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112. Der ästhetische Wille der Selbstgefühle

Wahrnehmung, die zwischen ihrem Empfinden und ihrem Fühlen getrennt ist und daher sich nicht sinnlich gewiss, sich nicht wirklich wahr finden kann, also in einer nur unheilvollen Selbstwahrnehmung empfunden wird, sieht es auf eine Identität mit sich ab, verlangt nach einem Gefühl ganz für sich, das sein soll, was jenseits der Empfindungen aber nicht wirklich wahr sein kann. Wahrheit an sich gibt es eben nicht wirklich, sie bewegt sich nur in dem was wahr sein muss, und als Sollen der Wahrnehmung sich in den Gefühlen der Menschen wahrmacht. Das subjektive Sollen der Absichten der Gefühle stellt so das Phänomen ihrer objektiven Gebrochenheit als ihr Wille außer sich dar, als Wille der Wahrnehmung, als ästhetischer Wille, der nur in zwischenmenschlichen Verhältnissen durch objektiv existente Gefühle aufgehoben werden und sein kann. Denn es kann seine Wahrheit nicht in und durch sich selbst empfinden und erstrebt deshalb etwas ganz Wahres, eine Wahrnehmungsidentität für sich, die nur durch Andere außer sich, also nur ästhetisch ganz sein kann. Der ästhetische Wille erstrebt ein Heil an sich, das er ausschließlich für sich haben muss, um ganz mit sich identisch, um für sich ganz wahr zu sein.

In den Mangelgefühlen der Selbstwahrnehmung gegen die ästhetische Notwendigkeit ihrer Sinnbildungen verhält sich der Wille nach gegenwärtiger Sinnlichkeit, nach der Vergegenwärtigung von Selbstgefühlen, die durch sich und für sich keinen Sinn haben. Solche Selbstvergegenwärtigungen lassen besondere zwischenmenschliche Beziehungen entstehen und treiben sie an, wie sie sich zunächst aus einem ästhetisches Verlangen ergeben und schließlich als Bedürfnis nach einer Kultur der Zwischenmenschlichkeit auftreten. Was in den Selbstgefühlen entgegenwärtigt worden war, wird hierdurch zu einem Trieb der Selbstverwirklichung von Bedeutung für sich, zu einem Verlangen nach einer objektiven Wertschätzung der Selbstwahrnehmung, nach einer Wirklichkeit der Selbstverwertung über objektive Selbstgefühlen, worin sich die Gefühle der Menschen ungehindert vergemeinschaften und hierdurch mächtig machen können (siehe Selbstbehauptung).

Egoismus ist unter den Bedingungen der existenziellen Konkurrenzen in einer Waren produzierenden Gesellschaft lediglich eine Reflexion ihrer objektiven Beschränktheit. Aber die Selbstwahrnehmung ist durchaus in der Lage, sich darüber hinaus in der Kultur zwischenmenschlicher Beziehungen gesellschaftlich zu verhalten und zu gestalten. Darin verkörpern sich die Empfindungen der Menschen in ihren Gefühlen so, wie sie in ihre Selbstwahrnehmung unter den Bedingungen ihrer persönlichen Sinnbildung eingegangen sind. Und sie bewahren ihre Beziehung zu den Gegenständen, an denen sie entstanden waren, soweit diese auch für sich bleiben können, was sie für eiander in ihren objektiven gesellschaftlichen Verhältnissen auch geblieben sind. Erst wo sich diese der Subjektivität der Wahrnehmung entziehen, weil sie sich in einer Welt bestimmt hatten, deren Wirklichkeit sich ihnen durch irgendwelche fremden Kräfte zugleich entzieht, werden sie zu objektiven Gefühlen, in der Art un Weise wie sie als selbständige Formen isolierter Wahrnehmungen als öffentliche Selbstwahrnehmung in den objektiv existenten Werken, Medien und Veranstaltungen dieser Kultur einer nach wie vor bürgerlichen Gesellschaft und die nurmehr in dieser Kultur zwischenmenschlicher Verhältnisse fortbestehen können. Dort entfalten sie ein eigene Welt der Selbstwahrnehmungen, die sich in den unzähligen Formationen der Selbstverwertung erhalten und sich im Dasein der unterschiedliche Selbstwerte aneinander reflektieren.

Selbstgefühle entstehen in zwischenmenschlichen Verhältnissen, worin die Beziehungen sich durch Gefühle begründen und darin objektiviert sind, wo sich die Selbstwahrnehmung durch objektive Gefühlen bestimmt und verallgemeinert und von daher eine allgemein gefühlte Selbstwahrnehmung empfindet. Im Selbstgefühl vergenwärtigen sich voneinander isolierte Menschen, die außer sich eine Empfindung nötig haben (siehe auch Selbstvergegennwärtigung), weil und wenn sie für sich nichts empfinden, weil und wenn sie als vereinzelte Einzelne keine Beziehung zu anderen Menschen und Sachen finden können. Ein Selbstgefühl besteht aus der Empfindung eigener Gefühle und kehrt somit die natürliche Folge von Empfindung und Gefühl um (siehe hierzu auch Verkehrung). Das setzt voraus, dass ein Gefühl keinen Gegenstand für sich hat, sich nicht gegenständlich wiedererkennen kann, weil sein Gegenstand sich nicht gegenständlich sondern selbst nur wie ein Gefühl verhält (siehe hierzu auch Ästhetik). Es macht sich an der Reflexion von Gefühlen fest und verlangt nach diesen wie es sich auch selbst durch seine Selbstverwertung für sie vergegenständlicht (siehe hierzu auch Entgegenständlichung). Von daher konkurrieren Selbstgefühle um ihre zwischenmenschliche Substanz und müssen sich gegeneinander in ihrem Geltungsstreben hervortun.

In zwischenmenschlichen Verhältnissen sind die Gefühle der Menschen für sich und für einander von ihren Empfindungen getrennt, nur durch Selbstgefühle verbunden, die hierin durch das bloße Erleben zwischen den Menschen erzeugt werden. Im Großen und Ganzen ist ihre Wahrnehmung innerhalb dieser Verhältnisse unentwegt infrage gestell und strebt in ihren Beziehungn nach einer Ganzheit, nach einer stetigen Vervollständigung - oft auch als Glücksvorstellung oder -versagen virulent. Sie enthält dadurch ein Sollen, das ihrer eigenen Wirklichkeit unentwegt misstrauen und im Zweifel doch folgen muss, weil ihre Wahrheit ohne dies durch Minderwertigkeitsgefühle bestimmt bliebe. Die Wahrnehmung kann allerdings ihre sinnliche Gewissheit im Nachhinein ihrer Erfahrungen finden, sich außer sich bewahrheitet empfinden. Von daher - und weil kein Mensch auf Dauer im Ungewissen sich bewahrheitet fühlen kann - ist sie von einem Willen getrieben, den man ästhetisch nennen muss. Was objektiv erlebt wird folgt im Allgemeinen der Abstraktionskraft leerer Gefühle und wird subjektiv durch einen Trieb zu sich selbst, durch eine Verwertungsucht seiner Selbstwahrnehmung verwirklicht. Die Notwendigkeit einen Selbstwert zu finden, sich als wertvoll zu empfinden, entsteht aus dem Verlust an Selbstachtung, aus dem Unwert zwischenmenschlicher Beziehungen. Hieraus begründet sich das Geltungsstreben in zwischenmenschlichen Verhältnisse.

Damit ist der Kreislauf einer Selbstwahrnehmung entstanden, der den Selbstwert aus dem Verlust an Selbstachtung bestimmt und zugleich einem Selbstwert nachjagt, der keinen anderen Boden haben kann, als die Selbstwahrnehmung, die außer sich, sich selbst äußerlich bestimmt ist. Ein ästhetischer Wille gründet auf einem Mangel, der dem Verhältnis der Selbstgefühle innne ist: der Mangel an Selbstwert, den ihre Geltungssucht hinterlässt und zugleich fortbestimmt. Ihr Widersinn offenbart sich darin, dass ihr Bestreben das Gegenteil von dem erreicht, was es wiil, denn jedes Selbstgefühl kann sich nur soviel gelten, wie es andere Selbstgefühle zu bestimmen vermag. Doch wo es im Einzelnen von der Entgegnung lebt hebt es in der Wechselseitigkeit seiner Beziehungen seinen Sinn durch die Verdichtungen der Selbstwahrnehmung zu einem abstrakt menschlichen Sinn auf. Denn das Verhalten der Selbstgefühle gleicht sich in seinen zwischenmenschlichen Verhältnissen allgemein ab, indem jedes Selbstgefühl sich durch ein anderes bereichert, Sinn findet, den es sich einverleibt, ohne selbst einen leiblichen Sinn zu haben. In der allgemeinen Überstimmung entsteht eine körperliche Übereinstimmung, die eine Gleichgültigkeit in den Gefühlen erzeugt, wie sie mit der Zwischenmenschlichkeit der gesellschaftlichen Wahrnehmungen ja schon angelegt war. Abgelöst von ihren Empfindungen können diese allerdings sich nicht mehr finden, sich also nicht mehr substanziell erneuern, sich weder mitteilen noch vermitteln. Subjekt wie Objekt solcher Wahrnehmung verlieren ihre Selbstachtung in einem Selbstwert, den sie weder formulieren noch verkörpern können. Und es ist dies ein Leben ohne einen wirklichen Sinn, das sich übersinnlich geltend macht, indem es seine eigenen Lebenswelten erfindet.

Doch wo Zwischenmenschen sich dann durch die Ereignissen ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse beleben (siehe Erlebnis), entleeren sie ihre Beziehungen und damit auch ihre Selbstbeziehungen. Was ihre Wahrnehmung belebt, entsinnlicht sie in ihren Beziehungen - lässt sie in ihrer Langeweile zunehmend und still verzweifeln. Und in der Verzweiflung ist der Wille bereit, seine Seele dem Mephisto burgherrlicher Selbstbehauptung zu verschreiben. Der ästhetischer Wille sucht daher gerade dort einen Sinn, wo keiner ist, weil im Echoraum empfindungsloser Gefühle keiner zu finden ist.

Es sind dann die Gefühle, welche die Wahrnehmung der Menschen als Ganzes überkommen und mit denen eine teufliche Abhängigkeit der Wahrnehmung angestimmt ist, die an ihrer eigenen Wirklichkeit unentwegt zweifeln muss, weil sie nur noch eine Welt voller Selbstgefühle ist, die sie von sich ausgeschlossen hat und die als eine Scheinwelt so gelebt wird. Und dies entspricht zugleich voll und ganz einer Welt, in der die Beziehungen der Menschen gleichgültig gegen ihre Lebensäußerungen bleiben, in der sie keine gesellschaftliche Form, keine Gegenständlichkeit erlangen können, weil ihre Gesellschaft keine reale Wirtschaft mehr betreiben kann, weil ihr Kapital fast nur noch fiktiv, fiktives Kapital in der Form von Wertpapieren und eigentumstitel ist, fast nur noch aus Schuldverschreibungen besteht (siehe Buchgeld), da verlieren sie nicht nur ihre sachlichen Verhältnisse, sondern auch ihre politische, also gesellschaftlichen Gegenwart und Kompetenz. Um in Gesellschaft zu sein müssen sie gegen ihre sachliche Entgegenständlichung sich selbst zum Gegenstand ihrer Beziehungen machen, sich selbst als persönliches Material für andere, als Material einer abstrakt menschlicen Gesellschaft verwirklichen. Sie sind dann so gesellschaftlich, wie sie für andere körperlich gegenwärtig sind und müssen sich unentwegt Geltung verschaffen, durch die sie eine Form für andere durch sich gewinnen können und hierdurch ihren gesellschaftlichen Wert, einen Selbstwert in ihrer zwischenmenschliche Kultur erlangen. Es ist ein Wert, der sich aus dem speist, was nur zwischen den Menschen sein kann, weil es durch sich nicht wirklich menschlich da ist. Wesentlich ist es ihr menschliches zwischen allem Sein, ihr Dazwischensein als Mensch.

So wie sie selbst Gegenstand nicht für andere einzelne Menschen, sondern für ihre Beziehungen im Allgemeinen sind, so gelten sie auch sich wertvoll oder minderwertig. Mit der Entwicklung dieser Kultur wird der eine Kulturbüger, der andere Randgruppe, in aller Regel als eine prekäre Existenz. Und obwohl gerade diese Randgruppen den gesellschaftlichen Zusammenhang als ihre Lebenswirklichkei bilden und tragen, gelten nur die anderen durch die Prominenz ihrer gesellschaftlichen Geltung als politische Subjekte ihrer Kultur. Das politische Subjekt der bürgerlichen Gesellschaft ist zum Kulturbürger, der ohnmächtige Mensch zum Zwischenmenschein einer präkären Kultur geworden. Die repräsentative Demokratie muss diesen Klassengegensatz repräsentieren und versöhnen können.

Das ganze Verhältnis stellt einen kulturellen Reichtum dar, der auf einem wesentlichen gesllschaftlichen Mangel beruht: Er kann nicht wirklich wahr sein. Er ist widersinnig. Durch ihr Geltungsstreben können Kulturbürger ijedoch hre persönlichen Verhältnisse gemäß ihrer Selbstwahrnehmung gestalten und sichern und sich in ihrem eigenen ästhetischen Maßstab gegen die Irritationen einströmender Täuschungen fremder Zusammenhänge und Geschichten vergegenwärtigen. Deshalb sucht eine sich selbst ungewisse, eine ohnmächtige Wahrnehmung sich rein zu halten und zu bereiniigen und sich als eigene Wahrheit zu behaupten, indem sie sich Geltung gegen alle fremden Eindrücke verschafft und aus ihrer Selbstwahrnehmung eine bleibende Gewissheit durch das zu beziehen, was die Menschen an einander in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen wertschätzen können.

Wenn Menschen in ihren gesellschaftlichen Verhältnisse keine Selbstachtung möglich ist, wenn sie in verächtlichen Verhältnissen leben, da erstreben sie einen Wert für sich, einen Selbstwert, durch den sie sich aufeinander beziehen können. Und wenn ihre Beziehung nur noch zwischen ihnen stafffindet, durch die sie sich in ihrer wechselseitigen Selbstbeziehung unmittelbar menschlich wahrnehmen und anfühlen können, suchen sie darin auch ihre Wertschätzung. Wo also die Menschen keinen wirklichen, keinen gegenständlichen Sinn für einander bilden können, weil ihnen ihre Verhältnisse nur noch durch Ereignisse vermittelt sind, da suchen sie den Sinn ihrer Beziehungen in der Wahrnehmung ihrer Form, in der Gestalt ihrer Gegenwärtigkeit, die ihnen zugleich die Notwendigkeit ihrer Selbstvergegenwärtigung vermittelt. Sie betreiben diese dann in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen durch ihren ästhetischen Willen, durch den sie mit ihrer Selbstverwertung ihre Selbstverwirklichung anstreben.

Solange sie in ihren Lebensverhältnissen durch ihre Lebenstätigkeit sich nicht in ihren Produkten, in ihrer Vergegenständlichung allgemein als Mensch finden, in ihren Empfindungen sich nicht finden, in ihrer sinnlichen Beziehung sich nicht erkennen können, erscheint den Menschen ihre eigene Lebenstätigkeit fremd, ihre Vergegenständlichung als Entgegenständlichung  (siehe Entfremdung) - und so bleibt ihnen nur ihre Zwischenmenschlichkeit als Art und Weise ihres Überlebens als Menschen, als Lebenskultur zwischenmenschlicher Beziehungen jenseits der Gegenständlichkeit ihres Lebens.

Es sind weder die Gegenstände des Lebens noch die Wahrnehmungen als solche, sondern ihr Inhalt und ihre Körperform, welche ihre zwischenmenschlichen Verhältnisse substanziell ausmachen, wenn sie auf sich reduziert werden. Es sind die Menschen selbst als Körperform der Wahrehmung, die ihr einen Sinn durch dessen Einverleibung in zwischenmenschlichen Beziehungen verleiht, wo sie keinen anderen findet, nichts außer sich empfindet.

Die Selbstwahrnehmung in zwischenmenschlichen Beziehungen hat mit der Verallgemeinerung der Selbstgefühle in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen diese zu einem objektivem Gefühl entwickelt, durch das jedes einzelne Selbstgefühl im Vorhinein seiner Beziehung schon in der Wirkung seiner Empfindungen inhaltlich aufgehoben und in seiner Entwirklichung bewahrt, somit in seinem formellen Verhalten der Wahrnehmung verdoppelt und dadurch zu ihrer Formbestimmung geworden ist und zu einer allgemeinen Macht der Gefühle wird. Diese bestimmen die zwischenmenschlichen Verhältnisse im Ganzen durch einen bloßen Mangel an Wirklichkeit, sodass ihre Empfindungen darin nicht aufgehen können, ihre Regungen gegen diese isoliert erscheinen lassen. Die Wahrnehmung überhaupt, in der sich dieses Verhältnis verkörpert, weil sie sich zwischen den Menschen nur auf sich selbst bezehen kann (siehe hierzu Zwischenmenschlichkeit), erfährt sich in dem Mangel gegen das Ganze einer Welt voller Selbstgefühle, so dass darin Minderwertigkeitsgefühle aufgehen, die nach einer darüber erhabenen ästhetischen Form verlangen, um die Erregungen ihrer Regungen zu befrieden. So ist eine subjektive Bestrebung ganz objektiv entstanden, die einen rein ästhetischen Willen verfolgt, solange sie nur als Selbstwahrnehmung aufgehen kann und ihre Ereignisse verursacht und deren Erleben antreibt. Damit ist die objektive Widersprüchlichkeit der zwischenmenschlichen Verhältnisse subjektiv, das Subjekt seiner Gefühle zu deren Objekt geworden.

Jedes Selbstgefühle drückt immer einen Selbstwert aus, der dem Anspruch seiner Form genügen muss, Wert für sich zu sein. Seiner Selbstwahrnehmung muss es eine Identität von Empfindung und Gefühl haben und diese entsprechend darstellen, um nicht gebrochen zu erscheinen. Auch wenn diese Identität inmitten einer Welt der Gefühle nur abstrakt sein kann, sucht die Selbstwahrnehmung darin einen Wert für sich zu verwirklichen und die Momente der Selbstwahrnehmung durch Erlebnisse zu vereinen, in denen sie sich innerhalb ihrer Wahrnehmungen, also ästhetisch zusammenfinden und bestärken können. Das entsprechende Geltungsstreben ist daher die Funktion eines ästhetischen Willens. Es kann Kunst oder Musik oder Kino oder eine Reise oder eine Sportveranstaltung oder ein Gaudi oder sonst ein Ereignis der Wahrnehmung sein, durch das dies ermöglicht wird, um zwischenmenschlichen Beziehungen außer sich einen Sinn zu verleihen. Jedenfalls hat die Selbstwahrnehmung ein beständiges Bedürfnis nach diesem, um ihrer Entleerung mangels Wahrnehmungsidentität zu entgehen (siehe hierzu auch Langeweile).

Zwischenmenschlichkeit ist an sich ein widersinniger Begriff, denn Menschlichkeit kann es nicht zwischen Menschen, sondern nur durch sie geben. Auch können Menschen nicht als reine Individuen für sich existieren, sodass zwischen ihnen ein Raum verbleiben könnte, weil sie immer schon in gesellschaftlicher Bezogenheit existieren, daher sich einander auch in ihren Beziehungen schon ergänzen, um als Menschen leben zu können. Im Zusammenwirken in den Verhältnissen ihrer Ergänzung bilden sie ihre Gesellschaft vermittels der Gegenstände, die sie hierbei erzeugen und durch die sie ihre Bedürfnisse befriedigen, entwickeln und bereichern. Die Beziehungen der Menschen in diesen Verhältnissen sind daher nicht zwischen ihnen, sondern durch sie als Beziehung in und durch diese Verhältnisse begründet, die sie als ihre geschichtlich gebildete gesellschaftliche Form ihres Lebens haben. Sie verhalten sich immer als Menschen zueinander, zu sich wie zu ihren Gegenständen, - aber nicht als bloßes Resultat einer objektiven Geschichte in einer objektiven Welt (siehe Determinismus) oder zwischen ihren Eigenwelten als Privatpersonen, sondern immer zugleich als geschichtsbildendes, sich menschlich wie sachlich gesellschaftlich äußerndes und hierdurch vergegenständlichendes Wesen, das seine Selbstachtung in zwischenmenschlicher Beziehungen relativieren und durch einen Selbstwert ersetzen muss, in dem es seine Gefühle für sich und durch sich bewahren kann.

Ein Selbstgefühl, das einen Selbstwert verkörpert, muss daher für sich etwas Ganzes sein, weil es nicht in einem Minderwertigkeitsgefühl aufgehen kann. Es muss dem Anspruch seiner Form, Wert für sich zu sein, entsprechen und in der Selbstwahrnehmung eine Identität von Empfindung und Gefühl darstellen, um nicht gebrochen zu erscheinen. Auch wenn diese Identität inmitten einer Welt der Gefühle nur abstrakt sein kann, sucht die Selbstwahrnehmung darin einen Wert für sich zu verwirklichen und die Momente der Selbstwahrnehmung durch Erlebnisse zu vereinen, in denen sie sich innerhalb ihrer Wahrnehmungen, also ästhetisch zusammenfinden und bestärken können. Das entsprechende Geltungsstreben ist daher die Funktion eines ästhetischen Willens. Es kann Kunst oder Musik oder Kino oder eine Reise oder eine Sportveranstaltung oder ein Gaudi oder sonst ein Ereignis der Wahrnehmung sein, durch das dies ermöglicht wird, um zwischenmenschlichen Beziehungen außer sich einen Sinn zu verleihen. Jedenfalls hat die Selbstwahrnehmung ein beständiges Bedürfnis nach diesem, um ihrer Entleerung mangels Wahrnehmungsidentität zu entgehen (siehe hierzu auch Langeweile).

Ein Wille entsteht immer aus einem Sollen, dass also etwas sein soll, durch das Bedürfnisse der Menschen befriedigen werden können. Es geht hierbei also um die objektiven Umstände für das Verlangen der Subjekte. Mit der Trennung der Gefühle von ihren Empfindungen in zwischenmenschlicher Verhältnissen entsteht für die Selbstwahrnehmung ein Mangelgefühl, weil weder das eine, noch das andere für sie vollständig wahr sein kann, eben weil sie selbst nur durch deren Vermittlung als Wahrnehmung auf sich selbst bezogen sein kann. Es ensteht hieraus ein Geltungsbedürfnis der Wahrnehmung, die ein Geltungsstreben entwickelt, das einen Willen der Selbstwahrnehmung begründet, durch den sich die Wahrnehmung in einer Selbstwahrnehmung zu fassen sucht. Denn einerseits kann ihre Empfindung nur wahr sein, wenn darin auch zu fühlen ist, was ihren Gegenstand betrifft, andererseits sind auch Gefühle nur scheinbar Gefühle, wenn sie ihre Empfindungen nicht kennen, wenn sie als Selbsttäuschungen verbleiben müssen.

In menschlichen Beziehungen haben sich Menschen immer im anderen Menschen zum Gegenstand, beziehen sich gegenständlich auf sich und ihre Sache, immer also gesellschaftlich. Zwischen den Menschen ist der Mensch außer sich, ungegenständlich. In zwischenmenschlichen Beziehungen beziehen sich daher Menschen auf sich so, wie sie sich wahrnehmen, wie sie sich durch andere sehen, wie sie sich also in dem finden und empfinden, wodurch sie bestimmt sind. Ihre Empfindungen sind daher schon vor aller Erfahrung durch ihre Gefühle bestimmt, in denen sie sich durch andere wahrhaben und sich durch sie verinnerlichen, sich an sich erinnern, so wie es schön oder auch häßlich war.

Schönes muss nicht ästhetisch sein - Hässliches auch nicht. Es sind unmittelbar gegenständliche Eigenschaften dessen, was wahrgenommen wird. Schön ist, was gut ist für die Beziehung der Menschen, was ihre Empfindungen hiervon in ihren Gefühlen bewährt und bewahrt, sich als gesellschaftliche Wahrheit von gesellschaftlichen Gegenständen erweist, ihre Wahrnehmung als Erkenntnis bewahrheitet und in der Erinnerung hinterlässt (siehe auch Geschichte). Dagegen ist Ästhetik die Wahrnehmung für sich selbst, wie sie sich in ihren Gefühlen vermittelt, Wahrnehmung als Bildung für sich, Bild einer Vorstellung von sich. Ästhetisch ist also nicht die Eigenschaft eines Gegenstands der Wahrnehmung, sondern die Eigenschaft eines Gefühls, die selbständige, unabhängige reine Wahrnehmung des Gefühls, des Gefühls an sich. Ein solches Gefühl kann nicht für sich wahr sein, weil es in solcher Ästhetik im Jenseits aller Reflektion unendlich schön wäre und in seiner Schönheit sich endlos verstehen, sich substanziell in der Wahrnehmung verlieren müsste, im Grunde also hässlich werden muss.

Erst wo Wahrnehmung unabhängig von ihrem Gegenstand begriffen wird, wo sie nur zwischenmenschlich erlebt wird und nicht wirklich gegenständlich sein kann, wird sie in ihrer Ästhetik als Gefühl bewertet, das vor aller Empfindung da ist, das also ihre Abwesenheit zur Bedingung und zugleich zur Erinnerung hat, um für sie zu stehen. Wo Wahrnehmung also keinen Gegenstand erkennt, wo sie nicht wirklich möglich, weil von ihm im Wesentlichen abgetrennt ist (siehe auch Wesensabstraktion), herrscht die Art und Weise vor, wie sie sich anfühlt (siehe auch Haptik), wie das, was auf sie wirkt vorgefunden wird und auch schon als Selbstgefühl aus dem bloßen Erleben heraus objektiven Wert hat und sich in Minderwertigkeitsgefühlen verfestigen würde, wenn es unter der Bedingung zwischenmenschlicher Verhältnisse nicht an deren objektiven Selbstgefühlen teilhaben kann.

Das Selbstgefühl bezieht seine Wahrnehmung aus der Verdopplung der Selbstwahrnehmung mit einem Gefühl für Empfindungen, die sich in der Erinnerung vermengen, wodurch sie ihre Gegenwärtigkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen bestärken und ihre Inhalte reduzieren. Das geschieht im Erleben der Selbstwahrnehmung durch Ereignisse, die für die Empfindung seiner Selbst einverleibt (siehe auch Kulturkonsum) werden. Um als Ereignis der Erinnerung bei sich als Gefühl für sich und ohne Sinn für andere da zu sein, verbleiben sie als Sinn für sich im Selbstgefühl, das die wirkliche Geschichte seiner Empfindungen von sich ausschließt, in einem hiervon abstrahierten Sinn (siehe abstrakt menschlicher Sinn) für sich aufhebt. Es stellt sich vor die ganze Wahrnehmung, um sie aus der Erinnerung zu bestimmen, zu ästhetisieren und ihre wirklich wahre Geschichte mit der "Macht der Gefühle" auszulöschen. Die Selbstgefühle stellen von daher ein mächtiges "emotianales Vorurteil" dar, ein Vorgefühl, das bestätigt sein will und das durch seinen ästhetischen Willen die gegenständlichen Wahrnehmungen für sich zu beschönigen und darin zu bestätigen und zu bestärken sucht (siehe auch heile Welt). Diese Verselbständigung der Gefühle hat die Wahrnehmung erst zum Maß einer Ästhetik werden lassen (siehe auch ästhetisches Urteil), die innerhalb der Gefühle Verbindungen sicht, die sie ihrem Gegenstand schließlich im Nachhinein der Wahrnehmung auch zufügen wollen, um ihn sich im Jenseits seiner Wirklichkeit einzuverleiben.

Es war im ersten Kapitel ausgeführt worden, dass das Leben im Erleben einen eigentümlichen Wert gewinnt, weil darin die Gefühle der Menschen ihre Empfindung in einer doppelten Weise finden und haben, weil darin also Gefühle zugleich Selbstgefühle sind, die ihren Gegenstand nicht mehr unbedingt kennen müssen, weil sie selbst gegenständlich werden, im Erlebnis sich selbst finden. Solche Selbstgefühle entstehen dadurch, dass die Lebensäußerung von Menschen in zwischenmenschlichen Verhältnissen jenseits ihrer wirklichen Gegenständlichkeit durch den Wahrnehmungsprozess selbst einverleibt werden und auf diese Weise ihre Zwischenmenschlichkeit auch wirklich als ein Lebensverhältnis der Selbstgefühle zu leben, sich in der Ästhtik ihrer Selbstwahrnehmng erleben und sich in dem wahrhaben, was ihrem ästhetischen Wille entspricht.

Der ästhetische Wille entsteht in einer Selbstwahrnehmung, die sich nur in den Gefühlen außer sich finden und empfinden können. Er ist das Geschöpf ihrer Langeweile, die nach Empfindungen sucht, die sie reizen, die Ereignisse für ein Erlebnis der Selbstwahrnehmung bieten, dessen Bedingung und Inhalt die Selbstwahrnehmung ist. Es isnd die Aufreizungen, die sie beleben, ihre Nichtung, ihren Niedergang in der Angst und den Anekelungen des Alltags von sich ausschließen. Selbstwahrnehmung wird auf Dauer nur durch das Verlangen nach Selbstgefühlen, für die entsprechende Empfindungen durch bestimmte Ereignisse hergestellt werden müssen (siehe auch Eventkultur).

Der ästhetische Wille unterscheidet sich von jedem anderen Willen (siehe auch politischer Wille) darin, dass er den Absichten einer Wahrnehmungsidentität in ihrer Ästhetik folgt, einer Bestrebung, in der die Welt so empfunden werden soll, wie es dem Gefühl einer persönlichen Integrität entspricht, dem Selbstgefühl von Menschen, die gemäß ihrem Geltungsstreben in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen mit sich eins sein wollen, weil in ihnen die Empfindung ihrer Gefühle abwesend, also nicht wirklich da sind - deshalb einfach da sein sollen (siehe Dasein). Ihr Wille folgt also dem Bestreben zur Verwirklichung von Selbstgefühlen durch Empfindungen, die er durch sich selbst wahrhaben und also für sich durch die Produktion entsprechender Ereignisse des Selbsterlebens herstellen will (siehe auch Ereignisproduktion). Das fängt schon in den Grundlagen der ästhetischen Wahrnehmung und ihrer Lebensverhältnisse in den dort erzeugten Selbstgefühlen an und geht bis hin zur heilen Welt eines Kulturstaats, der sich die Wahrnehmungen der Menschen durch die allgemeine Inszenierung und Vorstellen einer institutionalisierten Ästhetik - oft auch durch die Liturgieen und Gebräuche einer Staatsreligion - zu unterwerfen versteht (siehe auch Menschenpark).

An sich ist ein ästhetischer Wille ein Unwille im Hadern mit einer Wirklichkeit, die für die Wahrnehmung weder Sinn noch Sein vermittelt, weil sie gebrochenes Sein nur unsinnig erscheinen lassen kann - eben weil und sofern sie in Wahrheit unwirklich ist. Wo sich Glück in Unglück kehrt, weil Gefühle keine Empfindung mehr ausdrücken und Leben nur noch durch Erlebnisse wahrgehabt wird, da wird Wahrnehmung selbst zu einer Notwendgkeit, Wahrheit zu bestimmen durch das, was sein soll, was die gebrochende Wahrheit der Wahrnehmung heil vermitteln soll (siehe auch heile Welt). Sie muss ihre Empfindungen durch die Gefühle ästhetisch unterlegen, die sie haben muss, um für sich auch wirklich wahr sein zu können, um sich in ihrer Unwirklichkeit auch wahrzumachen - wahr für sich, zu einem Selbstgefühl zu werden.

Jedes Selbstgefühl erhält sich durch Wahrnehmungen, in denen die Empfindungen für sich und andere durch das Gefühl bestimmt sind, in dem sich ein Mensch durch die Wahrnehmung von Menschen und Kultur wiederfindet, also seine Empfindung durch den Eindruck hat, den er durch andere für sich wahrnimmt. Auf dies ist sein Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen ausgerichtet, weil ihm ohne dies seine Wahrnehmung sinnlos erscheint, ihm keine Wahrheit für sich erkenntlich wird. Er drückt sich also vor allem so aus, wie er andere für sich beeindrucken kann und findet sich in ästhetischen Beziehungen gut aufgehoben. Er will sie halten, um sich selbst daran halten zu können und sich so zu finden, sich zu empfinden, wie sich darin sein Gefühl für sich bestärken kann.

Ästhetisch ist eine Empfindung, die durch die Wahrnehmung eines Gefühls entsteht, in der sie sich ihrer Form nach ihrer Empfindung erinnert, sich mit ihrer gefühlten Erinnerung identifiziert, sich also formell durch das Bild verdoppelt, das sie hiervon hat. Von daher ist Ästhetik eine Einbildung. Um wirklich wahr zu werden muss die ästhetische Wahrnehmung ihre Empfindungen durch die Gefühle bestimmen, die sie in ihrem Selbstgefühl bestärken, muss also auf Gefühlen bestehen, die ihr Empfindungen für sich beschaffen, z.B. Erlebnisse, die reizvoll sind, um sich in dem für wahr zu haben, was man empfinden muss, um mit sich in den Gefühlen, den so erzeugten Selbstgefühlen klar zu kommen, unbelastet zu sein.

Von daher beherrscht ein ästhetisches Wille die Notwendigkeit des Selbstgefühl, das sich nur dadurch bewähren kann, dass es die Gegenstände seiner Empfindung seinem Gefühl unterwirft, also alles abwertet, was außer diesem frei für sich zu sein scheint, weil es asein soll, wie es im Selbstgefühl ästhetisch wirkt, um dieses zu bestärken. Dieses kann eben nur durch jenes andere sein, dessen gegenständliche Wirklichkeit hierfür gleichgültig ist, in der Wahrnehmung allseitig gleich gilt, solange es im Gefühl bestätigt wird und in seiner Angleichung wahr bleibt.

Sein ästhetischer Wille resultiert aus der Diskrepanz zwischen dem Eindruck eines Verhalts oder einer Form gegen das, was sie ausdrückt. Er resultiert aus der Wahrnehmung des Unvermögen einer gesellschaftlichen Lebensgestaltung, ihre Verhältnisse sich adäquat zu verwirklichen und fortzubilden, aus dem Eindruck also, dass diese widersinnig gegen das ist, was sie formulieren sollten. Von daher bildet sich in Krisenzeiten in der Kultur immer auch ein ästhetischer Wille aus, der sich selbst erregt und fortbestimmt.

Eindruck ist ein Druck auf die Wahrnehmung, die Wirkung von einem ungewöhnlichen Ereignis, also von etwas Neuem oder einer durch besondere Reize wirksamen Ausdrucksweise hervorgerufenen Beeindruckung der Wahrnehmung, welche deren Gewohnheiten unterbricht. Durch Eindruck geraten Gefühle in Bewegung, werden zu Emotionen, welche das Selbstgefühl bestimmen, indem es dadurch angeregt wird (siehe Regung). Das setzt allerdings eine Ausdrücklichkeit voraus, die nicht nur Lebensausdruck ist, sondern besondere Wirkung hat, die auch gewollt oder beabsichtigt sein kann.

Einverleibung ist die Verleiblichung eines äußerlichen körperlichen Daseins, das subjektive "Fleischwerden" körperlicher und geistiger Beziehungen, deren Sinnbildungen hierdurch im Jenseits ihrer wirklichen Lebensverhältnisse versinnlicht werden. Dies setzt voraus, dass hierüber getäuscht wird, so dass sich ihre Gefühle mit ihren Empfindungen vertauschen lassen und als abstrakter Sinn im Selbstgefühl eines Menschen eins werden. Es ist der Konsum von einem Sinn, der für ein Leben verzehrt wird, das dadurch erst sinnlich begabt wird, einen Körper erfährt, den es für sich nicht gestalten kann.

Ein Besitz wird zur Habe genommen, ein Sinn zur Leiblichkeit, zu einem Leib verleibt, einverleibt. Dies kann über verschiedenste Weise geschehen, z.B. durch ein Gefühl, einen Gedanken, eine Idee, ein Gedicht, ein Bild, ein Lied, eine Melodie usw. Doch worin unterscheidet sich das von der Übermittlung von Gewöhnlichem, von Gewohnheiten, von Plänen usw. Ist jede Übertragung auf andere eine Einverleibung?

Nein. Es ist die Dichte, das Konzentrat einer Substanz, die den Körper wechseln kann, wenn ihr Geist darin zu eigenem Leben kommt. Wo eine Melodie enstanden war, muss sie nicht unbedingt auch gesungen werden. Ein Geistesfunke bekommt auch in einem anderen Leib sein Material, ohne dass seine Bildungsenergie dabei übertragen wird, die an und für sich niemals übertragbar sein kann. Doch wo er wiedergegeben wird, ist ist er dennoch nur eine Reflexion, ein Wiederkehren. Die komplexe Welt, in der er gebildet wurde, ist bei diesem Wechsel von der Welt getrennt, in der er existiert, ohne sich dabei zu verlieren. Das ist die Grundlage für die Aufladung von Gefühlen, besonders auch in der Masse von Menschenleibern. Es ist kein zufälliger und auch kein einfach bedingter Reflex. Es ein komplexes Zusammenwirken von Sinneseindrücken, die sich geistig in einem Sinn verdichtet zusammenfassen und von daher eine synergetische Kraft in ihrem Ausdruck bekommen, die sie in ihrer Summe nicht hätten. Das fassen Esoteriker gerne für sich als kosmisch "reine" Energie auf, um sich darin zu einem Mysterium zu machen, um die vielfältige Beziehung darin zu einer bloßen Feinsinnigkeit vereinfältigen. Doch diese Energie ist genauso materiell wie jede andere Form der Zwischenmenschlichkeit.

Einverleibung war dem Begriff nach immer schon und in aller Regel der Konsum eines Gegenstands, dessen Zurleibnahme. Dieser kann sachlich oder auch geistig sein, soweit dies dem Leib zukommen kann. So meint dieser Begriff an sich die Verleiblichung der Sinnlichkeit eines äußerlichen körperlichen Daseins schlechthin, das subjektive "Fleischwerden" körperlicher und geistiger Beziehungen, deren Sinnbildungen hierdurch gebraucht und verbraucht werden. Wo Beziehungen einen Sinn haben, erneuert sich dieser in ihren Lebensverhältnissen so wie er darin geäußert und fortgebildet wird. Jenseits ihrer wirklichen Lebensverhältnisse kann aber nur versinnlicht werden, was darin eingetauscht und dem Sinn nach, also im Sinn des einen mit dem Sinn des anderen ausgetauscht wird. Dies setzt voraus, dass es vertauscht werden kann (siehe auch Verkehrung). Die Menschen verkehren dabei darüber, dass ihre Leiblichkeit und ihre Geistigkeit in ihrer Anwesenheit zusammenfallen und sie über deren Unterschiedlichkeit hierüber getäuscht werden. Was sie durcheinander wahr haben, lässt sich dann nicht von einander wahrnehmen. Es lassen sich ihre Gefühle mit ihren Empfindungen vertauschen, indem sie als abstrakter Sinn im Selbstgefühl eines Menschen eins werden. Es ist der Konsum von einem Sinn, der für ein Leben verzehrt wird, das dadurch erst sinnlich begabt wird, einen Körper erfährt, den es für sich nicht haben und gestalten könnte, wenn es sich nicht durch die Anwesenheit eines anderen Menschen daran bereichern, sich durch ihn beleben und erleben könnnte, ohne sich ihm mitzuteilen. Eine Sinnbildung durch solche Einverleibung erzeugt Entfremdung durch Entgegenwärtigung des Anwesenden. Und die setzt sich in der Selbstentfremdung der Wahrnehmung als deren Vermehrung im Erleben und zugleich deren Verarmung an Erkenntnis fort. Ganze Kulturen können auf diese Weise ihr Leben auf das reduzieren, als was es ihnen erscheint, auf die Momente ihres Erlebens, die ihren Zusammenhang nicht nur entstellen, sondern sich über das ermächtigen, was ihn substanziell ausmacht, der Sinn, durch den sie in Wahrheit verbunden sind, und der mit ihrem Erlebnis im Moment seines Erscheinens schwindet. Ihr Leben verschwindet damit in der Einfalt der Lebensmomente in einer abstrakten Sinnlicheit, in der Leben selbst nur noch als Mittel des Erlebens ist, sich nurmehr abstrakt sinnlich bewahrheiten kann.

Sinn bildet sich durch den Reichtum an Erkenntnissen und deren Bereicherung in einer komplexen Geschichte, die sich gesellschaftlich zwischen Bedürfnis und Arbeit der Menschen entwickelt, also in der Gegenwärtigkeit einer Arbeit als Produkt für Bedürfnisse gesellschaftlich existiert. Deren Befriedigung realisiert die Erkenntnis, welche in die Arbeit eingeht und die Fähigkeiten der Menschen ausmacht, sie bestätigt und bestärkt.

Hierdurch wurden sie zur Grundlage eines Selbstwerts, der durch solche Selbstgefühle sich bestimmt. Es sind darin die Minderwertigkeitsgefühle wirklich überwunden, welche Empfindungen hervorrufen, die zu keiner Identität finden und daher von abstrakten Gefühlen beherrscht werden. Nun stimuliert jede Empfindung ein Gefühl, in welchem sich die Wahrnehmung selbst repräsentiert, also zugleich Selbstwahrnehmung ist. In dieser Form lässt sich eine Wahrnehmung ertragen, auch wenn sie in sich gebrochen und also selbst im Zweifel ist. Und weil und sofern sie das Erlebnis nicht mehr durchdringt, muss sie sich auch im Selbstgefühl einfinden, sich darin bestätigen, bestärken und vermitteln. Sie wird darin zu einer der Wahrheit abgekehrten Form, zu einer Form, in welcher zwar die Wahrnehmung als zwischenmenschlicher Akt wahr ist, zugleich aber in den Erlebnissen gerinnt, in denen sie selbst erlebt wird. In den Selbstgefühlen wird der Prozess der Erkenntnis unterbrochen, den Empfindungen und Gefühle enthalten; ihre Wahrheit versteinert.

Die Basis dieser Gefühlsumwandlung durch Erleben ist wirklich dort, wo sie auch stattfindet, nicht jenseits der Menschen, sondern durch sie selbst und in ihnen selbst, durch ihre körperliche und geistige Beschaffenheit gegeben - und die wiederum ist hier allgemein vermittelt. Für sich ist die Wahrnehmung nichts, wenn sie keinen Gegenstand jenseits der Wahrnehmung kennt. Sie hat aber immer in einem lebenden Körper das gegenständliche Leben wahr, auch wenn es dieses nicht als solche Wahrheit nimmt. Und so haben sich die Menschen überhaupt allgemein wahr, wie sie einzeln eben auch sind und wie sie in einer gegenstandslosen Welt miteinander auskommen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind die Verhältnisse des Erlebens und zunächst mal nur die ungegenständliche Beziehungen der Gefühle und Selbstgefühle überhaupt - zumindet solange sich die Menschen nicht selbst als äußere Gegenstände beziehen und vermitteln. Von daher gibt es darin keine andere Wahrheit mehr als die des Wahrnehmens selbst. Dem ist alle Wirklichkeit unterordnet und diese ist einzig die Wirklichkeit eigener Wahrheit, also einer Wirklichkeit, wie sie durch das körperliche Erleben der Wahrnehmung selbst geworden ist.

Es mag viellerlei zufällige "Erlebnisse" geben, über die man berichten und erzählen kann. Für Vergangenes hat das Wort selbst keinen Begriff. Aber als Begriff eines Verhältnisses zielt Leben durch Erleben auf eine Einheit von Empfindung und Gefühl, die es für sich nicht mehr gibt. Resultat und Ursprung solcher Wahrnehmungen kehren sich hierbei um: War im Gefühl ursprünglich eine Gewissheit von Lebenszusammenhängen gegenwärtig, wie sie sich subjektiv und gegenständlich zugleich zugetragen haben, so wird nun das Gefühl zum Selbstzweck, zu einem Zweck, zu welchem die Empfindung nurmehr relativ zu diesem ist.

Der Standpunkt der Wahrnehmung hat sich in solchem Verhältnis selbst gewandelt. Die Gefühle verlassen ihre Gewissheiten, um eine Identität für sich zu bilden, um Ungewisses zu überbrücken und Erleben durch sich selbst zu schaffen: Selbstgefühl. Dieses wechselt von Empfindung zu Empfindung, ohne darin noch etwas, also Gegenständliches zu finden. Empfindungen werden in ihrer Ungegenständlichkeit zu einem eigenen Sein, zu einer Welt, worin das Gefühl für sich selbst das ausschließliche und ausschließende Sagen ausmacht und worin es nurmehr empfindet, was es darin für sich finden kann.

Doch gefunden kann nur werden, was auch gegeben ist, was also irgendwann und irgendwie erzeugt wurde. Dem Selbstgefühl kann jedes Ereignis zum Erleben taugen, wenn es nur irgendwelche Reize des Erlebens bietet. Doch das verlangt, dass es seine Geschichte und Herkunft gleichgültig findet, hiergegen wirklich gleichgültig wird, weil es darin nicht zu sich kommt, weil es in der Empfindung selbst eben die Beziehung zu sich nicht finden kann. Es verläßt daher heute diese Beziehung, um sich morgen in jene einzulassen. Und indem es die eine gewinnt, lässt sich die andere vergessen. Das Selbstgefühl findet in der Empfindung auf Dauer kein Erleben und würde darin ersterben, wenn darin nicht die bloße Anwesenheit von Menschen das Selbstgefühl reizen würde.

Es klingt vielleicht erst mal seltsam, aber es ist das Gefühl für andere, welche das Selbstgefühl trägt, ohne dass dieses wirklich wahr sein kann. Die Menschen verspüren sich als Menschen, indem sie am Erleben anderer Menschen teilhaben und also an diesem Leben auch in irgendeiner Art interessiert sind. Aber in der gleichgültigen Bezogenheit des bloßen Erlebens finden sie keine wirkliche Nähe zu sich, stößt sich ihr Selbstgefühl also auch von solchem Erleben ab. Nur durch die Reize, welch das Erleben enthält, also durch ihre Stimulanz, wird es für die Menschen dicht. In der Verdichtung des Erlebens durch die Reize, die es enthält, werden sich die Menschen selbst nahe gebracht. Darin entsteht ihr Selbstgefühl, ohne dass sie das wirklich in den einzelnen Momenten wissen können. Diese Verdichtung ist ein Resultat vieler Momente und vollzieht sich "im Hintergrund der Wahrnehmung". Sie erleben sich insgesamt als fühlende Wesen, indem sie von einer Empfindung zu nächsten gelangen. Und dies überbrückt jede aufkommende Identitätslosigkeit, schon bevor sie empfunden wird. Das Selbstgefühl erweist sich nun wirklich als ein allgemeines Fühlen in einer Welt voller Empfindungen,

Aber es hat diese Allgemeinheit nicht in sich, sondern durch den beständigen Wechsel des Erlebens, durch die Vielfalt der Reize. Diese vertieft jede Wahrnehmung und verdichtet ihre Inhalte, während ihne besonderen Inhalte hierbei immer gleichgültiger werden. Durch die Anzeize des Erlebens, durch seine Stimulanz erst, gelangt das Erleben erst wirklich zu einer Dichte, welche das Erkenntnisvermögen belebt, während der Gehalt an Erkenntnis immer gleichgültiger wird. Die Selbstgefühle gründen also auf den Anreizen, welche Gefühle in einer eigenen Erlebniswelt zwischen den Menschen zum Erleben bringen. Sie gelten sich durch ihre Nähe, die dabei ihre Empfindungen verdichtet, als fühlende Wesen und vermitteln sich ihren Selbstwert in dieser Nähe zu sich. Die Stimulanzen der Gefühle sind von daher zum Träger des Selbstwerts geworden. Je mehr ein Mensch andere reizen kann, desto stärker wird sein Selbstwert. Der Reiz ist zur allgemeinen Form des Selbstgefühls geworden, weil er die Substanz des Selbstwerts, die Dichte der Wahrnehmung, verwirklicht. Darin bestimmt sich das zwischenmenschliche Erleben fort und mindert sich dort, wo es reizlos wird.

Das Erleben dieser Verhältnisse ist damit im Grunde das Erlebnis zwischenmenschlicher Beziehungen, deren Empfindungen sich im Maß ihrer Ereignisse beständig wechseln und ihren Reiz darin finden, dass sie sich in Selbstgefühlen vertiefen. Im allgemeinen Wechsel der Ereignisse selbst gewinnt sich ein Selbstwert, der sich über sie stellt und darin seinen Zweck bewahrheitet fühlt. Er wird zum Subjekt der Gefühle werden, indem er die Empfindungen für seine Objekte hält, weil er aich aus ihren Anreizen vertieft..

Die Ereignisse, welche das Erleben nötig hat, sind von da her nicht mehr unmittelbar den Menschen zu eigen. Sie werden entsprechend gebildet, durch Intensionen und Absichten hervorgerufen, und also produziert. Wir befinden uns auf dem Grund einer Erlebniskultur - oder Eventkultur, wie sie allgemein bezeichnet wird. Das mit diesem Begriff Gemeinte wird allerdings in dieser Form erst im dritten Teil dieser Theorie als Inbegriff der Selbsttäuschung vorkommen. Bis sich dieser entwickelt hat, haben die Menschen erst mal viel miteinander zu tun, denn nur durch einander können sich Ereignisse ergeben, in welchen menschliche Sinnlichkeit erlebbar gemacht wird. Von da her ist jetzt das Erleben als zwischenmenschliches Verhältnis der Menschen der Gegenstand unserer Untersuchung.

Die Resultate der Analyse sind bekannt. Wir hatten bisher die Wahrnehmung für sich untersucht und ihre Momente, ihre Abstraktion und deren Substanz, ihre Begriffsubstanz als abstrakt menschlicher Sinn und dessen Maß als die Dichte des Erlebens, als körperliche Dichte der Erlebnisse erfasst. Dabei war das Erleben als die Verdichtung der Wahrnehmung begriffen worden, als das wirklich abstrakte Verhältnis der Wahrnehmungen, also das, worin Wahrnehmungen wirklich und abstrakt von ihrer Beziehung, die sie wahr haben, sich konkret zusammenfinden. Diese Abstraktion hatte ihre Identität nicht menschlich, also nicht durch ein wirkliches Verhältnis von Menschen, sondern allgemein als Selbstwert, den sie in ihrem zwischenmenschlichen Erleben sowohl bilden als auch nötig haben. Was darin also wirklich entsteht, ist ein Prozess der Verwirklichung dieses Erlebens, ein Verhältnis der Selbstverwirklichung, in welchem der Mangel aufgehoben wird, den die Wahrnehmung in ihren Erlebensformen hat.

Die Verhältnisse der Wahrnehmung selbst können unmittelbar keine Verhältnisse des Wahrnehmens, also einer Sinnestätigkeit in der Beziehung auf ihre Gegenstände sein. Sie sind Verhältnis nur durch ihre Beziehung von Wahrnehmungen, die Menschen voneinander haben, die ihre zwischenmenschlichen Beziehungen ausmachen. In diesen Beziehungen sind sie einerseits füreinander Gegenstand ihrer Erkenntnis, ihrer Liebe und Lebendigkeit, der Form nach aber auch Gegenstand ihrer Wahrnehmungen, also das, was sie einander an Wahrheit auch wirklich nehmen. Und dies macht ihr Wahrnehmungsverhältnis äußerst kompliziert und komplex. Es wird zum Problem des Verhältnisses ihrer Wahrheit als Zwischenmenschen, als Menschen, die in ihren Beziehungen Erkenntnisse haben, worin sie zugleich zwischen sich und andere Menschen treten müssen, um ihre Wahrheit zu bewahrheiten. Hierdurch wird die Wahrheit der Erkenntnis selbst zum Problem eines Wahrnehmungsverhältnisses. Darin sind die Menschen füreinander so wahr, wie sie sich in ihrer Wahrheit auch gegenüberstahen, weil sie zugleich füreinander Mittel ihrer Wahrnehmung sind, sich also über ihre Wahrnehmungen vermitteln. In dieser Vermittlung sieht ihre Wahrheit von dem ab, was sie unmittelbar sinnlich ist, wird abstrakt zu ihrem Sinn. Sinne können an und für sich nur in ihrer Tätigkeit wahrnehmbar sein. Auch wenn sinnliches Tun Werke oder Gegenstände hervorgebracht hat, so unterscheiden die sich nicht dem Inhalt nach von dem, was wahrnehmbar ist. Aber der Akt der Wahrnehmung selbst ist anders, wenn ich sie nur erlebe, als wenn ich sie erzeuge und mit ihnen als lebendes Erzeugnis lebe. Im Erleben erwiest sich das Leben nur als Wahrnehmung, wird als solche verspürt, gefühlt, empfunden usw. Das sinnliche Tun beschränkt sich auf das Auffassen und wahrnehmen, dessen Wahrheit mit der subjektiven Bereitschaft hierfür, mit der Aufmerksamkeit zusammenfällt, wie auch mit der Absicht und dem Willen, das Erleben in sich zu bewahren und durch sich selbst zu bewahrheiten. Das Erleben hat zwar Wirkung im Menschen, aber keine andere Wirklichkeit als die, welche es in ihm als Wahrnehmungseigenschaften, Zustände, Gefühle usw. hinterlässt. (1)

Im Erleben kommt sie Wahrnehmung auf sich selbst zurück, indem sie wirklich von dem abstrahiert, was sie wahrhat. Es ist die Verkörperung abstrakt menschlicher Sinnlichkeit, welche in den Menschen selbst Wirkung hat. Darin wird ihre Beziehung zu den Gegenständen ihreer Wahrnehmung zu einem Verhältnis derer Form in menschlicher Sinngestalt. Indem sich Menschen hierüber wirklich beziehen, veräußern sie den Sinn, den sie für ihr Leben haben, auch in dieser Körperlichkeit. In zwischenmenschlichen Verhältnissen sind die Menschen in ihrer Unmittelbarkeit daher zugleich vermittelte Menschen, also selbst auch formbestimmt, ausschließlich nur füreinander Menschen, gleich, welchen Sinn sie darin haben oder finden. Ihre Empfindungen bestimmen sich aus der Wahrheit, die sie in ihrer Ausschließlichkeit teilen und wahrmachen, als hieraus bestimmte Aufmerksamkeit und Achtung füreinander wahrhaben.

Es geht also nun um dieses Verhältnis selbst, worin die Wahrnehmung das bestimmt, was sie wahr hat, worin sie allgemeiner und damit mächtiger wird als die Wahrheit, wovon sie abstrahiert. Es geht also um das Vertrackte ihrer Abstraktion, um das Verhalten, das sie hervorbringt. Das ganze Problem reduziert sich auf das Verständnis von dem, was eine solche Abstraktion wirklich ist, was sie bewirkt und auf was sie Wahrheit reduziert. Es geht also um die Lebensform, worin ihre Wahrheit aufgehoben wird und worin diese zugleich in verwandelter Form, also im Erleben, fortbesteht.

Erlebnisse unterscheiden sich vom Leben zunächst darin, dass dieses darin sich zwar reflektiert, eben er-lebt, aber zugleich nicht substantiviert, also nichts anderes hervorgebracht wird, als eine Art und Weise, worin Leben erfahren wurde. Wer etwas erlebt hat, hat sicher dabei auch gelebt, aber als Erlebnis ist Leben nur abstrakt gefasst und wird unter Absehung jeglicher Zusammenhänge und Geschichte, also ohne Grund und unbegründet erfahren. Im Erleben sind die Sinne wie im Leben beteiligt, aber sie reagieren nur auf das, was sie reizt. Das Erleben verhält sich in den Reizen des Lebens selbständig. Es ist die Reaktion des Lebens auf die Regungen, die es in den Reizen des Erlebens wahrnimmt. Es ist im Grunde ein gereiztes Leben, das die Wahrnehmung erfüllt. Von daher ist es die Form, worin die Wahrnehmung lebt, wenn sie nicht wahrnehmen kann, was sie außer sich anderes wahrhat, als die Wirkung von sich selbst. Erleben ist also die Grundlage aller Selbstwahrnehmung.

Erleben ist Leben als Erlebnis, also nicht durch sich selbst, durch Lebensäußerung und in der Geschichte des eigenen Werdens und Eigenwerdens, sondern durch Ereignisse, die in den Gegebenheiten des Lebens sich zutragen und zugetragen werden. Erleben ist Reflexion des Leben als anderes Leben, wie es wahrgenommen und wahrgehabt wird, Leben in der Gegenständlichkeit der Erfahrung, Leben als Wahrnehmungsgegenstand. Erleben ist Lebensausdruck, der auf Lebenseindrücken gründet.

Das Leben findet natürlich auch im Erleben statt. Im Erleben ist seine Wahrheit, aber eben so, wie sie für die Wahrnehmung selbst ist: Selbstwahrnehmung. Wahrheit wird hierdurch zum Umstand der Wahrnehmung, zu einer Sache, wie sie für die Wahrnehmung schon wahr ist, bevor sie erkannt wird. Sie muss gar nicht mehr erkannt werden, weil sie für sich selbst schon ist, einfache Wahrheit von Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen usw., wie dies für sich ist, Selbstgefühl als Wahrheit seiner selbst. Es ist eine Wahrheit der Umstünde, die im Grunde umständlich, aber zugleich auch ganz einfach ist, abstrakte Wahrheit für Vieles: So wie die Welt für die Wahrnehmung ist, so ist sie überhaupt auch als Selbstwahrnehmung wahr, als Umstand, der zugleich in ihr geborgen ist, Wahrheit, die sich von selbst versteht, die gar nicht sein muss, weil sie sich selbst in der Wahrnehmung erweist, als Gefühl für das Wahre seiner selbst, Weltgeborgenheit der Sinne, aber auch Verborgenheit der Welt, wie sie in Wahrheit ist.

Im Erleben scheint vor allem der Unterschied von Subjekt und Objekt aufgelöst. Die Bedingung des Erlebens erscheint als Notwendigkeit des Lebens selbst, als Bereicherung der Wahrnehmung, die sich objektiv selbst wahrhat, weil sie in den Reizen, die ihr begegnen und nach denen sie verlangt, nicht sich selbst als Gegenstand weiß, sondern die Welt als Gegenstand der Selbstwahrnehmung sich ihr auftut, als wäre sie die ihre. Es ist eine Kinderwelt, in welcher alles geborgen ist, was ohne dies außer sich wäre, Fremdheit nicht mehr erkennbar ist und an ihrer Stelle Selbstgewissheit als Eigenwelt geboten ist – heile Welt der Selbstbezogenheit. Das Fremde dient als Reiz und ist gerade durch seine eigentümliche Nähe reizvoll. Die Wahrnehmung verhüllt sich wie ein Tourist, dem allein schon dadurch alles vertraut ist, weil er es bezahlt und erlebt hat, in räumlicher Nähe und Anwesenheit sich verdichten konnte, Dichtung für sich selbst ist..

Die Wahrnehmung ist damit aber doppelt: Sinnestätigkeit des Auffassens und Erkennens, wie auch Selbstbestätigung des wahrnehmenden Subjekts, Maß und Allgemeinheit seiner Selbstbezogenheit. Die Umstände der Wahrnehmung, die Form ihrer Anwesenheit und Dichte, betreiben ihre Wahrheit, werden zum Trieb der Selbstwahrnehmung. Was sie Erleben, das sind sie dann auch. Die Wahrnehmung wird zum Objekt ihres Erlebens, zur Erfüllung des eigenen Lebens darin, was dem Leben Anreiz bietet. Was die Menschen erleben, das macht sie dann auch aus, weil es sie mit Ereignissen ausfüllt, die jede Eigenheit ersetzen. Die Gegebenheiten werden zu Begebenheiten, zu Ereignissen, die Geschichte machen, ohne dass diese Geschichte durch die Menschen bestimmt ist. Die Ereignisse sind Events, die den Anschein von Geschichte haben, die in Wahrheit nichts anderes erzeugt, als was schon da ist. Es entsteht hieraus die im Ereignis bestimmte Geschichte, die sich alleine in der Beziehung der Menschen zu sich selbst, also jenseits ihrer Wirklichkeit ereignet, Sinnesgeschichte ohne wirklichen Sinn. Die Menschen sind getrieben, sich den Reizen zu überlassen, die ihr Leben anzeizen. Alles, was sie auf diese Weise belebt, erscheint unmittelbar als ihr Lebensakt. Die Selbstwahrnehmung erfüllt Leben, das selbst nicht sein kann. Gleich, ob durch Medien, Kunst, Konzert oder Disko, das Selbsterleben darin ersetzt jede Frage, die Leben aufwerfen kann. Das Idol macht das Leben, wie es der Ideo-Logie entspricht. Die als musikalische Anmache erlebten Lebensweisheiten wiegen schwerer als tausend Fragen, welche im Denken arbeiten. Das Leben wird in dem Maße gedankenlos, wie es im Erleben sich erfüllen und ausfüllen lüsst.

Indem das Erleben die Wahrnehmung nun bemisst, ist es auch eine Anmaßung gegen sie. Es macht sich zum Maü der Ereignisse, welche für sie sein sollen und wird damit zum Agens ihrer Interesssen. Jedes Erlebnis geschieht somit schon aus Anmaßung an die Wahrnehmung, als ihre Herrichtung zu einem bestimmten Sein, worin die Beziehung der Wahrnehmungen nicht mehr ist, wie sie „aus Leib und Seele“ und ihren natürlichen Gegenstängen wird, sondern wie sie für das Erleben sein muss, damit Wahrnehmung auch hierin bestimmt ist. Das Erleben macht das Sollen der Wahrnehmung aus und bestimmt sie zum Wahrmachen von Ereignissen, zu einer Aufmerksamkeit für das, was sie außer sich wahr hat.

Die Menschen bemessen sich nun an dem, was sie in ihrer Wahrnehmung füreinander sind, nicht mehr, was sie empfinden und fühlen, sondern was sie für ihre Empfindungen und für ihre Gefühle sind, was sie hierfür haben und brauchen. Ihre Wahrnehmung wird jetzt selbst zu ihrer Lebensform.

Diese Form repräsentiert immer ein bestimmtes Verhältnis, kann also nicht am Einzelnen, z.B. einem Erlebnis erkannt werden. Ihre Entstehung und Fortbildung erweist sich nur im Prozess des Erlebens selbst, im Zusammenhang der Erlebnisse, in denen die Menschen ihre Wahrnehmungen fürr sich gewinnen. Das Erleben als ganzes Verhältnis von Menschen zueinander ist weit umfängliche als die einzelnen Erlebnisse für sich. Darin erst lässt sich zeigen, wie die darin untergegangene Wahrheit zu einer allgemeinen Lebensform wird. (2) 

Erleben ist ein Prozess, dessen Geschichte sich wie von selbst gestaltet, fast ohne Zutun der Menschen, so, als ob das Erleben selbst Erleben ablöst und befördert - man muss eine Geschichte nur in Gang setzen, eine Beziehung darin finden, schon ist eine andere auch gegeben und wieder eine andere genommen. Die Geschichten bleiben in sich zwar zufällig und schließen einander auch aus, aber als Beziehungen der Menschen selbst haben sie immerhin Sinn in einem Lebenszusammenhang, worin sie -- wenn auch nur in ausschließlich räumlicher Form - Gefühle erwecken und auch spenden.

Doch gerade dadurch, dass diese räumlich bestimmt sind, hat jede persönliche Indetität auch nur im Raum ihr wirkliches Dasein. Jenseits hiervon ist jedes Gefühl bloße Reminiszenz. Das macht das Fühlen weitaus schwieriger, als wenn es sich auf Gegenstände bezieht: Was z.B. an einer Werkbank Gefühl für eine Sache wäre, wird hier zur bloßen Ahnung, ein unbegründetes Raunen zu dem, was zwischenmenschlich wahr sein könnte, wenn es wahr wäre. Es "schwant etwas", das nirgendwo wirklich das ist, was sich anmuten lässt. Die Menschen stehen hierdurch zueinander in einem Dilemma. Die Wahrnehmung selbst wird zu einer Lebensform, worin sich die Auffasssungen voneinander in mehr oder weniger zwiespältiger Wahrheit verwirklichen. Niemand hat einen anderen Grund, sich auf andere zu beziehen, als durch diese Beziehung andere auch für sich zu haben. Bestimmend ist, wie dieser durch die Anwesenheit anderer Bedeutung für sich bekommt. Im zwischenmenschlichen Erleben vollziehen sich Lebenszusammenhänge, die mit ihrer Ausweitung zugleich ihre Einfältigkeit ausdehnen und daher in der Weite auch ihre Enge leben müssen.

Die Menschen haben in ihrer Beziehungen zu einander daher zugleich Angst voreinander. Wo sie ihren Selbstwert versuchen, erfahren sie zugleich Selbstverlust. Jede Beziehung ist zwiefältig, einmal als notwendige menschliche Beziehung, zugleich aber auch als räumlich beschränkte Identität. Die Menschen gewinnen ihre Zuneigungen an einander durch ihren Erlebensraum und verlieren sich zugleich darin ihm Maßstab ihrer Erlebnisse. Sie füllen sich voller Wahrnehmung und scheinen zugleich einander zu meiden, weil jeder für sich nur durch den anderen ist, das Erleben des einen durch die Leiblichkeit des anderen. Die Beziehungen selbst werden zu Erlebnissen, worin ihre Leiblichkeit als bloßes Selbstgefühl verbleibt, sich darin entwickelt und verbraucht, sich in wechselseitiger Anmaßung des Erlebens entleibt, nur um für sich bedeutsam zu bleiben. Von daher sind diese Beziehungen, so gesellschaftlich sie in Wirklichkeit begründet sind, nur für sich wahrnehmbar, nur als Leiblichkeit des Erlebens wahr. In Wahrheit ist das Erleben sowohl die Entleibung der Wahrnehmung, als auch ihr Gewinn an Leiblichkeit

Schnell wird jede Beziehung zu einer eigenen Lebensform, worin ein Ereignis das andere ablöst, weil das eine nicht ohne das andere Bestand hat. Die kulturellen Zusammenhänge bestehen nicht durch ihre Veranstaltungen auf den Bühnen, sondern in den Verhältnissen der Menschen selbst, wie sie in einem bestimmten Lebensraum zusammentreffen.

Darin ergibt sich eine Form ihrer Beziehungen, worin Kultur sich wie eine Notwendigkeit des Lebens zwangsläufig ereignet, sich also nicht als bewusste menschliche Äußerung von Leben und Sinn ergibt, sondern als fast selbsttätiger Lebensraum, in welchem die Art und Weise, wie Menschen zsammenkommen, die treibende Kraft ihrer Gestaltung ist. Sie wird sich darin als eine Lebensform erweisen, die nicht unmittelbar einer vorgegebenen gesellschaftlichen Form, vor allem nicht der Ökonomie entspringt und entspricht, wiewohl diese ihre Existenzgrundlage ist. Kultur ist zäher und unbeweglicher, eher konservativ als progressiv, und scheint ausschließlich aus dem hervorzukommen, was die Menschen subjektiv bewegt. Sie treibt ihre Ereignisse durch die Wahrnehmungen, durch die Empfindungen und Gefühle voran, macht heute dies zur Sache, was morgen völlig unsinnig erscheint. Aber dennoch ist sie ihren ökonomischen Bedingungen völlig analog, zumal sie als existenzielle Form mit ihr identisch ist. Was der Austauschprozess der Waren für die Ökonomie, das ist das Erleben von Wahrnehmung für die Kultur: Beides ist ein selbständiger, weil abstrakt begründeter Prozess ihrer gesellschaftlichen Verhältnisform. Und um diese geht es hier. (3) 

Das Erleben ist das Tauschverhältnis der Wahrnehmung, der Austausch von Empfindungen und Gefühlen. Deren Tausch ist die Täuschung über den Sinn einer Beziehung, also darüber, dass eine zwischenmenschliche Beziehung den Sinn habe, den sie darin äußern. Aber weil die wirklichen Wahrnehmungen den Erlebnissen widersprechen endet das Erleben für sich notwendig mit einer Ent-Täuschung. Die Menschen erleben sich so, wie sie sind, aber sie haben sich in ihren Erlebnissen nur als das wahr, was sie für andere sind. Ihre Wahrnehmung ist im Erleben ihre Wahrheit durch andere. Sie sind für sich, was sie mit anderen erleben. Sie sind ihr eigener Wahrnehmungsgegenstand in einem wechselseitigen Lebensverhältnis. Sie haben sich wahr, als was sie sich erleben und sie erleben andere, wie diese Sinn in ihrer Wahrnehmung finden, wie sie diese verstehen. Sie haben sich allgemein in ihrem wechselseitigen Lebensverständnis als allgemeines Erleben in ihren Gefühlen wahr und verstehen sich auch nur so, wie sie sich empfinden. (4)

Jeder Mensch mag im Erleben Sinn aufnehmen und also auch lebendig haben, aber es ist ausschließlich sein Sinn, den er darin für sich findet. Er findet ihn gegenständlich als das, was ihm nicht selbstverständlich zu eigen ist: Als Erlebnis. Daher sind sich die Menschen darin sowohl zu eigen und doch gänzlich fremd. Es kehrt sich ihre Eigenheit als Selbstentfremdung heraus, die als Tätigkeit für sich, als Tätigkeit der Sinne erscheint, die keinen Gegenstand außer sich haben und auch keinen Gegenstand erzeugen. Im Erleben erscheint das Leben als Produkt des Selbsterlebens, also als das, was es nicht sein kann, worin es sich aber verwirklicht: entäußerte Lebensäußerung

So ist das Erleben über das bloße Wahrnehmen hinaus eine Verwirklichung des Wahrhabens, ein Gefühl für die Wahrheit, die man von etwas nimmt, das in einem Menschen zur Wirkung gekommen ist, ohne dass es wirklich wahr sein kann. In seinem Erleben empfindet ein Mensch, was er wahrhat. Es ist eine Wahrnehmung, die zugleich tätig ist, die sich gegen ihre Abtrennung vom Lebensprozess dadurch bestimmt, dass sie selbst lebendig wird, nicht passiv bleibt, sondern ihre unendliche Bewegung zwischen Empfindungen und Gefühlen dadurch beendet, dass sie sich selbst bewegt, in ihrer Wahrnehmung tätig wird. Das ist ein Widerspruch, welcher Wahrnehmung aufhebt, wie er sie auch bestätigt, eine passive Tätgkeit als aktive Wahrnehmung, ein Tun ohne Sinn, das mit den Sinnen etwas tut - damit sie sich eben nicht nur im Kreis bewegen. Die Wahrnehmung selbst wird hierdurch zur Tätigkeit, in welcher das Wahrgehabte genommen wird, um sich selbst zu empfinden. Erleben ist eine Identitätsstiftung der Wahrnehmung durch das darin Wahrgehabte, durch das Gefühl für etwas, das nicht wirklich wahr ist. Es füllt das Getrennte mit Sinn, auch wenn dieser Sinn nicht wirklich besteht.(5)

Wo eine menschliche Welt nicht wahrnehmbar ist, kann Wahrnehmung keine Identität haben. Die Menschen empfinden sich daher auch selbst nichtig. Aber dadurch dass sie dargebotene Gefühle erleben, können sie sich wieder empfinden, indem sie darin wahrnehmen, was sie von sich wahrhaben. Gefühle, die in einer Allgemeinheit erlebt werden, stiften im Erleben Identität, indem dies empfunden wird. In dieser Allgemeinheit wirken Gefühle als ein völlig äußerliches Leben zugleich sehr konkret auf die Empfindungen, welche die Menschen haben: Sie erscheinen darin als ihre eigene Lebensäußerung. Gefühle werden im Erleben zu Trägern allgemein entäußerter Lebensäußerungen.(6)

Der Reiz der Selbstvergegenwärtigung verschwindet nicht einfach, kommt nicht zu einer wirklichen Befriedigung, weil er für sich keinerlei Substanz hat. Aber ein Mensch, der etwas erlebt hat, ist damit dennoch wirklich verändert. Selbst wenn er sich damit nicht sonderlich befasst hat, so hat sich doch sein Sinn hierbei gebildet, nimmt anderes auf, das er zuvor nicht wahrgenommen hätte. In ihm ist zweierlei zusammengekommen: Das Auffassen eines Ereignisses, wie es für ihn ist, und das Wahrhaben dessen, was er für dieses ist. Im Erleben verlangt das Ereignis seine Gegenwart, wie er die Gegenwart von sich durch das Erleben hat. Indem er beides als seine Gegenwärtigkeit erlebt und erzeugt, hat er seine Tätigkeit mit seiner Wahrnehmung verbunden. Er hat "dazu gelernt". Alles Lernen macht eine solche Art der Selbstvergegenwärtigung aus.(7)

Im Erleben verhielt sich die Wahrnehmung zu dem, was sie wahrhatte, was sie im Grunde befähigt hatte, eine Gestalt zu vergegenwärtigen, in der sie sich selbst wahrhatte. Die Menschen erleben sich darin frei von ihrer Beziehung als Lebensgestalt der Wahrnehmung so, wie sich darin zu gegenwärtigen vermögen. Diese Gestalt hat notwendig eine gesellschaftliche Form, denn das Erleben ist nur durch seinen Wechsel. Das eine Erleben bezieht sich nicht auf das andere, sondern nur auf die Wahrnehmung als Körperform, in welcher sie sich ihrer selbst vergewissert. In dem beständigen Wechsel zeigt sie ihr äußerliches Sein, die Abstraktheit ihrer Beziehung, wie einen ausschließlicheh Zweck des Verhaltens. Man vergewisserrt sich seiner als Bestandteil einer Erlebenskultur, indem man auf sich aufmerksam macht als Gegenstand des Erlebens für andere. Gerade das macht den Reiz der Wahrnehmung darin aus. Eine Wahrnehmung erlebt eine andere als Reiz, weil sie darin sich vergegenwärtigt, sich gestaltet fühlt und als Gestalt gesellschaftliche Wirklichkeit findet. Sie ist ein körperlich artikulierter Reiz, entäußertes Tätigsein der Wahrnehmung im Erleben des beständigen Andersseins, des immer wieder neu und anders erscheinenden Gleichen. Im Erleben sind die wahrnehmenden Menschen in Wahrheit beziehungslos und doch wirklich ganz nah beieinander. Sie wirken nicht in ihrer Beziehung aufeinander, sondern bewirken aneinander ihr Wahrnehmen, machen Eindruck durch das, was sie ausdrücken.

Die Gefühle der Menschen wurden jenseits und getrennt von ihren Empfindungen zum bloßen Reiz des Erlebens. Sie haben in den Erlebnissen der Wahrnehmung keinen anderen Sinn als den für ihre Wirkung, die unter der Bestimmung der räumlichen Dichte zu einer eigenen Lebenswelt geworden war. Als Wahrheit verbleibt in der Wahrnehmung nicht, was das Erlebnis begründet, sondern wie verdichtet es für den ist, der davon beeindruckt ist. Von daher haben die Gefühle inzwischen ihren Gegenstand vollständig verloren. Er ist zwar weiterhin die bloße, also abstrakte Grundlage von allem, was sie im Erleben wahr haben, aber er ist für die Wahrnehmung nicht mehr wirklich, sondern nurmehr räumlich wahr. Und auch die Empfindungen haben ihre Gewissheit nur noch in der Wahrnehmung selbst, wissen nur vom Eindruck und was ihn bewegt hat, aber nicht, was ihn bewirkt, was seinen Reiz wirklich ausmacht, was also darin anrührt und bewegt. Das Erleben begründet die Entwicklung der Selbstwahrnehmung, die aus seiner Wahrnehmung als Selbstgewissheit gewonnen wird, aber zugleich alles außer sich lassen muss, was diese wirklich begründet, also alles lassen muss, was grundlegende Wirklichkeit ist.(8) 

Wir hatten bereits gesehen: Im Erleben verdoppelt sich die Wahrnehmung durch die Empfindung von Gefühlen, im Finden des Sinns, den man zugleich in der Wahrnehmung fühlt. Diese Verdopplung macht die Selbstgewissheit überhaupt aus, denn das Gefühl findet sich selbst sinnlich in der Wahrnehmungstätigkeit, welche das Ereignis bewirkt. Man empfindet zwar nur, was man fühlt ohne zu fühlen, was man findet. Aber dieses hat den Reiz, dass die Wahrnehmung auf Menschen zurückkommt, die sich hierbei einfinden, die Identitätslosigkeit ihrer Wahrnehmung abstreifen und sich in dem Erkennen, was sie Erleben und wie sie es erleben. Den Sinn, den ein Mensch für etwas hat, findet er nicht mehr in dem, was er wahrnimmt. Aber er findet in seinen Gefühlen Sinn für alles, was seine Wahrnehmung unter der Anwesenheit von Menschen ausmacht, je nach dem, was ihr gegenwärtig, was anwesend ist. Das verändert die Beziehung von Empfindung und Gefühl im Menschen genauso, wie zwischen dem Menschen selbst.

Empfindungen, die keinen Sinn finden, haben auch nichts im Sinn, was gewiss wäre. Als "freie Empfindungen" heben sich diese in der Abstraktion von ihrem Gegenstand in Gefühlen zwischen Menschen auf und werden dort zur Empfindung von Gefühlen, die sich aus dem Erleben der Gefühle ergeben. Aus den Erlebnissen der Wahrnehmung wird so die Wahrnehmung des Erlebens. Die Empfindungen haben keine wirklichen Gegenstände mehr und haben mit ihrer Gegen-Ständlichkeit jede Gewissheit verloren, die Substanz ihrer Wahrheit. Ihre Ungewissheit macht sie zwar unabhängig, aber in Wirklichkeit auch sinnlos. Sie haben sich selbst nur wahr, ohne wirklich wahrzunehmen. Im Gefühl des Wahrnehmens selbst entsteht der Sinn, den die Eindrücke hinterlassen, der Sinn, der nur in der Form von Selbstwahrnehmungen existieren kann. Darin bestehen die Empfindungen nurmehr als Gefühle für sich, als Eindrücke, die sich in dieser Dopplung zu einem Reiz verdichten, der die Wahrnehmung in ihrer Selbstgewissheit nun gleichgültig gegen das Wahrgenommene bestimmt. Was immer die einzelnen Erlebnisse sind, allgemein dienen sie nurmehr der Selbstvergewisserung, welche alle Nöte der Erkenntnis, aber auch ihre Grundlagen selbst auflöst. Völlig gegenstandslos wird die Wahrnehmung im Erleben zu einem Reiz für sich. Es reizt sie, was noch nicht war, was Abwechslung bringt, in dem, was sie wahrhat. Das hat sich zwar nicht geändert, aber es wechselt im Erleben beständig seine Form, wird mal als bloße Empfindung empfunden, als Gefühl gefühlt, aber immer zur Selbstwahrnehmung als etwas gebracht, was diese bewegt. Gleich, was sie wirklich wahrhat, in jedem Fall hat sie ihre Gefühle wahr. Und auf das reduziert sich ihr ganzes Erkenntnisvermügen

Der Reiz der Wahrnehmung hat allein im Erleben selbst einen Sinn, denn er ist als doppelte Wahrnehmung Empfindung als Gefühl, gefühlte Empfindung, wirkliche Abstraktion der Wahrnehmung, welche sie nicht mehr sein lassen kann, was sie dem Inhalt nach wäre, sondern sie in ihrer Form selbst wahrhat. Eine Wahrnehmung, die durch sich selbst als Erlebnis die Menschen anreizt, wirkt auf sie objektiv. Sie hat einen Standpunkt, als wäre das wahrnehmende Subjekt objektiv gereizt. Und damit nimmt sich das wahrnehmende Subjekt selbst objektiv wahrnehmend wahr. Durch die Reize der Wahrnehmung wird diese in Wirklichkeit zu einer Selbstwahrnehmung: Ich nehme wahr, was mich reizt, und das ist zugleich das, was ich von mir wahr habe. Wahrnehmung wird somit selbst zur Wahrheit, mit sich identisch, zu einer selbstveständlichen Wahrheit des Empfinden und Fühlens. Die verdichtete Wahrnehmung ist Selbstwahrnehmung, die ihre eigene Organik objektiv erlebt. Das Erleben wird zur Grundlage und Wirklichkeit des Selbstgefühls, zu seinem Event, der keine andere Wahheit hat, als sich selbst.

Hierauf bildet sich eine Erlebenswelt, in welcher die Menschen Empfindungen nicht mehr als solche haben, sondern sich in diesen selbst wahr fühlen. Wahrheit ist dann das Gefühl seiner selbst. Die Menschen fühlen, was sie in dieser Welt empfinden - und das allein macht ihre Beziehung zu einander aus. Erleben ist alles, was diese Wahrnehmung ausfüllt, dazwischen herrscht die leere Zeit als Zeit der Leere, als Langeweile.(9) 

Doch die Erlebenswelt ist eine Welt voller Tücken für die Wahrnehmung und für die Menschen, die darin in Beziehung treten. Leben bleibt Leben und Wahrnehmung bleibt Wahrnehmung, aber im Erleben geht beides in dessen Reizen objektiv auf: Darin ist die Lebenswahrnehmung als Selbstwahrnehmung. Im Reiz des Erlebens verkehrt das Selbstgefühl sein Lebensverhältnis: Es fühlt, was es außer sich ist, wenn es außer sich ist. Seine Erkenntnis entwickelt sich nicht lebendig aus seiner Wahrnehmung heraus, sondern bezieht sich selbst auf Leben, wie es außer sich ist. Zwar wird auch im Erleben gelebt und erkannt, aber Leben und Erkenntnis werden darin zu bloßen und selbständigen Lebensmomenten, isoliert und zerteilt, von ihrer Subjektivitüt abgelöst, in ihren Reizen aufgelöst. Im Erleben erscheint beides objektiv. Die Menschen geraten hierin zu dessen bloßem Stoff.

Nun finden die Menschen nurmehr in den Gefühlen ihres Erlebens, was ihre Beziehung wahrnehmbar macht und es werden somit die Empfindungen selbst zu Gefühlen ihrer Lebensmomente im Prozess ihres Erlebens. Menschen finden sich in anderen Menschen, weil in ihrem Erleben dort sich mit sich selbst identifizieren künnen, weil sie dort sich selbst verspüren, einen Sinn für sich so finden, wie ihnen die Reize des Erlebens Sinn machen - nümlich Sinn für sich, der vermittelst der Gefühle der anderen erzeugt wird.

Das Erleben ist somit ein Austauschprozess der Sinne. Sinn hat für einen Menschen das, was er einem anderen bedeutet, und was er sich bedeutet, ist er durch andere. Wie er duch sie bewegt ist, so ist auch seine Selbstwahrnehmung. Alleine dieser Anreiz zühlt. Die die Wahrnehmungen gleichen im Erleben ihre Sinne an, werden damit sich selbst gleich und damit gleichgültig gegen jeden konkreten Sinn ist, der jetzt lediglich nur noch das enthült, worin sich die Sinne nicht wirklich beziehen, sondern sich in ihrer Angleichung verdichten. Im Reiz ist die Wahrnehmung auüer sich. Dieser ist zwar eine Sinnesform, eine Erregung, die durch Sinne angestoüen ist, die für das Erleben Sinn machen. Aber gereizt sind sie nur Sinn für sich, als Sinn von sich zugleich Sinn für andere, indem sich diese als anreizend erweisen. Dem Inhalt nach ist das eine gleichgültige Empfindung, in welcher keine Gewissheit, dafür aber der Sinn der Gefühle als Inhalt jeder zwischenmenschlichen Beziehung gefunden wird.

Von daher besteht im Reiz des Erlebens eine hintergründige Form des Lebens, worin dessen Momenthaftigkeit sich allgemein bewährt: In der verdichteten Wahrnehmung, in ihrer Ästhetik, in der Form, worin sich Gefühle vermitteln. Der abstrakte Sinn ist daher in seiner Verdichtung im Reiz allgemeiner als jede wirkliche Beziehung. Er enthält ja deren unwirkliche Form, ihre Allgemeinheit, worin sich trifft, was darin Sinn findet. In der abstrakten Allgemeinheit vieler Wahrnehmungen, die sich darin verdichten, verlieren die Gefühle ihre Empfindungen, streifen ab, was sie wirklich sind und werden zum Gefühlsausdruck einer verdichteten Sinnlichkeit, also Sinnesreize, der sich nur in den zwischenmenschlichen Beziehungen durch Erlebnisse ergeben, worin Menschen sich Sinn machen, indem sie ihre Sinne tauschen. Und weil die Sinne auf diese Weise verdichtet - wenn auch unwirklich -sind, so wirken sie auf die ganze Wahrnehmung, indem sie Eindruck machen.(10)

Was sich in der Selbstwahrnehmung vom Leben der Menschen ausdrückt und worin ihre Erlebnisse beeindrucken, das reizt und erweckt immer Sinne, auch wenn solches Erleben selbst nicht unbedingt Sinn hat. Sinn hat es vor allem dadurch, dass es Sinn reflektiert und erweckt, dass Menschen in ihrer Wahrnehmung sinnlich tütig werden, auch wenn sie hierbei nur die Tätigkeit ihrer Sinne selbst zum Gegenstand haben, sich wahr nehmen, wie sie wahrnehmend tütig sind.

In der Wahrnehmungstätigkeit sind sie selbst rein körperlich vorhanden, im Sinn körperlich so tätig, wie sie darin auch wirklich wahr sind. Füreinander sind sie reine körperliche Gestalt in einem körperbestimmten Raum, den ihre bloße Anwesenheit ausmacht und ausfüllt. Das macht ihre einzige und ausschließliche Wahrheit aus. Sie sind, als was sie sich erscheinen. Sie erleben sich so eindringlich, wie sie darin ihr Leben als Lebendigkeit ihrer Sinne auch ausdrücken können - eben so ausdrücken, wie sie darin Körper sind und als solcher anreizen. Dies ist ausschließlich in der Dichte ihres Erlebens bestimmt, also in dem gleich bestimmt, was sie füreinander in ihrem Reiz des Erlebens fühlen. Sie gewinnen sich in ihren Gefühlen, indem ihre Wahrnehmung für ihre Wirklichkeit gleichgültig wird. Und sie haben darin ihre Gleichgültigkeit als Selbsterleben wahr. Sie erleben sich in und durch die Gleichgültigkeit gegen anderes je nach Eindruck, den sie aufeinander machen, und sie haben nur sich selbst im Unterschied hierzu und durch ihre Anwesenheit, durch die Gegenwart der Ausdrücklichkeit ihres Lebens wahr.(11)

In der Reflexion ihrer Gegenstandslosigkeit werden Empfindungen sinnlos und daher selbst zu Gefühlen, wenn sie den Sinn ihrer Beziehung darin finden, dass es Gefühle gibt, die ihnen einen eigenen Wert verschaffen: Selbstwert. Im hierauf gegründeten Selbstgefühl sieht die Empfindung von ihrer Wahrheit ab, also davon, dass sie nur findet, was sie sucht, worauf sie also bezogen ist; im Gefühl findet sie sich ein, bevor sie suchen kann. Hierdurch entsteht eine Absicht der Wahrnehmung, sich als Gegenstand von Gefühlen wahrzumachen und darin ihre Güte, den Inbegriff eigener Lebenswerte, zu entdecken. Hierin bildet ihr Selbstgefühl seinen Selbstwert aus.

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112.1 Der Reiz des Wahrhabens oder die Ästhetik des Erlebens

="grundschrift">Natürlich gibt es kein Erleben ohne Körper. Doch hier geht es darum, dass der Körper selbst zur ausschließlichen Erlebensform wird, dass jedes Gefühl davon abhängig ist, was erlebt wird und was erlebt wurde. Nur was die Wahrnehmung auch wirklich reizt, kann Erleben sein. An sich ist es der Reiz des Erlebens, der die Wahrnehmung - die Gefühle und Empfindungen - in der Getrenntheit von ihrem Gegenstand zusammenhält. Was die Sinne darin wahrhaben, was sie erleben, macht sie unmittelbar und enthebt sie zugleich ihrer Unmittelbarkeit, indem das Leben im Erleben selbst vermittelt ist. Im Erleben sind sie nicht mehr unmittelbar wirklich, aber sie erfahren Wirklichkeit als Lebensverhältnis, als Objektivtät des Erlebens. Im Erleben vermitteln sich einzelne Menschen in einem allgemeinen Verhältnis, worin sie sich ausdrücken und zugleich nur als Ausdruck wahrgenommen werden, als Ereignis, das auf eine bestimmten Weise - nämlich ästhetisch - beeindruckt. Menschen dienen jetzt dem Ereignis als Stoff der Wahrnehmung, sind sich selbst objektiv geworden. Das macht ihren Reiz aus, der ihrem Erleben eine eigenartige Ästhetik verleiht.

Ihr Leben vermittelt sich ihnen wirklich, aber eben auch nur als gegebene Wirkung, als eine objektive Welt, worin sie leben, weil sie darin alle ihre Erlebnisse haben, sich allgemein so erleben, wie sie sich leiden können. Das ist für jeden Erhebung wie Niedergang in einem. Als Subjekt erzeugt er seine Erlebenswelt durch die Wahrnehmung von dem, was er wahr hat, als Objekt hat er seine Nichtigkeit darin wahr, dass er wahrnehmen muss, was er ist. Das Leben der Menschen ist im Erleben so wirklich wie bedingt zugleich. Der Trost ihrer Verhältnisse ist das Wahrhaben von Leben, das ohne dies nicht wirklich wahr sein kann. Es ist allerdings auch die Affirmation einer entschwunden Wahrheit, in die es eingetreten ist, indem es sie zum Erlebnis macht, in welchem die Lebensreize zumindest ästhetisch gegenwärtig sind. Aber die Wahrnehmung wird hierbei zur einer vergangenen Wahrheit. Der Anreiz des Erlebens macht alles lebendig, was vom wirklichen Leben ausgeschlossen ist, indem die Beziehung der Menschen darin wahrgehabt wird, wie sie sich zum Erlebnis machen. Ihre Selbstwahrnehmung wird befördert zu den Sphären einer überhöhten Innerlichkeit; für sich selbst sind sie lediglich der schale Rest ihrer körperlichen Reize, die im Erleben versprechen, was sie im Leben niemals halten können. Darin wird Wahrnehmung so verdichtet, bis sie reizvoll ist.

Ästhetisch sind Reize nicht durch sich, sondern nur dadurch, dass sie Wahrnehmung reizvoll machen, mal schön, mal nicht, immer aber besonders. Wie immer sie sich auch für sich selbst begründen mögen, in der Selbstwarhrnehmung ihrer Erlebenswelt sind sie die geschundenen Götter ihrer selbst. In der Form ihrer Wahrnehmung, in ihrer Ästhetik, wird das Leben eben auch der Form nach wirklich wahr, ohne dass es lebendigen Inhalt haben muss.

Ihr Reiz ist der ästhetische Sinn, der die Wahrnehmung verdichtet, der vereint, was in der wirklichen Beziehung auf ihren Gegenstand gleichgültig ist. Was in Wirklichkeit die Abstraktheit ihres Sinnes offenbahrt, wird so zur Erscheinung einer verdichteten Wahrheit, einer wirklich unerreichbaren Wahrheit, in welcher alles in sich einig scheint, was in Wirklichkeit nur gegensinnig ist. Ein rein ästhetisches Wesen reizt die Wahrnehmung dazu, sich selbst wesentlich zu fühlen, derweil sie eine unwesentliche, eine wesenlose Sinnlichkleit wahrhat. Die Abstraktion macht alle Gegenstünde eben darin gleich, dass und ob sie reizvoll sind, indem sie eine Beziehung suggerieren, die es nicht wirklich gibt, die aber ihre Wirkung aus dem Anschein einer Wahrheit entnimmt, die ein Mensch für sich, für seine Identitüt darin findet. Diese bezieht ihre Kraft aus der damit gewonnenen Unmittelbarkeit eines wesentlich scheinenden Menschseins, das seine Vermittlung nicht mehr erkennen muss, weil sie unmittelbar reizend ist. Was reizt scheint immer menschlich zu sein - und was sonst kann es für eine Wahrnehmung geben, die ihre Entfremdung nicht mehr erkennt?

Im Reiz des Ästhetischen steckt die Besonderheit seiner Form ebenso, wie darin die allgemeine Wahrheit ihrer Gleichgültigkeit gegen ihren Gegenstand am Wirken ist. Es ist ein Interesse der besonderen Art, die der Reiz erzeugt, ein Interesse, das keine andere Wirklichkeit sucht, als die Verschmelzung des wahrnehmenden Menschen mit einem Gegenstand, der ihm dadurch wesentlich wahr wird, dass er ihm Sinn vermittelt, wo er keinen Sinn hat. Das unmittelbar scheinende Vermittelte versetzt die Wahrnehmung selbst in eine wesentliche Identität ohne Gegenwart, die im Gegenwärtigen aber Unmittelkeit findet. Was reizt, ist die Eitelkeit des Augenblicks, der von einem tiefen Wesen zeugen will, das sich darin bewahrheitet, dass es nicht wirklich sein kann, dass es also wesentlicher als die Wirklichkeit ist.(12)

Der Reiz ist nicht nur eine Verdichtung der Wahrnehmung im Erleben; er ist selbst die Form ihrer Dichte, wie sie in der Selbstwahrnehmung besteht. War der Anreiz der Wahrnehmung noch Sinn stiftend, so wird dieser im Selbstgefühl zu einer bloßen Sinnesregung, die sich als Erregung fortträgt. Das Gefühl findet in den Reizen der Wahrnehmung nicht nur Sinn für sich, sondern Sinn an sich, also einen Sinn, welcher Sinnlichkeit auf sich zurückbringt - wenn auch in seiner Form isoliert und selbständig, also in Wirklichkeit unabhängig von dem was reizt. Was reizt, ist gerade die Isolation eines Gefühls, welches durch seine Selbständigkeit, durch seine Ausgeschlossenheit und Ausschließlichkeit eine Wirkung für sich und durch sich hat. Ästhetik ist nichts anderes, als die Isolation von Schönheit, die Abstraktion von tätigem Sinn, wie sie als Bedürfnis für sich geworden ist, Bedürfnis ohne jede Gegenständlichkeit. Die Isolation lebendiger Eindrücke zum Reiz der Wahrnehmung kann aber nur dadurch sich vollziehen, dass es Leben zunächst auch als Gegenstand der Wahrnehmung gibt, dass gelebt wurde, wo die Wahrnehmung reizvoll wird. So wird dessen Schönheit zum Glanz vergangenen Lebens, welches jeden Sinn anspricht, alle Sinne reizt.(13)

Reizvoll ist nicht ein Reiz, der Bedürfnisse weckt oder erzeugt, der eine menschliche Beziehung auslösen würde, sondern der Reiz des Selbsterlebens, der Reiz einer Form oder eines Mediums, das dieses auslöst. So abstrakt ein solcher Reiz ist, so lebendig wirkt er doch, denn er versetzt die abstrakten Sinne in Bewegung, weil sie darin Sinn für ihr Leben finden. Ein Reiz erweckt ein Leben der Wahrnehmung, wo kein Leben mehr ist, das sie wahrhat. Er verschafft im Selbsterleben eine Identität, die es im wirklichen Leben nicht mehr gibt. Das innere Verhältnis der Wahrnehmung zeigt sich jetzt als ein äußeres, als die eigene Wirklichkeit der Selbstwahrnehmung. Nicht was reizt, macht sie wirklich an, sondern was ihren Mangel ausfüllt, was eine Identität des Augenblicks verspricht, ein Anderssein ohne wirkliche Beziehung auf einen Gegenstand der Wahrnehmung, also auch ohne gegenständliche Wirkung.(14)

Im Reiz wird die Wahrnehmung selbst wirksam und also zu einer eigenen Wirklichkeit, die zwar die existenzielle Wirklichkeit von Bedürfnissen und Arbeit voraussetzt, die aber für sich ganz hiervon getrennt ist. Die Wahrnehmung verliert darin die Spur der Sache, wird nun ganz Sinn und hat auch nur noch den Sinn, der in ihr selbst tätig ist. Alle ihr vorausgesetzten Beziehungen hat sie in ihrer Sinnestätigkeit wahr, ohne dass hieraus sich irgendeine wirkliche Wahrheit für die Menschen ergeben würde. In ihnen wirkt, was wahr ist, aber nicht wirklich.(15)

Die Anreize der Wahrnehmung werden zu eigenen Erlebenswelten, zur Bestimmung einer Wahrnehmung, die sich in der Selbstwahrnehmung aufhebt. Sie ist in zweifacher Hinsicht gereizt: beeindruckt von etwas, das sie bewegt, und sie ist die Bewegung selbst, in welcher das Bewegende der Wahrnehmung untergeht. Ob ein Reiz Freude oder ürger oder Lust oder Furcht bewirkt, das macht in der Selbstwahrnehmung die Wahrnehmung aus, die Gefühle, in denen sie wahrhat, was sie wahrnimmt. Aber in den Selbstgefühlen, die dabei entstehen, ist nicht mehr das Wahrgehabte der gegenstündlichen Welt tragend, sondern deren Gefühle als Lebensform für sich. Es entsteht in der Selbstwahrnehmung eine Ausschließlichkeit des Wahrnehmens, ein ausdrücklicher Eindruck, eine Absehung von ihrer Wirklichkeit, die allgemeiner wirkt, als jede Wirklichkeit im einzelnen überhaupt sein kann.

Was der Wert für die Kritik der politischen ükonomie, das ist der Reiz für die Kritik der politischen Kultur: Der Begriff, der ihre Entfaltung der Form nach bestimmt, der Begriff ihrer Formbestimmung, worauf im Prinzip alles reduziert wird, was in der Kultur entsteht. Es ist der Begriff einer Reduktion des kulturellen Lebens, der alles, was die Menschen in ihrem Leben schon in der bürgerlichen Kultur weiterbringt, der Reichtum ihrer Kommunikationsmittel und ihres Wissens, Fühlens und Denkens, nur in dem vergesellschaftet und auf das reduziert, was dem Reiz dient, was über die Widersprüche der gesellschaftlichen Wirklichkeit hinwegtrügt und sich schlieülich so ereignen wird, dass deren Identitütslosigkeit selbst zum Gegenstand des Genusses wird.

Der Reiz macht die reale Abstraktion, welche die Verhültnisse der Wahrnehmung antreibt. Er ist selbst der Trieb, der alle Erkenntnisse, die sie in sich tragen, nicht wahr werden lässt. Er formalisiert sie im Maüstab ihres Anreizes im Erleben. Sie werden sowohl zur Form der Wahrnehmung, wie auch zu ihrer Substanz als Prinzip einer leeren Verdichtung, in welcher die Wahrnehmungen zusammenkommen und einen Ausdruck für sich finden. Darin gelten die Momente der Wahrnehmung vereint, wird der Eindruck der Empfindung zum Ausdruck des Gefühls. Diese Form ist jetzt für sich anzusehen.

 

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112.2 Der Eindruck des Anreizes

Eindruck macht nicht, was der bloßen Wahrnehmung entspringt. Wahrnehmungen können zu gewaltigen Erkenntnissen führen, wenn sie als Form der Wahrheit erkannt werden, als ästhetische Form, die auch in sich richtig gedacht werden kann, wenn in ihr der Zusammenhang erkannt wird, der über dies als selbständiger Inhalt wahr geworden ist und hierdurch auch über das hinausgreift, was ihre Lebensform ausmacht. Es wird hierbei der einfache Inhalt einer Form erkannt, der in dieser eine eigene Wirkung hat, als Formbestimmung wahr gehabt wird. Die Erkenntnis dieser Bestimmung selbst ist unmittelbar nicht mehr möglich, weil sie nur in der Vermittlung, in den Mitteln der Beziehungen wirklich ist. Erkenntnis wird auf diese Weise selbst in diese Vermittlung einbezogen, muss sich abstoßen von Formen, die sie bestimmen und zugleich Form haben, die sie erzeugt. Solche Erkenntnis ist daher zwangsläufig zwiespältig, Zweifel in der Beziehungsform der Wahrnehmungen, welche reizvoll sind. Diese heben sich darin auf, dass sie sich über die Eindrücke erheben und zu selbständigen Erkenntnissen werden.

Das sind Erkenntnisse, die nicht irgendeinen Sinn haben, sondern Sinn bilden. Und dies allein ist die Tätigkeit der Erkenntnis. Diese können Menschen begeistern und forttragen, sie in Welten der Fantasie oder eines Gedankens fortführen oder ganze Wissenschaften weiterbringen. Aber sie machen keinen sonderlichen Eindruck, weil sie nicht wirklich erlebt werden können, weil sie in dem Geist selbst bleiben, worin sie entstanden waren, also begeistern, ohne Eindruck zu machen. Eindruck macht nur, was im Erleben selbst als Reiz entsteht.

Eine reizvolle Empfindung entnimmt dem Erleben einen Sinn, worin sich keine sinnliche Beziehung formuliert, sondern ein Sinn der Wahrnehmung selbst, ihre allgemeine Gewissheit im verdichteten Erleben, im Sein durch anderes, das den Sinn einer Dichtung hervorbringt. Darin wirken die Sinnesbezüge selbst sinnlich. Ihre Form erscheint sich selbst als Inhalt. Wie im Traum vermitteln sich ihre Eindrücke zu einem Selbstgefühl, in welchem ihre Eindrücklichkeit Sinn erfährt. Ihre Ästhetik gleicht einem Wesen, worin sich Menschen wahrhaben, eine Vorform der Seele. Deren Geburt lässt noch auf sich warten, weil ihr Traum selbst noch wirklich wahr, eindrücklich und reizvoll ist.(16) 

Was beeindruckt, das hat für die Wahrnehmung Sinn, weil sie selbst keinen Sinn mehr für etwas hat und daher auch keinen Sinn ihrer Beziehung hierzu findet. Es hat Sinn, weil es ihr Sinn macht, Sinn des Erlebens ist, den jeder spürt, soweit er sich hierauf bezieht.

Einen Eindruck macht die Form, worin etwas erlebt wird. Etwas macht Eindruck, wenn es Sinn erweckt, den es ohne dies nicht hat. Aber ohne dies hat die Wahrnehmung keinen Reiz, der zu solcher Erweckung fähig wäre. Die ihr selbst äußerliche Wahrnehmung verschafft den Eindruck, der sie reizt. Sie reizt den Sinn, der in ihr nicht wirklich wahr ist und daher als unwirkliches Wesen wirkt, das in seiner Wirkung Wahrheit hat. Es ist der Sinn für eine Wahrheit, die nicht wirklich wahrnehmbar ist, dessen Wirkung auf die Wahrnehmung aber niemand leugnen kann. Sie findet im ästhetischen eine wirkliche Identitüt, in welcher ein Mensch sich in seiner Wahrnehmung wirklich wahr hat, die Wahrheit hat, die seine Wahrnehmung ausmacht. Seine Wahrnehmung erscheint ihm darin vollkommen.

Kein Gegenstand der Wahrnehmung, sondern die Wahrnehmungstätigkeit selbst ist im Eindruck, den etwas macht, reflektiert: Das, was hinter ihr steht, was sie begründet, was sie so sein lüsst, wie sie ist und nicht anders sein lüsst, wie sie sein künnte, ist nichts anderes als verdichtete Wahrnemung selbst in der Gleichgültigkeit ihres Gegenstands. In Wahrheit drüngt ästhetische Wahrnehmung ihren Grund aus ihr selbst hervor: Einen Sinn, der nirgendwo wirklich ist, der aber deshalb wahr ist, wel er die Wahrnehmung wesentlich erscheinen lassen kann. Im Grunde erkennt die Wahrnehmung in ihrer ästhetik ihren Mangel.

Doch diesen überwindet sie auch für sich selbst, in dem sie sich zu sich selbst verhült, selbsttütig wird. Wo sie noch zur Erkenntnis ihres Mangels gelangen künnte, kehrt sie diesen um, indem sie ihn zum Inhalt des Erlebens macht. Duch dessen Verdichtung, durch die Aufhäufung von Sinneseindrücken, schafft sie ihre ästhetische Gestalt, durch welche sie sich ausdrückt und ausdrücklich wird. Die Art und Weise des Wahrnehmens wird damit zum Ausdruck ihrer Formbestimmung. So wie sie wahrnimmmt, so macht sie nun ausdrücklich Sinn. Es richtet sich ihr Eindruck relativ zu dem aus, was beeindrucken soll. Eindruck macht, was Druck auf die Wahrnehmung macht, was Dichte für sie hat. Nicht Zeit, Erregung oder Triebhaftigkeit macht Eindruck, sondern die dichte Sinnlichkeit des Wahrnehmens, das nahe geht, gleich worum es dabei geht.

Eindruck weckt eine Empfindung, die im Erleben immer Sinn findet, gleich, was darin Sinn macht. So kann dieser Eindruck in seiner Gleichgültigkeit gegen wirkliche Sinnlichkeit auch vorweggenommen werden, um ihren ästhetischen Mangel zu beheben. Er wird nun selbst ausdrücklich ästhetisch. Die Empfindung wird zur Körperform einer verdichteten Wahrnehmung, zum Lebensausdruck in einem Selbstgefühl des Erlebens. Die Wahrnehmung wird zu einer Lebenstätigkeit, die in ihrer Lebensgestalt gefunden wird, in der Art und Weise ihres Tütigseins, ihres Empfindens und Fühlens, gleich welchen wirklichen Sinn sie hat. Sie selbst macht Eindruck als sinnliche Wirklichkeit des Wahrnehmens.

In der Aufhebung der ästhetischen Wahrnehmung wird die Wahrnehmung nun ausdrückliche Tätigkeit eines Selbstgefühls, das von ihr beeindruckt ist. Diese bildet sich zu der ästhetik aus, worin sich der Ausschluss ihrer Wahrheit vollendet. Es ist die Grundform jeder ausschließlichen ästhetik, in welcher nur noch wahr gilt, was dem Selbstgefühl der abstrakt gewordenen Wahrnehmung entspricht und das unwahr gilt, das auf sie unästhetisch wirkt.

Wahrnehmung wird zu ihrem Gegenteil: Zum bloßen Selbstgefühl des ästhetischen. Doch dieses ist bisher nur in einer einzelnen und zufülligen Form, worein die Wahrnehmung geraten ist, die keine Wahrheit findet. Sie findet nur den Sinn, den sie selbst schon hat, bevor sie sich verhült. Man künnte auch sagen: Ihr Sinn verhält sich tautologisch, begründet sich aus dem, was er für sich schon ist. Als dieser zeigt er unmittelbar seine Leere, seinen Unsinn. Er kann nur Sinn sein, indem er Sinn macht, indem er etwas ausdrückt, das vielsinnig ist. Kein Eindruck kann daher auf Dauer bei sich bleiben, ohne sich zu irgendeinem Ausdruck zu entwickeln, an dem er erst wirklich seinen Sinn gestaltet, sich erst wirklich zu dem verdichtet, was Sinn macht. Dieser besteht allein darin, etwas zu versinnlichen, etwas sinnlich auszudrücken, was für sich sinnlos wäre. Darin drückt sich schließlich ein Reiz aus, der alles, was reizt, zu verkörpern versteht, der als Körper des Anreizes auf die Welt kommt, als Ausdruck einer ästhetischen Wahrnehmung. Darin verliert der Eindruck seine Zufülligkeit und nimmt seine wirkliche und allgemeine Gestalt an.

 

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112.3 Der Ausdruck der ästhetischen Wahrnehmung

Die Wahrnehmung ist zu einer Form der Erkenntnis geworden, die ausschließlich durch Reiz bestimmt ist. Nur was reizt, lüsst aufmerken, was reizlos ist, bleibt der Erkenntnis verschlossen. Deren Form ist nun also doppelt bestimmt, einmal durch die zum Reiz verdichtete Empfindung, und zugleich durch den Reiz, den das Gefühl wahrhat, indem es etwas wahrnimmt, indem es seine Gestalt in der Empfindung so findet, wie sie sich fühlt. Im Reiz selbst besteht die Wahrnehmung in allem gemein als Form des Erlebens, als Sinn, der seine Form zugleich ästhetisch im Sinn hat. Was reizt, ist eben gerade die Verdichtung dessen, was zur Allgemeinform des Erlebens geworden war und was in seiner Eindruckskraft nur deshalb eine über die Wahrnehmung gesteigerte Wirkung hat, weil darin ihre Dichte als Formbestimmung so allgemein wirkt, wie sie auch im Besonderen wahrgehabt wird. Die Wahrnehmung ist sich selbst gegenüber mächtig, sinnlich über die Maßen gestaltet und so verdichtet, dass sie sich selbst reizt und sich somit selbst zur Gestalt ihrer Tätigkeit wird. Diese treibt ihren abstrakten Zusammenhang nach Maßgabe der vielen Eindrücke, die sie hat, und findet ein hierin bestimmtes Zusammensein in der Ästhetik ihrer Form, im Reiz des Guten und Schönen. Aus dem Erleben reizvoller Wahrnehmungen, welche in der Empfindung ganz einzeln reizend waren, ergibt sich daher ein Gefühl, dass Empfindungen überhaupt reizvoll sind, die im Erleben entstehen. In diesem Gefühl wird Erleben selbst und überhaupt reizvoll. Es wird zum Gefühl eines Reizes, den alles Erleben hat, den es umgibt und umzaubert. Man fühlt Leben im Reiz des Erlebens, also das Sinnlichsein seiner selbst im Erleben mit anderen. Man lebt in einer Welt voller Eindrücke, die Sinn machen, sofern sie wesentlich scheinen, sofern sie also ästhetisch sind. Sie haben damit einen Sinn, der von allem absieht, was diesen Schein durchbrechen kann. Es ist der Sinn eines abstrakten Wesens, in welchem Wirklichkeit unwesentlich wahrgenommen wird und Wahrnehmung ausschließliche Wirkung hat.(17) 

Aber was im einzelnen zufälliger Eindruck ist, in welchem sich Wahrnehmung wesentlich findet, drückt allgemein eine ausschließliche Wahrnehmung aus, eine Wahrnehmung, die sich selbst darin bestimmt, was ihr wesentlich ist und alles außer sich sein lässt, was ihr unwesentlich erscheint, ihrem Selbstwert nicht dienlich ist. Es ist die Bestimmung von Wahrheit durch die Warnehmung, wodurch diese selbst zu einer Wesenstätigkeit eigener Wertbildung wird, die nicht mehr wahr sein kann, weil sie Wahrheit bestimmt, weil sie also Bestimmungen betreibt, die austreiben, was der eigenen Wesenhaftigkeit, der Ästhetik der Selbstwahrnehmung zuwider ist.(18) 

Die Ästhetik der Selbstwahrnehmung besteht aus der Ausschließlichkeit des Anreizes, den Wahrnehmung nicht nur erfährt, sondern jetzt allgemein auch selbst ausdrückt. Ästhetische Wahrnehmung ist der Ausdruck eines verdichteten Reizes, den die Wahrnehmung für sich ästhetisch aus der Wirklichkeit herausnimmt und selbst zu ihrer Ästhetik macht, zum Maß des Ausschließlichen. Indem sie sich hierin selbst vergegenständlicht, äußert sie ihre Ästhetik in der Ausschließlichkeit ihres Gegenstands, der nun nichts anderes ist, als der allgemeine Reiz, den sie für sich selbst wahrhat. Sie ist gereizt, wenn ihr etwas ästhetisch mißfällt, und angereizt, wenn es ihr gefällt. Das ist nicht zufällig und willkürlich. Es entsteht aus dem, was ihr in den vielen Eindrücken, die auf sie wirken, eine allgemeine Identität verschafft. Es ist das Selbstgefühl, das sie darin erwirbt, dass sie ästhetisch weiß, was ihr zu einer Identität verhilft, die sie bei all den reizvollen Eindrücken ausschließlich und für sich, also an und für sich wahr sein lässt.(19)

In der Wahrnehmungstätigkeit drückt sich ästhetisch eine Selbstüberhebung der Selbstwertigkeit aus, die das eigene Gefühl übermannt, die davon absieht, was es wahr hat und in solcher Absehung zu einer mächtigen Allgemeinheit, zu einer Allmacht der Wahrnehmung wird, die Zwecke der Selbstbedeutung und auch der Selbstausdeutung verfolgt. Deren Absicht ist es, in jeder Wahrnehmung das für wahr zu nehmen, das Wahrnehmungsidentität stiftet, ein Gefühl über allen wirklichen Gefühlen, das vor allem darauf gründet, jede eigene Zwiespältigkeit zu überwältigen. Alles, was ein Mensch darin verfolgt, allem Sinn, dem er darin nachgeht, ihn aufgreift oder ihm nachhängt, formuliert seine Absichten, zu einer Identität mit sich zu kommen, gleich, wie gegensinnig seine Wahrnehmungen und Erlebnisse sind. Was er in diesen an Verlust von eigener Wahrheit erfährt, gewinnte er im Ausdruck seiner Selbstwertigkeit für sich zurück. Er muss alleine einen Ausdruck für sich gewinnen, alles dem unterwerfen, was, auch wenn es für sich dem nicht entspricht, in der Verdichtung der Wahrnehmung entsprechend so zusammengebracht wird, dass er sich darin ausdrücken kann. Erst indem er auf diesen Ausdruck seiner selbst zurückkommt, bekommt er eine Identität, in welcher er sich selbst identisch erscheint. Es ist die Ästhetik seines Ausdrucks, in welchem er endlich die Sicherheit für sich in einer reinen Wahrnehmungswelt erfährt: Die endgültige Entäußerung seiner Wahrheit. Darin findet er sein Selbstgefühl als die Gefühlichkeit seines Selbstwertes.(20)

Es hat sich nun gezeigt, dass sich Selbstgefühl durch ästhetisches Erleben bildet und letztlich ästhetisches Selbsterleben ist. Es entsteht im einzelnen Menschen in seinem Lebensraum oder auch in einer Gruppe und sogar in einer Masse von Menschen innerhalb des Raums, der ihr Leben umgrenzt. Im Lebensausdruck eines Menschen zeigt sich sein Lebenszusammenhang als Resultat seiner Absichten, in einer Menschengruppe ihre Lebensgemeinschaft, in einer Menschenmasse die Massenwirkung ihrer versammelten Gefühlswelten. Ganz allgemein drücken sich die Gefühle darin aus, die Menschen durch sich selbst haben, durch das, was in ihren Selbstgefühlen allgemein, abstrakt und also ästhetisch in ihren Verhältnissen zur Wirkung kommt und für sie zu einer Wirklichkeit wird, worin sie sich wirklich als das fühlen, was sie erleben und worin sie für sich das sind, was ihnen unter anderen Menschen Selbstwert verschafft. Es ist die allgemeine Form ihrer Wahrnehmung, die sich als ästhetische Form für ihr Selbstgefühl ergibt und diese bildet, wie sie sich selbst auch darin ausdrückt, ästhetische Form des Selbstwerts für sich.

Zugleich ist dies nicht nur Resultat, sondern auch die Grundlage des Erlebens überhaupt, der sinnliche Stoff, worin zwischenmenschliche Begegnungen sich ereignen, wo sich Menschen so einbringen, dass sie durch ihren Lebensausdruck beeindrucken und damit in Beziehung setzen. Eine ausdrückliche Beziehung verschafft immer Eindruck. Und es ist letztlich dies, was jedes Erlebnis zum Selbsterleben führt, zu einer Produktion von Selbstgefühl als Selbstgefühl, welches zur einzelnen Daseinsform des Selbstwerts wird. Die räumliche Dimension des Lebensverhältnisses der Selbstgefühle bekommt dadurch eine ästhetische Bestimmung, eine Verdichtung von Wirklichkeit, die sich von anderer Kultur als eigene Kultur abgrenzt. Unter dieser Bestimmung entwickelt sich das Selbstgefühl erst wirklich in der vollständigen Bestimmung der Selbstwertigkeit, dem alle Lebensausdrücke folgen, in welchen sie Eindruck auf den Selbstwert machen, den sie ausdrücken sollen.

Wahrnehmungsidentitüt verschafft alles, was der Selbstwahrnehmung als Erlebnis gut tut: Stimmung. Das macht die Absicht der Gefühle aus. Sie entheben sich daher ihrem Erkenntnisvermügen zur Opportunitüt der Selbstwahrnehmung.Die Herstellung von Ereignissen zur Produktion von Selbstwahrnehmung füllt die Lebenswelt der Wahrnehmung als Welt voller Erlebnisse aus. Sie wird zur Wirklichkeitsform dessen, was sie darin von sich wahrhat: Empfindungen, die ihren Gefühlen dienen und Selbstwahrnehmung gestalten: Gegebenheit des Selbstgefühls.


Fußnoten:


(1) Menschen unterscheiden sich auch im Einzelnen darin, wie sie Erleben, und das heißt: wie sie zu ihrer Wirklichkeit stehen. Der eine mag Musik als Erlebnis verspüren, während ein Musiker z.B. damit große Probleme haben kann. Und ähnlich ergeht es auch bildenden Künstlern: Was sie dazu treibt, Kunst zu machen, wird nicht unbedingt wahrgenommen, wenn ihr Werk rein ästhetisch erlebt wird. Auch gänzlich verschiedene Menschentypen können so auf der Wahrnehmungsebene entstehen, indem sich aus dem Erleben auch bestimmte Fähigkeiten, Charaktere oder Mangelerscheinungen entwickeln. Die Bildungsbürger zeichnen sich ja z.B. auch gerade durch die Fähigkeit aus, Kunstgenuß oder Unterhaltung oder mediale Wahrnehmungen so zu erfahren, als seien sie pure Wirklichkeit, als sei ihre Lebensreflexion wirkliches Leben. Natürlich kennen sie dann alles, was sie schon erlebt haben und weil sie es erlebet haben, auch wenn solche Kenntnis ihre Erkenntnis oft zunichte macht. Sie haben ja immer schon alles hinter sich, was andere beständig nur vor sich haben. Wie schnell ist ein gesellschaftlicher Umsturz in einem Dokumenttarfilm erlebt, wo alle Wirklichkeit hierzu fehlt, um ihn auf sich wirklich beziehen zu müssen und wie schnell hat man hierbei eine Beziehung zu sich als Mensch, der mit weltlicher Kenntnis prahlen kann, ohne hiermit auf eirgendeine Weise wirklich zu tun zu haben. Was diese Menschen wahrhaben, das ist z.B. die Kinoleinwand und ein Übertragungs- und Projektionsmaterial und das Geld füpr den Zugang zur Darbietung; was sie wahrnehmen, ist die ganze Welt. Ihr Erleben ist somit schier unendlich.


(2) Eine Wahrheit kann nicht einfach verschwinden. Noch in der Lüge und der Täuschung ist sie erkennbar, indem das Ausgeschlossene darin auch in seiner Negation wirksam ist. In allem, was hieraus folgt, wird diese als Logik eines Untergangs erkennbar, als eine Geschichte, die sich nicht mehr auflösen lässt, weil ihr der eigene Boden fehlt, weil ausgeschlossen ist, ihn zu erkennen, ohne dass die Täuschung erkannt, zur Ent-Täuschung wird. Untergegangene Wahrheit ist reduzierte Wahrheit, reduziert um das, wovon die Täuschung absehen muss, worin sich also die Wahrnehmung in einem Konglomerat vielfältigster Bestimmungen bescheidet und diese zu einer einzigen Form vermengt. Abstraktion ist eine Absehung, welche alle Inhalte formalisiert.

Geschieht sie nur im Kopf, so befördert das zwar Dummheit, weil es tumb macht, ändert aber noch keine Wirklichkeit. Geschieht sie in wirklichen Verhältnissen, hat sie also Wirkung, so besteht die dann allerdings darin, dass sich das Abstrahierte in einer Form verallgemeinert, wodurch das Allgemeine zu einer Wirklichkeit für sich wird, allem gemein und doch von allem verschieden, von allem ausgeschlossen und doch in allem anwesend: Allgemeine und abstrakte Wirkung habend.

Im Erleben wirkt das Wahrgehabte in der Sinnesform des Erlebens. Hierdurch sind die Sinne der Wahrnehmung darin bestimmt, was sie erleben wollen, weil sie es erleben müssen, um für sich ungebrochen zu sein. Aber das Erlebnis setzt sich positiv hiergegen: Es "erledigt" von selbst, was der Wahrnehmung nötig ist, dass sie bei sich bleiben kann und als diese zur allgebemeinen Erlebensgrundlage wird.

Sie wird also Not wendend tätig, wird notwendig, wobei das Erleben selbst in sich frei erscheint. Hierdurch wird es zu einer Position der Geschichte, worin sich diese jenseits erkennbarer Zusammenhänge ereignet. Ein Erlebnis folgt auf das andere, ohne dass darin irgendeine Notwendigkeit auszumachen wäre. In größeren Zusammenhängen lässt sich hiervon erzählen, nichts abe im Einzelnen beweisen.

Was zum Beispiel hatte die Menschen dahin gebracht, sich durch Jogging zu erleben, das sie bis zu den siebziger Jahren noch gar nicht kannten? Es war wohl ein Ersatz von nicht vorhandener körperlicher Tätigkeit, welche sich in der Wahrnehmung zunächst als schlechtes Gefühl einstellte, gesättigt zu sein, ohne den Körper hierfür zu bewegen. Dieses wurde durch Jogging aufgehoben. Damit hatte zwar Tätigkeit nicht ihren Gegenstand zurückgewonnen, sich aber als Erleben im Menschen vergegenständlicht. Würde sich diese Tätigkeit wirklich als Energieverausgabung vergegenständlichen - so hat jemand errechnet -, könnte damit die Energie von einer Großstadt wie Köln bereitgestellt werden. Doch solche Vermittlung ist natürlich absurd, zeigt aber die Entgegenständlichung von Tätigkeit in einer Gesellschaft, die vorwiegend auf monetären Zusammenhängen gründet.


(3) Erleben ist auf den ersten Blick trivial. Man hat etwas erlebt, weil sich etwas ereignet hat. Erst die verschiedenen Interpretationen des selben Ereignisses zeigen, wie komplex doch die Subjektivität ihres Erlebens ist. Fast jeder Mensch nimmt anders wahr, je nachdem, was für ihn hierbei wahr ist. Schon in der einfachen Konfrontation z.B. bei einem Unfall, gehen die Wahrnehmungen weit auseinander, je nach dem, was am meisten Eindruck gemacht hat und auch je nach der objektiven Position im Geschehensablauf. Der mit Schuldfragen behaftete Teilnehmer sieht es anders, als der Unbeteiligte. Und ist z.B. ein Wagenmodell oder Mensch für einen Beobachter besonders reizvoll, so wird er hierüber wesentlich mehr zu erzählen haben, wie bei einem reizlosen. Und wer mit einem Gipsfuß geplagt ist, wundert sich plötzlich über die vielen Menschen, die ähnliches vorweisen. Bei alle dem ist für das Beobachten und das Erleben - vom rein Faktischen abgesehen - entscheidend, was der betroffene Mensch dabei wahrhat, also warum etwas auf ihn so oder anders wirkt.


(4) Im Erleben bleiben sich die Menschen fremd. Nicht was sie fühlen und füreinander finden macht ihre Beziehung darin aus, sondern alleine die Art und Weise ihres Zusammentreffens, die Äußerlichkeit ihres Arrangements. Im Grunde ist Erleben so objektiv wie eine Klimaanlage: Worauf man eingestellt ist, das kann man mit anderen auch erleben, worauf man sich nicht einstellen kann, das bleibt der Wahrnehmung in seinem Sinn verschlossen. Im Erleben wird die Wahrnehmung zu einer ausschließlichen Wahrnehmung, zu einer Wahrnehmung, welche ihre eigene Wahrheit als Sinn ihrer Erkenntnis von sich ausschließt.


(5) Dies wird besonders deutlich beim Musikerleben. Die Empfindungen für Musik haben damit nichts zu tun. Im Musikerleben werden Gefühle aktiv erlebt, besonders auch durch eigene Bewegung und Tanzen, welche Leben in die Menschen zurückbringt, sie aufleben läst, ohne dass darin ihr wirkliches Leben überhaupt vorkommt. Sie werden mitgerissen und von einer Lebensfülle, einer Verdichtung von Lebenswelten und Lebenshaltungen überwältigt. Die Identität, die sie hierbei fühlen, wird nicht durch Musik als solche erwirkt, sondern durch das Musikerleben, für welches die Anwesenheit von Menschen nötig ist.


(6) Das abstrakteste Erleben ist vieleicht das Spielen an einem Spielcomputer. Obwohl dort keine wirklichen Erlebnisse stattfinden, sind doch die abstraktesten Momente des Erlebens darin zu erkennen: Der Reiz eigenener Betätigung in einem Zusammenhang von Bedingungen, die für sich keinen Sinn haben. Sie vermitteln Sinn nur durch das Tun an der Speilkonsole, das durch irgendeinem ihm völlig äußerlichem Zweck (z.B. Geld, Glück oder weiteres Leben) bewirkt wird. Das Tun als solches aber verschafft nur das kleine Glück, den Erfolg eines irgendwie begründeten Tätigseins, dem sich zumindest neuereSzenen eröffnen, also Abwechslung erreicht wird. Diese ist genauso abstrakt, wie der Zusatnd war, bevor das Spiel begonnen hate, aber eben als eigener Reiz doch mehr: Das Leben verliert seine Nichtigtkeit und verspricht, anderes zu werden, zumindest eine Art der Selbstvergegenwärtigung, wo immer und warum auch immer sie einem ermöglicht wird.


(7) Lernen ist keine Aneignung von Fremdem, etwa durch Wissenserwerb oder reines Üben durrch Wiederholung. Es ist unter den gegebenen Lebensbedingungen in der Abtrennung von einem wirklich gesellschaftlichen Erzeugungsprozess wesentlich Erleben. Was ein Mensch erlebt, das verändert ihn, verändert seine Sinne und vor allem deren Fähigkeiten. Hierin erneuert er sein Gefühl für etwas, das er bisher nur gelitten hatte, das ihm bloße Wahrnehmung war und wird selbst sinnlich tätig. Die Sinne lernen, indem sie sich in eine Sache hineinversetzten, sie ausprobieren, sich ihr in Lernschritten der Vertiefung nähern und sie schließlich frei Handhaben können.

Zugleich bauen sie immer schon auf dem auf, was an Empfindung und Gefühl hierzu schon vorhanden, was ihre bisherige Sinnbildung war. Die Doppelsinnigkeit der Wahrnehmung wird hiernach darin wirksam, dass sie die Eigensinnigkeit des Erlebens ausmacht, die besondere Weise der Beziehung von Empfindung und Gefühl unter der besonderen Raumbedingung des Lernprozesses, der Dichte seiner Anreize.

Das wissen natürlich auch die Pädagogen, die mit der Welt darum konkurrieren. in welcher Zeit sie wieviel "Fähigkeitspotential" hzur Verfügung stellen müssen, um mit der Masse des Bedarfs an diesen Fähigkeiten zrecht zu kommen. Von daher vermitteln sie eine äußere Anforderung unter einem äußeren Druck als Erleben (Motivationsvermittlung) in den Lernprozess. Für solche Fremdbestimmung ist dem Erleben wenig Widerstand möglich, da es sich selbst durch Anreize fortbildet und diese nicht äußerlich unterscheidet, sondern nur in der Wirkung auf sich.


(8) Das geschieht nicht aus Willkür, Dummheit oder Ignoranz. Es ist das praktische Bewusstsein selbst, das hier seinen Grund verliert - nicht, weil es zu bequem wäre oder "fetischisiert", sondern weil es im Erleben tatsächlich an seinem Ende ist. Und das geschieht zugleich ganz freiwillig. Es ist keine Manipulation, die das bewirkt, sondern eine Abstraktion der Wahrnehmung in einer Welt, worin das Leiden seine Tätigkeit nicht empfinden, nicht auf sie zurückkommen kann und nur fühlt, was es für sich ist. Von daher ergibt sich die Notwendigkeit, dies über die realen Abstraktionen hinweg begreifen zu müssen, um schließlich hierin wieder praktisch zu werden, ohne an Wahrheit zu verlieren.


(9) In der Abwesenheit von Menschen ist die Wahrnehmung in einer Gesellschaft, die auf den Zusammenhängen des Geldwesens gründet, ausgehölt - nicht nur gegenstandslos, sondern sinnlos. Da Wahrnehmung nur unmittelbar ist, vermittelt sich ohne gegenständliche Zusammenhänge nur Leere. Konservierte Kulturprodukte, z.B. Musik, können dies für einige Zeit überbrücken, solange sie die Wahrnehmung auch für sich noch zu beeindrucken, Gefühle zu bewegen vermögen. Aber auch die Konserve ist auf Dauer nichts anderes als ein Bild- oder Tontrüger und so entsteht nichts als Langeweile, Es ist nichts zu tun, nichts zu denken, nichts zu fühlen, was Sinn hat oder Sinn macht. Die Arbeit beschüftigt zwar die Menschen, auch wenn sie alleine damit sind - aber sinnentleerte Arbeit, Arbeit, die nur Geld bringt, erzeugt nichts Wirkliches für die Menschen, auch wenn sie deren Produkte mangels anderer Produkte kaufen. Geld hat keinen anderen Sinn, als mit Waren austauschbar zu sein. Im Sinn des Habens zeigt sich dies als Potenzial einer Lebensbrücke, wenn Geld zur Verfügung steht, weil dessen Besitz es müglich macht, dass Erlebnisse entstehen. Aber die Sinnfrage bleibt total, solange keine Menschen dabei einbezogen sind.


(10) Die Macht des Eindrucks ist immer die Ohnmacht wirklicher Empfindungen, wodurch Wahrnehmung empfindungslos wird - nicht weil die Menschen delbst empfindungslos wären, sondern weil ihre Beziehungen über Verdichtungen der Wahrnehmung sie empfindungslos machen. Man könnte diesen Vorgang auch die Autosuggestion der Gefühle bezeichnen, wenn damit nicht eine äußere Kraft herbeigeredet würde, die garnicht nötig ist. Die Beziehungen in der Wahrnehmung schafft sich Wahrnehmungswelten, die Wahrnehmungen in der Weise verdichten, wie sie sich zusammenfügen lassen. Es ist das Glück und Leid der ausschließlichen Wahrnehmung, welche in der Selbstwahrnehmung so allgemein geworden ist wie sie zugleich in ihrer Wirkung, in ihrem Eindruck einzeln ist und darin selbst alles ausschließt, was wirkliche Wahrnehmung ist.


(11) Es kränkt vielleicht das Selbstbewusstsein, dass die Reize der Wahrnehmung hier so inhaltslos angesehen werden. Aber es geht nicht um die vielfältigen Inhalte der Reize, sondern um die Formbestimmung der Wahrnehmung. Außerdem sagt ein Inhalt nichts über den Anreiz aus, den er bewirkt. Allein in der Form hat der abstrakt menschliche Sinn seine Bestimmung, und diese entsteht aus ihrer Dopplung, aus dem Zusammenfallen von Empfindungen und Gefühlen. Im Reiz ist dies nicht zu unterscheiden, nicht zu erkennen, was reizt und was anreizt. Es bleibt die Form, worin die Regungen nur noch Erregung der Selbstwahrnehmung sind.

Von dieser Seite haben die VertrerInnen des Behaviorismus wohl auch eine Wahrheit benannt, wenn sie den Reiz als Antrieb der Wahrnehmung ansahen, als Stimulus eines Wahrnehmungssystems. Aber sie haben nicht begriffen, dasss sie damit die üuüerste Sphüre in der Immanenz der bürgerlichen Kultur benannten, woraus deren Abstraktion besteht. Immerhin lieü sich damit zeigen, dass sie qualitativ dem Vermügen von Ratten entspricht. Allerdings ist es vüllig falsch, den Reiz als Stimulus für Bedürfnisse und das daraufhin folgende menschliche Verhalten als Antwort hierauf oder gar als Lernprozess zu interpretieren. Das trifft nur auf Ratten zu, bei denen Bedürfnis und Sinn noch ununterschieden sind.


(12) Diese Wahrheit erst macht Ästhetik so verfänglich, reißt mit, was der Kritik bedürfte, und verstellt Erkenntnis, weil sich diese nicht mehr von der Selbstwahrnehmung unterscheiden, nicht mehr zur Kritik gelangen kann. Sie besteht aus dem Widerspruch der Wahrnehmung, worin die Empfindung ihr Gefühl nur im Ausschluss von sich hat. Und sie muss sich deshalb losreißen, um nicht in endloser Identität, in der Symbiose absoluter Wahrnehmung unter zu gehen. Alleine erneuertes Erleben vermag diesen Selbstverlust in der Wahrnehmung zu durchbrechen.
Aber insgesamt geht es hier nicht um die Erneuerung des Erlebens, sondern um die Kritik seiner Lebensformen. Denn diese macht die Erneuerung von Gesellschaft aus.


(13) Es ist hierbei gleichgültig, ob es Menschen oder Sachen sind, die reizvoll sind oder gemacht werden. Ob sie ihr Auto polieren oder sich selbst auf Hochglanz trimmen ist im Grunde der selbe Akt: Ihr Selbstgefühl selbst begründet sich aus dem Reiz, mit dem sie sich umgeben. Auch hat dies in dieser Ursprünglichkeit im wesentlichen noch keine strukturelle Bestimmung nötig, wie etwa soziale Lage oder das "kulturelle Niveau" eines Hochkultur, der soziale Status. Es geht hier schlicht um die Erfüllung eines Erlebens durch den Reiz einer Form für die Wahrnehmung: Die erweckte Selbstwahrnehmung.


(14) Die Produktion von Reizen macht die ganze Kulturindustrie aus. Ihre Ereignisproduktion unterhält die Selbstwahrnehmung und befriedet sie zugleich, denn diese hat in ihren Produkten ihr allgemeinstes Mittel. An denen treffen sich die Menschen, die sich aus ihrer sinnentleerten Lebenswirklichkeit zu befreien versuchen und hie und da Sinn füreinander finden, wenn sie die Reizkultur für ihr Erleben hinzunehmen.


(15) Reize sind zunächst einmal einzeln, unmittelbar und selbständig. Sie bestimmen für einen Moment die Wahrnehmung durch den Eindruck, den sie machen, und setzen damit zugleich einen ganzen Prozess von Selbstveränderungen in Gang, welche sich zu bestimmten Bedürfnissen entwickeln. Ist ein Mensch einem Reiz ausgesetzt, so ändert er seine Lebenstätigkeit, bis der Reiz dadurch abgearbeitet ist, dass das Reizvolle zum gewöhnlichen Produkt eigener Tätigkeit wird, dass es in das Leben intergriert wird, also zum gewöhnlichen Leben gehört und sich der Reiz darin verliert, dass der Genuss des Lebens anwächst.So genommen war es ja auch nur der Reiz des Neuen. Das ist in der Mode wie in der Küche: Macht man irgendwann selbst, was zuvor höchst anreizend war, so verliert sich der Reiz in der Aneignung zu eigener Wirklichkeit, zum eigenen Lebensgenuss, der erst entstehen kann, wenn der Reiz des Fremden und Neuen vergangen ist. So wird zum Gewohnten eines neuen Lebensstandards, was zuvor ungewöhnlich nur deshalb war, weil es an einem älteren Standard bemessen war.

Auüergewühnlich wird der Reiz des Erlebens erst durch den Anreiz, der in der Selbstwahrnehmung fortwirkt, sich nicht materialisiert und in den Menschen verbleibt als ihr Lebensausdruck. Erst wenn sich die Reize nicht mehr zu Lebenstätigkeiten aufheben, welche die Befriedigung hierdurch erzeugter Bedürfnisse ermüglichen, verbleiben sie für die Selbstwahrnehmung als ihr Lebenstrüger, als "Anmache", die nicht in Befriedigung endet, sondern Lebensform bleibt, sei es als Bild, Musik, Gestik, Anmut, Heiterkeit, Schünheit oder Hüsslichkeit oder anderes.

Weil solche Reize lediglich Selbstwahrnehmungen in Bewegung versetzen, die sich in der Wahrnehmung allgemein bestätigen, ohne zu irgendeiner anderen Wirklichkeit zu kommen, sind diese Reize ästhetischer Natur, reine Wahrnehmungsformen, die in der Wahrnehmung arbeiten, ohne diese wirklich zu verlassen.

Man künnte daher diese Analyse auch als eine neue ästhetische Theorie verfassen, wenn davon abgesehen würde, dass sie praktisch ist, also das wirkliche Leben der Menschen abhandelt und daher in der Kultur von ihrem Erleben ausgeht. Dies nun wäre einer "üsthetischen Theorie" zu "billig", da sie doch im Begriff des ästhetischen bleiben will, was letztlich auch nichts anderes alsWahrnehmung meint. Aber was in der Abhebung eines leblosen Begriffs über die Welt der Reize zu sagen ist, entspricht immer nur ihrem Gegenstand, auch wenn es negativ dialektisch gedacht sein will. Die Lehre vom ästhetischen bleibt in ihrem Widerspruch, und diesen zur Notwendigkeit des Gegenstands zu erklüren, ist schlichte Selbstaufgabe des Denkens. Hier wird derselbe Gegenstand als Kritik einer solchen Begrifflichkeit abgehandelt. Also müssen wir auch zeigen, warum die Erhabenheit solcher Theorie falsch ist und dass die Momente des ästhetischen nur in ihrem praktischen Zusammenhang wirklich erklürt werden künnen - mit dem einfachsten Mittel des praktischen und des theoretischen Bewusstseins, mit der Sprache.


(16) Im Traum verdichtet ein Mensch seine Lebenszusammenhänge zu einem Gefüge von Eindrücken, wie er sie in sich vereint.Er ist die innere Wahrheit seiner Wahrnehmung, wie sie ohne Welt auch wirklich ist. In der nach innen gerichteten Wahrnehmung, welche von den äußeren Sinneseindrücken abgeschirmt ist, erscheinen Zusammenhänge, die der Wahrheitsfindung eines Menschen zu innerst nötig sind, um deren Äußerlichkeit zu überwinden. Was beeindruckt, wie es erlebt wurde, bekommt seinen Sinn im Nachhinein seiner Erfahrung. War die Wahrnehmung dabei noch mit ihrer Selbstvergegenwärtigung befasst, so findet sie nun im Gedicht ihrer Eindrücke ihre vollständige Entgegenwärtigung. Das durch Angleichung Ausgegrenzte erscheint nun selbst in seiner Unausgeglichenheit als Geist der eigenen Wahrheit, wie sie sich nicht einvernehmen lässt. Als Gedicht kann sie Gesicht sein oder Monster oder verformtes Fantasiegebilde, das die Wahrheit sich noch herformt, um sie erträglich sein zu lassen - ja nach dem, wie tief die Wahrnehmung mit sich ins Gericht geht..

Erstaunlich allerdings ist die allgemeine Interpretierbarkeit von Träumen. Da reflektieren sich Gefühle in so objektivierter Sinnhaftigkeit, dass sie fast von jedem Menschen "verstanden" werden können - z.B. Züge, die fast immer Beziehungen ausdrücken, Taschen fast immer den Sinn eines Besitzverhältnisses usw. Es ist wie mit der Gesetzmäßigkeit von Grafik, dass sich so allgemeine "Projektionen" hier ergeben, dass sie fast archetypisch interpretierbar scheinen. Doc weder hat die Grafik eine objektive Gesetzmäßigkeit des Gefühls erkannt, noch die Psychologie den Archetypus. Es sind lediglich so allgemeine Vorgänge, dass die Verallgemeinerung natürlich erscheinen kann.


(17) Dieses abstrakte Sinnlichsein, so allgemein es dem ästhetischen Gefühl entspringt, drückt sich als Lebensgefühl aus, macht das Leben so wahr, wie man es im Erleben wahrhat. Darin ist alle Erkenntnis vergangen und aufgehoben, aber als Lebensgefühl die Basis aller Selbstgefühle, die ein Mensch als Einzelwesen hat. Dies legt die Grundlagen dafür, dass er sich auch als wirkliches Einzelwesen begreift, gerade weil er in dieser Form nicht mehr verstehen kann, warum er gerade da, wo er seine allgemeinste Selbstwahrnehmung erfährt, durch die Form seiner Wahrnehmung bestimmt sein sollte. Er sieht es jetzt genau darauf ab, zu seinem allgemeinen Selbstgefühl zu gelangen und sieht deshalb von allem ab, was ihn daran hindern sollte. Schließlich hat er darin das, was er sonst nirgendwo mehr hat: Identität für sich. Diese kann zwar keine Wahrheit mehr für andere, keine gesellschaftliche Wahrheit haben, aber sie setzt in ihm eine Beziehung zu sich selbst in Gang, in welcher er sich überall so findet, wie er sich empfindet und sein Befinden als Selbstgefühl erlebt.


(18) Es gehört auch zur Alltagsästhetik, dass sich Menschen einfach deshalb nicht leiden können, weil sie sich voreinander hüten müssen. Wenn der eine fürchten muss, was er im anderen von sich zu erkennen hätte, wenn der eine die Furcht des anderen um sich selbst verkörpert, dann wird Ästhetik unmittelbar zum Selbstschutz der Selbstwahrnehmung. Man meidet den anderen durch Ausgrenzung in seiner Wahrnehmung, die zugleich Selbstüberhebung ist. Damit bleibt die Angst um die eigene Identität, die mit dem Schein durchbrochern werden könnte, abgewendet. Mancher Ehestreit wird auch einfach dadurch abgewendet, dass man sich "einfach nicht mehr leiden kann", sich nicht mehr riechen kann - und sich so auch nicht mehr riechen muss. Der abgewendete Streit kehrt sich dann allerdings zum Einstieg in die Unendlichkeit des Scheinbaren, dem Leben ohne wirklichen Sinn, solange sein Grund nicht erkannt wird.


(19) Man könnte nun meinen, das findet nur in einem Menschen statt und sei deshalb allein "seine Sache". Doch das ist sie nicht, wo das gesellschafliche Leben sich vollständig im Erleben ereignet. Das Selbstgefühl, in welchem sich ästhetische Wahrnehmung ausdrückt, wird in einer solchen Gesellschaft selbst allgemein, lockt Liebe und schürt Hass, verschafft Nähe und erzeugt Monster. Der Rassenwahn hat hierin seine Wurzel.


(20) Man könnte nun meinen, dass mit der Ästhetik Wahrheit zur Lüge geworden sei. Doch ein solches Resultat wäre ein Unsinn in sich, ein Widersinn des Wortes selbst:Wahrheit kann zwar in der Lüge widerscheinen, doch Lüge kann nicht wahr sein. In der Ästhetik wird Wahrheit lediglich so verdichtet, dass sie als andere Wahrheit erscheinen kann. Dies verfälscht das eine wie das andere, worin sie erscheint, aber es verfälscht nicht die Wahrheit selbst. Ästhetisch ist das selbstständig scheinende, das Schöne oder das Hässliche für sich. Aber es bleibt ebenso Lebensausdruck, wenn auch unwirklich. Und wo es radikal wird, wo es eine seiner Wurzeln formuliert, kann es zur Wirklichkeit drängen, indem es in den Widerstreit mit seinem Anderssein eintritt. Auch darin lässt sich dann erkennen, dass es in Wirklichkeit nur ausgeschlossene Wahrheit ist. Allerdings muss diese sich ihre Ohnmacht jenseits des Wirklichen dann auch eingestehen, um zu einer wahren Wirklichkeit zu finden. Kunst kann Selbstgefühl nur wirklich ausdrücken, indem sie es stört. Wo sie ihm dient, ist sie für sich selbst verloren.

Weiter mit Buch I: 113. Das Selbstgefühl