bedeutung eines "Wahrheitsträgers" hatte. Sie wäre am liebsten in meine Wahrnehmung geschlüpft und hätte die Welt gerne so gesehen, wie ich sie sehe. Aber das genau war ja das Problem. Sie empfand die Welt am liebsten so, wie sie andere empfanden, so dass sie sich auch durch andere in dieser Welt empfinden konnte. Sie war dann ganz dabei, bevor sie sich in ihrer Einsamkeit wieder ganz verlieren musste.

So gehörte wohl auch ich zu der Welt, durch die sie so hilflos war, wie die anderen für sie empfindungsmächtig wurden. Sie wollte an dieser Macht teilhaben, ohne ihre Ohnmacht verlassen zu können; sie wollte vor Irritation geschützt sein und sorgte sich um die Sicherheit ihrer Empfindungen vor jeder Beziehung, jeder Erregung und jeder Befriedigung – schließlich vor dem Schokoladeessen bis hin zum Zigarettenrauchen selbst. Solche Beziehung auf andere ist ein Verhängnis, weil sie sich hierin natürlich in dem Maße verlor, wie sie an Sicherheit zu gewinnen schien. Aber ich musste es zunächst hinnehmen und zugleich dagegen angehen, indem ich ihr diese "Sicherheiten" verweigerte, so gut es ging. Glücklicherweise hatten wir aber ein klares und distanziertes Verhältnis, in dem ich zuversichtlich war, dass da nicht auch noch besondere Abhängigkeitsgefühle oder verselbständigte Gefühle entstehen würden.

Das eigentliche Problem, das ich hatte, war die Unwirklichkeit meiner Rolle für mich, in der ich zugleich wirklich war für sie. Es ist praktisch einfach wichtig, und das nehme ich als reine Tatsache, dass ein Mensch als eine Art Überträger vorhanden sein muss, mit dem man reden kann, der sich nicht mit reinziehen lässt in alle eigenen Gefühle und Erregungen und der sich nicht dem Geschehen selbst ausliefert. Das hat nichts mit der psychoanalytischen Übertragungstheorie zu tun. Aber es ähnelt dem, was dort damit beschrieben sein soll: Ich war nicht als verständiger oder vernünftiger oder wissender Mensch da, nicht als einer, mit dem man mal ratscht oder Probleme wälzt. Ich war für sie da als ein Mensch, der sich permanent selbst zu vergegenwärtigen hatte, der sein Anderssein betonen musste und sich aus den Gefühlen heraushalten konnte, mit denen er zugleich zu tun hatte. Ich musste bei Gefühlen, die ich nicht verstehen konnte, bleiben können, was ich bin. Das war für mich gar nicht so einfach, denn im Wahn wird ja alles Gefühl übermächtig und auch nur dieses empfunden. In einem selbst spielt sich der Wahn quasi umgekehrt ab: Ich hatte den Widersinn in mir als Gefühl, das wahr zu haben, was ist für sie sein musste und zugleich meine eignene Wahrnehmung hiergegen zu bewahren.

Die Schwierigkeit ist dieses doppelt Sein in zwei Wahrheiten. Meine und ihre, das waren zwei Welten, wobei ich mich nach ihrer verhalten musste, während ich in meiner dachte. Ich verstand meine Betreuung so, dass ich ein Mensch sein musste, in dem Maria irgendeine Wirklichkeit des Gesprächs oder irgendwelcher Tätigkeiten (z.B. Spazieren gehen, essen usw.) dann noch finden sollte, wo sie sich ansonsten verkrochen hätte. Sie sollte nicht ihrer Selbstisolation folgen, sollte mit mir nach "draußen", das sie alleine nur noch fürchtete. Es ergaben sich so auch Unterbrechungen des "Selbstlaufs" und es zeigte sich auch, dass das Gespräch mit mir irgendeine Festigkeit in ihren Alttag brachte, die manchmal auch das "Umkippen" in den Wahn verhinderte. Und auch im Wahnsinn selbst "bot" ich eine Gewissheit, ein Vertrauen, das aus unseren Gesprächen "davor" sich noch herübertrug und an der Maria sich noch für eine Weile festmachen oder irgendwie orientieren konnte. Es brachte dies zumindest eine Zuversicht, dass jemand da war, mit dem es ein ganz kleines Stückchen weitergehen konnte – und dass überhaupt eine Entwicklung geben konnte. Sie hatte bis dahin ja noch nie erlebt, dass sich der Wahn aufhalten ließ – wenn auch nicht dauerhaft. Aber er zeigte sich hierdurch erstmals als etwas geistiges, als etwas, was davon abhing, wie wir zusammensein konnten. Die "Genetik“ der Psychose war hierdurch schnell besiegt und Psychopharma erstmal nur ein notwendiges Übel, ohne dass sie nicht auskommen konnte, weil ihre Erregtheit ihrer Meinung nach sonst übergross wäre. Aber auch hierin versuchte sie, Bewegung zu erzeugen, in dem sie mit den Mengen nicht so umging, wie verordnet, sondern auch runterging und früher ganz absetzte, wie es ärztlich empfohlen war. Glücklicherweise hatte sie noch einige andere Kontakte und von daher auch genügend sozialen Beistand und Bezug, so dass meine Rolle nicht allzu schwer wurde.

Schließlich war ich ja für sie wohl eher ein fremder Mensch, der das seltsame Interesse hatte, ihr zu helfen, weil er sich mit seinem Beruf auseinanderzusetzen hatte. Dennoch war ich in allen ihren sonst nebeneinander gelebten Momenten und im Gefühlschaos selbst als eine neue Beständigkeit in ihrem Leben "vorhanden": In ihrer Euphorie, in Ihrer Depression, in ihrem Wahn, in ihrer Angst und in ihrer Liebe. Ich war ein guter Freund und ihr zugleich fremd, zumindest war ich in irgendeiner Weise sprachlich immer gegenwärtig als jemand, mit dem sie reden konnte. Die sonst nebeneinander bleibenden Stimmungen und die isolierten Erlebnisse fanden deshalb im Gespräch und im Beisammensein einen irgendwie gearteten Zusammenhang durch die 'Tatsache" meiner Gegenwart. Und dies bewirkte Pausen in der Verwirrung und manchmal – und das war viel wichtiger als die Pausen – die Erfahrung von Voraussetzungen, durch die sie zum "Kippen" gebracht worden wäre, wenn sie in ihrer Isolation geblieben wäre. Sie erfuhr auf diese Weise, dass es wirkliche Bedingungen gab, unter denen sie "austickte". Da musste nur ein Zeitabschnitt überblickt werden – und hierfür war ich das "Notizbuch". Ihre Geschichte hatte eine unglückliche Symmetrie zwischen Verunsicherung, Gefühlen zu Männern und dem Wahn, wobei ich erstaunt feststellte, dass sie nicht durch die Gefühle zu Männern verunsichert wurde, sondern dass sie solche Gefühle erst bekam, wenn sie schon verunsichert war.

Wenn Maria verunsichert war, so kamen ihre Stimmen nicht auf einmal und voll und ganz. Sie schlichen sich so langsam in das Leben ein. Sie kamen auch nicht aus einem Erregungsschwall heraus, sondern raunten – zunächst schwer verständlich – im Hintergrund und traten dann immer deutlicher auf. Wenn wir in solchen Zeiten zusammensaßen, sagte mir Maria immer auch gleich, wenn sie Stimmen während unseres Gesprächs hörten. So entdeckte ich zunächst, dass die Stimmen in ihr sich dann einstellten, wenn sie eine Situation nicht so richtig auffassen konnte, ohne dass es für sie irgendeinen spürbaren Anlass für ihre Unsicherheit gegeben hätte. Aber er war da. Es waren immer Situationen, in denen sie "nicht wusste, wie sie dran war“. Wenn ich irgendwie "undeutlich" war, wurde sie vielleicht misstrauisch und hörte es – ich weiß es nicht genau. Während wir noch aufmerksam miteinander sprachen, konnte sich ein "anderes Verhältnis" einschleichen. Wenn wir ohne sie in der Wohngemeinschaft etwas besprachen und ihr die Verhältnisse nicht sicher waren, so glaubte sie schnell, dass wir über sie sprachen. Und es stellte sich auch heraus, dass die Unsicherheit irgendeiner vorangehenden Distanziertheit entsprungen war, sei es, dass unsre eigenen Sorgen in den Vordergrund traten oder Dinge besprochen wurden, die sie nicht verstand. Aber was als natürlich aufgefasst werden konnte, war für sie unfassbar. Wenn sie es überhaupt so empfand, dann hatte sie immerhin das Vertrauen, es besprechen zu können. Und siehe da: Sobald ihr die Lebenshintergründe der anderen verständlicher wurden, war ihre Stimmung auch schon wieder "ganz da“ und die Stimmen weit weg.

Man kann darüber streiten, woher ihre Verunsicherung kam, ob sie durch die Verhältnisse selbst kam oder ihnen vorausging und darin nur Ausdruck fand. Solcher Streit ist aber völlig unsinnig, weil ein Anlass immer nur ein Anlass ist. Was alles sonst in einem Menschen vor sich geht, hat natürlich immer mit ihm und seiner Geschichte zu tun und es ist eine reine Scholastik, sich in einer konkreten Situation über Werden und Vergehen zu streiten. Beides ist natürlich wahr, weil die Wahrheit immer nur dies beides sein kann. Aber die Gegenwart war so wirklich, wie sie nur sein konnte und deshalb war eben auch beides in ihr wirksam. Das Wichtigste für uns alle war die Anerkennung dieses Verhältnisses, dass es eben nur so sein konnte, wie es ist.

Meist war es so, dass unsere Stimmen ihre "Stimmen" unterbrachen. Ich merkte, dass sie nur in ganz bestimmten Stimmungen und in ganz bestimmten Umwelten mit ihren Stimmen verschwand. So auch in der Öffentlichkeit: Wenn wir z.B. in einem rigiden bürgerlichen Café saßen, dessen Ästhetik der muffigen 60ger Jahre-Biederkeit entsprach, so hörte sie die "Klatschweiber", wie sie es nannte. Es war eine Art Meuchelwelt, die sich hinter allem verbarg. Ebenso ging es ihr manchmal, wenn wir nur an einer Gruppe von tratschenden Hausfrauen vorbeigingen. Es war aber immer dieselbe Welt, die ungefähr – wie bereits gesagt – dem Hausfrauenmilieu einer Vorstadt entsprach, in dem das Gerede über die Leute die Verhältnisse bestimmte. Und dort war sie ja auch groß geworden.

Sie fing manchmal auch dann zu "schweben" an, wenn sie in größeren Menschenkreisen war, die für sie durch einen Gemeinschaftsritus oder einen abstrakten Gemeinsinn verbunden waren, z.B. in der evangelischen Studentengemeinde oder auf Tagungen, zu denen sie von Berufs wegen ging, auf Freizeiten, wo sie Kontakte suchte und auf Wochenendgeselligkeiten, die für sie einen rein erlebnishaften Sinn haben sollten. In der Studentengemeinde hatte auch unsere Organisation ihr Büro und ich war oft in deren Gruppen zugegen. Mir war es nicht fern, das "Schweben" zu verstehen, weil dort alles schwebte und jeder sehr hohe "emotionale Erwartungen" hatte. Maria war gerne unter diesen Leuten und machte auch bei thematischen Treffen ernsthaft mit.

Wähnungen, Wirkungen und Umstände

Insgesamt ergab sich für mich der Eindruck, dass Maria in Krisenzeiten unter der Empfindung von Gefühlsansprüchen leise zusammenbrach und vollkommen verunsichert wurde. Ob die Ansprüche als Ansprüche wirklich waren oder nur so empfunden wurden, ist für mich gleichgültig, weil es immer dies Gemenge aus Subjektivem und Objektivem ist, das verunsichert. Jedenfalls war entscheidend, dass sie hierbei ihre Gegenwart verlor. Sobald sie eine Welt wahrnahm, die ihr Selbstgefühl positiv oder negativ ansprach, entweder als Bedrohung (Klatsch) oder als Forderung (Liebe), so war sie vollkommen bedrängt. Sie war dann so schnell auf der Seite derer, die das taten, dass sie nicht einmal selbst merkte, wie sie dabei verschwand. Sie war sofort von sich weg und hatte sich dann sozusagen alleine in den Stimmen, die sie hörte. Sobald sie den Gefühlen anderer Menschen folgte, verlor sie sich und erlebte sich unter deren "Fuchtel". Sie war für sich selbst zu, weil sie außer sich war und sie hörte, was jene über sie dachten, in deren Gefühlswelt sie eingeschlüpft war.

Aus ihren Erzählungen ergab sich für mich auch, dass sich Stimmen unmittelbar und ohne eine vorhergehende Stimmung dann einstellten, wenn sie Menschen wahrnahm, die rein ästhetisch dem entsprachen, was sie an Rigidität und Hinterhältigkeit bereits erfahren hatte. Es war wie eine übersprungene Stimmung, die sie in ihren Stimmen wahrnahm. Oft genügte bereits das Reden hierüber und das Vergewissern über das, was da abgeht, um die Stimmen aufzuheben. Von da her waren die Gespräche mit mir für sie erst mal praktisch eine Entlastung von den Stimmen, denn die stellten nichts anderes dar als das, was bei einem anderen Menschen Stimmungen sind, die er hat, wenn er in einer bestimmten Umgebung ist.

Anders war es mit den Wähnungen von Verfolgung. Die traten erst nach einiger Zeit auf, wenn sie selbst seelisch tiefer angesprochen war, wenn also Gefühle anderer Menschen in sie hineingeraten waren. Die Wähnungen waren offenbar das Resultat einer Bewegung in ihrer Gefühlswelt. Meist war das ja auch mit Beziehungen verbunden, die sie in dieser Zeit hatte, und die selbst schon vielerlei Ungewissheiten enthielten. Aber im Grunde war es auch hier ähnlich, wie mit den Stimmen: Ihre Gefühle hatten ihre Selbstgewissheit aufgehoben – nachdem sie schon selbst in ihrer Ungewissheit bestanden hatten. Im Unterschied zu den Stimmungen waren diese Gefühle der Verfolgungsangst jedoch wirklich etwas Inneres, eine Art von fremdem Selbstgefühl in sich selbst, nicht etwas, was sie wie Äußeres hörte. Sie drückten eine eigene und zugleich negative Aktivität aus, die sich in ihr regte und die sie verfolgte. Wie anders soll sie sich das auch erklären können? Es waren nicht ihre Gefühle; es waren die der anderen. Auslöser waren auch hier meist Verhältnisse, die in einer allgemeinen Nettigkeit stattfanden und von daher im einzelnen für sie undurchschaubar waren. Sie war ja gerne die Netteste von allen. Da wurde sie mit ihrem ganzen Leben in eine Höhe gehoben, die sie zunächst euphorisch machte, um dann – wenn sie allein war – in Todesahnungen hinabzustürzen. Immer dann fing sie auch an, sich an jemanden verschuldet zu fühlen. Die Ahnungen beschäftigten sich mit ihren Schuldgefühlen und boten meist reichhaltigen Stoff hierfür. Sie waren die Umkehrung der Euphorie, etwa wie depressive Stimmungen oft die Umkehr von manischen Stimmungen sein können (von daher wurde sie vielleicht auch mit dem Etikett "manisch-deppressiv“ beklebt).

Ich versuchte, das als Fragestellung nachzuvollziehen. Schuld entsteht durch etwas, das man bringen muss. Was in der Euphorie über allem steht, ist unter allem nur Versagen. Dass man das auf Dauer nicht bringen kann, was in der Euphorie erlebt wird, erklärt eine Bringschuld. Aber was der Sinn der Schuld ist, das muss etwas gänzlich anderes sein. Hier aber erschien er als ein und dasselbe. Es muss einen Grund geben, warum Euphorie sich verselbständigt, warum ein Mensch sich dahin entzieht und den Entzug seiner selbst nur durch einen tiefen Absturz wieder wahrmacht. Kennen tut das ja jeder Mensch. Er muss nur mal auf ner tollen Party gewesen sein – und schon hat er das Dilemma, anderntags wieder voll sachlich sein zu müssen. So einfach diese Erklärung klingt, so unsinnig ist sie: Warum sollte ein Mensch sich verlieren, nur weil er gegensinnige Stimmungen nicht zusammen bekommt? Den Grund hatte ich noch lange nicht erkannt. Zunächst konnte man es ja auch einfach verstehen: Solange Maria unter Menschen war, fühlte sie sich von sich frei und opferte ihre Gegenwärtigkeit dem Allgemeingefühl. Sie ging darin auf, und fiel hernach zusammen. Die Anwesenheit anderer Menschen gab ihr eine Sicherheit, die für sie keine war, die ihr aber half, nicht für sich sein zu müssen. Entscheidend hierbei war jedoch, dass sie sich schon in der Anwesenheit der Menschen verloren hatte, dass es durch sie gerade nicht die Sicherheit gab, die dort wähnte. Das war der Wahnsinn: Sie war gar nicht auf der Party, sondern im Gefängnis. Sie wurde nicht emporgehoben, sondern in einen Abgrund gestoßen, während sie mit Menschen zusammen war und sich darüber freute. Und das erfasste sie nicht.

Mir schien es erst mal das Problem ihres Wahrnehmungskreislaufs zu sein, der nicht vollständig mit ihr verbunden war, der so etwas wie "Löcher" hatte, die mit einer Gleichschaltung von Gefühl und Selbstgefühl gestopft wurden. Wenn dieser Kreislauf so zu beschreiben wäre, dass ein Mensch sich in einem Kreis von Menschen einfindet, sich dort gut oder schlecht oder sonstwie fühlt und hermach mit all dem wieder zu sich kommen muss, um sich wieder für sich zu fassen, vielleicht darüber zu grübeln, denken usw., so ist hier das Fühlen im Kreis der Menschen nur das Gefühl, dass jemenad von seinen Gefühlen hat: Pures Selbstgefühl im Kreis der Gefühle. Auch das gibt es öfters. Aber nicht jeder muss sich hiervon in dem Augenblick abschotten, wo sich die Gefühle nicht fassen lassen, die das Selbstgefühl begründen. Nicht jeder braucht unbedingt ein so starres Selbstgefühl. Maria verfiel ihren Gefühlen ja nicht, wenn sie diese schon im Vorhinein im Griff hatte, wenn sie sich einer Definition unterordnen konnte oder wusste, wie sie eine bestimmte Situation umgehen konnte oder schon kannte, wie sie sich darin zu verstellen hatte. Jeder kennt vielleicht die Notwendigkeit der Verstellung und Selbstbeherrschung. Aber Maria verlor gerade hierbei den Verstand. Irgendjemand hatte mal geschrieben, dass der Wahnsinnige nicht lügen kann. Es müsste andersrum heißen: Nur im Wahnsinn wird die Lüge obsolet.

Die meisten Menschen halten die Kultur der Selbstsüchtigkeiten dadurch aus, dass sie ihre Selbstgefühle genießen und gegen andere abschotten. Der wechselseitige, der zwischenmenschliche Gebrauch der Gefühle zum Zwecke der Erbauung, der seelischen Befriedigung und Genugtuung oder zur Einvernahme als Bestandteil der Selbstwahrnehmung (Triebbefriedigung, Selbstbefriedigung) wird zur Genüge in den Unterhaltungsmedien dargestellt. Wer sich hiergegen in der Wirklichkeit nicht abgrenzen kann, ist arm dran. Während andere ihn längst in ihrem Wahrnehmungskreislauf nutzen und vernutzen (leer laufen lassen), sucht er noch eine menschliche Beziehung auf sie.

Mit Wahrnehmungskreislauf meine ich einen Prozess der unterschiedlichen Wahrnehmungen von Empfindungen und Gefühlen, die in einer Wahrnehmungsidentität so münden, wie sie darin seelisch verbunden sind, wie sich also Empfindungen und Gefühle in einer Psyche zusammenfinden. Alle fremd bestimmten Gefühle, also Gefühle, die einem fremden Zweck gehorchen müssen, erzeugen eine seelische Verselbständigung, die wie eine eigene Kraft in der Wahrnehmung solange wirkt, bis sie wieder seelisch ausgegrenzt werden. Solange stören sie auch die Abläufe der Wahrnehmung. Empfindungen können sich nicht mehr so umsetzen, dass der betroffene Mensch aus ihnen heraus tätig werden kann. Sie enden in Gefühlen, in denen sie auch blieben – als das, was sie in der Empfindung eben wahr hatten. Fremder Sinn spielt sich in der eigenen Wahrnehmung so ab, dass sie nur noch Wahrheit suchen kann, ohne sie zu finden (das löst das Rätsel mit der Unfähigkeit zur Lüge!). Es ist ein beständiger Zweifel der seelischen Identität, der zwischen fremder und eigener Wahrheit verläuft. Hierdurch wird die Wahrnehmung zu einer inneren Wahrheit: Sie nimmt wahr, was sie wahr hatte, ohne zu wissen, was hiervon ganz wahr oder ganz falsch aufgefasst wird. Vergangene Wahrnehmung bestimmt die gegenwärtige und die zukünftige wird sowohl Vergangenes wie Gegenwärtiges in einem bestätigen. Wo dies zur Gewohnheit geworden, ist die Verunsicherung perfekt: Die Erwartung der Ungewissheit macht schon die Wahrnehmung und ihren Anspruch aus. Oder anders formuliert: Was in der Empfindung gegenwärtig, ist im Gefühl Vergangenheit und Zukunft zugleich, vergangenes Leben wie zukünftiges, Wissen und Erwartung. Erwartet werden kann hierin aber nur der Untergang, der Selbstverlust.

In der Verselbständigung und Selbständigkeit drehte sich die Wahrnehmung von Maria um so vieles, dass sie sich selbst damit erschöpfte, für sie sinnlos wurde und ihr die Kraft nahm, weil es dies alles in einem war: Lebensangst. Ihre eigene Wahrnehmung wurde zu einer ungeheuren Last und bedrängte sie in einem fort. Das Loch ihrer Wahrnehmung war ein Brunnen, in den sie fiel, wie in eine Depression. Und dafür gab sie sich selbst eine Schuld, die nicht leicht zu verstehen war. Jedenfalls war das Schuldgefühl ihre Brücke zur Welt, die Leiter, mit der sie sich wieder hochhangeln wollte. Es ist ein Leichtes, sich die Schuld für einen Absturz zu geben, um damit die Welt hiervon zu entlasten, um also wieder "dabei" zu sein. Das klappte aber nicht immer.

Wenn die Schuldgefühle sich vertieften, dann entstanden Wähnungen. Sie machte sich "einen Reim" darauf, was mit ihr geschah. Was für andere vielleicht Stimmungen wären, war für sie ein Raunen des Ungewissen. Dann kippte ihre Wahrnehmung zu dem Sinn um, der in den Wähnungen steckte und der durch die Stimmungen beherrscht wurde, die sie anderen unterstellte: Missgunst, Niedertracht und Verachtung. Wer dann sprach, das waren immer wieder dieselben Klatschweiber, die Vorstadtweiber an den Gartenzäunen, die ihren Frust mit Mobbing und sexuellen Fantasien beherrschten, um ihrem Nachbarn das Monster zu überweisen, das sie in sich fürchteten (1). Sie formulierten für Maria die fremden Stimmungen als Stimmen, die ihr übel wollten.

Ihre Reden wurden dann aber von Maria nicht mit Angst oder Zweifel aufgenommen, sondern als Macht, die sich zu einem Verfolgungssystem entwickelte. Die Fernsehkameras in ihrer Wohnung drückten nichts anderes aus als den Willen, der in einfacherer Form im Klatsch steckt. Und die Gewissheit einer objektiven Verfolgung erleichterte subjektiv die unendlichen Schmerzen des Zweifels in ihrer Wahrnehmung, das Irren und Schweben und Stürzen. Mit einem Schlag war die Welt umgekehrt und wieder leichter als zuvor, wenn es klar war, dass Maria durch ein kompliziertes System in die Irre geleitet wird und sie sich systematisch dagegen wehren muss.

Ein System ist wieder in einer eigenen Weise erkennbar, berechenbar und man kann hierzu auch Stellung beziehen, weil ihm ein klarer Zweck, wenn auch als ein monströser Sinn unterstellt wird. Bei Maria war das System ein Komplex fremden Argwohns, der sie mit mehr oder minder großem Recht verfolgte. Auch ich war dann in das System einbezogen als ein Mitverschworener, der in ähnlicher Weise verfolgt wird wie Maria. Von daher hatte auch ich im Wahnsinn selbst eine Rolle. Ich kam mir vor wie in einer Sekte, die mit solchen Wahnsystemen Zusammenhalt stiftete. Ich zeigte ihr zwar immer, dass ich ihrer Logik nicht folgen konnte, doch das war für sie ohne Bedeutung: Ich konnte das ja nicht verstehen. Aber sie wollte mir gerne dabei helfen.

Die "Erleichterung", die der Wahnsinn hat, ist, dass das nur Gewähnte einen Sinn findet, dass also die unendliche Unwirklichkeit des schuldhaften Ahnens und Wähnens, die endlose Selbstbezichtigung und der schrankenlose Zweifel vorbei sind. Im Wahnsinn bilden die Sinne nicht nur ihr Eigenleben, sondern auch ein wirklich eigenes Leben, wirklich eigene Gestaltungskraft mit unwirklichen Mächten, wache Träume in der vielfachen Bedeutung von Wirklichkeit: Wirkungen auf einen Menschen, Gefühl für eine Ursache und die Gewissheit eines Grundes. Der Grund für die Gefühle von Maria sind dann die Stimmen der Klatschweiber, die sie nicht in Ruhe lassen wollen. Sie weiß durch sie, dass ihre Regungen "falsch" sein sollen, und kann sich darum um so sicherer auf sie einlassen. Die Weiber, das sind die anderen. Die Ursache ihrer Angst sind jetzt die vielen Kameras, die sie beobachten. Wer wird da dahinter stecken, wer will wissen was sie tut? Und warum? Die Öffentlichkeit hat sich ihrer bemächtigt, weil sie sich nicht mehr verstecken kann. Aber umgekehrt ist dann doch klar, wer sie ist. Sie weiß sich ihrer immerhin dadurch gewiss, dass sie gesucht und verfolgt wird. Der Selbstzweifel ist aufgelöst, nicht mal mehr Zwiespalt, sondern vollkommener Gegensatz von fremder Welt und eigenener Welt. Und schließlich ist sie auch in einer irgendwie vergifteten Welt, in der ihre Sinne nicht ausgereicht hatten, um zu schmecken, ob etwas gut oder schlecht ist. Aber im Wahn ist es schlecht. Das ist jetzt sicher und damit lässt sich ja dann auch leben. Frau muss halt vorsichtig sein. Das Gift, die Kameras und die Waschweiber werden zu einer Gestalt der Bedrohung und Verfolgung, damit ihre Selbstentfremdung überhaupt erkennbar wird.

Maria ist dann ganz sie selbst. Sie hat sich erfolgreich von der Last der Wahrnehmung getrennt. Sie ist dann auch äußerlich verändert. Ihre Augen sind kindlicher, beseelter, forschender, misstrauischer und ein bisschen schalkhaft. Eigentlich ist sie dann ganz sie selbst, ein Kind mit allen Erwartungen des Lebens. Es war dann auch so, als ob sie plötzlich ein ganz bestimmtes Verhältnis zu mir hatte und ihren Zuneigungen genauso freien Lauf lassen konnte, wie ihren Ängsten und Abneigungen. Sie fühlte sich dann sicher und war überschwenglich ehrlich – so, wie ich sie sonst nicht kannte. Für mich war das oft wie ein Kampf um mein eigenes Wirklichkeitsvermögen – ihre Wahrheiten waren wie ein Sog in eine Welt, gegen die ich mich zu wehren versuchte und nicht immer konnte. Sie machte mir oft auch Angst (8). Alles, was ich tat, wie ich reagierte und was ich sagte, war Gegenstand ihrer Interpretationen, durch welche sie eine Wirklichkeit hatte, die sie nicht mehr suchen musste – und auch eine Wahrheit, die ich in keiner Weise bestreiten konnte. Wären wir in eine gefühlsmäßige Liebesbeziehung geraten, wir wären beide verloren gewesen. Die Gewissheit, dass dies nicht sein wird, dass unsere Welten so weit auseinander lagen, dass meine Gefühle sie nicht betreffen konnten und ihre nicht mich, war für mich dabei sehr wichtig.

Die Ruhe des Wahnsinns währte aber immer nur kurz. Maria war zeitweise völlig beseelt von ihrem Leben, konnte aber im nächsten Augenblick, wenn sich irgendein Zweifel zu rühren begann, in schwere Depressionen stürzen. Es trieb sie schließlich auch manchmal dazu, sich doch in der Klinik einzufinden, weil sie Angst vor ihren Selbstvernichtungswünschen bekam und auch tatsächlich dabei oft über Selbstmord nachdachte. Auch der Wahn ist eine Frage der Kraft, die hierfür übrig ist. Schwäche ist dann Abstumpfung, Siechtum und Elend.

Der Zwiespalt ihrer Sinne war aber nur das Dasein ihrer zwiespältigen Beziehungen, Liebe, die sich selbst bedroht, wenn sie sich in anderen Menschen verwirklicht, wenn sie ihre Wirkungen in anderen hat. Die Liebe, welche Welten, Gefühle und Lebensformen erzeugen kann, die dem eigenen Erkenntnisvermögen zuwider läuft, mag eine zwiespältige Liebe sein, aber es war auch ihre einzige Liebe, ihre Lebensverstrickung und von da her ihre Wahrheit. Hierin ist ihr Zwiespalt lebendig und zugleich gelöst in der Macht des anderen, in der Zweifelsfreiheit des Geliebten und der Zweifelsschuld des Liebenden. Der Zwiespalt erscheint so aufgelöst im Gegensatz, in der Macht des Wirklichen und der Ohnmacht des Wesentlichen. Und so sieht sich jedes Wesen an seiner Wirklichkeit schuldig wie ein Kind gegenüber der Liebesmacht der Eltern. Das Verrückte ist der Sinn dieses Zwiespalts, der einen Menschen an seinem eigenen Leben schuldig werden läßt, schuldig eben in dem Sinn, daß er die Welt nur so erkennt, wie er sie auch in seinem Handeln vollzieht. Aber diese Erkenntnis ist gerade die unschuldigste Gegenwart, die ein Mensch in Wirklichkeit haben kann. Er führt alle Kriege nur gegen sich und alle Zweifel hat er in sich und gegen sich selbst. Das so ungewisse und doch wirkliche Leben drückt sich fast nur in der Selbstbezweiflung, als Leben mit zweifältigen Sinnen und doch einfacher Bedeutung aus. Es ist ein beständiger Kampf um die Wahrheit, über das, was die Sinne beisammen hält Und diesen Kampf kann ein Mensch nur für sich und ganz alleine führen. Ich verstand mich hierbei zwar als Mitarbeiter, als einem, der mit ihr den Wahnsinn erkennen wollte, war aber zugleich auch ganz praktisch ein Überlebensgehilfe, der eben dabei sein musste und wollte, ohne wirklich helfen zu können, der selbst vieles davon kannte und sich damit, und nicht "nur“ mit der Person von Maria, in einer wichtigen Auseinandersetzung befand. Das wusste sie auch.

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