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ab) Das Körperbedürfnis oder der hilflose Organismus

Der durch das Konstanzprinzip von aller Weit verlassene und einsame Organismus kann, weil er auf nichts mehr bezogen unterstellt ist, nur durch sein eigenes Lebendigsein in eine Not geraten und erfährt so "den Anstoß zur weiteren Ausbildung. In der Form der großen Körperbedürfnisse tritt die Not des Lebens zuerst an ihn heran. Die durch das innere Bedürfnis gesetzte Erregung" (ebd., S. 538) verursacht hierbei aber eine "innere Veränderung, (die man) als Ausdruck der Gemütsbewegung bezeichnen kann" (ebd., S. 539). Diese Erregung, die nicht wie im Falle der äußeren Reizung auf motorischem Wege getilgt werden kann, wird sich nur erfolglos "einen Abfluß in die Motilität suchen" (ebd.) Diese Erregung wird qualitativ anders angesehen, "denn die vom inneren Bedürfnis ausgehende Erregung entspricht nicht einer momentan stoßenden, sondern einer kontinuierlich wirkenden Kraft." (ebd.)

Was nun Freud dem Organismus als sein Grundinteresse gegeben hatte, nämlich alle Erregung "alsbald auf motorischem Wege abzuführen" (ebd., S. 538), kann im Falle eines inneren Bedürfnisses nicht hinreichen, da dieses nicht durch äußere Anstöße bewirkt ist, sondern sich wie eine Triebkraft konstituiert. Die ursprünglichen Aussagen zur Erregung und die damit verbundene Körpertendenz hätte zu keinem weiteren Schritt befähigt, wenn Freud nicht in der Lage gewesen wäre, ein Argument dafür zu finden, daß sich die Erregung selbst in verschiedene Formen unterscheidet: In eine momentan stoßende und in eine kontinuierlich wirkende.

Bedenkt man nun diese zweite Bestimmung des Organismus', so erscheint sie trivial: Niemand kann leugnen, daß ein bedürftiger Körper unbefriedigt ist und daß ein unbefriedigter Körper Gegenstände seiner Befriedigung außer sich braucht und deshalb seine Erregung nicht in sich ableiten kann. Nun ist aber dieses Konstrukt nicht aus der Anschauung her notwendig geworden, sondern aus dem theoretischen Gang, Das "Bedürfnis der großen Körperorgane" steht an zur Begründung aller inneren Kräfte des Organismus und Menschen überhaupt, die sich im einzelnen unabhängig und getrennt von allen andern Einwirkungen und Beziehungen konstituieren sollen. Das Problem ist damit also nicht die Auffassung, daß es Bedürfnisse gibt, sondern die durch den Gang der Ableitung theoretisch implizierte Behauptung, daß diese Bedürfnisse getrennt; von allen natürlichen oder gesellschaftlichen Beziehungen auftreten sollen, daß sie sozusagen der Natur des Organismus' notwendig entspringen, welcher zuvor isoliert angesehen wurde. Der Organismus soll hierbei nämlich "zwei Seiten" haben; einmal muß er auf die Außenwelt reagieren und ist hierbei passiv und

negativ auf sie bezogen (er schützt sich und flieht vor ihr), zum andern aber hat er hiervon gänzlich unterschieden ein Verlangen nach ihr, weil er auch aus sich heraus erregt ist und seinem Konstanzprinzip gehorchen muß. (5) Die Trennung von natürlicher Außenwelt und innerem Bestreben des Organismus führt nämlich zu der folgenschweren Behauptung, daß jedes natürliche oder menschliche Individuum einem nur in sich selbst gegebenen Grund gehorchend und daher nur im Interesse seines Friedens oder der Befriedigung sich auf andere bezieht. Der Grund menschlicher oder natürlicher Beziehungen wird somit nicht, allgemein vorausgesetzt (etwa als bereits in den Beziehungen kollektivierte Natur, deren borniertes einzelnes Auftreten bereits in menschlicher Tätigkeit allgemein aufgehoben ist), sondern wird als notwendiger Grund im einzelnen selbst angesehen, womit also ein theoretisches Konstrukt gegeben ist, die Trennung von anderen im Eigennutz des Individuums natürlich zu behaupten und die individuellen Antriebe als Antrieb der Individualität ausgeben zu können. Ein Bezug auf andere ist dann nicht mehr gewollt, sondern notwendig, also der "Not des Lebens" entsprungen, durch welche man in seiner monadenhaften Einzelheit gestört wird.

Durch das Bedürfnis ist also im einzelnen eine allgemeine Triebkraft oder ein allgemein abstraktes Interesse an Gegenständen entstanden, die zur Herstellung des Friedens im Organismus oder zu seiner Befriedigung in der Lage sind. Das Bedürfnis gilt somit nicht als ein Moment im Leben der Organismen, sondern als ihr allgemeiner Trieb, sich auf etwas anderes außer ihnen zum Zwecke ihrer Befriedigung, das meint hier Senkung ihrer Erregung, zu beziehen. Dieses Interesse besteht daher auch nicht als bestimmtes Interesse an bestimmten Gegenständen, sondern nur in der Form der Unbestimmtheit, der Erregtheit und Hilflosigkeit des Organismus', der "hilflos schreien oder zappeln" (ebd.) wird. Wo ursprünglich ein bestimmter Reiz eine unbestimmte Bewegung im Organismus bewirkt hatte, bewirkt jetzt ein bestimmtes Organ ein unbestimmtes Interesse an der Wirklichkeit. Der Organismus reagiert somit auf Äußeres unbestimmt und bestimmt sich zugleich durch sich zu unbestimmter Äußerung. Es ist jetzt eine äußere Unruhe, die durch innere Erregung entstanden ist, ein "Ausdruck der Gemütsbewegung", welche ihre Löschung durch befriedigende Gegenstände hat, die ihr selbst fremd und unbekannt sind. Die innere Bewegung ist durch die Bedürfnisse bestimmt, und die Gegenstände der Befriedigung sind unbestimmt, also Gegenstände, die irgendwie erfahrbar gemacht werden müssen, um als Gegenstände der Befriedigung erst erkannt werden zu können. In seiner Natürlichkeit oder natürlicherweise soll der Organismus und der Mensch, der ihn hat, getrennt und hilflos in der Welt von Gegenständen gesetzt sein, zu der er erst dann eine Beziehung finden kann, wenn er die Gegenstände als Mittel seiner Befriedigung erkennen kann. Er ist von seiner Natur her nur am Konsum irgendwelcher Gegenstände interessiert, deren bestimmte Gegenständlichkeit mit ihm vor der Konsumtion nichts zu tun hat.

Es ist in Freuds Darstellung deshalb auch kein erwachsener Mensch, der solche Interessen befolgt, sondern ein "hungriges Kind" (ebd.) und wer würde dem nicht Recht geben, daß ein Kind die Befriedigungsmöglichkeiten in der Welt noch nicht kennt? Aber es ist nicht nur das Kind, das einen solchen Organismus hat, denn auch der Erwachsene von Freud wird ihm gehorchen müssen, und was er hier als historisches Nacheinander in der Ontogenese ausgibt, ist bei ihm zugleich die logische Beziehung im Menschen jedweder Art, nämlich, daß er aus seiner Natürlichkeit heraus zu seinen gesellschaftlichen Beziehungen, Interessen und Befriedigungsweisen gelangt. Der einzelne Mensch wird nicht in ein menschliches Verhältnis hineingeboren, in welchem bestimmte Gegenstände für bestimmte Bedürfnisse produziert sind oder werden, die bereits durch Arbeitsprozesse denaturiert sind, weil auch der Mensch in seiner Arbeit denaturiert ist (für das kindliche Bedürfnis gibt es eben deshalb bestimmte Gegenstände, weil es als bestimmtes Bedürfnis bereits anerkannt ist, auch wenn es zu deren Herstellung nur wenig beitragen kann), sondern es wird ein Organismus in eine Welt von Gegenständen gesetzt, die ihm völlig unbekannt sind, und die ihm nicht seine wohlvertrauten, wenn auch ontogenetisch vorausgesetzten Organismen (seine Eltern), sondern eine "fremde Hilfeleistung" vermitteln muß. Er kann daher auch nur die Welt kennenlernen, wenn er sich ihrer Fremdheit beugt.

ac) Die fremde Hilfeleistung oder die Befriedigung als fremder Friede

Für Freud tritt eine Wendung für den hilflosen Organismus dadurch ein, daß "auf irgendeinem Wege, beim Kinde durch fremde Hilfeleistung, die Erfahrung des Befriedigungserlebnisses gemacht wird, das den inneren Reiz aufhebt" (ebd.). Die Gegenstände der Befriedigung können also durch den Zufall einer Erfahrung nur gefunden werden, auf irgendeinem Wege oder durch fremde Hilfeleistung. In dieser zufälligen Beziehung zu seiner Welt bleibt der Organismus solange unruhig und sich selbst überlassen, bis sich seine Fremdheit zur Welt dadurch auflöst, daß er eine Erfahrung macht. Diese Erfahrung führt zufälligerweise zur Befriedigung des Bedürfnisses, das er ursprünglich aus sich heraus hatte. Man muß dabei wahrscheinlich unterstellen, daß es fast jeder Gegenstand sein kann, der das Bedürfnis befriedigt, da es hier nur in seiner unbestimmten Form reflektiert ist: Aus seiner inneren Triebkraft heraus wendet sich der Organismus an eine ihm fremde Welt, die irgendwann in der Lage ist, ihm etwas zu bieten, das seine Unruhe löscht. Hierdurch verschwindet seine Unbezogenheit und Unbestimmtheit, denn er findet in der fremden Welt seine Beruhigung und seinen Frieden durch Gegenstände, die ihm darin entsprechen, daß er sich befriedigt fühlt. Es sind fremde Gegenstände, die zu dieser Befriedigung taugen und die Erkenntnis, daß sie den Organismus befriedigen, folgt ihnen nur durch die Erfahrung des Befriedigungserlebnisses. In seinem abstrakten Konsuminteresse bleibt der Organismus zappelnd und schreiend vor einer fremden Welt, die ihm dadurch bekannt wird, daß er sie so einverleiben kann, daß er in sich Friede verspürt. Das Kind erfährt nicht das, was ihm bereits vertraut ist, es bekommt nicht die Brust seiner Mutter, weil diese sie ihm geben will und weil ihr Bedürfnis, das Kind zu stillen oder zu ernähren, seinem Bedürfnis zu saugen oder satt zu sein bereits entspricht, bevor irgendwelche Befriedigung erfahren wird, sondern es ist eine fremde Hilfe, die das in sich verschlossene und hilflose Kind erfahren muß, um an dem erst interessiert zu werden, was ihm gegeben wurde. Ebenso muß der Erwachsene "auf irgendeinem Wege" zu irgendetwas kommen, was ihn befriedigt, um zu erkennen, daß es ein Gegenstand der Befriedigung seines Bedürfnisses ist.

Die Menschen in Freude Theorie stehen natürlicherweise in unbestimmtem Verhältnis zu ihren Gegenständen, und können sich demnach erst für sie interessieren, nachdem sie diese verzehrt haben. Sie sind so lange fremd und gleichgültig zu ihrer Welt, bis sich diese fremde Welt ihnen befriedigungsfähig erweist. Es ist daher der Erfahrungsbegriff, mit dem Freud hier liebäugelt und dem er das weitertreibende Moment menschlicher Entwicklung zukommen läßt. Dieser Begriff allein macht es aus, daß man aus Erfahrung klug wird, daß man das nur erkennt, was einem bekanntgemacht wird. Er ist ein theoretischer Begriff oder ein Entwicklungsverständnis für eine Situation, in welcher Menschen ihre Fremdheit dadurch aufheben, daß sie sich das fremde einzuverleiben in der Lage sind. Hierdurch gelangen sie zu einem neuen Zustand, in welchem ihr urtümliches Interesse und das Fremde versöhnt erscheinen und zu einem neuen Urzustand für die folgende Entwicklung werden. Das Befriedigungserlebnis ist daher das konstitutive Erlebnis für alle weitere Entwicklung des psychischen Apparats, denn es wird dadurch zugleich zu einem geistigen Akt, daß es erinnert werden kann.

ad) Das Befriedigungserlebnis und das Erinnerungsbild

Die nun folgende Entwicklung begründet sich auf den drei bis hierhin bekannten Auffassungen. Der Organismus hat ein Interesse, jede Erregung zu löschen; er hat eine Triebkraft, die ihn allgemein erregt und erkennt das Befriedigtwerden dieser Triebkraft durch bestimmte Gegenstände. Was jetzt wesentlich ist, ist, daß im Erinnerungsbild der Wahrnehmung des Befriedigungserlebnisses seine Erfahrung sozusagen geistig erhalten bleibt und als "Erinnerungsbild von jetzt an mit der Gedächtnisspur der Bedürfniserregung assoziiert bleibt" (ebd.). Der Gedanke hierbei ist, daß ein Erlebnis der Erregung, also eine Erfahrung, mit einem geistigen Inhalt, einer Gedächtnisspur, verknüpft bleibt, auch wenn das Erlebnis der Erregung nicht mehr besteht. Geistig soll das bestehen bleiben" was der körperlichen Erfahrung vorausgegangen war. Dieser Gedanke ist dadurch zwangsläufig, daß der Körper selbst ja nur entropische Interessen hat, also allein mit der Tilgung seiner Erregung beschäftigt sein kann. Dieses allgemeine körperliche oder organismische Interesse würde ihn immer wieder in den Zustand der Passivität und Hilflosigkeit versetzen, und es wäre kein Grund ein "zweites Bewußtsein" oder ein Unbewußtes anzunehmen, das nicht mit natürlichen Bestimmungen identisch wäre. Das Erinnerungsbild ist der Inhalt, der aus der Erfahrung gesetzt ist und sozusagen geistig verbleibt, auch wenn das Erlebnis, das Freud nur quantitativ als Erregung des Bedürfnisses verstanden sehen will, vergangen ist. Im Erinnerungsbild ist das, was im Körper nur quantitativ und also als Form besteht, inhaltlich und jenseits seiner Lebensform erhalten. Das formelle Interesse des Körpers, seine Erregung zu tilgen, und der Inhalt, der diese Tilgung ausmacht (das Befriedigungserlebnis enthält die Bedürfniserregung in Verbindung mit einem befriedigenden Gegenstand), sind durch das Erinnerungsbild entzweit worden: Das Erinnerungsbild besteht, nachdem der Körper befriedigt ist. Es ist der formlose und darin körperunabhängige Inhalt, der sich in der Ableitung der Psyche ergeben hatte. Es ist sozusagen das Wissen des überwundenen Körpers oder das, was jenseits der bornierten Körperinteressen geistig verbleibt, sozusagen als das Neg-Entropische. Dieses Wissen besteht aber nur als Erinnerung an Erfahrung.

Aus den unbestimmten Körperinteressen hat sich daher jetzt etwas Bestimmtes ergeben, das aber nicht in ihnen selbst wirken kann, sondern dann besteht, wenn sie vergangen sind. Die Bedürfniserregung selbst ist unbestimmt aufgefaßt und daher mit irgendeinem Gegenstand befriedigt worden. Es ist nur die Assoziation des Erlebnisses der Vereinigung dieses unbestimmten Gefühls mit einem Gegenstand, die sich im Gedächtnis bewahrt. Da hierdurch also sich nicht das unbestimmte Bedürfnis zu einem bestimmten dadurch emanzipiert, daß es sein eigenes Interesse in sich weiß, weil es seinen Gegenstand erkannt hat, da es also keine eigene immanente Erinnerung hat, kann sich, "sobald dies Bedürfnis ein nächstes Mal auftritt ... , dank der hergestellten Verknüpfung, eine psychische Regung ergeben, welche das Erinnerungsbild jener Wahrnehmung wieder besetzen und die Wahrnehmung wieder selbst hervorrufen, also eigentlich die Situation der ersten Befriedigung wiederherstellen will." (ebd.).

Das Erinnerungsbild, das den Inhalt der Befriedigungssituation ausmacht, wird dadurch mit seiner körperlichen Form verknüpft, daß diese als Bedürfniserregung es "besetzt". Es erhält dadurch einen Willen, der als "psychische Regung" besteht und "eigentlich die Situation der ersten Befriedigung wiederherstellen will". Das Befriedigungserlebnis ist also Inhalt und Ziel dieses Willens, die wiedererstandene Bedürfniserregung seine Kraft. Diese Kraft, die aus der Natur des Körpers immer wieder entsteht, wird zugleich geistig angenommen, wohingegen das Befriedigungserlebnis allerdings körperlich zugleich nicht besteht. Die Kraft oder Erregung tendiert seinem Konstanzprinzip zufolge zur Aufhebung, ihr Inhalt aber kann sich nur im Geistigen vollziehen. Dieses somit geistig verbleibende Interesse zur Wiederherstellung eines Erlebnisses, also die Regression der Bedürfniserregung in das Urbild, das ihr vorausgesetzt war, ist das, was den Wunsch ausmachen soll. Er ist die vom Körper abstrahierte aber zugleich nur durch den Körper begründete Tendenz der Psyche. Ihn gibt es nur, weil das Bedürfnis in seiner Unbestimmtheit geblieben ist, nachdem es ein bestimmtes Erlebnis in seinem Untergang gemacht hatte. Diese Behauptung, daß sich das Bedürfnis nicht durch das Befriedigungserlebnis änderte sondern sich nur etwas von ihm Unterschiedenes, nämlich das Erinnerungsbild, ergeben hatte, das über es hin fortdauert und sich im Falle seines Auftretens wieder mit ihm verbindet, macht überhaupt die Grundlage des Wunsches aus.

Dies entspricht der Anschauung, die dem naturwissenschaftlichen Aufklärer zu eigen ist. Menschen leben nicht in ihren Bedürfnissen und beziehen sich nicht durch sie aufeinander, sie haben nur Bedürfnisse einerseits, über deren Befriedigung sie andererseits ein Wissen besitzen. Ihre Bedürfnisse und Regungen bleiben somit als organismische Gegebenheiten unberührt, aber dennoch grundlegend für den Lebensprozess, zugleich aber betätigen sie sich neben ihren natürlichen Voraussetzungen, und es ist daher auch das Interesse des Aufklärers, diese Betätigung auf ihren natürlichen Ursprung hinzuweisen, um ihnen einen unendlichen und spekulativen Weg abzuschneiden. Diese Auffassung der Trennung von Interesse und Wissen schlägt sich nun in Freuds Konstruktion der Psyche inhaltlich selbst nieder. Die Psyche vertritt zwar ein körperliches Bedürfnis, insofern sie einen Willen nur als psychische Regung bei einer Bedürfniserregung hat, zugleich betätigt sie sich aber auch nur darin, sich an das zu erinnern, was dem körperlichen Leben vorausgegangen war. Ihr Wille ist daher selbst ein regressives Moment, nämlich ein Interesse, auf das zurückzukommen, was ursprünglich körperlich bestand, was aber nur in geistiger Form besteht. Was den Trieb der Psyche ausmacht, repräsentiert den organischen Trieb; es ist zugleich aber auch nur diese Triebrepräsentanz, die dem körperlichen zur Befriedigung verhelfen kann. Der Kern der Psyche ist somit zugleich aus dem Körperlichen begründet, insofern ihre Regung die Körperregung enthält, sie enthält aber auch nur das Interesse, zu dem zurückzukommen, was ihr körperlich vorausgegangen war (das Befriedigungserlebnis). Als Repräsentant der Triebe interessiert sie sich zugleich für deren Erfüllung. Sobald aber die Triebe befriedigt sind, kann man sie nicht mehr repräsentieren. Die Psyche interessiert sich somit für ihren eigenen Untergang, für die Triebbefriedigung.

Sie kann aber nur solange bestehen, wie diese nicht stattfindet. Solange also die Triebbefriedigung nur als Erinnerungsbild des Befriedigungserlebnisses besteht und dieses besetzt wird, solange besteht eine psychische Regung. "Eine solche Regung ist das, was wir einen Wunsch heißen" (ebd.)

ae) Die Wunscherfüllung oder die Unzweckmäßigkeit der Psyche

Da die Natur des Bedürfnisses nichts mit seinem Gegenstand, der es befriedigt, zu tun hat, hat es das Erinnerungsbild "besetzt" und will hierbei das Befriedigungserlebnis wahrnehmen. Dieses "Wiedererscheinen der Wahrnehmung ist die Wunscherfüllung, und die volle Besetzung der Wahrnehmung von der Bedürfniserregung her der kürzeste Weg zur Wunscherfüllung" (ebd.). Die Bedürfniserregung wird also an die Wahrnehmung "besetzt" und es entsteht hierdurch eine Identität in der Wahrnehmung selbst, die Wunscherfüllung. "Diese erste psychische Tätigkeit zielt also auf eine Wahrnehmungsidentität, nämlich auf die Wiederholung jener Wahrnehmungen, welche mit der Befriedigung des Bedürfnisses verknüpft ist." (ebd.)

Die Identität des Erinnerungsbildes, das in der Wunscherfüllung als eine Art Halluzination wahrgenommen wird mit dem Befriedigungserlebnis, das inhaltlich die Erinnerung ausmacht, ist nur dadurch möglich gewesen, daß sich die körperliche Erregung als geistige Regung mit dem Inhalt des Erinnerungsbildes als Halluzination verwirklicht. Dies kann nicht mehr zwischen wirklicher Befriedigung und vorgestellter Befriedigung unterscheiden und verkörpert daher die geistige Befriedigung des Bedürfnisses, wobei es dessen Erregung verzehrt. Da also diese Erregung getrennt von dem Inhalt der Erinnerung des Befriedigungsgegenstandes unterstellt ist, kann sie auch jenseits von dem Befriedigungsgegenstand auf ideelle Weise in dem Erinnerungsbild so wirksam werden, daß eine Wunscherfüllung im Sinne einer geistigen oder scheinhaften Befriedigung des Bedürfnisses entsteht. Was die primäre Tätigkeit der Psyche somit ausmacht, ist ein vom Körper losgelöster Verzehr der körperlichen Erregung. Die Psyche ist hierdurch in einem Verhältnis zu sich selbst: Sie wird angetrieben durch den Wunsch, "da nichts anderes als ein Wunsch unseren seelischen Apparat zur Arbeit anzutreiben vermag" (ebd., S. 540); zugleich erfüllt sie den Wunsch, ihren Antrieb, indem sie durch ihm die Bedürfniserregung des Körpers verzehrt. Hierdurch ist sie Triebrepräsentant und Triebbefriedigung zugleich, aber dann ist sie tautologisch, d.h. in einem leeren Bezug zu sich selbst.

Diese erste psychische Tätigkeit hatte es der Psyche ermöglicht, zu sich selbst zu kommen, und sowohl die Erinnerung wie auch die Bedürfniserregung in sich zu vereinigen. So, wie sie jetzt gesetzt ist, könnte sie prinzipiell alles, was sie als befriedigend erinnert, dann, wenn eine Bedürfniserregung auftritt, per Halluzination auflösen. Sie ist somit die Aufhebung jeglicher Lebensnot oder Notwendigkeit und wird von Freud als ein Prinzip angesehen, welches gerade daraus besteht, alle Wirkungen und Nöte ideell zu lösen. Sie verfolgt hierbei die Kraft eines unbestimmten Dranges, durch welchen sie sich der Wirklichkeit entzieht und zugleich in diesem Entzug die Erinnerung des einst Wirklichen dadurch erfüllt, daß es seine wirkliche Erregung in sich aufhebt. Eine solche Psyche ist gegenüber den Anforderungen des Lebens zu primitiv und unzweckmäßig und "eine bittere Lebenserfahrung muß diese primitive Denktätigkeit zu einer zweckmäßigeren sekundären, modifiziert haben. Die Herstellung der Wahrnehmungsidentität auf dem kurzen regredierenden Wege im Innern des Apparats hat an anderer Stelle (nämlich am verlassenen Organismus) nicht die Folge, welche mit der Besetzung derselben Wahrnehmung von außen her verbunden ist. Die Befriedigung tritt nicht ein, das Bedürfnis dauert fort." (ebd., S. 539).

Indem nun Freud die Halluzination, die er als Folge einer Bedürfniserregung angesehen hatte und dadurch notwendig begründet sah, jetzt als einen Luxus der Psyche ausgibt, muß sich das Bedürfnis nochmals geltend machen. Es "dauert fort". Die Bedürfniserregung, die sich in die Wunscherfüllung aufgelöst hatte, soll eben doch nicht aufgelöst sein und besteht daher als "bittere Lebenserfahrung". Es soll dieselbe Wahrnehmung, die "auf dem kurzen regredierenden Weg im Innern des Apparats" zur Identität gekommen war, nun auch "von außen her verbunden" werden, also Wahrnehmung der Wirklichkeit sein. Der psychische Verbrauch der Triebkraft soll daher nicht ganz geschehen, weil er unzweckmäßig wäre. "Um eine zweckmäßigere Verwendung der psychischen Kraft zu erreichen, wird es notwendig, die volle Regression aufzuhalten, so daß sie nicht über das Erinnerungsbild hinausgeht und von diesem aus andere Wege suchen kann, die schließlich zur Herstellung der gewünschten Identität von der Außenwelt her führen." (ebd.). Die psychische Kraft wird geteilt, und die unzweckmäßige Verwendung um den Teil reduziert, um den sich die zweckmäßige geltend machen soll. Weil die erste psychische Tätigkeit unzweckmäßig war, muß sie durch eine zweite aufgehalten werden. Diese hemmt die primäre Abfuhr der Erregung und erinnert die Psyche an das, was ihr abgesprochen worden war, die wirkliche Bedürfnisbefriedigung.

af) Die Hemmung als Umweg zur Befriedigung

Das Bedürfnis, welches zuerst ein Befriedigungserlebnis zur Folge hatte und dann einen Wunsch, entpuppt sich jetzt als eine bittere Lebenserfahrung. Als solche ist sie ganz unterschieden von dem Wunsch, der ihm zufolge sein sollte. Als bittere Lebenserfahrung soll es den Wunsch aufhalten, den es erzeugt hatte. Sie soll also ein hemmendes System in der Psyche begründen, welches ihre primäre Tätigkeit beschränkt.

Obwohl dieses zweite System wie das erste sich aus der Triebkraft der Erregung speist, die das Bedürfnis enthält, soll es seinem Interesse nach gegen das erste gerichtet sein. Es ist die "durch die Erfahrung notwendig gewordene" (ebd., S. 540) Hemmung der Wunscherfüllung, die "doch nichts anderes als der Ersatz des halluzinatorischen Wunsches" (ebd.) ist. Quantitativ ersetzt es den Wunsch, qualitativ setzt es sich der Wunscherfüllung entgegen. Diese Qualität hat es - wieder einmal - aus der Erfahrung. Im Unterschied zur Erfahrung des Befriedigungserlebnisses, das die Qualität oder den Inhalt des Erinnerungsbildes ausmacht, enthält es die Erfahrung, daß sich das Bedürfnis bitter gegen die psychische Entfaltung wendet und ist hierdurch der Antagonist der Erfahrung des Befriedigungserlebnisses (6). Die Systematik hierin erscheint durch den Erfahrungsbegriff nur verborgen: Sowohl die Erfahrung des Befriedigungserlebnisses als auch die Erfahrung des bitteren Lebens sind Ereignisse, die nur systematischen Stellenwert haben, denn sie ergeben sich allein aus den ihnen vorausgesetzten Kategorien. Die tausendfachen Befriedigungserfahrungen, die sich in vielfältigsten Verbindungen ergeben, sind hier systematisch zu einem Antagonismus gebracht worden, den sie in der Erfahrungswelt selbst nicht notwendig haben. Sie sind nämlich die gegensätzlichen "Erfahrungen", welche die Psyche macht, um ihre gegensätzliche Bewegung zu erhalten. Sie stehen daher nur für das, was logischerweise in der Ableitung notwendig ist. Die Psyche war nämlich zum einen als unendliches Prinzip des Wunsches und seiner Erfüllung gesetzt, jetzt enthält sie zugleich dessen Beschränkung und hierdurch ein zweites Prinzip, das denselben "natürlichen" Voraussetzungen gehorchen muß wie das erste (es steht im Interesse des Bedürfnisses und verfolgt gleichermaßen wie das erste Prinzip die Tendenz zur Ruhe oder Befriedigung. Es begründet sich nur dadurch, daß das erste Prinzip zwar in der Halluzination die Erregung zu senken in der Lage ist, daß es aber zugleich an der Realität des Bedürfnisses vorbeigeht, das sich daher in einem zweiten Prinzip hemmend geltend machen muß. Die Psyche enthält dadurch zwei Systeme, daß sie sich einmal aus dem Bedürfnis begründet und ihren eigenen Antrieb als Wunsch erhält, zugleich sich aber der Wunsch natürlicherweise gegen das Bedürfnis selbst entfaltet. Das zweite System hemmt das erste in dem Interesse des Bedürfnisses, das dem ersten zugleich vorausgesetzt gilt. Die psychische Tätigkeit gründet somit auf der doppelten Bestimmung, die das Bedürfnis bei Freud in der Ableitung von ihr selbst hat. Das Bedürfnis gilt einmal als Voraussetzung der Psyche in der Form seiner Erregung" Zugleich soll es die qualitative Schranke der ideellen Entwicklung der Wunscherfüllung sein. Als zweites Bedürfnis gilt es qualitativ gegen die Psyche, als erstes quantitativ als ihre positive Voraussetzung.

In dem bisher unter a) dargestellten Strang wollte Freud ableiten, was die Psyche von dem bewußten Leben, also als Unbewußtes, unterscheidet. Er hatte ihren allgemeinen Inhalt gesucht, der jenseits ihrer einzelnen und momenthaften Tätigkeit im Bewußtsein und damit als Begründung des Unbewußten gelten soll. Die Getrenntheit der einzelnen Wahrnehmungsfunktionen von der kontinuierlichen Tätigkeit eines Gedächtnisses war im wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunkt die Anschauung, von der er in seiner Untersuchung ausging. Diesen Unterschied konnte er sich zunächst dadurch erklären, daß der Organismus selbst in seiner Wahrnehmungstätigkeit als ein Apparat aufgefaßt wird, der nur von Reizen her angestoßen wird, und daher eine momenthafte, und für die Kontinuität des Ganzen gleichgültige Erregung erfährt. Seine kontinuierliche Erregung erhält er durch innere Triebkräfte, wie sie natürlicherweise in der Bedürfniserregung vorkommen. Zur Ableitung der kontinuierlichen Kraft in der Psyche war deshalb der Bedürfnisbegriff notwendig und sollte ihren inneren Zusammenhang in der Form von Erregung, welcher der Organismus nicht zu flüchten in der Lage ist, erklären. Die Bedürfniserregung ergibt also die Triebkraft, welche das innere Geschehen der Psyche zu erklären hat.

In der Ableitung der Psyche aus der Wahrnehmung von Triebbefriedigung spielt die Bedürfniserregung daher auch die zentrale Rolle. Die Bedürfniserregung kommt in Freuds Ableitung dreimal als Argument vor: Zuallererst ist es die Not, die das Leben des Organismus’ heraufbeschwört in Form der Bedürfniserregung. Die alle Lebenstätigkeit vorausgesetzte Lebensnot ist hier quantitativ gefaßt als Bedürfniserregung, die erst durch die Hilfeleistung, im Befriedigungserlebnis den Inhalt kennenlernt, durch den sie verschwindet. Die Bedürfniserregung ist hier nur als die Form des Organismus' aufgefaßt, dessen Inhalte erst durch das Erlebnis, das ihr zur Folge ist, eintreffen. Das zweite Mal, wo das Bedürfnis auftritt, ist es dazu da, diese körperliche Form an einen Vorstellungsinhalt zu "besetzen", und damit auch die Form der Psyche oder ihren Antrieb als reines Quantum einer kontinuierlich wirkenden Kraft auszumachen. Dieses bildet den Wunsch als den Antrieb der Psyche überhaupt, der zwar die Bedürfniserregung zu tilgen versteht, aber den realen Organismus, also das, was nicht nur die Bedürfniserregung, sondern auch die Notwendigkeit der bestimmten und auf das bedürftige Organ bezogene Befriedigung ausmacht, ignorieren muß. Durch diese Ignoranz muß sich jetzt das Körperbedürfnis ein drittes Mal geltend machen, diesmal aber inhaltlich. Es wird zur bitteren Lebenserfahrung, der Psyche bereits getilgte Bedürfniserregung daran erinnert wird, daß es um einen bestimmten Inhalt geht, der dem Bedürfnis des Körpers adäquat sein muß, daß also die freie Erregung und Löschung in der Psyche nicht dazu ausreicht, eine psychische Entfaltung zu begründen. Das Bedürfnis, das bis dahin nur formell genommen worden ist als Grund für eine Triebkraft, sowohl im Organismus wie auch in der Psyche, macht sich jetzt als das Gegenteil hierzu geltend, als Inhalt, der die von ihm getrennte Form der Erregung zu hemmen versteht, und daher die Realität in das psychische Geschehen einführt.

Was hierbei den Widerspruch ausmacht, ist die Tatsache, daß das Bedürfnis vor aller Ableitung bereits gesetzt ist, dann vom Standpunkt seiner Erregung her gelöscht wird und schließlich vom Standpunkt seines Inhalts diese Löschung kritisiert. Die Tatsache, daß Freud aus dem Bedürfnis eine Triebkraft macht, wird zugleich von Freud darin kritisiert, daß diese Triebkraft nicht zur Befriedigung kommen kann. Das Bedürfnis als Grund dieser Triebkraft ist einmal als Form des Antriebs des Organismus' und der Psyche gedacht, dann aber soll es sich als Inhalt als Schranke derselben Form erweisen. Der Antrieb wird durch seinen eigenen Inhalt beschränkt. Das, was ihm vorausgesetzt ist (Bedürfniserregung) soll sie zugleich aufheben (bittere Lebenserfahrung). Was ursprünglich die Not des Lebens ausmacht, das alles antreibt, was hieraus sich ergibt, macht sich zugleich als bittere Lebenserfahrung geltend, ist also Folge des Lebens, das es produziert hatte.

Der Grund für diesen Widerspruch ist die doppelte Verwendung der Bedürfniserregung oder des Triebs im Gang der Ableitung. Er wird positiv als Antrieb der primären psychischen Tätigkeit verstanden, negativ als die Schranke dieser psychischen Tätigkeit. Er gilt in der Ableitung wie ein Wille, unter welchem gegensätzliche Erfahrungen gemacht werden; einmal ist es die Befriedigungserfahrung, welche sich im Vorstellungsbild in die Psyche hinein verlängert und darin positiv bestehen bleibt, ein andermal, wenn sie die Befriedigungserfahrung zu ihrem eigenen Zweck gemacht hat. Es sind somit die gegensätzlichen Erfahrungen, die man unter dem Triebinteresse macht, was sich als Argument in der Ableitung der Eigenständigkeit der Psyche ergeben hatte. Zwischen der Erfahrung eines befriedigten Bedürfnisses und der Erfahrung eines unbefriedigten Bedürfnisses besteht die primäre psychische Tätigkeit und diese gründet auf einem triebhaften Willen, der jetzt aber nichts anderes mehr enthält als das Interesse, was im Konstanzprinzip formuliert wurde: Die Bedürfniserregung zu löschen. Die Inhalte, die durch den Bedürfnisbegriff dem Organismus gegeben worden sind und die psychische Tätigkeit begründen sollen, haben sich demnach aneinander aufgehoben: da das Bedürfnis einmal positiv als befriedigtes und einmal negativ als unbefriedigtes in der psychischen Tätigkeit auftritt, kann sich weder aus dem unbefriedigten Bedürfnis noch aus dem befriedigten ein allgemeiner Grund für die eigenständige Tätigkeit der Psyche ergeben. Was den Inhalt des Bedürfnisses betrifft, besteht dieser ganz in der Phantasie des Befriedigungserlebnisses wie auch in der Hemmung dieser Phantasie durch das nicht verwirklichte Befriedigungserlebnis. Die Psyche hat also selbst zwei Systeme, welche im Grunde nichts anderes als die verschiedenen Erfahrungstatsachen von Zuständen, in denen das Bedürfnis auftritt, repräsentieren. Indem sie sich inhaltlich in der Psyche selbst entgegensetzen, können sie keinen allgemeinen Grund von ihrer eigenständigen Bewegung ergeben. Was als Grund für das psychische Interesse deshalb nur übrigbleibt, ist das Konstanzprinzip, das naturhafte Interesse des Organismus', jegliche Erregung zu senken. Dieses erhält sich als eine Art allgemeine Gesetzmäßigkeit formell über allen bis dahin inhaltlich entwickelten Prozesse und macht den Drang des Bedürfnisses wie auch des Wunsches zugleich aus. Indem die Psyche die Identität von Wunscherfüllung und Bedürfnisbefriedigung bezweckt, vollzieht sie im Grunde nur das Konstanzprinzip, das den Untergang beider Erregungen verlangt.

Worauf der ganze bisher dargestellte Strang der Ableitung also sich reduziert, ist eine natürlich behauptete Gesetzmäßigkeit, die als allgemeine Tendenz in alles eingeht, was Freud darstellt, hierbei aber eine unberührte Allgemeinheit im Gedankengang selbst ist, also ein allgemeiner Grund, der in sich selbst leer ist, und nichts anderes enthält als ein Prinzip, das allem Organismischen unterstellt wird. Freud wollte dieses Prinzip in seiner Theorie mit den Triebkräften gleichsetzen, welche in der Psyche wirksam sind. Er wollte das Interesse, welches das Konstanzprinzip in der Löschung aller Erregung befolgt, mit dem Interesse des Bedürfnisses, welches das Interesse an einer Befriedigung verfolgt, gleichsetzen, so daß er die Triebkräfte der Psyche mit den Prinzipien der Natur identifizieren hätte können und hierin eine allgemeine Begründung für die psychische Tätigkeit gefunden hätte. Das ist ihm aber dadurch nicht gelungen, daß er das Bedürfnis nicht ohne Befriedigungsgegenstand in der Psyche erhalten konnte, und es somit in doppelter Form darin verwenden mußte. Das Triebinteresse bestand daher einmal als Interesse nach Befriedigung, als Naturzweck in der Psyche, zum andern als Interesse nach der Löschung von Erregung, die zu dem Naturzweck dadurch antagonistisch wurde, daß sie als Antrieb der Psyche sich auch jenseits der Triebbefriedigung aufzulösen hätte. Die Identität von Triebinteresse und dem Interesse des Konstanzprinzips wurde dadurch aufgehoben, der Trieb als eine körperliche Kraft aufgefaßt, welche sich der psychischen widersetzen muß.

Das Konstanzprinzip ist somit das alleinige Argument geblieben, welches sich allgemein durch die Ableitung erhalten ließ, da man es dem Bedürfnis selbst ansieht, daß es in verschiedensten Formen vorkommt und daher weder als unbefriedigtes noch als befriedigtes zum ausschließlichen Grund psychischer Regungen werden kann. Es ist als eine leere Allgemeinheit über allen einzelnen Momenten der Ableitung als Argument für ihre Entwicklung geblieben, und könnte deshalb genauso gut als die allgemeine Form, als Verallgemeinerung von Entwicklungsprozessen in der Form selbst gelten, wie als erschlossener Grund der Entwicklung, also als Entwicklungsinteresse. Wenn man die Form von Entwicklungen sagt, also die Formeln ihrer Bewegung darstellt, so verallgemeinert man Beobachtungen von Entwicklungsprozessen, die bereits geschehen sind. Wenn man aber den Grund für eine Entwicklung sagt, damit also einen Zweck formuliert, der sich noch nicht entwickelt oder verwirklicht hat, so will man aus dem Gegebenen etwas ableiten, was es nicht vorausgesetzt haben kann. Indem Freud nun aber diesen Unterschied nicht kennt und im Gang seiner Argumentation (zum Beispiel durch den Erfahrungsbegriff) sowohl Entwicklung beschreibt wie auch begründet, das heißt, das Beobachtete mit der Beobachtung erklärt, wird er in seiner Argumentation tautologisch. Seine Auffassung vom Konstanzprinzip verkörpert diese Tautologie ausdrücklich, wenn er das Triebinteresse als Grund für eine Entwicklung mit dem Konstanzprinzip als Form einer Bewegung identisch zu setzen versucht. Er wollte damit einen formalen Begriff mit einem analytischen Begriff in eins nehmen und kam von daher zu einer gegensätzlichen Verwendung des Triebbegriffs selbst, sodaß nur der formale Begriff übrigbleiben konnte, zur Begründung des Formulierten. Ich bin deshalb bereits an seiner grundegendsten Überlegung an das Grundproblem seines Denkens gekommen, welches im folgenden einen Zusammenhang ausbreitet, der darauf beruht, daß Freud das analytische und formale Denken nicht auseinanderhält und deshalb auch nicht den Unterschied zwischen Konstanzprinzip und Triebinteresse erkennen kann. Im Befriedigungserlebnis sieht er nämlich beides vereint, weil darin das Prinzip des in sich ruhenden Organismus' und das Interesse, das dieser triebhafterweise entwickelt, versöhnt sind. Das Befrieldigungserlebnis war somit die notwendige Voraussetzung, um alle folgenden Bestimmungen in der Einheit von Naturprinzip und Naturinteresse, in welcher sich das widersprüchliche Entwicklungsinteresse von Freud verbirgt, darzustellen. Von seinem doppelten Interesse unbeschadet entwickelt nun Freud einen psychischen Apparat, der sich in seiner Entwicklung zugleich seiner eigenen Regression unterwerfen muß. Der Begriff, auf dem er sich daher gründet, ist der Wunsch.

b) Der Wunsch als bewegendes Prinzip der Psyche

Der Wunsch hatte sich als psychische Regung aus der Bedürfniserregung gebildet, welche das Erinnerungsbild des Befriedigungserlebnisses besetzt hatte. Das Bedürfnis hatte demnach in seiner Form den Wunsch gebildet, insofern seine Erregung an das Erinnerungsbild gegeben wurde, seinem Inhalt nach aber ist es zugleich dadurch dessen Schranke geworden, daß es an die Tatsache des körperlichen Lebens und der Körperorgane gebunden war. Im Wunsch ist somit einmal vom Standpunkt der Bedürfniserregung ein Interesse (nach dem Konstanzprinzip) gegeben, welches die Erregung des Bedürfnisses (getrennt von seinem Inhalt) enthält, zugleich widersetzt es sich seinem Inhalt entsprechend dem Wunsch, weil und sofern er nicht in der Lage ist, zu einer wirklichen Bedürfnisbefriedigung zu gelangen. Nur dadurch, daß Freud das Konstanzprinzip über die Ableitung gestellt hatte, war es ihm möglich zu behaupten, daß die Erregung selbst ein ihr immanentes und jenseits ihres Inhalts bestimmtes Interesse hat, nämlich das Interesse des Organischen überhaupt, seine Erregung zu löschen. Von diesem Prinzip her ist der Wunsch in einem positiven Interesse gesetzt: Er treibt alle Aktionen und Tätigkeiten an, die in der Lage sind seine Erregung zu löschen. Inhaltlich enthält er das Gelöschte der Erregung, wie er das Befriedigungserlebnis, also ein vormals natürlicher und wirklicher Akt, erinnert behält. Er ist inhaltlich somit ein Vorgriff auf das Vergangene und kommt gerade deshalb nicht zur wirklichen Befriedigung, da er stattdessen in der Wunscherfüllung seine, Erregung vernichtet, das heißt regrediert. Hierdurch ist er dem Bewußtsein nicht mehr zugänglich, sondern ein immanenter Prozeß, der sich unter dem Bewußtsein bewegt und vom Bewußtsein nurmehr bewacht wird, damit er seine Tätigkeit nicht unendlich forttreibt. Hierdurch ist der Wunsch die "primäre Tätigkeit des Unbewußten" (Wyss, S. 39). Hierdurch begründet er den Primärprozeß der Psyche und bildet "den Kern unseres Wesens, aus unbewußten Wunschregungen bestehend, unfaßbar und unhemmbar für das Vorbewußte".(Freud 1900, S. 572). Durch ihn konnte die Psyche getrennt von ihrem eigenen Material, dem Organismus und der Realität überhaupt begründet werden. Durch den Wunsch entfaltet sich eine psychische Wirkung, die "eine besondere Existenzform ist, welche mit der materiellen Realität nicht verwechselt werden soll." (ebd.9 S. 587). Insofern die Wünsche die Antriebe im Unbewußten selbst sind, stellen sie "für alle späteren seelischen Bestrebungen einen Zwang dar, dem sie sich zu fügen haben" (ebd., S. 573).

Nun besteht der Wunsch nur während dem das Bedürfnis sich rührt, also eine Bedürfniserregung am Organismus besteht. Da er sich aber nicht für die wirkliche Befriedigung des Bedürfnisses interessiert, sondern quasi durch ihre ideelle Vorwegnahme existiert, enthält sein Interesse allein das des Konstanzprinzips und wird hierdurch zum Antagonisten des Interesses, das im körperlichen Bedürfnis besteht. Genau in der Weise, wie er sich auf das Bedürfnis bezieht, bezieht er sich auch auf die Wirklichkeit überhaupt (von dem Widerspruch, der in der Ableitung aus dem Bedürfnis in der Freudschen Fassung des Bedürfnisses gefunden worden war, will ich jetzt absehen und den Wunsch nur als bewegendes Prinzip der Psyche selbst, gleichgültig von seiner Herkunft, untersuchen). Es soll sich darin das Verhältnis der Psyche zur Wirklichkeit verdeutlichen lassen.

Der Wunsch ist im Unbewußten ein erschlossenes Konstrukt, zu dem Freud dadurch kommt, daß er sagte, "es hindert uns nichts, (ihn) anzunehmen" (ebd., S.'539). Aber als solches hat er einen finalen Charakter (Wyss, S. 70), denn er enthält das, was an Erlebnis- oder "Affektverknüpfung" wirkt, ohne zum Bewußtsein zu gelangen. Er enthält also die Affekte, "die ohne Bewußtsein geschehen, die man supponieren, aber nicht ... erweisen kann" (Freud 1894, S. 67). Diese unbewußten Affekte machen dadurch die Bewegung der Psyche aus, daß sie Triebe repräsentieren, die als natürlich vorausgesetzt werden. "Der Kern des Unbewußten besteht aus Triebrepräsentanzen, die ihre Besetzung abführen wollen, also aus Wunschregungen" (Freud 1915c, S. 145). Von der Seite her, daß der Wunsch Triebe repräsentiert, d.h. als Wunschregung aus dem Trieb selbst entspringt, den er repräsentiert, ist er die Kraft, aus der heraus die Psyche sich bewegt und ist hierdurch ihr urtümlichster Inhalt. "Den Inhalt des Unbewußten kann man einer psychischen Urbevölkerung vergleichen" (ebd., S. 154). Zugleich aber bezieht er sich auf die Wirklichkeit dadurch, daß er das wirkliche Triebgeschehen in vergangener Form (Befriedigungserlebnis) enthält, und in seiner Intention der Vorgriff auf das Vergangene besteht. Er kann also nur Vergangenes enthalten und ist somit passiv und regressiv gegenüber der Wirklichkeit. Die Triebe, durch welche der Organismus ursprünglich zu wirklichen Gegenständen gezwungen war, treiben im Wunsch das an, was ihn von der Wirklichkeit entfernt. Hierdurch ist der Wunsch zwar an die Wirklichkeit der Triebbefriedigung gebunden, zugleich aber in vollständiger Freiheit hiergegen, da er in sich nur dem Prinzip der Erregung folgt und in dieser Bestimmung frei gegen alle Inhalte gesetzt ist. Er vertritt die freie Energie überhaupt. Vom Standpunkt der Freiheit erfährt er das Wirkliche daher nur als Schranke. Von seinem Inhalt aus enthält er aber gerade das in der Form der Vorstellung, was ihm vorausgesetzt war und nicht mehr wirklich ist. Der Wunsch ist somit die Sehnsucht nach dem Vergangenen, die nicht bewußt sein darf, und hierdurch ihre eigene Erfüllung findet. Diese Ursprungssehnsucht bestimmt den Menschen dazu, nach dem zu leben, was vergangen ist und diese Tendenz zugleich als Antrieb seines psychischen Lebens zu haben, das seine Empfindungen, Bedürfnisse und anderes bestimmt, aber nicht bewußt sein kann. Das Bewußtsein bezieht sich auf die Zweckmäßigkeiten des Lebens, auf die wirklichen, das heißt bei Freud organischen Bedürfnisse, auf die reale Befriedigung schlechthin. Der Wunsch oder das Psychische in seiner primären Bestimmung sind sozusagen das illusionäre Reich, in welchem ein Leben gefristet wird, das sich nicht verwirklichen kann, das aber zugleich alle Antriebe des Menschen ausmachen soll, die sein inneres Leben bestimmen. Freud hatte dies schon 1892 als ein "Schattenreich" angesehen, worin er die "gehemmten Vorsätze aufbewahrt" vermutet hatte, die darin eine "ungeahnte Existenz fristen" (Freud 1895, S. 272).

Die Psyche stellt somit ein im Grunde vorsätzliches Interesse dar, welches den Wunsch ausmacht, zugleich ist aber der Wunsch nur in einem Reich, wo dieser Vorsatz zugleich gehemmt ist. Die natürliche oder gesellschaftliche Wirklichkeit kann ihn - nach Freud - natürlicherweise und notwendig nicht zulassen. Er ist zwar das, was den Antrieb des Einzelwesens ausmacht, seine Triebkraft, aber zugleich notwendig gehemmte Triebkraft. Sie macht sich nur als eine "auf Lust zielende Strömung im Apparat" (Freud 1900, S. 568) geltend und erscheint hierdurch als Empfindung, die die Qualitäten von Lust oder Unlust unterscheiden lassen, steht aber in keinem Verhältnis zur Wirklichkeit, ist nicht in irgendeiner Wirkung auf diese gemeint, etwa in der Form eines Willens. Der Wunsch erscheint in diesem Lustprinzip lediglich als ein Verhältnis von Empfindungen, welche die Er1ebnisweisen einer Person kennzeichnen, aber nichts mehr mit den Inhalten der Realität zu tun haben, da sie prinzipiell nur Ausdruck der eigenen und innerlich behaupteten Tendenz sind. In diesem Lustprinzip ist die Trennung des inneren Geschehens von der Wirklichkeit, wie sie bereits im Konstanzprinzip angesetzt war, vollständig entwickelt: Ein Individuum handelt und lebt und empfindet danach, wie es sich fühlt. Darin allein formuliert sich sein Wesen, also das, was seine Entwicklung ausmachen soll. Das Lustprinzip ist das Empfindungsverhältnis dessen, was im Konstanzprinzip als Naturprinzip des Organismus’ überhaupt gesetzt war (Dies ist bereits in Fechners Äußerung - siehe oben - impliziert und wird von Freud auch ausdrücklich in diesem Zusammenhang gesehen: "Das Lustprinzip leitet sich aus dem Konstanzprinzip ab" (Freud 1915a, S. 219). Das Lustprinzip ist somit das Prinzip des Wunsches, der sich an der Psyche durch die Identität dessen, was gewünscht wird mit dem, was Lust verschafft, ergibt. Der Wunsch, der ursprünglich in der Psyche die Einheit von Erlebnissen mit dem Trieb gewesen war, bildet somit auch ein zweites Verhältnis zur Außenwelt: Es erlebt sie mit Empfindungen von Lust oder Unlust, und erhält somit eine naturnotwendige und dem "Erfahrungshorizont" des Individuums entsprungene Wahrnehmungsweise, die nicht mit dem verwechselt werden darf, was sich in der Psyche als Befriedigungsinteresse an der Realität geltend macht; letzteres nämlich wird durch das Realitätsprinzip vertreten.

Was ursprünglich die Momente in der Psyche waren, nämlich Wunsch und Bedürfnisse, erscheint nun gänzlich entzweit in zwei gegenläufige Prinzipien: Der Wunsch drückt sich in den Empfindungen aus, die man als Lust oder Unlust wahrnimmt, das Realitätsprinzip bezieht sich auf die Gegenstände der Befriedigung, die danach verarbeitet werden, ob, wann und wie sie zur Befriedigung taugen, und nur aus letzterem ist die Verzögerung des seelischen Geschehens und damit die Hemmung des ursprünglichen psychischen Prinzips begründet worden. Die Lustempfindung, die ursprünglich ein psychisches Analog zur Bedürfnisbefriedigung war, ist durch ihre Unzweckmäßigkeit jetzt unterschieden von der Bedürfnisbefriedigung, die dem Zweck des ganzen Organismus entspricht. Das Lustprinzip macht die Erscheinung des Psychischen in den Empfindungen aus, es ist aber unzweckmäßig, weshalb das Realitätsprinzip die natürlichen Interessen des Bedürfnisses bewahren soll. Die Außenwelt wird somit einmal in der Empfindung selbst reflektiert als ein Erlebnis, das mit Lust oder Unlust wahrgenommen wird, zum andern bezieht der psychische Apparat sich auf sie im Interesse seiner natürlichen Zwecke, die er zu vermitteln hat, und sucht in ihr die Befriedigungsgegenstände, weshalb er das unmittelbare Erlebnis der Außenwelt zugleich hemmen muß. Aus der Ableitung, welche eine Trennung von Wunsch und Bedürfnis ergeben hatte, weil sie ein widersprüchliches Verständnis von Bedürfnis vorausgesetzt hatte, haben sich nun zwei gegensätzliche Prinzipien, nach denen sich das psychische Geschehen bestimmt, ergeben, die einen doppelten Bezug des einzelnen auf seine Welt enthalten.

Dieser doppelte Bezug auf die Realität, die einmal vom Standpunkt des Lustprinzips im Dienste des primären Prozesses der Psyche geschieht, zum andern vom Standpunkt des Realitätsprinzips im Dienste der Zweckmäßigkeit des Organismus' besteht, soll darin einfach sein, daß die Befriedigung des Bedürfnisses zugleich auch ein Lusterlebnis ist. Von daher nur kann Freud behaupten, daß das Realitätsprinzip ein Mittel des Lustprinzips ist. Er rekurriert hier nämlich wieder auf die Identität von psychischer Erfahrung und wirklicher Erfahrung, die er in der Ableitung des zweiten Systems getrennt hatte. Die widersprüchliche Bedeutung des Bedürfnisbegriffs wird sozusagen von hinten wieder aufgelöst, insofern Bedürfnisbefriedigung und Lusterlebnisse identifiziert werden, wenngleich die Trennung beider (durch den Unterschied von Wunsch und Bedürfnis) zur Ableitung notwendig war. Wenn nun das Realitätsprinzip zugleich im Dienste des Lustprinzips geschieht, so unterstellt diese, daß das Befriedigungserlebnis mit dem psychischen Geschehen, das als Lust oder Unlust empfunden wird, identifiziert wird. Dies ist im folgenden zu untersuchen.

c) Die Zweckmäßigkeit der Realität und die Empfindung der Lust als Prinzipien des "seelischen Apparats"

In den Triebregungen und Wünschen soll nach Freud die Erlebnisweise und damit auch die Empfindungsfolge des seelischen Apparats beinhaltet sein. Der Mangel an wirklichen Gegenständen der Befriedigung sollte die Zweckmäßigkeit in der Arbeit des psychischen Apparats begründen. Erstere Tätigkeit sollte nach dem Lustprinzip verfahren, letztere nach dem Realitätsprinzip. Da beide Prinzipien ökonomisch gesehen dem Konstanzprinzip gehorchen sollen, gilt das zweite Prinzip zugleich als Hemmung des ersten, also als Schranke der unendlichen Befolgung des Konstanzprinzips im Lustprinzip. Es ist daher nicht mehr wichtig, daß beide im Interesse des Konstanzprinzips arbeiten, sondern worin sie sich bei dieser Arbeit unterscheiden und wodurch sich das Realitätsprinzip gegen das Lustprinzip überhaupt stellen kann.

In der bisherigen Ableitung hat Freud die Lustempfindung als Erlebnisweise dessen behandelt, was das Konstanzprinzip ausmacht. Die Empfindungen der Lust waren identisch mit der Senkung von Erregung. Hierdurch hatte er die Grundauffassung eingeführt, daß die Psyche im Lustprinzip analog zu den Interessen des Organismus' selbst verläuft, daß also "der Ablauf der seelischen Vorgänge automatisch durch das Lustprinzip reguliert wird, d.h.,.. daß er jedesmal durch eine unlustvolle Spannung angeregt wird und dann eine solche Richtung einschlägt, daß sein Endergebnis mit einer Herabsetzung dieser Spannung, also mit einer Vermeidung von Unlust oder Erzeugung von Lust zusammenfällt," (Freud 1920, S. 217). Im Wunsch hatte sich dieses Prinzip unendlich und lebensgefährlich gebärdet, da es nämlich als eigene Tendenz der Psyche alle (körperliche) Wirklichkeit ignorieren muß. Hierdurch wurde das Lustprinzip zwar von dem Konstanzprinzip unterschieden, indem es nämlich das psychische Geschehen und seine Erlebnisweisen kennzeichnet und im Wunsch als Interesse formuliert ist, zugleich aber mußte diese Ablösung des psychischen Prozesses vom körperlichen einen zweiten Prozeß in der Psyche als psychisch notwendig ergeben, um sie in einem Verhältnis zu ihrer Wirklichkeit (das meint hier auch Natürlichkeit)'zu erhalten. Der Wunsch, die "auf Lust abzielende Strömung im Apparat" (ebd., S. 568) und die Zweckmäßigkeit, die in Form natürlicher und wirklicher Interessen vorausgesetzt gilt, hatten sich hierin voneinander getrennt. Die psychische Erlebnisweise und ihre Zweckmäßigkeit werden in verschiedenen Prinzipien gesehen, die nur außerhalb der Psyche, in der Realität in dem Befriedigungserlebnis, zusammengehen können. Das Realitätsprinzip vertritt zum einen das Interesse der Bedürfnisbefriedigung des Organismus und enthält diesen Zweck als Grund gegen das Lustprinzip. Dies begründet seine Tätigkeit, den Wunsch zu hemmen und zugleich Umwege der Außenwelt zu seiner wirklichen Erfüllung in der Befriedigung zu eruieren, die Realität zu prüfen, zu beeinflussen und zu unterscheiden. Von diesem Standpunkt aus sucht es die Wege zur Bedürfnis- oder Triebbefriedigung. Es hemmt den Drang des Wunsches in seiner Momenthaftigkeit, "um auf dem neuen Wege eine später kommende, gesicherte (Befriedigung) zu gewinnen" (Freud 1911, S. 21). Es muß sich hierfür "die realen Verhältnisse der Außenwelt vorstellen und die reale Veränderung anstreben" (ebd., S. 18f.), wobei es nicht darauf ankommt, "was angenehm, sondern was real war, auch wenn es unangenehm sein sollte" (ebd.., S. 19), In seinem Interesse nach Bedürfnisbefriedigung verhält es sich zu einer Realität, die Freud schlechthin unabhängig von dem Lebewesen" (Bally, S. 60) sieht.

Indem es diesen seinen Zweck befolgt, ist es aber zugleich Mittel des Lustprinzips. Es soll nämlich letztendlich Ereignisse ermöglichen, die einen verzögerten aber optimaleren Lustgewinn bringen. Es soll also Mittel zu einer Optimierung der Lustgefühle sein. Durch letzteres ist das Realitätsprinzip im Dienste des Lustprinzips und kann sich nur quantitativ von ihm darin unterscheiden, daß es die Wahrnehmung auf Gegenstände der Außenwelt aufmerksam macht, welche nicht unmittelbar Lust bringen, aber auf dem Umweg des Denkens zu einer Optimierung der Lusterlebnisse kommen. Es ist von dieser Seite ganz im Dienste der Wunschregung, welche ihre Erlebnisform vermittels des Realitätsprinzips sucht und optimieren will.

Das Realitätsprinzip enthält somit im Grunde ein gegenläufiges Interesse: Einmal versuchtes, die Gegenstände der Lust den vorgestellten Wünschen darin anzugleichen, daß es die "Umwege zur Wunscherfüllung," (Freud 1900, S. 540) betreibt; zugleich aber hat es nur den Zweck, diese Gegenstände als das zu finden, was die bittere Lebenserfahrung der Bedürfniserregung aufhebt. Das Realitätsprinzip begründet sich somit einmal negativ und einmal positiv: Zuerst begründet es sich aus dem Mangel an befriedigenden Gegenständen, enthält also eine Forderung, zum andern begründet es sich aus einer Optimierung der gegebenen Lusterlebnisse, enthält also die Steigerung einer Erfüllung. Diese gegenteiligen Momente in der Begründung des Realitätsprinzips sind wiederum darin versöhnt, daß Freud die Identität von Bedürfnisbefriedigung und Lusterfahrung unterstellt, womit er nicht mehr reflektiert, daß ersteres aus einem lebensnotwendigen Zweck hervorgeht, letzteres aber Ausdruck einer Psyche ist, welche diese Lebensnot bereits hinter sich gelassen hatte. Wenn nun die Gegenstände der Bedürfnisbefriedigung mit denen der Wunscherfüllung identisch behauptet sind, so erfüllt das Lebensnotwendige zugleich die Wünsche, und es wäre das Argument für die Psyche überhaupt aufgehoben, daß nämlich die Wünsche ihre Eigenheit jenseits der Realität begründen sollte. Es kann sich nur dadurch als Teil der Psyche erhalten, daß es über sie herauszugreifen in der Lage ist und sich das vorstellt, was real ist, um hierin die Wege zur Optimierung der Lust zu finden. Denn sonst könnte es sich von dem Wunsch nicht unterscheiden bis auf die Tatsache, daß es ihn hemmt. Es wird nämlich durch Bedürfnisse erregt, von der Erregung gespeist und stellt sich die Gegenstände vor, die zur Befriedigung des Organismus' in der Lage sind. Es ist nur darin vom Lustprinzip unterschieden, daß es, während es sich die Gegenstände der Befriedigung vorstellt, sie nicht vom Standpunkt des Befriedigungserlebnisses, sondern vom Standpunkt der Umwege zur Lusterfüllung denkt. Hierdurch soll es d en Fehler, den der Wunsch in seiner unmittelbaren Vorstellung vom Befriedigungserlebnis enthält, aufheben und dessen Regung selbst realitätstüchtig machen. Es vollzieht den Umweg, der zur Wunscherfüllung notwendig ist und unterstellt damit aber eine Realität, in welcher die Identität von Bedürfnisbefriedigung und Lusterfüllung immer irgendwann (irgendwann einmal) gegeben ist.

Hierdurch aber ist die Trennung von Empfindungsweisen (Lustprinzip) und der Zweckmäßigkeit des Lebens (Realitätsprinzip) in der Freudschen Theorie nicht mehr nötig, denn die Befriedigung in der Realität ist nach Freud mit der Glückerfüllung identisch und die Optimierung der Lusterlebnisse würde mit der Befriedigung durch Gegenstände zusammenfallen. Dann aber ist die Optimierung nichts anderes als die Aufhebung eines Mangels, was sich allerdings widerspricht. Das Realitätsprinzip verkörpert somit ein doppeltes Verhältnis von Trieb und Realität, insofern es einmal die Erlebnisweise des Triebgeschehens optimiert, zugleich aber die Abwesenheit des triebbefriedigenden Gegenstands impliziert, durch welches es dazu bestimmt ist, ihn für das Bedürfnis zur Verfügung zu stellen. Die Trennung von Empfindngsweise und Zweckmäßigkeit hat sich im Realitätsprinzip paradox erwiesen, indem es dort zur Optimierung eines gegebenen Erlebniszustandes (Lustempfindung) gelten soll, wo der Gegenzustand selbst dadurch unmöglich ist, daß der Befriedigungsgegenstand fehlt, und somit ein Mangelzustand ist. Ich will daher jetzt das Verhältnis von Trieb und Realität in der Freudschen Theorie verdeutlichen, bevor ich zum Dilemma des wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunktes komme.

d) Trieb und Realität

Nach dem wahrnehmungspsychologischen Gedanken ist es gleichgültig, ob die Außenwelt, also der wahrzunehmende Gegenstand, natürlich oder gesellschaftlich ist. Wesentlich ist hierbei nur die Unterstellung, daß er der Zweckmäßigkeit des natürlichen Interesses, das im Bedürfnis liegt, entspricht. Das wichtigste Implikat dieses Ansatzes ist nun die Trennung der Erlebnisweise von der Zweckmäßigkeit, die dem psychischen Geschehen zugrunde liegt. Diese Unterscheidung, die wesentlich den Gegensatz vom Lustprinzip zum Realitätsprinzip ausmacht, hatte sich nur dadurch ergeben können, daß Freud im Wunsch eine eigenständige Welt der inneren Antriebe angenommen hatte, der gegenüber sich die realen Antriebe widersetzen müssen. Er hat hierdurch ein Individuum konstruiert, das seine Zwecke nur durch Hemmung seiner Erlebnisweisen durchzusetzen versteht. Es kann nicht seinen Empfindungen folgen, wenn es im Leben stehen muß. Und wenn es dort ist, befindet es sich auf Umwegen zu seinen Empfindungen. Wenn es sich nämlich nach ihnen richtet, so folgt es "dem Gegensatzpaar Lust/Unlust" (Bally, S. 63), steht es in der Realität, so richtet es sich "nach demjenigen von wahr/ falsch" (ebd.). Die Wahrheit liegt allein im Zweck, aber dieser hat nichts damit zu tun, was angenehm oder unangenehm empfunden wird. Das Empfindungsleben ist unendlich bestimmt, und hat daher nur äußere Schranken in der Wahrheit des Lebens, die Freud in der Realität vermutet. (Dies deckt sich ganz mit seinem Wissenschaftsverständnis, wenn er meint, daß man die Wahrheit niemals endgültig finden kann, sondern daß man sich ihr nur nähern kann und während dieser Näherungen in einem fortwährenden Konflikt zwischen Erfahrung und Wissen steht).

Durch die Trennung von Erlebnisweise und Realität, die von Freud als natürlich angesehen wird, kann das psychische Geschehen als Ganzes immer nur ein Kompromiß beider Prinzipien sein; es kann sie nicht überwinden. Die Psyche ist einmal irreal genug, sich ihren Wünschen zu unterstellen, zum andern ist sie zu real, um sie nicht durchzulassen. Sie lebt von ihren Wünschen und verspeist ihre Energie, indem sie sich gegen sie wendet. Durch diesen Dualismus ist die Psyche ein autonomes, in sich selbst verbundenes System, das sich lediglich in dem allgemeinen Zweck zur Außenwelt bestimmt, Bedürfnisse befriedigt haben zu wollen. Der Gegensatz von inneren Antrieben, die als natürlich vorausgesetzt gelten, und äußeren Gegenständen, die diesen Antrieben auf irgendeine Weise zukommen sollen, ist zu einem psychischen System interniert worden.

Diese Entwicklung des Verhältnisses von Trieb und Realität zu einem Dualismus in der Psyche hatte sich dort ergeben, wo beides zusammenfällt: Im Befriedigungserlebnis. Dessen Voraussetzung waren Triebregungen, seine Folgen ein psychischer Prozess, der sich von der Realität entfernt. Hieraus war notwendig, daß sich die Realität gegen diese Entfernung geltend macht, um wieder zu einem Befriedigungserlebnis zu gelangen. Das Befriedigungserlebnis wurde so zum Ursprung und zum Ziel der psychischen Tätigkeit, wobei allerdings der Gegensatz, der hier als Gegensatz von Triebkräften und realen Befriedigungsgegenständen vorausging, zu einem inneren Gegensatz zwischen Lustprinzip und Realitätsprinzip werden sollte. Doch dieser innere Gegensatz ist nichts anderes, als der Unterschied, in welchem das Befriedigungserlebnis gemacht wird: Für das Lustprinzip ist es nämlich vorausgesetzt, für das Realitätsprinzip ist es noch nicht eingetreten.

In der psychischen Tätigkeit wirkt daher die vergangene Realität in der Form der psychischen Erregung, welche den Trieb repräsentiert, als Grundbestimmung der Erlebnisweise. Die zukünftige Realität ist in ihrer Tätigkeit durch das Nichtvorhandensein von Befriedigungsgegenständen, also das Realwerdensollen von Bedürfnisbefriedigung, gesetzt. In der letzteren Auffassung gilt die Realität als Antagonist des Triebs, in der ersteren Auffassung als dessen Verwirklichung. Die Realität in der Freudschen Theorie gilt somit gleichzeitig als verwirklichtes Triebgeschehen wie auch noch nicht wirkliches Triebgeschehen. In dieser zweifachen Bedeutung für die Psyche ist die Realität überhaupt nur vom Standpunkt der Befriedigung anerkannt. Sie gilt daher auch nur einmal von der Seite des unbefriedigten, ein andermal von der Seite des befriedigten Triebs.

Die Realität hat somit überhaupt keine eigene Bestimmung; sie gilt nur relativ zum Trieb. Sie ist ihm zwar als fremd vorausgesetzt, wird aber dadurch angeeignet, daß der Trieb sich in ihr seine Befriedigungsgegenstände aneignet. Die Fremdheit der Realität ist eine vorausgesetzte Naturtatsache, die Aneignung geschieht durch die Vernichtung der Realität durch die Triebbefriedigung. Was die Trennung von Trieb und Realität angeht, so gilt diese vorausgesetzt; was die Identität von beiden angeht, so besteht sie darin, daß die Realität in der Triebbefriedigung untergeht. Als beides, nämlich als vorausgesetzt vom Trieb getrennt und in ihrer Vernichtung mit dem Trieb identisch, bleibt in dem Verhältnis des triebhaften Organismus' zur Realität keine Wirklichkeit übrig. Der Gedanke in der Argumentation wird nurmehr über den Trieb weiterzuführen sein; nicht mehr über das Verhältnis eines Organismus' zur Realität.

Aus dem ursprünglichen Interesse, aus dem Verhältnis eines Organismus' zur Realität, die Psyche abzuleiten, ist eine reine Triebtheorie geworden, welche den Realitätsbegriff unter sich subsumiert hat und sie dadurch zum psychischen Medium selbst bestimmt hat. Die Ableitung der Psyche ist somit zu einer Triebtheorie geworden, welche das Anliegen des wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunktes darin aufhebt, daß es allein die menschlichen Antriebe und ihre Hemmungen sind, welche das psychische Leben ausmachen. Die Realität gilt hierbei zwar als Umstand,(nämlich ob der Befriedigungsgegenstand zugleich auftritt, wenn ein Bedürfnis auftritt, oder ob nicht), nicht aber in einem Bezug zum psychischen Geschehen. Der Versuch, aus der Wahrnehmung des wirklichen Befriedigungserlebnisses die psychische Tätigkeit abzuleiten, ist mißlungen, und es bleibt der Trieb allein übrig, die psychische Tätigkeit zu begründen, indem sie als seine Repräsentanz aufgefaßt wird. Die Realität ist ihr sowohl vorausgesetzt, wie auch ihr zur Folge und hat deshalb für die weitere Argumentation keinen Stellenwert mehr. Dies drückt sich in Freuds Entwicklung dadurch aus, daß er den Trieb jetzt selbst inhaltlich bestimmt und aus seiner unbestimmten Fassung im wahrnehmungspsychologischen Ansatz eine bestimmte Auffassung des menschlichen Antriebs überhaupt entwickelt, welche er mit dem Narzißmusbegriff einführt.

Was ich bisher in den einzelnen Kategorien Freuds dargestellt und zum Teil kritisiert habe, will ich nun als Ganzes darstellen und in dem begrifflichen Zusammenhang selber diskutieren. Hieraus soll sich zeigen, warum der wahrnehmungspsychologische Gesichtspunkt als Ganzes sich aufhebt, und warum er einen ihm gegenteiligen Gesichtspunkt verlangt, unter welchem Freud seine Gedanken weiterverfolgt.

e) Das Dilemma des wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunkts

Was die wahrnehmungspsychologische Betrachtungsweise Freuds wesentlich ausmachte, war die "anders wie zu begründende Annahme" (Freud 1900, S. 538), daß alles natürliche und geistige Geschehen dem Prinzip gehorcht, seine eigene Erregung zu senken. Aus diesem Prinzip heraus sollen sich bestimmte Erlebnisse konstituieren, die verschiedene psychische Instanzen begründen sollen. Ich habe ihn wahrnehmungspsychologisch genannt, weil er die psychischen Momente durch diese Erlebnisse zu begründen versuchte.

Der Drehpunkt der Ableitung war das Befriedigungserlebnis, welches Ziel des Körperinteresses wie auch des Wahrnehmungsinteresses sein sollte. Es enthielt also sowohl eine körperliche Identität wie auch eine Wahrnehmungsidentität; allerdings war die eine nur dann, wenn die andere nicht war. Das Befriedigungserlebnis sollte also gegensätzliche Identitäten begründen. Die Grundannahme für den Gegensatz von Wahrnehmungs- und Erlebnisidentität bestand darin, daß erstens der natürliche Organismus nicht in einem natürlichen Verhältnis zu seiner Umwelt besteht und deshalb in sich kein bestimmtes Verlangen nach bestimmten Gegenständen sondern ein unbestimmtes Verlangen in Form eines Naturprinzips (das Konstanzprinzip) hatte, und daß zweitens die Erinnerung an ein bestimmtes Erlebnis nicht an die bestimmten Stofflichkeiten des Erinnerten gebunden bleibt, sondern in sich selbst als Erinnerung dem selben Prinzip folgt, in dem es sich als bestimmte Erinnerung seiner unbestimmten Tendenz unterwirft (hierdurch kam der Wunsch zur Halluzination). Freud hatte durch die Annahme des Konstanzprinzips zwei bestimmte Ereignisse (das Bedürfnis und der Wunsch) in der Abstraktion von ihrer Bestimmtheit, also unbestimmt, gesetzt und zugleich in der Identität dieser Unbestimmtheit ihre Identität behauptet.

Es war im Grunde der Unterschied in der Annahme von Freud, daß sich das Bedürfnis und der Wunsch unterscheiden, was den Unterschied von Psyche und Organismus überhaupt ergeben hatte. Zugleich war es die zweite Annähme von Freud, daß beides dem Konstanzprinzip gehorcht, was die Identität im Interesse beider ergeben hatte.

Durch die Unterscheidung von Bedürfnis und Wunsch sollte es möglich werden, die Psyche getrennt von dem organischen Leben im Wunsch zu begründen, zugleich aber auch als Mittel des Organismus' aufzufassen. Die Psyche war von daher das Wissen der Befriedigung, welches dem Bedürfnis selbst abgeht. Da das Befriedigungserlebnis sozusagen die Realität in diesem Gesichtspunkt bei Freud darstellt, konnte das Bedürfnis dieser vorausgessetzt, der Wunsch ihr zufolge angenommen werden. Das Bedürfnis besteht nämlich vor der Bedürfnisbefriedigung, der Wunsch besteht erst danach. Dies entspricht der aufklärerischen Auffassung, daß das Bedürfnis ein Verlangen nach einer von ihm getrennten Realität ist und das Wissen über diese Realität ein von ihr getrennter subjektiver Zustand ist. Vom Standpunkt der Psyche aus erscheint daher auch der Wunsch, der auf der Erfahrung von Realität beruht, in sich unendlich und irreal. Das Bedürfnis enthält die Zweckmäßigkeit der Realität und das naturnotwendige Verlangen nach ihr und ist deshalb im zweiten Teil der Ableitung die Schranke des Wunsches. Die psychische Tätigkeit folgt daher der unterstellten Trennung von Bedürfnis und Wunsch in ihrem doppelten Bezug auf die Realität. Als Wunsch entfernt sie sich von ihr, im Bedürfnis nähert sie sich ihr. Der Wunsch macht daher die Eigenständigkeit ihrer Tätigkeit aus und verkörpert ihr primäres System, das Bedürfnis verkörpert ihre Zweckhaftigkeit und Naturgebundenheit und begründet daher ihr sekundäres System. Die Trennung der psychischen Systeme ist somit unmittelbarer Ausdruck der Grundannahmen, die in Freuds Konstruktion der Psyche gesetzt sind.

Da aber das Bedürfnis der Realität vorausgesetzt, der Wunsch ihr zur Folge gilt, begründet sich die psychische Tätigkeit wohl aus ihr, indem sie sich in dem Erlebnis von Befriedigung konstituiert, wie sie zugleich auch bestimmte Befriedigungserlebnisse konstituiert (das macht das Realitätsprinzip in der Psyche aus). Die Ableitung enthält also im Kern die Behauptung, daß sich die Psyche genauso aus der Realität ergibt, wie sie auch Realität produziert. Zugleich soll sie genauso doppelt sein, wie die Erlebnisweisen der Realität sind: Einmal erlebt man sie befriedigt, ein anderes Mal ist man ihr gegenüber unbefriedigt. Die Psyche ist somit identisch mit den Erlebnisweisen der Realität und insofern tautologisch begründet; sie begründet das, was ihr vorausgesetzt ist. Durch die psychische Tätigkeit soll die psychische Tätigkeit selbst begründet wie auch aufgehoben werden. In dieser doppelten Bestimmung verwirklicht sich das, was ich im Denken Freuds selbst als tautologischen Gedankengang - nämlich in seinem Entwicklungsverständnis - dargestellt habe. Die Psyche entwickelt sich dort, wo sie sich ihren Untergang produziert.

Dies macht dann auch die doppelte Verwendung der Begriffe, die Freud zu ihrer Erklärung verwendet, aus. Der Triebbegriff oder der Begriff der Bedürfniserregung hatte seine theoretische Bedeutung einmal darin, daß er alles körperliche und geistige Geschehen antreibt, dann hatte er seine theoretische Bedeutung darin, daß er das geistige Geschehen hemmen sollte, weil es sich gegen die körperliche Triebhaftigkeit richtet. Hierdurch wird Trieb doppelt verwendet, nämlich einmal als Triebkraft der Psyche, zum andern als körperliches Interesse, welches die psychische Triebhaftigkeit hemmen soll. In der Psyche wird daher durch den Trieb das gehemmt, was ihr zugleich triebhaft vorausgehen sollte.

Genauso der Begriff der Realität. Die Realität galt einmal als Mittel für Erlebnisse, die der Natur des Menschen entsprechen, zugleich bestand sie daraus, daß sie ihre Befriedigungsgegenstände dem Menschen vorenthielt (wenn man hierbei davon absieht, daß die zeitlichen Unterschiede von An- und Abwesenheit des Befriedigungsgegenstandes kein Argument sein können). Man erfährt die Realität einmal, daß sie sich befriedigend dem Menschen zur Verfügung stellt, zum andern, daß man Mühe und Umwege braucht, um zu dieser Befriedigung zu gelangen. Einmal vermittelt sich die Realität selbst (was Freud mit der fremden Hilfeleistung meint), zum andern aber besteht sie weit entfernt von allem Psychischen, so daß dieses überhaupt gehemmt werden muß, damit man sich um die Näherung zur Realität kümmern kann. Die Realität galt somit einmal als unmittelbarer Befriedigungsgegenstand, ein andermal als fremde Welt, welche nur mit Mühe durchdrungen und überwunden werden kann. Einmal entspricht sie dem natürlichen Zweck des Menschen, ein andermal setzt sie sich ihm entgegen.

Sowohl die Freudsche Realität wie auch der Trieb bei Freud sind in sich widerspenstig und drehen sich im Grund um den Status quo. Einmal verkörpert die psychische Tätigkeit eine regressive Tendenz, wenn sie ihren Trieben gehorcht, dann vertritt der Organismus eine progressive Tendenz, indem er seinen Trieb an die Realität richtet. Ein andermal verkörpert die Psyche eine progressive Tendenz, insofern sie die Realität überwindet, dann aber ist der Organismus regressiv und hemmt ihre Kraft. Die Psyche vollzieht daher ihren Doppelsinn sowohl in Bezug auf sich selbst wie auch auf die Realität: Als geistige

Regung im Wunsch ist sie ursprünglich aufgetreten und hierin primär; aber als Diener des Lebensinteresses, also als Geist im Dienst des Naturverlangens, ist sie dadurch geworden, daß ihre primitive und primäre Geistigkeit dem ursprünglichsten Interesse des Lebens zum Opfer fällt. Es entsteht damit die Dualität von primären und sekundären Bewegungen der Psyche und allein in dieser Dualität vollzieht sich die progressive Regression des psychischen Geschehens. Das primäre System repräsentiert den Trieb, das sekundäre gilt als Mittel seiner Befriedigung. Alle Gegensätze, die sich in dieser Dualität darstellen, stellen die doppelte Bestimmung der Psyche dar: Als Resultat der Triebbefriedigung ist sie zugleich ihr Mittel. Wenn aber etwas Mittel für seine Voraussetzung ist, so hebt es sich auf, denn es kann nur als das sein, worin es sich vermittelt.

Der Mittler der Triebbefriedigung, die Psyche, hat in der zweifachen Begründung einmal eine Aufhebung der Triebbefriedigung als inneren Regress zum Zweck ein andermal eine Aufhebung des Regresses zum Mittel der Triebbefriedigung. Die Psyche hat somit einen doppelten Boden, der sich in dem widersprüchlichen Verhalten der beiden Systeme der Psyche abbildet. Aber diese Systeme sind nicht aneinander begründet, sondern nur durch die Triebbefriedigung. Und daran begründen sie sich einmal positiv und einmal negativ, so daß sie gar nicht aufeinander, sondern nur auf den Trieb in doppelter Weise bezogen sind. Damit ist der Trieb ein einfacher Grund für etwas Gegensätzliches. Das primäre System spinnt ihn geistig fort, das sekundäre will ihn real erfüllen und hemmt dadurch die Spinnerei. Die Psyche ist im Freudschen Gedankengang zugleich geistige Entfaltung des Triebs, wie auch dessen Aufhebung. Sie hebt das auf, was sie entfaltet. Es bleibt in dieser Doppelbödigkeit der Psyche nichts anderes übrig, als allen Werdegang der Psyche in dem gleichzusetzen, was überall vorkommt, nämlich der Trieb überhaupt und zwischen Grund(Bedürfnis), Folge (Wunsch) und Mittel (Realität) nicht mehr zu unterscheiden. Der Trieb treibt alles an und hat daher nurmehr Phänomene.

Da nun bei der Erklärung der Psyche der Trieb überhaupt nur übriggeblieben ist und dieser nur im Sinne des Konstanzprinzips bestimmt ist, kann der Unterschied zwischen Realität und Psyche nicht mehr erklärt werden. Die Realität ist nämlich gleichermaßen Zweck wie auch Mittel des Triebs, und es gibt kein Argument, mit welchem zu unterscheiden wäre, wann sich der Trieb nach der Realität und wann sich die Realität nach dem Trieb richtet. Die Ableitung der Psyche aus der Wahrnehmung von Triebbefriedigung, welches einen Bezug des Wahrnehmenden zum Wahrgenommenen zu ihrer Voraussetzung hat, kam zur selben Voraussetzung wiederum zurück: Sie vollzog die Behauptung, daß der Wahrnehmungsprozeß zugleich ein triebhafter Prozeß ist, und daß der Trieb das Wahrnehmungsinteresse wie auch den Wahrnehmungsgegenstand begründen sollte; zugleich hatte sich ergeben, daß der Trieb nur als unbestimmte Kraft beides begründen konnte und deshalb in einen Bezug in die Unbestimmtheit, die Freud mit dem Erregungsbegriff formulierte, verschwand. Die tautologische Erklärung ist nichts anderes, als das Verschwinden von Argumenten in einem unbestimmten Begriff. Die Psyche kann nur deshalb Mittel und Zweck der Triebbefriedigung zugleich sein, weil die Triebbefriedigung in der Unbestimmtheit von dem Naturprinzip, das ihr zur Grundlage sein soll (das Konstanzprinzip) begründet war. Der Gedanke im wahrnehmungspsychologischen Ansatz fällt auf das zurück, was hinter allem als allgemeine Identität in der Bewegung der Entwicklung behauptet war. Das Konstanzprinzip ist eine Abstraktion, die allgemein in dem Gedankengang unterstellt war, also eine abstrakte Allgemeinheit, in welcher die Erklärung verlaufen sollte. Es ist aber nur diese Abstraktion übriggeblieben.

Freud kann aber mit ihr nicht erklären, was er erklären wollte, nämlich warum die Psyche eine eigenständige und kontinuierliche Kraft in sich selbst entfaltet, welche ihre Realität von der "materiellen Realität" zu unterscheiden vermag. Nach dem Triebbegriff, der dem Konstanzprinzip folgt, war es genauso möglich, daß die Realität als Moment der Psyche aufzufassen ist, wie die Psyche als Moment der Realität, denn beides löste sich in der Triebbefriedigung auf. Freud mußte daher den Triebbegriff inhaltlich füllen und ihm ein Interesse geben, das ausschließlich psychisch ist, und sich von vornherein von der Realität unterscheidet. Er konstruierte deshalb einen Bezug, den die Psyche zu sich selbst vor aller Erfahrung hat und nannte diesen Bezug den Narzißmus. Er interessiert sich für die Begründung, durch welche das innere Leben aus sich selbst heraus besteht, ohne daß sein Inhalt bereits durch Befriedigungserlebnisse erfahren worden wäre.

Freud hatte dieses Interesse freilich nicht objektiv oder durch sein Objekt begründet erkannt, sondern "fand" in der Paraphrenie ein Phänomen, welches er mit seinen bisherigen Gedanken nicht erklären konnte: "Den Größenwahn und die Abwendung des Interesses (der Paraphreniker) von der Außenwelt" (Freud 1914, S. 42). Es wird ihm also an der Paraphrenie offensichtlich, daß es sich darin um ein eigenständiges Interesse handelt, das jenseits aller Erfahrung begründet sein muß - der Größenwahn kann nämlich kein reales Befriedigungserlebnis zur Voraussetzung haben. Freud beobachtet, daß der Paraphreniker "darauf verzichtet, die motorischen Aktionen zur Erreichung seiner Ziele an den Objekten einzuleiten" (ebd.), und somit, obwohl er seine Beziehungen "noch in der Phantasie festhält" (ebd.), also auch "die realen Objekte durch imaginäre seiner Erinnerung ersetzt" (ebd.), so gehorcht er doch nicht den durch die bittere Lebenserfahrung notwendig gewordenen Aktionen, welche seine Phantasien zu hemmen in der Lage sind. Die bisherige Begründung der Hemmung in der Psyche versagt an diesem Krankheitsbild. Es kann kein allgemeines Interesse der Psyche an ihrer eigenen Hemmung bestehen, welche sich aus der Triebbefriedigung begründen kann, wenn man beobachtet, daß diese Hemmung in die Form des Größenwahns selbst verkehrt werden kann. Aber ohne daß Freud durch diese Überlegung sein ganzes bisheriges System in Frage stellt, führt er ein neues Konstrukt zur "legitimen Weiterbildung der Libidotheorie" (ebd., S. 43) ein und stellt in dieser "Weiterbildung" ein völlig neues Bild des psychischen Interesses vor. Ich werde im folgenden daher auf die Argumente, die sich aus der Erinnerung des wahrnehmungspsychologischen Ansatzes bei Freud wiederfinden, keine Rücksicht nehmen, weil sie kein Argumentationsinteresse mehr verkörpern, sondern allein den Gesichtspunkt darstellen, der durch die Einführung des Narzißmus entstanden ist und in sich und getrennt von dem ursprUnglichen Ansatz darstellen läßt und untersucht werden kann. Dem Argumentationsinteresse entsprechend habe ich ihn den identitätspsychologischen Gesichtspunkt genannt.

 

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Fußnoten:

(5) Die hiermit vollzogene Trennung der Bestimmungen des Organismus' zwischen Wirkung auf ihn und Bedürfnis von ihm, welche unterschiedliche Bewegungen in ihm begründen soll, läßt zum Beispiel keine Auffassung mehr zu, daß Bedürfnisse bewirkt sind, daß Organismen aneinander Verlangen haben (sowohl in der Natur wie in der Gesellschaft), daß der Reiz, den etwas auf den Organismus ausübt, zugleich zum Bedürfnis in ihm wird, das Reizende als Gegenstand der Befriedigung aufzufassen, oder daß der Zusammenhang der Organismen überhaupt natürlich gegeben ist, und sowohl in der Abstoßung und Anziehung gleichermaßen in alle Momente des Lebens eingeht. Hierdurch wird die Verallgemeinerung der Bestimmungen des Organismus' in zwei Richtungen die Zergliederung eines Prozesses bedeuten, der sich nur aus der Einheit des ganzen Naturzusammenhangs heraus bildet und somit Gedankenabstraktionen diese Verallgemeinerung ausmachen, die sich aus dem natürlichen Leben nicht ergeben hätten.

(6) Freud spricht demzufolge später auch gerne vom "äußeren Schreckerlebnis", das er dem Befriedigungserlebnis gegenüberstellt. Sein Argument liegt damit aber nicht mehr in der Tatsache des Erfahrens, sondern in der bestimmten Erfahrung selbst, wobei die einzelnen Erfahrungen in keinem Zusammenhang mehr stehen. Der Antagonismus von Befriedigungserlebnis und Schreckerlebnis gehört demnach in seinen späteren Gesichtspunkt.