Wolfram Pfreundschuh (7/2005)

Lebensangst und politische Kultur

 

Eine der allgemeinsten Beschwernisse, welche die Menschen in unserem Kulturkreis ertragen müssen, ist eine Lebensangst, die – oft schlagartig – ihr ganzes Dasein durchzieht, ihnen alles fraglich und fragil macht, was bis dahin ihre gewöhnliche Lebenswelt war und sie an sich selbst zweifeln lässt. Lebensangst ist das Gefühl, dass man vor einem Nichts steht, vor dem Aus im Leben, ohne erkennen zu können, warum. Es ist ein Gefühl lähmender Ohnmacht, das die unterschiedlichsten Formen und Zustände haben kann, denen alle die unheimliche Empfindung eines Vernichtungsprozesses inne ist, der das eigene Leben bedroht. Sie kann als nagende Sinnfrage das ganze Leben entfremden oder die ganze Lebenstätigkeit betreffen. Oft bricht sie herein wie eine fremde Macht, ein unbegreifliches Phänomen, ein Wahrnehmungszustand, der wie eine Verrückheit der eigenen Sinne empfunden wird, als Niederschlagung aus dem Nichts, als Lähmung oder als unerklärliche Depression, die alles jeder Empfindung enthebt, was bisher als wichtig und erstrebenswert gegolten hatte.

Lebensangst ist in dieser Form ein Wahrnehmungszustand, der besonders oft bei jüngeren Menschen auftritt. Sie entsteht entweder latent und schleichend oder bricht als Panikattacke wie "aus heiterem Himmel" in das Leben ein. Es wird dabei vor allem das Unvermögen erlebt, eine Wahrnehmungsidentität zu erlangen, eine Gewissheit des Empfindens und Fühlens. Dieses wird beherrscht von einem Vernichtungsgefühl, dem Gefühl einer fortschreitenden Selbstauflösung, die eigene Äußerung und Beziehung unmöglich macht und sie kann Menschen zu extremen Reaktionen bis hin zur Selbsttötung treiben.

Lebensangst ist vielfältig und wird in der Psychologie und Psychiatrie auch selbst schon sehr unterschiedlich eingeordnet und bezogen – je nach erkenntistheoretischer Ausrichtung der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen. So allgemein sie ist, so einzeln wird sie dort verstanden als "Ich-Störung", als das Problem einzelner Menschen, deren "Ich" nicht hinreichend leistungsfähig ist, nicht intergriert in das soziale Ganze oder mit Unglückssehnsucht behaftet ist oder gar als "Borderline-Sydrom" zu einer "Grenzfall-Psychose" deklariert wird, "schwer zugänglich" und oft "unheilbar". Zur Diagnostik gereicht meist die Aufzählung von Phänomenen des Selbsterlebens: Konstante Furcht und Angst vor einem drohenden Verhängnis, Depressionen, Platzangst, plötzliche Panikattacken, allgemeine Reizbarkeit, das Gefühl, verrückt zu werden und die Kontrolle zu verlieren, das Gefühl, allein gelassen zu werden und ruhelos zu sein, das Gefühl, hilflos und abnormal zu sein, soziale Phobien, Albträume und Angstgedanken. Auch kompensatorische Bedürfnisse zeugen von solcher Angst, wie z.B. Sucht, auch Fresssucht und Magersucht, Zwangshandlungen, Arbeits- und Konzentrationsstörungen. Und selbst somatische Krankheiten werden ihr immer öfter zugeordnet, wie z.B. Herzinfarkte, Magen-Darm-Erkrankungen oder Allergien und Asthma.

Es gibt eine ganze Selbsthilfebewegung hierzu, die sich z.B. in verschiedenen Diskussionsforen im Internet artikuliert und es hat sich ein großer Markt an Angeboten zu ihrer Heilung entwickelt, der von rein chemischen Stimulationen und Blockaden bis zur esoterischen Übung oder zum Kaffeesatzlesen reichen (siehe z.B. http://www.magischesdreieck.de).

 

Lebenssicherheit und Identitätsangst

Lebensangst meint wörtlich "Lebensbeengung". Sie kann in nächtlichen Gefühlen auftreten oder als massive Attacke, die alles Leben unerfüllbar scheinen lässt. Entsprechend verschieden sind auch die Beschreibungen:

"Lebensangst überfällt einen normalerweise zwischen zwei und drei Uhr nachts, wenn man aufwacht, nachdem man erst ungefähr eine Stunde lang geschlafen hat. Erst ist man ziemlich desorientiert, und dann kann man nicht gleich wieder einschlafen. Dann rotieren die Gedanken - dann fällt einem zum Beispiel ein, dass die Oma schon sehr alt ist und bald sterben könnte, oder dass irgendwo jetzt vielleicht wieder ein Zug verunglückt, und man stellt sich vor, wie die armen Menschen da eingequetscht werden und verzweifelt um Hilfe schreien, oder wie das wohl wäre, wenn jetzt die Decke einstürzt, denn das Haus ist ja schon sehr alt, oder wenn jetzt ein Einbrecher käme, würde man dann ungehört zum Telefon kommen?"

oder:

"Ich habe plötzlich keine Luft mehr bekommen, Herzrasen, Schwindel, ein Gefühl im Kopf als würde ich gleich umfallen dazu kam noch diese komische Übelkeit, den einzigen Gedanken den ich im Kopf hatte: jetzt muß ich sterben! Ich wollte nur so schnell wie möglich nach Hause. Da angekommen ging es mir schon fast wieder gut. In den nächsten Tagen hatte sich das immer mehr wiederholt bis es so schlimm war, dass der Notarzt kommen mußte und mir dann eine Imap Spritze gegeben hatte und so ´ne Art Valium zum schlafen. Die nächsten Tage sind immer schlimmer geworden. Ich bin dann auch nicht mehr aus dem Haus gegangen und hab nur noch geheult, weil ich nicht wußte was los war. Ich hab mich dann in unser Krankenhaus einweisen lassen und von Kopf bis Fuß untersuchen lassen.....nichts! Mein Hausarzt hat mir dann vorgeschlagen auf eine Mutter-Kind-Kur zu fahren. In dieser Kur wurde festgestellt, dass ich an Panikstörung und Agoraphobie leide."

Lebensangst bricht oft schlagartig aus, mitten in einem geborgenen Leben. Das Heim offenbart seine Unheimlichkeit, seine Mauern haben Risse bekommen, die Decke stürzt ein und die Wände geraten ins Wanken. Nichts ist, wie es einmal war, alles scheint verkehrt, wie es bisher gewohnt war, Gefühle überkommen den bedrängten Menschen, die er überhaupt nicht mehr versteht, sich selbst nicht begreift. Was bisher traute Umstände waren, wird zur Bedrängnis der eigenen Wahrnehmung, Aufhebung ihres Identifikationsvermögens, wird Angst um die eigene Identität, wird selbst unmittelbare Identitätsangst.

Diese Angst ist eine Angst vor Lebensumständen, in denen ein Mensch um sein Leben bangen muss – nicht weil es wirklich bedroht wäre, sondern weil er sich selbst unter diesen Umständen verliert, sich selbst aufhebt, sich negiert. Was ihm ganz gewohnte Selbstgefühle waren, wird durch eine Stimmungsänderung in einer Situationsveränderung schlagartig aufgelöst. In engen Räumen oder großer Höhe oder angesichts von Schlangen oder Insekten oder Mäusen usw. geraten hiervon betroffene Menschen in eine Pein, als ob Ihr Leben zu Ende ginge. Aber nicht die sogenannte Realität dieser Gegenstände oder Umstände kann hierfür Grund sein, sondern die darin negierte Grundstimmung des Selbstgefühls, die Empfindung einer Wirklichkeit, welche negative Wirkung auf die Wahrnehmungsidentität hat, ihre Selbstgewissheit aufhebt, ihre Organe beherrscht. Sie macht Angst, weil sie der Empfindung nicht mehr zugänglich ist. Die Angst selbst drückt die Negation dieser Identität durch das davon ausgelöste Gefühl aus. Man kann jeder ihrer einzelnen Formen entnehmen, was sie als Selbstgefühl war, wenn man ihre Negativität nachzuvollziehen versteht.

So ist z.B. die Platzangst nicht wirklich eine plötzlich auftretende Angst vor einer räumlichen Beengung, sondern Angst, zu Platzen, also eine Ausdehnung des Selbstgefühls nötig zu haben, die permanent beengt ist und nicht enger werden darf. Ebenso, wie z.B. auch die Höhenangst nicht wirklich eine Angst vor großer Höhe ist, sondern die Angst, im Gefühl zu sich selbst schon abgehoben zu sein, keinen Boden mehr zu verspüren. Angst vor Menschen ist erst begreifbar, wenn man das ihr zugrunde liegende Bedürfnis in seinem unwirkllichen und doch wirksamen Verlangen nach Verschmelzung mit anderen Menschen erkennt. Und auch die Angst vor Reisen und Veränderung, die einst Sigmund Freud selbst plagte, offenbart eine Welterfahrung die unendlich verkehrtes Selbsterleben bloßlegt: Das sich in ständiger Entfernung von anderen Menschen bewegende Selbst, die nach Entfernung strebende Gewissheit als Ungewissheit seiner selbst.

Aller Lebensangst ist gemein, dass mitten in den Gewohnheiten des Alltags ein Gefühl absoluter Ohnmacht plötzlich übermächtig erscheint, ohne dass hierfür ein Grund ersichtlich ist. Bei genauerem Nachvollzug stellt sich oft heraus, dass in der Lebensangst alles bisher Gewohnte als "zu bekannt", "zu gewöhnlich", "zu geläufig", "zu dicht" aufgefasst wird. Lebensangst scheint unmittelbar aus den Gepflogenheiten und Gewohnheiten und Eingewöhnungen des Alltags hervorzugehen.

Bei solcher Angst geht es weder um die eigene Existenz im ökonomischen Sinn, noch um irgendeine wirklich Not. Es ist eine seelisch gegenwärtige Vernichtungsangst, ein Gefühl der Aufhebung eigener Gegenwärtigkeit. Sie überkommt nicht unbedingt Menschen, die dauerhaft in wirtschaftlichen Notlagen existieren - im Gegenteil: Sie entsteht eher aus einer relativen Lebenssicherheit heraus und betrifft relativ sorglose Menschen, denen ihr Leben bislang selbstverständlich und unbeschränkt lebenswert erschienen war, aber plötzlich durch die mehr oder weniger erkennbare Veränderung einer Grundstimmung bei einem Ausfall selbstverständlicher Lebensbedingungen auseinanderfällt - sei es durch plötzliche Arbeitslosigkeit oder durch den Niedergang von Liebesbeziehungen oder Freundschaften.

Gewohnt, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen und so zu werten, wie sie erscheinen, war es diesen Menschen zuvor nicht möglich, in solchen Gewohnheiten Argwohn zu entwickeln. Das beständige Aufnehmen und Wahrnehmen gegensinniger Reize überfordert die Selbstgewissheit und verschleißt Zeit und Kraft, die zu einer kritischen Reflexion nötig gewesen wäre, zu einer notwendigen Selbstunterscheidung, einer Erkenntnis von Fremdbestimmung und Hintergründen. Das Leben hatte sich aus allerlei Opportunitäten zusammengebraut und erscheint ihnen plötzlich bodenlos. Es fehlt an einem Unterscheidungsvermögen für Gefühle, die da hereinbrechen und sich sogleich aufheben, bevor sie überhaupt einer Empfindung zugänglich sind. Es fehlt an Vermögen, für eine wirkliche Abgrenzung von Eindrücken und Ausdrücken, für eine Unterscheidung von Subjekt und Objekt der Wahrnehmung, die Fähigkeit, etwas gegenständlich aufzufassen, es als von sich selbst unterschieden zu empfinden und es überhaupt als etwas Äußeres zu erkennen, als etwas, das nicht unmittelbar innerlich wirken darf.

Leben und Sicherheit passen nicht gut zusammen. Eine selbstverständliche Lebenssicherheit könnte auch schon früher Angst machen, wenn sie nicht in zwischenmenschlichen Lebensverhältnissen aufgelöst wäre. Eine bloße Existenzsicherheit und deren Bedrohung wäre leicht erkennbar, wäre sie von deren Gefühlswelt unterschieden. Angst um das eigene Leben kann sehr sinnvoll sein, wo es durch existenzielle oder durch menschliche Not gefährdet ist. Aber in den Gewohnheiten zwischenmenschlicher Beziehungen wird oft gerade dies beides in einem aufgelöst, wie die Finsternis einer Einsamkeit abgestreift und als Glück der Geborgenheit und Sicherheit erlebt. Was dann so sicher geglaubt wird, kann nicht ewig dauern, wenn das Leben weitergeht.Aber eine Lebensform hat sich für seine Geschichte dazwischen gestellt: In der Auflösung der Angst entsteht eine Selbstgewissheit, die nicht dem eigenen Erkenntnisvermögens entspringt, sondern der Wahrnehmung einer Welt, die nicht mehr wahrgehabt werden muss, die so gilt, wie sie aus dem zwischenmenschlichen Erleben heraus erscheint: bedrohlich ohne Angst zu machen. Die Wirklichkeit der bestehenden Gesellschaft ist darin aufgehoben. In diesem Welterleben ist Gegenständlichkeit (Obkjektivität) im Selbsterleben untergegangen und die darin entwickelte Unterschiedlosigkeit von Subjektivem und Objektivem erzeugt eine eigenständige Objektivität, die über das Erkenntnisvermögen hinaus wirkt wie ein Subjekt, das sich nicht mehr ohne weiteres erkennen lässt.

Ein solches Subjekt ist dadurch überaus objektiv, dass es ausschließlich subjektive Wirkung hat. Es formuliert die Objektivität, die sich in den Lebensgewohnheiten als Häuslichkeit der Eigenwelt versteckt hatte, als ein stilles Reglement für das, was Leben lebenswert erscheinen lässt, auch wenn es sonst keinen Sinn hat. Darin fügt sich einfach, was nötig ist, um das kleine Glück des gesicherten Lebens zu erlangen, das eine große Unsicherheit aus der Welt haben will: Die Liebe. So wird das Leben im Alltäglichen zu einer Alltäglichkeit der Liebe. Die erscheint einfach dadurch wertvoll, dass sie Leben möglich macht, wo es leicht schwinden könnte, dass sie befestigt, was ohne besonderen Wert nur lose und vielleicht auch nur flüchtig wäre. Die Werte der Alltäglichkeiten lassen die Muße einer an sich heilen Welt ergehen, der kleinen Ordnung in der großen Unordnung. Sie sind die wichtigsten Träger der Überwindung des unendlichen Widerstreits identitätsloser Lebenspositionen. Allerdings verbergen sie auch die eigene Identitätslosigkeit, welche die Integration in die Lebensnotwendigkeiten mit sich bringt, das Gefühl eigener Nichtigkeit in einer übermächtigen Lebenspflicht. Ohne den liebenswerten Alltag und ohne die Selbstverständlichkeiten darin, die sich als naturgegebene Lebenswerte einbürgern, scheint jedes wesentliche Verhältnis unwirklich und jede Wirklichkeit wesenlos. Darin stellt sich das Leben selbst Bedingungen, bezichtigt und beschuldigt den, der seinen Lebenspflichten, welche jetzt Liebespflichten sind, nicht nachkommt, die von solchen Werten gestellten Lebensaufgaben nicht erfüllt.

Wo Lebensumstände selbst Lebensbedingung sind, da erscheinen Gewohnheiten des Wahrnehmens und Wahrhabens als naturgegeben. Der Alltag selbst ist das Naturereignis, das keine andere Natur mehr kennen muss. Man nimmt, was man kriegt und man tut, was man kann. Viele Menschen können damit auskommen. Aber ihnen ist damit eine Wahrheit entzogen, die den Sinn ihrer Lebensverhältnisse ausmacht und dessen Verlust eine Angst auslöst, welche bei manchen dann als Wahrnehmungszustand die Selbstwahrnehmung überkommt. Darin ist das Verhältnis zum Gewöhnlichen verloren, die Wahrnehmung selbständig mit ihrer eigenen Bedingtheit befasst. Was bleibt, ist die Erkenntnis in Reinform, dass alles - nackt und für sich genommen - nichts mehr ist, dass, was wichtig und von Bedeutung war, im Grunde nichts, für die Empfindung vernichtet ist. Es ist das Element der Depression, in der sich die Selbstwahrnehmung aufzuzehren scheint: Wo nichts ist, herrscht Nichtigkeit – und im Hin und Her der Nichtigkeiten wird jedes Selbstvertrauen aufgehoben, jede Selbstgewissheit zersetzt. Lebensangst ist der Zusammenschluss des Gefühls von eigener Nichtigkeit mit einer Selbstaufhebung des Selbstgefühls. Sie ist die Angst vor jeder Entwicklung durch ein übermächtig verselbständigtes Gefühl einer Weltentfremdung, welches die Empfindungen und Gefühle bedrängt.

Aber so privat dies erscheint, so gesellschaftlich sind die Gründe dieses Prozesses. Was in sich selbständig abläuft, besteht nicht einfach durch sich. Es reflektiert eine Sinnauflösung, die nicht aus den eigenen Lebensräumen kommt, sondern in der Begründung ihrer Form als Bedingung für ein privates Glück. Die Abgrenzung einer eigenen Lebenswelt bietet so zwar Schutz vor fremder Bestimmung, hat aber keinen wirklichen Sinn mehr, weil sie sich nicht mehr von der fremden unterscheiden kann, weil die Vorstellungen und Bestrebungen nach einem zwischenmenschlich glücklichen Leben allgemein geworden sind und sich immer mehr aus den Haushaltungen ausgrenzen und von den bestimmten Geschichten der Menschen freimachen. Der Schutzraum existenzieller Selbstbestimmung gilt weitgehend nicht mehr der Lebensgestaltung, sondern eher dem Unvermögen, sich von den Lebensinteressen anderer zu unterscheiden. Indem die Lebenserfordernisse sich in allen zwischenmenschlichen Verhältnissen verallgemeinert haben und gleichgeschaltet sind, ist auch die zwischenmenschliche Verpflichtung gleich, wie weltlich oder privat sie auch ist. Soll jeder zum Träger des Glücks eines anderen Menschen werden, so muss er danach leben und verliert jede Möglichkeit einer Selbstbestimmung und Geschichte. Er oder sie kann keine Bedingungen mehr für sein Leben stellen, weil alle Lebensbedingungen schon von vorn herein gleich sind.

Es herrschen die Lebenswerte, die Sinn für alles stiften und die über die Antriebe der Menschen dadurch verfügen, dass sie öffentlich aufführen, was nur in geschützten Lebensformen als unmittelbare, wenn auch meist widersprüchliche Lebensäußerung Sinn hatte. Dort war es die Mühe der Erkenntnis, in ihrer Selbstgewissheit voranzukommen und ihre Geschichte zu entwickeln, hier ist es deren Aufgabe im Vorhinein, das Allgemeinbekenntnis, dass das Ungewisse der Motor der Geschichte sei, das Risiko überhaupt nur den Gewinn für das Leben erbringe. Was einst der Mühe eines Einsatzes zu einem bestimmten Zweck wert war, ist zum Wert einer unbestimmbaren Bemühung geworden, zu einem Anspruch der öffentlichen Wirklichkeit, zu erfüllen, was nicht ist. Die Lebenswerte werden darin selbst zum Maß des Lebens, das vor allem nur noch allgemein besteht auf der Bühne einer allgemeinen Selbstdarstellung, worin es trumpfen kann und meist auch will. Liebe, Körper, Schönheit, Jugendlichkeit, Menschlichkeit usw. bildet sich zwar nur im konkreten Leben der Menschen so, wie es sich dort entwickeln kann. Hier wird es zu einer Erfordernis des öffentlichen Ereignisses, einer Eventkultur, worin es in den Schaukasten von Lebenswertigkeiten gestellt ist, der als soziales Maß der zwischenmenschlichen Verhältnisse wirkt. Die Menschen werden darin zur Metapher dessen, was sie hierfür verkörpern, sofern sie keine eigene Äußerung mehr finden, keine andere Wirklichkeit mehr haben. Die Medien betreiben es als ihr ganz spezielles Geschäft, sie mit dem zu füllen, was sie ihrem Leben entnehmen, das Design der Schow zu liefern und ihre Inhalte je nach Wertlage des "öffentlichen Lebens" zu sortieren.

Für die einzelnen Menschen ist es die Bedrängung der eigenen Sinne durch eine Wertigkeit, welche aus einer Sinnlosigkeit von Lebensverhältnissen kommt, die ihre Aufhebung in sich verbergen, indem sie objektiv und notwendig erscheinen. Je erregender die öffentlichen Ereignisse sind, je mehr darin sprichwörtlich an Eigenheit abgeführt wird, desto mächtiger wird ihre Wirklichkeit als allgemeine Gewohnheit, als Sitte. Gerade weil darin das Eigene objektiv wirkt, wird es subjektiv wirklich, treibt es die Menschen zu seiner allgemeinen Anerkennung, zur Allgemeingültigkeit eines sittlichen Subjekts. Doch darin sind nicht die Verhältnisse der Menschen allgemein. Darin ist nur allgemein, was allgemein vom menschlichen Leben als Gewohnheit veräußerlicht ist als das, was es nicht wirklich ist, was aber wirklich sein soll, damit nicht Nichts ist. Und gerade darin entsteht die Nichtigkeit eigener Wirklichkeit, gerade das ist vernichtend für menschliche Lebenswirklichkeit.

Die Lebensangst erweist sich jetzt als Lebensbedrängnis durch eine Sitte, die bestimmte Menschen nicht leben lässt, die Unbestimmtheit erfordert, um bestimmend zu sein. Diese ist das Subjekt, das die Notwendigkeiten bestimmt, die wie eigene Lebensnotwendigkeit erscheinen, nicht mehr als Lebensbedingung, sondern als ein objektiv gewordenes Gefühl, so mächtig, dass es Menschen vollständig bestimmen und zersetzen kann und sie durch sublime Forderungen und Erfordernisse aus ihrem wirklichen Leben, aus eigener Wirklichkeit treibt, ihren ganzen Erkenntnisprozess ausfüllt. Die Erkenntnisse der Menschen sind schon bedrängt, bevor sie sich Gewissheit darüber verschaffen können, was mit ihnen wirklich und was für sie Wirklichkeit ist. Von diesem Subjekt wird die eigene Subjektivität erschlagen, das Vertraute so fremd und übermächtig, wie das Fremde zugleich vertraut wirkt. In den Lebensgewohnheiten war alles verschmolzen, aber der öffentliche Schmelztigel zeigt erst deren wirklich bedrohliche Kraft, wenn das Leben der Menschen darin gar nicht mehr wirklich vorkommt, wenn die Gewohnheiten in ihrer Sittlichkeit keinerlei Leben mehr haben, weil das Leben selbst ungewöhnlich geworden ist, weil es keinerlei Existenzform mehr hat und also auch keine Sitte, Ethilk oder Moral, die es sein lässt, die es so zulässt, wie es ist.

 

Die Macht der Gewohnheit und die Gewöhnung an die Macht

Ein einzelner Mensch hat keine Chance, sein Leben für sich zu leben. Kleine Lebensgemeinschaften wie Freundeskreise und Familien waren die Fluchtburgen für Leben, das sich darin zumindest in Auseinandersetzung und Entwicklung befinden konnte. Sobald menschliche Beziehungen dahin gelangen, dass sie keine Geschichte mehr gestalten sondern nur noch aus der Gestalt ihrer Anwesenheit besteht, an die man sich leicht gewöhnen kann, so ist der Unterschied von privatem und öffentlichen Leben aufgehoben.

Die öffentlichen Gewohnheiten richten sich eben erst Mal auch nach den Gepflogenheiten des zwischenmenschlichen Umgangs, wie er unter den allgemeinen Existenzbedingungen möglich ist. Sie ersetzen nun die Existenzbedingungen des einzelnen, werden selbst zu Lebensbedingungen und zeigen ihre vertraxte Dialektik im Ungewöhnlichen, dem ganz und gar Unstetigen einer gesellschaftlichen Existenz unter Wertbedingung, die keine Ruhe findet, weil sie vor allem von Geldverhältnissen und Verwertungslagen abhängt. Es ist eine forteilende Ungewöhnlichkeit, eine stetige Flucht vor Lebenszusammenhängen. Darin flackert alles Lebendige als Ereignis in toten Zusammenhängen, scheint als lichtes Moment auf, als Erhellung der Lebensbedingtheit, als "Lichtung" in einer finsteren Welt. Es macht das Tote erträglich und verbraucht allein hierfür seine Lebenskraft, unbedingt und doch nicht bedingungslos. Aber indem hierbei alles zum Umstand von Lebensereignissen wird, ist zumindest die Gesellschaft der Ereignisse lebendig, die Kultur der Ereignisproduktion, die Eventkultur.

Wenn Lebensbedingungen bedingungslos anerkannt sind, dann begegnen sich die Menschen permanent nur auf der Kante ihrer Bodenlosigkeit, auf dem Drahtseil einer Lebenskunst, die zu einer Existenzfrage jenseits aller geschichtlichen Zusammenhänge geworden ist. Die gesellschaftlichen Lebensbedingungen haben ihre dingliche Gegenständlichkeit verloren und fordern nun den ganzen Menschen, eine unentwegte Flexibiltät und Anpassung an die Notwendigkeiten der Sachbewegungen, deren Wirklichkeit keine Bedeutung mehr haben kann, weil ihre Wirkung nicht mehr bei den Menschen ankommt, sondern blanke Bedingung für sie ist. Mit der Flexibilität der Sachlichkeit hat sich der Einfluss der Menschen aufgehoben, hat sich das Verhältnis der Sachen automatisiert und die Menschen selbst zum Moment ihrer Bewegung vollständig unterworfen.

Die Lebensmomente sind jetzt Momente sachbedingter Beweglichkeit und strotzen vor Flebilität. Das Unstetige selbst zeugt von Ereignishaftigkeit, die immer als lebendig erscheint, wenn es von menschlichem Leben kein anderes Zeugnis mehr gibt. Zwar macht auch die beständige Unstetigkeit die Gewöhnung daran nötig, aber ohne dies hat nichts Sinn. So wird die Gewöhnung an die Unstetigkeit nicht nur ertragen; sie trägt sich selbst fort, indem die Ereignisse um so schneller wechseln, je belastender sie sind. Die Flucht feiert ihr Glück in der Abwechselung der Umwelt. Je extremer die Ergeigniswechsel im Alltagsleben sind, desto hilfreicher ist das "Cool-Bleiben", das sich drein einfinden und sich an die abrupte Wechselhaftigkeit des Seins zu gewöhnen. So reflektieren die Gewohnheiten die Lebens- und Arbeitswelt der Menschen in ihrer aufgehobenen Form durch die Absehung von ihrem Gehalt, durch Abstraktion im Fühlen und Empfinden selbst. In solcher Welt eruptiver Weltenwechsel gibt es nichts mehr, worauf man sich einlassen kann, und – so paradox es ist: Der gewöhnliche Mensch ist ein zutiefst flexibler Mensch, der genau dem entspricht, was zum Leben notwendig ist. Ihm ist Aufbegehren ebenso fremd wie Autoritarismus und Hierarchie. Die neueren gesellschaftlichen Entwicklungen haben ihm das bis ins Mark ausgetrieben.

"Der Druck auf den Einzelnen, der sich auch in einem gewandelten Verständnis des Zeitbegriffs zeigt, steigt immens. Hinzu kommt eine engmaschige Überwachung der gesamten Produktionsprozesse - einschließlich der Arbeitenden - durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel. All dies trägt zu einer Atmosphäre von Angst, Hilflosigkeit, Instabilität und Verunsicherung in weiten Teilen der Gesellschaft bei. Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer. Die Mittelschichten werden ausgedünnt. Dort ist eine Polarisierung zwischen einer kleineren Gruppe von Profiteuren und einer großen Anzahl von Verlierern des neuen Systems zu beobachten." (Richard Sennet, "Die Zukunft des Kapitalismus")

"Die Fähigkeit der Menschen, das zu deuten, was mit ihnen geschieht, ist bei den meisten stark eingeschränkt, ihr Selbstverständnis ist erschüttert, sie sind desorientiert. Die meisten Menschen sind davon überzeugt, dass "alles Stehende verdampft" (Richard Sennett in "Die Kultur des neuen Kapitalismus")

Die "Macht der Gewohnheit" entspringt der Unsicherheit und kehrt diese um durch die Gewöhnung an die Macht der Umstände, an die Ausschließlichkeit ihrer Bedingung. Es ist die Umklammerung der Gegebenheiten, die alleine Sicherheit versprechen, auch wenn sich die nicht wirklich einstellt. Die Sicherheit der Gewöhnung ist lediglich die Anwesenheit von Menschen und Sachen, gleich welchen Sinn sie auch haben und welchem Geist sie entspringen. In ihrem Dasein selbst steckt ihr Sinn und Zweck als Potenzial der Überwindung der Gefangenschaft aus der Bedingtheit, den Lebensbedingungen, die in den Lebensumständen sich mitteilen. Und gerade dies erzeugt das Paradox: Es macht die Bedingtheit zum Potenzial ihrer Überwindung, macht sie absolut nötig, ihren Besitz lebensnotwendig und die Gewohnheit hieran ausschließlich.

Und Gewohnheit, die ausschließlich ist, gerinnt zur Dichte von Anwesenheiten, die unbegriffene Verhältnisse nun endgültig unbegreifbar machen. Es ist der Springpunkt der Lebensangst, sie als diesen Brennpunkt des Unbegreiflichen zu erkennen, ihnen ihren abstrakten Sinn anzusehen und sie darin zu überwinden, dass Angst die Erkenntnis ihrer substanziellen Lebensfremdheit ist. Es steckt darin die Gewissheit, dass sinnliches Leben zu Lebenswerten abstrahiert und darin mächtig geworden, eine Macht ist, welche menschliche Sinne in abstrakte Beziehungen versetzt. Wo sich Lebensangst in gegen die Herrschaft von Lebenswerten wendet, emanzipiert sie sich von einer politischen Kultur zur Erkenntnis menschlichen Lebenzusammenhangs. Wo sie sich in die Anerkennung solcher Lebenswerte wendet und darin untergeht, wird das Bewusstsein reaktionär, übersinnlich und tot.

Die progressive Aufhebung solcher Angst beginnt mit ihrer Anerkennung als Moment des bestehenden Lebens, die Ent-Deckung ihrer Lebendigkeit inmitten der Gegebenheiten des Lebens. Dies ist schon bei ganz einfachen und kleinen Problemen so grundlegend wie auch bei den großen. Die durch die Ordnungen und Regeln des Alltags hergestellte Sicherheit birgt die Angst vor der Lebensunsicherheit in einer unmittelbar unerkennbaren, weil objektivierten Form. Und die verborgene Angst bricht daher jederzeit und auch unerwartet mächtig hervor, wenn an solcher Ordnung gerüttelt wird. Oft entscheidet sie, ob reaktionäre politische Entscheidungen bevorzugt werden oder ob sich Menschen aus ihrem Leben heraus für dessen Fortentwicklung einsetzen.

So wird z.B. Arbeitslosigkeit oft zum Auslöser einer Lebensangst, die weit über eine angemessene Existenzangst hinausgeht und schlagartig vergessen macht, wie weit die Grundversorgung dennoch reicht. Nein, es geht um die gewohnten Genüsse, den ganz gewöhnlichen Lebenshalt durch Konsum, Shopping und Unterhaltung. Denn das macht die gewöhnliche Lebenssicherheit, die Lebenssicherung, die Lebensabsicherung gegen die Lebensleere eben aus. Das ganze Leben scheint dann zusammenzubrechen, wenn der Ort der Gewohnheit verlassen werden muss, die gewohnte Stelle des Alltags, die tägliche Arbeitsstelle und dem gewohnten Einkommen, mit dem sich die Isolation des Lebens, seine verfluchte Privatheit und Abschottung ertragen ließ. Natürlich werden durch Arbeitslosigkeit die Geläufigkeiten von vielen Jahren aufgelöst. Dies muss aber kein Grund sein, um Arbeit um jeden Preis zu kämpfen, sich für die Beschaffung jedweder Arbeit stark zu machen und Politik danach zu bemessen, wieweit sie in der Lage ist, Arbeit ins Land zu bringen, d.h. weltweit hierum zu konkurrieren. In einer Gesellschaft, wo es an Arbeit mangelt, könnte man diesen "Mangel" leicht so verteilen, dass alle etwas davon haben: Durch kürzere Arbeitszeiten und Veränderung der Erwartungen. Aber in der Absurdität der Arbeitsbeschaffung, in der Zustimmung zu Lohnminderungen, Arbeitszeitverlängerung und Ein-Euro-Jobs, die nichts als verschärfte Ausbeutung sind, steckt ein reaktionäres Anpassungspotenzial, das sich nur aus Lebensangst erklären lässt: Lieber in gewohnten Verhältnissen bleiben, als auf Arbeit zu verzichten. Die Vorstellung von einergesellschaftlichen Entwicklung, die vor allem in der Verminderung des Arbeitsaufwands und der Ausdehnung persönlicher und gesellschaftlicher Freiheit besteht, scheint dem völlig fremd geworden zu sein. Das macht Politik selbst unmöglich. Von da her wird Lebensangst zu einem zentralen politischen Problem zwischen Reaktion und Progression.

Lebensangst, die nicht begriffen wird, erzwingt Anpassung an alles, was hilft, die herrschenden Lebensverhältnisse zu ertragen, alles als Wert anzuerkennnen, was hierfür nötig ist. Das unmittelbare Leben der Menschen ist dann durch Lebenswerte (Indexup2b3a1a10a) vermittelt, steht im Dienst für Werte, die es teilt, um sich zu schützen, die es aber nicht leben kann, die es nur nötig hat, weil es sonst in seiner verbliebenen Einzelheit in die Not seiner Isolation geriete, zur Einsamkeit verurteilt oder zur Selbstverachtung bestimmt. Immerhin erbringt die Bindung durch Lebenswerte eine einfache Gemeinschaft, Genuss und Freuden, auf die man sonst verzichten müsste, eine Kameradie des unerschöpflichen Erlebens im Geist ewiger Werterfüllung als Lebenswelt ihres Gelingens. Im begeisterten Miteinander ist darin noch zusammen, was sonst weltlos wäre, ohne wirkliches Erleben und ohne wirklichen Genuss. Allerdings steckt in solchem Lebensgenuss auch schon ein Lebensverdruss, der das Leben der Menschen seines erkennenden Interesses enthebt, weil sie meiden müssen, was ihnen nötig wäre.

Stattdessen werden Vermeidungs- und Rückzugstrategien bevorzugt, durch die Kompensationen möglich sind – z.B. in Sport- oder Kulturereignissen - oder die sich selbst ganz allgemein zu einem maßlosen Kulturkonsum entwickeln, in dem jede Sinnfrage in einem Sinn für sich, einem selbständigen Sinnerleben, in verselbständigter Sinnlichkeit aufgelöst wird. Kultur wird dann auch selbst als Ersatzwelt begriffen, in der eine zwischenmenschliche Erlebensweise aufgebaut wird, die nichts und niemanden mehr "richtig an sich ran lässt".

In solcher Zwischenmenschlichkeit ist menschliche Identität schon in Gegebenheiten aufgehoben, die wie Selbstverständlichkeiten des Alltags unterstellt sind, Prothesen des Auskommens, des Glücklichseins durch zwischenmenschliche oder kulturelle Ereignisse, die vor allem über die Momente des Zweifels und der Gefühlsausbrüche hinweghelfen. Trotz allem, was betrüblich ist, lässt sich damit ja immerhin leben. Das Gegebene erscheint als Sicherheit, als kleiner Halt für große Probleme. Das Suchen nach Wegen und Auswegen ist hierbei fast schon zu riskant. Friedfertigkeit ist angesagt. Wehe dem, der diesen Frieden stört!

 

Das Leben auf "Teufel komm raus"

Es ist ein Leben zwischen Wahrnehmungen, deren Wahrheit reduziert ist auf eine Lebenskonstruktion, die als Selbstverwirklichung verstanden wird, als Wiklichkeitskonstruktion verschiedenster "Lebensentwürfe". Darin ist jeder Mensch schon im Vorhinein als unwirklich, aber sich selbst verwirklichend begriffen, als ein Individualwesen ohne Gemeinwesen, dessen Verwirklichung davon abhängt, wie es sich durchsetzen kann, wie es auf andere so wirkt, dass es in dieser Wirkung auch wirklich sein kann. Natürlich bedrängt darin jedes Individuum das andere und in dieser Form von Konkurrenz um die eigene Wirklichkeit sind dann auch die Menschen schon vor allem Marktgeschehen in der Verteidigung von sich selbst prinzipielle Gegner eines jeden anderen.

Es ist ein Leben, das sich nur realisiert unter der Unvermeidlichkeit der Selbstverteidigung, im Vermögen eines geeigneten Selbstschutzes. Das war es auch schon früher. Aber da war es so, dass man sich den Gegebenheiten der Welt nicht entziehen, ihr nichts wirklich entgegensetzen konnte, vor allem nichts Wirkliches, sondern dass man in ihr mehr oder weniger zwangsweise integriert war als Kind einer befestigten Familie, als Schüler eines vorgegebenen Lebenswegs, als Arbeitnehmer in einem bestimmten Berufsleben und als Rentner mit einem vorausberechneten Auskommen. Da gab es erkennbare Bedingungen, an denen jeder Selbstentwurf sich messen musste. Heute besteht die Wirklichkeit selbst aus dem Verwirklichungsvermögen der einzelnen, die in einem persönlich scheinenden Kampf um das ungewisse Optimum entschieden wird. Der Rückzug in private Gegebenheiten entspricht daher zweifellos der herrschenden Wirklichkeit – ob nun mit oder ohne Angst. Die ist darin lediglich ein Unglück, das man irgendwie herausschaffen musss. Das macht eben die Verteidigung eigener Selbstentwürfe aus. Wenn sie gelingt, jenseits der Angst also, soll das Eigentliche erblühen, die Freiheit unendlicher Innerlichkeit, die sich dann auch veröffentlich kann, wenn die Lebensordnung hierfür abgesichert ist.

Die herrschende Ordnung war schon immer zusammengehalten von Institutionen, Agenturen, Vermögen und wohlmeinenden Menschen und Einrichtungen der Humanitas. Es war immer die Gesellschaft der Vermögenden und Mächtigen, welche das Leben darin allgemein bestimmt hat, welche die Ziele und Chancen der Bevölkerung ausgemacht und sie darin auch sozialisiert und integriert hat, als wäre die selbst nicht gesellschaftlich genug, um das für sich aufzunehmen und umzusetzen.

Doch auch darin hat sich etwas geändert: Gesellschaftliche Integration funktioniert nicht mehr durch die Gebote der Vernunft. Die ewigen Besserwisser des angepassten Verstandes, die Hüter der Aufklärung, langweilen inzwischen bloß noch, wo alles Leben doch inzwischen nur noch auf Durchsatz und Durchsetzungsvermögen gründet. Die Schlaumeier der kategorischen Notwendigkeiten haben ja auch wirklich nichts mehr zu dieser Welt zu sagen, weil die Not darin nicht mehr wirklich zu existieren scheint, nicht gesellschaftlich wirkliche Not ist. Not ist lediglich das Misslingen, die Verminderung des Möglichen, des Einkommens und Auskommens, die erfolglose Wirklichkeit des eigenen Lebens.

Das Bemühen um die bessere Welt ist antiquiert; schließlich hat es ja auch nichts gebracht. Modern ist unmodern, antimodisch und dekonstruktiv. Gewollt ist eine eigene Wirklichkeit, die ein Gebilde eigener Vorstellung sein soll. Und wer oder was dies behindert, der bedroht es, ist schon Feind, bevor er überhaupt feindlich auftritt. Denn er bedroht nicht nur die Vorstellung eigener Selbstverwirklichung, sondern zugleich ihren Lebenswert: Das menschliche Subjekt als Subjektivität schlechthin, als Subjekt ohne Welt, Subjekt der Weltlosigkeit. Dieses ist und bleibt sich selbst nur darin treu, dass es gut leben kann. Und gutes Leben verlangt gute Menschen, die sich durchsetzen können. Leben wird zur Praxis solcher Lebenswerte individualisiert und zu selbständiger Lebensgüte verallgemeinert, zur Wirklichkeit einer Menschlichkeit ohne Wirkung. Solche Lebenswerte sollten nichts Theoretisches mehr an sich haben. Sie sind schlicht und einfach gut, also praktisch, ohne Wenn und Aber, vielleicht auch mit etwas Religion oder zumindest mit ein bisschen Anleitung zum Guten und Schönen, auch als Appell an das große Leid - aber offen für alles: Ein bisschen Papst mit einem bisschen Hiphop. Wichtig ist dabei eine große Bühne, die das Leben aufzuführen und vorzuführen versteht. Verlangt ist ein Leben "auf Teufel komm raus".

Leben ist somit Aktion als Event. Und so wird jetzt gelebt – natürlich nicht ohne die anderen, denn ohne die geht nichts. Jede und jeder, der hierin aktiv ist, wird belohnt durch Erleben. Die Not der Existenz scheint in Erlebnissen aufgelöst. Geld muss man dafür haben und wer keins hat ist selber schuld. Der fällt dann natürlich raus, das ist selbstredend. Aber man hilft, wo man kann und ein bisschen was geht ja auch immer noch. Geld ist zwar selbst nichts Wirkliches, aber damit kann man doch immerhin wirklich was erleben. Die gesellschaftliche Wirklichkeit gibt’s dann nur im Stillen, im Besorgen und Beschaffen von Geld, im Geldverdienen um jeden Preis. Das muss mann halt bringen. Und frau auch. Ansonsten sieht es bös aus. Dann könnte man auch richtig bös werden. Davor sollte man sich hüten und das muss man richtig fürchten. Das ist die vollständige Lebensvernichtung, da wird man zum Nichts, so gut man bis dahin war. Aber wo kein Geld ist, da ist der Ofen aus.

Die Welt ist zum Schauplatz eines Kampfes geworden: Dem Kampf mit dem Bösen, das die Verwirklichung des Guten verhindert, die Selbstverwirklichung des guten Menschen, der ja in der Vorstellung jeder für sich ist. Das allein hat Bestand. Darin muss sich nämlich kein wirklich menschliches Leben äußern, sondern eher ein Selbstbild, das stärker sein will als alles andere, ein Lebensbild, das die allseits gegenwärtige und doch sublime Ausweglosigkeit eines vermeintlichen Lebensschicksals des postmodernen Menschen einfach wegfegt. Es ist schon aufgehoben, bevor überhaupt darüber nachgedacht werden muss, ob das Leben ein Schicksal sein kann. Frei hiervon ist nämlich alles lebenswert.

Aber die Freiheit des postmodernen Menschen entpuppt sich schnell als eine unendliche Verhältnislosigkeit, als ein Glaube an Verhältnisse, die erst durch ihn geschaffen werden müssen. Und das verlangt eben erstmal auch Disziplin - nicht irgendeine olle Kamelle, sondern die Disziplin des besseren Lebens, das sich in ihr selbst bildet: eine Art Selbstdiziplin für ein Leben ohne Ende.

Das gab es bisher noch nicht, und so muss "der Mensch" dann auch hierfür gezähmt werden, nicht durch Gewalt, sondern durch Angebote einer Ordnung, die auch Sinn zu machen versteht, wo kein Sinn ist. Zum Beispiel als Selbstbestätitigung in einer Welt der Nichtigkeiten, so, wie es schon im Kynismus des alten Griechenlands betrieben worden war. Das zumindest sieht der Wald-, Feld- und Wiesenphilosoph Sloterdijk als Lösung der "Menschheitsfrage", der sich hierfür einen netten Menschenpark vorstellt, in welchem dann seinesgleichen als philosophierender Gärtner auftreten kann. "Der Mensch" treibe sich "mit seiner Gier" jeden Humanismus aus. Er habe eben diesen Geburtsfehler, der vielleicht auch mal Korrekturen an seinem Genmaterial notwendig machen könnte. Da gibt es ja inzwischen schon einige Möglichkeiten (vergl. Sloterdijks Menschenpark). Diese Spezies des "philosophischen Verstands", der eher eine neue Variante des Journalismus ist, kennt keine Grenzen mehr. Aber um die geht es sowieso nicht mehr in einer globalen Welt. Gefragt sind darin Werte als Entscheidungsgrundlagen und –hilfen, um das "Menschentier" (Nietzsche) zu bändigen.

Aber auch sonstwo vermitteln sich auf ähnliche Art Lebenswerte der Kultur und die Richtlinien der großen Politik als Herbeiführung eines Maßes, als Maßnahme der Disziplinierung. Auseinandersetzung habe keinen Sinn mehr, die Zwänge sind gewachsen, angeblich, weil die Zahl der Menschen gewachsen ist. Tja, bei aller Liebe, so ist es eben nun mal und deshalb muss der ganz großen Notwendigkeit, welche die Zukunft der "Menschheit" betrifft, gedient werden. Und das ist eine ganz große "Aufgabe und Chance", die auch große Mächte in Gang setzen muss, manchmal auch mit Nachdruck.

Nein, unsere Kultur ist nicht am Ende: Sie beginnt jetzt eigentlich erst, Wirklichkeit zu werden. Die Westkultur habe sich trotz aller "Widernisse der Geschichte" als die "lebenstüchtige" erwiesen, die nur noch von den Mächten des Bösen, dem Chaos und Terror der Armut bedroht sei (so der US-Soziologe Samuel Huntington). Denn immerhin hat man ja auch einiges davon: Uns geht es besser – auf jeden Fall besser als den anderen. Und wir werden uns weiterbilden und weiterentwicklen, wenn wir nicht der Dekadenz verfallen. Und dagegen muss etwas getan werden. Man muss bei allem Wohlstand eben auch genügsam sein, zumindest kulturell. Es fällt da einiges für jeden ab, wenn er nur mitmacht und mit will! Aber man muss auch ein bisschen dran glauben, sich für das Paradies auf Erden einsetzen, für "die Macht der Freiheit" (G. Bush), die auch eine "Macht der Gewohnheit" ist und also auch eine Gewöhnung an das Dieseits verlangt, an das ganz Gewöhnliche ohne jede Geschichte.

 

Entäußerte Selbstgewissheit und die Kritik der politischen Kultur

Was die Gewissheit im Leben der Menschen ausmacht, das ist die Eindeutigkeiit ihrer Wahrnehmungen, in der sich ihre Äußerungen bestätigt finden, weil sie wirklich sind und Wirkung haben. Gewiss kann nur das sein, was auch wirklich wahr ist, was sich in seiner Wirklichkeit erweisen und beweisen lässt an dem was es ist, und wenn es nicht so ist, so hat man damit ein schlechtes Gewissen. Hinter aller Wahrnehmung steht die Erkennntnis, was daran wahr und was nur scheinbar ist, was also dem entspricht, was man wahrhat oder was nur wahrgemacht ist und anderes zu verbergen, um eben nur wahr zu erscheinen, um also zu täuschen. Wo Menschen sich an ihre Umstände gewöhnen, sind ihnen nur diese gewiss, werden diese zu Lebensbedingungen ihrer Selbstwahrnehmung, also zu dem, was sie wahrhaben, wenn sie sich darin wahrmachen können. So entstehen Lebensgewohnheiten, die lebensnotwendig erscheinen und in denen sich alle Wahrnehmung auf die Form ihrer Umstände reduziert. Hierfür sind Lebenshaltungen nötig, Brauchtum, Lebenswerte, die den Umständen Sinn vermitteln, den sie in den Gewohnheiten nicht erweisen können. Alle Lebenswerte werden so selbst zum Lebensumstand, der wie eine ewige Lebensbedingung erscheint. In der Lebensangst sind diese Lebensbedingungen zu einer Erlebensform verengt , die als fremde Bedrängung erlebt wird, als umstandsloses Selbsterleben in einem geschlossenen Lebensraum, in dem nichts anderes möglich ist, als eben dieses Selbsterleben.

Darin vermengt sich das Identifikationsvermögen eines Menschen mit seiner Gefangenschaft in den Lebenswerten, die er gegen sich wendet: Das Vernünftige, also das, was in solchem Raum und solchen Anwesenheiten und solcher Dichte folgerichtig und lebensnotwendig erscheint, dem zu folgen ist, um Leben zu können, verschließt dann dem betroffenen Menschen den Zugang zu sich selbst, nimmt ihn gefangen mit den Werten, die er für sein Leben hat. Liebe, Sittlichkeit, Moral, Religion usw. werden zum Fallstrick seiner lebendigen Beweglichkeit, seiner ihm nötigen Lebensäußerung.

Dies aber ist kein theoretischer Zirkelschluss, ein sich selbst aufhebendes oder bedrängendes, also subjektiv falsches Denken oder Bewusstsein, das falsche Vorstellungen von sich selbst und seinen Bedingungen entwickelt hat und sich lediglich über seine Fehler und Widersprüche aufzuklären hätte, um hiervon frei zu werden - es ist ein praktisches Verhalten zu sich selbst, das nicht aus sich selbst kommen kann, sondern aus einem Verhältnis, das sich in dem verschließt, wo es sich bindet und ausschließt, was die Bindung bedroht. Es ist ein Verhältnis, das ausschließlich sein muss, um diese Bindung zu bewahren: befestigtes Leben, Lebensburg. Nur im Einschluss aller lebensnotwendigen Momente scheint Identität möglich und so muss abgedrängt und bekämpft werden, was sich dem als anderes, als fremdes Leben nähert. Es ist die Lebensgrundlage der bürgerlichen Seele, die in der Abgetrenntheit von gesellschaftlicher Wirklichkeit ein Wesen findet, das sie für sich nötig hat, und die es darauf absieht, ihre Gefühle für sich selbst hieraus zu gewinnen. Leben teilt sich ihr vor allem als Selbsterleben mit und wird so zur Notwendigkeit einer beständigen Selbsterfahrung, die bewerten muss, was für sie gut und was für sie schlecht ist. So binden sich die hierin konstituierten Lebenswerte an die Lebenserfahrung in einem Zirkelschluss, der eine Erfahrungswelt des Gefühlslebens ausbildet, die sich beständig in der Selbstwahrnehmung bestätigen muss.

Und dieses Müssen ist doppelt: Es entspringt einer Empfindung, die nicht wirklich sein kann, und einem Gefühl, dass Wirklichkeit nicht ist, dass in Wirklichkeit nichts ist. Nur die Lebenswerte bestimmen das Leben, und zu erkennen, was darin wahrgehabt wird, ist ihnen gleichgültig. Sie betreiben lediglich die doppelte Verneinung der Wirklichkeit, indem sie ihre Selbstbezogenheit zum Lebensmaß und zur Lebenssubstanz machen, die nurmehr Erkenntnisse zulässt, die der Selbstwahrnehmung nützen, und die es also ermöglichen, dass ein Mensch durch seine Beziehungen auf andere sich ausschließlich und ausschließend auf sich selbst bezieht.

Lebensangst ist eine Angst, welche eine Selbstisolation aus sich hervorbringt, die längst in sie hineingedrängt ist, indem sie sich zwingt, sich selbst zu unterhalten, im Nichts zu verkehren, sich in der Verkehrung zu vernichten. Es ist eine lebende und um sich kreisende Selbstisolation, die sich ebenso genießen lässt, wie sie auch wirklich vernichtend ist. Wenn sie sich nur noch um sich selbst dreht, zirkulär geworden ist, wenn sie nur sich wahrhat, indem sie anderes wahrnimmt, setzt sie alles nichtig, was wirklichen Sinn hat. Es ist die Angst der eigenen Wahrnehmung, welche die Erkenntnis birgt, dass es Selbstwahrnehmung in Wirklichkeit gar nicht gibt. In Wirklichkeit nämlich gibt es auch die Anderen. Und ein Sinn, auch wenn er nur Sinn für sich, Sinn des Selbsterlebnens sein will, ist in Wahrheit eben nur Sinn für anderes. Wo ich einen Sinn habe für Geschmack, Musik, Farbe, Leben usw. habe ich immer vor allem einen Sinn für andere, einen Sinn für wirkliche menschliche Kultur.

In dieser Erkenntnis steckt die Erkenntnis einer Verkehrung: Das Identitätsproblem, das Menschen in der bürgerlichen Kultur haben, sobald sie ihrer Wahrnehmung nicht mehr trauen können, ist darin das Unsinnliche derer Sinnlichkeit, die Ungewissheit dessen, was die Wahrnehmung wahrhat. Oft nennt man es das Unheimliche, das Gespenstische, das Geisterhafte, das inmitten gewohnter Wahrnehmungen durchbricht. Tatsächlich ist es etwas Geistiges, das Geistige, das von seinem Sinn getrennt ist. Aus den gewohnten Lebensverhältnissen drängt daher ein Geist hervor, der die Wahrnehmungsidentität bedrängt, die sich aus der Macht der Gewöhnung ergeben hatte, als die Vergewisserung der Ungewissheit durch die Alltäglichkeit eines guten Lebens, bis er sie sich schließlich unterwirft und sich aus seinem gewohnten Heim als dessen Unheimlichkeit hervortut. Das bewirkt ihre unmittelbare Selbstaufhebung als Aufhebung jeder Begeisterung und jeder Empfindung und die Gewissheit eines Unheils in sich selbst. Angst wird zu einem Wahrnehmungszustand der Panik, zu einem Nicht-Sein können, wo man ist und einem nicht Anders-Sein können, als man ist. Jeder Funke Selbstgewissheit erscheint als höchstes Gut.

Doch was kann der abgetrennte Geist anderes sein, als die entäußerte Selbstgewissheit, als das, was hiervon nicht mehr wahrgenommen wird in den Lebensumständen des bewohnten Alltags? Es muss etwas Gewisses in der Form dieser Ungewissheit sein, etwas, das nur deshalb ungewiss ist, weil es sich unter solchen Umständen gar nicht mehr bilden und bestätigen kann, weil es nicht nur sich selbst ausschließt, sondern von den Verhältnissen auch wirklich ausgeschlossen ist. Der eigene Lebensraum war zu einer Falle der Selbstverständigung geworden, die ihre eigene Nichtigkeit als Kulturraum erzeugt hatte. Und die Erkenntnis darin ist, dass diese Kultur selbst nicht für den betroffenen Menschen gewiss sein kann, ihn nichtig setzt, wo er wirklich ist und seine Wirklichkeit entsetzt, sofern er sie ertragen muss. Es sind Verhältnisse einer Scheinwelt, die sich selbst versetzen, die verrückt sind. Und darin liegt die Grundlage der Kritik, die zugleich eine Form der Selbsterkenntnis ist und die Emanzipation (Indexup2b3a1a14) von Menschen in der bürgerlichen Kultur anstiftet: Solche Kultur muss verrückt sein. Sie will dort Kultur sein, wo sie keine Kultur hat, wo sie rein politisch, rein sachlich gegeben, rein notwendig ist. Es muss das Anliegen einer kulturkritischen Psychologie sein, dies zu durchbrechen durch praktische Kritik der sogenannten Lebensnotwendigkeiten, durch Herausarbeitung was wirkliche Lebensbedingungen und was ihre Verbrähmungen ausmacht.

Diese Kritik ist vor allem solange schwer, solange sie zugleich auch Selbstkritik sein muss. Das sich Überwinden ist eben auch nötig, wenn der eigene Lebensraum zu einer Falle geworden war und alles, was darin gebildet, zugleich verbildet ist. Kritik sucht die Unterscheidung, um das Eigene (wieder) zu entdecken. Und trotz dieser konservativen Seite, die ihrer Isolation entspricht, ist sie dahin treibend, sich wirklich in anderen Menschen zu erkennen, sich dort erkennen zu müssen, um an ihr Ende zu kommen, um sich als Kritik zu verhalten. Sei dies in Sprache oder Aktion - in jedem Fall hört die Kritik auf, Selbstkritik zu sein, wo sich Wirklichkeit darin bestätigt, dass Kritik Wirkung hat, dass sie selbst dort politisch ist, wo Kultur nur burgherrliche Wirkung will, wo sie also politische Kultur ist. Wenn solche Kulturkritik wirklich wird, hat sie eine enorme Sprengkraft für die Kritik der politischen Willensmacht überhaupt. Und dies letztlich ist das Kapital in seiner höchsten Form als politischer Wille aller gesellschaftlichen Bestimmung, als allgemein abstrakter Zweck seiner gesellschaftlichen Macht und Gewalt.

Wolfram Pfreundschuh

 

Quellen:

zu Gewohnheit

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=gewohnheit)

zu Lebensangst:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=lebensangst)

zu Eventkultur:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=eventkultur)

zu Kulturkonsum:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=kulturkonsum)

zu Lebenswerten

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=lebenswerte)

zu Lebensburg

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=lebensburg)

zu Dichte:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=dichte)

zu Leben:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/begriffe/lex.php?lex=leben)

zu Liebe:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=liebe)

zu zwischenmenschliche Verhältnisse:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=zwischenmenschlicheverhaeltnisse)

zu Scheinwelt:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=scheinwelt)

zu Seele:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=seele)

zu Verrücktheit:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=verruecktheit)

zu Selbstbehauptung:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=selbstbehauptung)

zu Zwang:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=zwang)

zu Depression:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=depression)

zu Sucht:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=sucht)

zu Kulturkritik:

Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=kulturkritik)