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132. Die narzisstische Persönlichkeit (Die Akkumulation des Selbstwerts der Selbstoptimierung)

Gemeinhin wird unter Narzissmus das Verhalten einer unbeschränkten Selbstverliebtheit verstanden. Doch das gerade Gegenteil ist der Fall: Narzissten sind nicht in der Lage, Liebe für sich und für einander aufzubringen, denn die hat sich im Popanz der vergesellschafteten Selbstbehauptungen zur Selbstlosigkeit ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen verflüchtigt. Weil ihnen in den wirklichen Beziehungen der burgherrlichen Subjekte die Selbstachtung unentwegt enteignet wird und sie durch die Widersprüchlichkeiten ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse selbstlos werden, haben sie sich der Selbstverwertung ihrer Liebe überantwortet und sie zum Maßstab eines allgemeinen Edelmuts gemacht. Sie müssen sich geliebt fühlen um sich durch ihre Selbstgefühle aus ihrer verlorenen Selbstverwirklichung herauszusetzen. Was ihnen als Bürger dieser Welt (siehe hierzu auch Kleinbürger) nicht gelingen kann, wird zum Inhalt ihrer Selbstwahrnehmung als Wesen einer Persönlichkeit, die sich gesellschaftlich aus dem Elend ihrer Isolation befreit fühlt, indem sie sich durch ihr soziales wie auch wirtschaftliches Vermögen, durch ihren geselschaftlichen Status und ihren Geldbesitz selbst veredelt fühlt, um zumindest in ihrem nun verselbständigten Selbstgefühl für sich selbst etwas wert zu sein, sich in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen selbst als das zu empfinden, was sie von sich halten kann um sich selbst gerecht zu bleiben oder zu werden vermag (siehe Selbstgerechtigkeit), um eine besondere Wertschätzung durch die wechselseitige Aufmerksamkeit für ihre fremder Gefühle zu erlangen.

Weil sie jenseits aller wirklichen Gefühle ihre Selbstveredelung zur Grundlage ihrer Selbstwahrnehmung nötig haben, stellen sie ihre Selbstwahrnehmung über die Wirklichkeiten ihrer Lebensverhältnisse und richten ihr Erkenntnisinteresse auf die Wirkungsmacht ihrer Selbstveräußerung (siehe hierzu auch Entäußerung). Ihr ästhetischer Wille muss über sie hinausgreifen, um sich durch die Wahrnehmung der anderen wahr zu haben und zu bestärken, um außer sich für sich sein zu können. Weil Narzissmus einer entleerten Selbstwahrnehmung entsprungen ist, beruht er auf einem entäußerten Selbstgefühl, dessen Geltungsbedürfnis nach zwischenmenschlichen Beziehungen verlangt, die ihre Selbstentfremdung schon dadurch betreiben, dass sie ihr Leben durch den Antrieb (siehe Trieb) einer ihnen fremden Abstraktionskraft sich wechselseitig einverleiben.

Die Selbstverwirklichung verwirklicht nicht nur die Selbstbeziehung der Personen in psychisch bestimmten Verhältnissen, sondern vor allem auch deren Gegensinnigkeit, die in ihrer Trennung sich verobjektiviert, sie in ihrer Isolation verbündet. Den Edelmut, den sie für sich beanspruchen und veräußern scheitert in seinem Inneren letztlich an seiner Selbstgerechtigkeit. Jeder selbstgerechte Mensch verunsichert einen anderen, den er ins Unrecht seiner Selbstbehauptung versetzt. Und so wird dieser zugleich auch durch einen anderen verunsichert, der die Selbstgerechtigkeit seiner Selbstwahrnehmung ihm entgegenhält. Im wechselseitigen Verhältnis ihres Verlustes kann sich im Großen und Ganzen allein durch dessen Narzissmus das Gemeine nur als Zusicherung eines potenziellen Nutzens ihrer Selbstgerechtigkeiten bewähren, - allerdings nur dadurch, dass jeder sein Recht auf sich selbst aufgibt und damit seinen Narzissmus veräußert, beide sich im Verlust ihrer Selbstbezogenheit vereinen, indem sie sich mit den verlorenen Seelen im Allgemeinen vergemeinschaften. In ihrer psychischen Gemeinschaft akkumuliert sich der Selbstwert, der darin getrennt von den einzelnen Menschen - ganz gleichgültig gegen diese verbleibt und im Gemeinen nur Langeweile verbreiten könnte.

Der in einer psychischen Gemeinschaft akkumulierte Selbstwert ist nicht mehr relativ zum Selbsterleben, sondern absolut durch Vergemeinschaftung bestimmt.Von daher ist die Selbstbehauptung jetzt in ihrem Geltungsstreben auch dazu bestimmt, eine absolute Selbstgerechtigkeitgegen andere, besonders gegen Fremde, zu verwirklichen. Der persönliche Mangel, die Minderwertigkeitsgefühle des Selbsterlebens, finden in der Abgrenzung des Fremden vom Eigenem ihre Hochform in der Vergemeinschaftung ihres unterschieldich bestimten Edelmuts. Sie veredeln diese nun durch ihre Gemeinschaft höchstselbst. Wer das Gemeine sucht, der meidet das Fremde. Fremdenfeindlichkeit entsteht aus der hohen Gemeinschaft der Selbstbezogenheiten, die an sich selbst gescheitert sind und auch in Gemeinschaft scheitern würden, wenn sie nicht durch fremde Feinde verbunden wird und in der Ausgrenzung von diesen anwächst, selbst zu einem ausschließlichen allgemeinen Selbstgefühl wird. Das Fremde ist hiergegen schlicht eine Störung ihres ästhetischen Willens.

Narzissmus strebt in dieser Gemeinschaft zu einer ästhetisch reinen Form der Selbstbehauptung, die ihre zwischenmenschliche Wirklichkeit aufgegeben hat und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen nun gänzlich auf die Selbstveredelung ihrer Moden konzentriert, um sie außer sich als Kult ihrer Beziehungen zu verallgemeinern. Im Unterschied zur Egozentrik, die sich auf das beschränkt, was eine Selbstdarstellung der Selbstwahrnehmung nützt, was also das Selbstgefühl vertieft und den Selbstwert erhöht und der Selbstbehauptung dient, ist Narzissmus das gerade Gegenteil auf der Ebene der Selbstveredelung. Darin entwickelt sich eine Selbstdarstellung nicht zur Bestärkung der Selbstwahrnehmung, sondern aus einem allgemeinen Selbstverlust, der sich im Widerschein der Selbstverwertung in zwischenmenschlichen Verhältnissen sonnt. Aus der Einverleibung der Wirkung, die über Selbstbehauptung die Selbstwahrnehmung nötig war, zählt nun, was sie für ihren ästhetischen Willen einbringt. Es ist die Verleiblichung eines Selbstwerts, der durch nichts anderes wahr sein kann, als durch die im Spiegelbild seiner selbst verdichtete Eigenliebe, die durch die Aufmerksamkeiten der anwesenden Menschen in diesen Verhältnissen bestärkt wird. Aber hierfür müssen sich auch die Persönlichkeiten einfinden, die sich als Lebensbedingung in einem Lebensverhältnis des Narzissmus einlassen. Es geht ihnen daher darum, die Bedingungen solcher zwischenmenschlicher Verhältnisse und ihre psychische Gegenwärtigkeit als Akkumulationsproszess der narzisstischen Persönlichkeit zu beschreiben. Was hier akkumuliert wird ist nicht eine Sinnesform ihrer Psyche, sondern die Lebensform ihrer Veredelung.

In narzisstischen Beziehungen ergänzen die Menschen ihr Selbstgefühl durch die Selbstlosigkeit fremder Gefühle. Es wird durch den Eindruck, den ein Gefühl hierbei macht, in seiner Selbstbezogenheit verdoppelt, in einem Selbstgefühl dadurch veredelt, dass es sich durch fremde Selbstwahrnehmung seiner selbst vergewissert. Die Unsicherheit der Psyche, die in den Verhältnissen ihrer Selbstbehauptung entstanden war, der Zweifel an der Wechselseitigkeit der Selbstgefühle ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse, wird über eine fremde Wahrnehmung ausgeräumt, die allerdings von sich absehen muss, um wirklich wahr zu sein.

Narzissmus tritt aus der Selbstlosigkeit der Selbstwahrnehmung und ihren endlosen Minderwertigkeitsgefühlen als Selbstverliebtheit hervor, für das Selbstgefühl einer Selbstbeziehung wird er aber nun als Trieb einer Selbstveredelung entwickelt, die sich aus der ästhetischen Herabsetzung anderer Menschen verwirklichen kann, an denen sich ein absolut gewordener Selbstwert zu bestätigen sucht. Narzissmus ist von daher nicht nur eine Beziehung zu sich selbst und auch nicht irgendein Selbstgefühl, sondern das Verhältnis einer ästhetischen Beziehung der Menschen, die ihren ästhetischen Willen unter sich gewonnen und entwickelt haben und auf jene sich herablassen, die ihnen im zwischenmenschlichen Betrieb ihrer Selbstwahrnehmung als Objekte einer Selbstveredelung unterkommen, durch sie eine ästhetische Macht in ihrer Selbstbespiegelung empfinden.

Da die narzisstischen Persönlichkeiten keine Schranken in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen mehr erfahren können und also praktisch unendlich auf sich selbst verwiesen sind und ihre formelle Isolation hierdurch auch substanziell als Formbestimmung ihrer abstrakt menschlichen Sinnlichkeit erfahren müssen, können sie deren Verfall nicht wirklich aufhalten, oft nicht einmal verstehen oder gar erkennen. Sie werden zunehmend süchtig nach Menschen, die ihnen Leben vermitteln und die sie zugleich beherrschen müssen, um sie auch nutzbar für sich zu erhalten und zu vernutzen. Die Mittel und Methoden der Kontrolle der narzisstischen Persönlichkeiten über ihre zwischenmenschlichen Beziehungen unterscheiden sich daher in drei Grundtypen, die sich in ihren Charakteren als Formationen ihrer Machtbestrebungen ausprägen: Es ist als erstes der autoritäre Charakter, der direkt über die Menschen zu bestimmen sucht, derer er sich noch habhaft machen kann, dann der esoterische Charakter, der sich auf Menschen von oben her mit der Hybris einer spirituellen Gewalt einlässt, um sie abhängig von sich zu machen, und schließlich die flexible Persönlichkeit, die ihre zwischenmenschlichen Beziehungen ausnutzt, indem sie diese immer wieder zerstört, um sich lebend für sich und durch sich selbst zu empfinden.

Zwar wird Narzissmus im Umgang von Menschen meist als ein Begriff für Selbstverliebtheit, für das Selbstgefühl einer Selbstbeziehung hergenommen, als ob er in einem Individuum sich aus einer Naturbestrebung seiner Willkür heraus begründen würde (siehe hierzu auch Psychoanalyse). Doch er entsteht nur in einer bestimmten Klasse durch einen Trieb der durch ihren Geldbesitz eigentümlichen Selbstveredelung, der sich aus der ästhetischen Herabsetzung anderer Menschen entwickelt, an denen sich ein absolut gewordener Selbstwert zu bestätigen sucht. Narzissmus ist von daher nicht nur eine Beziehung zu sich selbst und auch nicht irgendein Selbstgefühl, sondern das Verhältnis einer ästhetischen Beziehung der Menschen, die ihren ästhetischen Willen unter sich gewonnen und entwickelt haben und auf jene sich herablassen, die ihnen im zwischenmenschlichen Betrieb ihrer Selbstwahrnehmung als Objekte einer Selbstveredelung unterkommen, durch sie eine ästhetische Macht in ihrer wechselseitigen Selbstbespiegelung empfinden.und hieraus ihre Persönlichkeit entwickeln.

Es sind diese "Objekte" dann auch Menschen, die in sich verunsichert sind, in ihrer Selbstwahrnehmung vor allem die Ohnmacht der widersprüchlichen Verhältnissen ihrer Zwischenmenschlichkeit verspüren und durch ihre Rolle im Verhätnis zum Narzissten sich selbst geborgen und vergewissert erleben. Dieser entwickelt das, was in solcher zwischenmenschlichen Beziehung praktisch schon gegeben ist: die narzisstische Persönlichkeit eines autotirären Charakter. Solche Persönlichkeiten müssen für sich und unter sich esoterische Gründe finden, die im Verhätnis zu ihresgleichen esoterische Charaktere entwickelt (siehe hierzu auch Sophismus).

Narzissmus betreibt sein seltsames Glück in Verhältnissen, worin Unglück herrscht, wo die Einverleibung fremder Aufmerksamkeit das wichtigste Ziel einer jeden Beziehung ist, durch welche sich eine Eigenliebe in ihrer Langeweile erhält, die nichts anderes als Eitelkeit sein und nur edelmütige Selbstgefühle für sich erzeugen kann, indem sie einer ohnmächtigen Selbstwahrnehmung den notwendigen Stoff ihres Selbsterhalts durch die Ereignisse ihres zwischenmenschlichen Verhältnisses bietet. Narzissmus ist die ästhetisch reine Form der Selbstbehauptung, die ihre zwischenmenschliche Wirklichkeit aufgehoben hat und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen gänzlich auf ihre Selbstveredelung konzentriert. Aber im Unterschied zur Egozentrik, die sich auf das beschränkt, was eine Selbstdarstellung der Selbstwahrnehmung nützt, was also das Selbstgefühl vertieft und den Selbstwert erhöht und der Selbstbehauptung dient, ist Narzissmus das gerade Gegenteil auf der Ebene der Selbstveredelung. Darin entwickelt sich eine Selbstdarstellung nicht zur Bestärkung der Selbstwahrnehmung, sondern aus dem Widerschein der Selbstverwertung in zwischenmenschlichen Verhältnissen, aus der Einverleibung der Wirkung, die sie der Selbstwahrnehmung für ihren ästhetischen Willen einbringt. Es ist die Verleiblichung eines Selbstwerts, der durch nichts anderes wahr sein kann, als durch die im Spiegelbild seiner verdichtete Eigenliebe, die durch die Aufmerksamkeiten der anwesenden Menschen in diesen Verhältnissen bestärkt wird.

Im Prozess der Selbstveredelung für die eigene Person gewinnt sich der Selbstwert im Edelmut von Selbstreflektionen im Verhalten der Wahrnehmung, die sich nicht mehr auf das beschränkt, was der Selbstwahrnehmung durch ihre Egozentrik nützt, was also das Selbstgefühl vertieft und den Selbstwert im eigenen Lebensstandard der Wahrnehmung erhöht. Es ist die Wirkungsweise einer Selbsbespiegelung, die ihre zwischenmenschliche Beziehungen zu ihrer Selbstvergegenwärtigung nutzt. Hierdurch wird jedes zwischenmenschliche Verhältnis gemessen an dem, was es dem Selbsterleben einbringt, was darin also zur eigenen Selbstbeziehung einverleibt werden kann (siehe auch Kulturkonsum) und im Edelmut der Selbstwahrnehmung bezogen wird. Solche Beziehungen leben substanziell durch den Bezug von Selbstwert, durch den allein sie sich als Menschen gelten, auch wenn sie dabei ihre Selbstachtung aufgeben müssen, bzw. durch Selbstwert ersetzen, der schließlich für sie einen Mehrwert ihrer Beziehung darstellt. Ohne diese edelmütige Bestärkung ihrer Selbstverwertung würden sie sich zwischenmenschlich nur minderwertig fühlen und ihre persönliche Identität bedroht sehen.

Ihr Geltungsstreben ist deshalb auf die Wirkung berechnet, die dem Selbstgefühl eine ästhetische Beziehung vermittelt und ist auf den Eindruck auf andere Menschen bedacht, durch den sie an Selbstwert gewinnt. Ihre Selbstdarstellung vollzieht sich daher in der Absicht, andere Menschen als Objekte der Selbstwahrnehmung zu nutzen und sich hierdurch als Subjekt der Selbstwahrnehmung über diese zu erheben. Die Liebe in solchen Beziehungen wird dadurch auf Eindrücke reduziert, in denen sie wirkungslos, also unwirklich bestimmt ist, weil sie zu einer bloßen Wahrnehmunsformation von Selbstgefühlen aufgehoben und damit Wert für sich wird.

Aber Gefühle von Selbstwert gibt es nicht allein und für sich. Ein Mensch kann sich viel einbilden, aber nur in der Gesellschaft von Menschen kann er einen Wert fühlen, den er in deren Verhältnissen hat - eben als Wert, den er in der Beziehung auf andere hat. In den zwischenmenschlichen Verhältnissen, worin sich Menschen verwirklicht haben und sich in dieser Wirklichkeit auch selbst fühlen, empfinden sie sich auch zwischen den Menschen wertvoll, gut und nützlich für andere. Ihre einzelne Selbstbehauptung und Selbstgerechtigkeit hebt sich in diesem Dazwischensein wunderbar auf und macht aus jedem einzelnen Menschen einen allgemeinen Zwischenmenschen, der im Mitgefühl ganz in anderen Menschen aufgeht und sein Selbstgefühl dort gewinnt, wo er hierdurch auch Mitgefühl erfährt. Zwar ist ein solches Gefühl ohne Grund und von daher bodenlos, doch es hält immerhin jedes grundlose Leben in einer Woge der Gefühligkeiten, worin jeder Mensch als mehr oder weniger angepasstes Individualwesen einer Gemeinschaft erscheint, die durch ihre Selbstgefühle einander aufrecht erhält und einen Selbstwert für alle darstellt, einen allgemeinen Selbstwert, auch wenn der für jeden einzelnen Menschen völlig empfindungslos ist - eben nur ist, weil er dazu gehört. Jeder Mensch "ist dabei" durch seine bloße Anwesenheit und auch wenn er hierbei keinen großen Eindruck mehr macht, so ist diese Anwesenheit doch immer schon ein Beitrag im Erleben dieser Gemeinschaft, worin jedwede Selbstwahrnehmung bestätigt und bestärkt wird.

Jede einzelne Selbstwahrnehmung gewinnt sich somit also in der Beziehung auf andere, auch wenn sie für sich völlig grundlos bleibt. Nur indem Menschen ihre Wirkung auf andere für sich wahrhaben, können sie Selbstgefühle in der Form haben, dass darin Selbstwert gefühlt wird, dass sie also in den Wahrnehmungsverhältnissen ihren Wert für sich finden und an Wert gewinnen, soweit sie dieser Gefühlsgemeinschaft durch ihre unbestimmte Anwesenheit dienen. In einer Gesellschaft, worin die ihr zugrunde liegenden Selbstgefühle bodenlos sind, können die Selbstwerte nicht anders existieren, als in den Selbstgefühlen selbst. Und in diesen Verhältnissen erscheint der Selbstwert übermächtig, gerade weil er bodenlos ist.

Aber in dieser Gemeinschaft der Überwertigkeiten, die nur durch ihre Bodenlosigkeit verbunden sind, ist das Leben nicht einfach - im Grunde gerade deshalb, weil sie in nichts als aus Angst um diese leere Verbundenheit besteht. Und so entsteht eine Gier hiernach, denn nur hier haben die Menschen auch einen Selbstwert für sich, ohne sich für bestimmte Gefühle wertvoll zu erweisen. Sie haben also nur für die Selbstwahrnehmung in dieser Gesellschaft einen Wert in dem Maß, wie sie und wie dicht sie füreinander da sind. Gefühlte Selbstwerte gibt es also nur in diesem gesellschaftlichen Verhältnis wirklich, worin Menschen wechselseitig ihre Beziehung als Selbstbezogenheit ihrer Wahrnehmung bestätigen und bewahren, ohne aufeinander Eindruck zu machen, ohne also sich in dieser Gemeinschaft wirklich zwischenmenschlich zu erleben.

Diese Verhältnisse selbst sind durch die leere Selbstbestätigung eines Gemeingefühls begründet, also darin, in wieweit sich jeder darin in seinem Bedürfnis nach Selbstwert angemessen verwirklichen kann oder nicht. Selbstwerte existeren also jetzt eigentlich nur noch als Selbstwertgefühle eines Verhültnisses selbst, das sie zur Existenz bringt, indem sich die Menschen darin und dafür nutzen. Diese Gefühle sind das Maß der Selbstachtung, die Menschen als Persönlichkeiten ihrer Selbstgefühligkeit in einem zwischenmenschlichen Verhältnis durch dieses selbst haben.

Diese Selbstachtung kann vollkommen anders sein, als die Achtung der Bürger in ihren Verhältnissen als Warenbesitzer. Ja sie steht oft sogar im Gegensatz hierzu, z.B. dann, wenn ein Verhalten sachlich nötig, das dem Selbstgefühl widerspricht, das den Menschen entehrt o.a. Das Selbstwertgefühl ist eine vielfach unterschätzte Komponente fär die Entwicklung persänlicher Katastrophen.

Auch Selbstwertgefähle stehen nicht nur im Maä zu sich selbst, sondern bestehen im Verhältnis der Menschen, in dem Maä, in welchem sie sich gegenseitig in ihren Selbstgefählen und in deren Ausdruck und Wirkung auf andere achten. Sie messen sich aneinander und entwickeln sich im Maä gegen andere, im Maä der Eindräcklichkeit ihres Verhaltens, - später auch im Maä der Wechselseitigkeit ihres Verhaltens (siehe Sittlichkeit).

In einem dermaäen veräuäerten Selbstgefähl gibt es allerdings kein Zusammenwirken von Menschen mehr in dem Sinn, den sie wirklich färeinander haben. Nicht was sie miteinander vollbringen macht ihr Selbstwertgefähl aus, sondern wie sie es erleben. Sie kännen darin einen Selbstwert nur dadurch entwickeln, dass sie sich als Wert fär andere zu vermitteln verstehen, als eine Art Lebensunterhalt der Wahrnehmungen, als Unterhaltungsträger, als Lebensumstand, an welchem gemessen sie Selbstgefähle entwickeln. Was ein Mensch darin fär sich selbst ist, das ist er zuerst mal immer nur unter diesen Umständen und immer auch fär andere. In der Beziehung zu anderen bildet er, als was er fär sich gilt, was ihm wesentliches Anliegen im Bezug auf sie wird, das Dasein seiner Lebenswerte. Selbstgefähle bestehen daher nun auch als objektive Selbstwertgefähle, die mit dem Umstand des Erlebens verbunden sind.

Darauf gränden die Erlebnisse, welche das Lebensverhältnis von Lebenswerten ausfällen. Darin fählt man sich so wie man ist, wie man einander unter solchen Werten erlebt. Was man an Sinn einbringt, das verliert sich in der Wertegemeinschaft und besteht nur als Erleben. Die Menschen sind hierbei Umstand und Umwelt einer Unterhaltung als Lebensunterhalt, einer Sinnstiftung durch das jeweils hiervon bestimmte Erleben. Je nach Beitrag zu dieser Sinnstiftung findet sich eine Bewertung ihrer sozialen Einbezogenheit ein, die sie als Selbstwert äbernehmen - oder auch als Minderwertigkeit oder äberwertigkeit, wie sie sich in dem bemessen, was sie verkärpern - ob gerechtfertigt oder nicht, das wird sich dann zeigen. In all dem hebt sich die Gier nach Selbstwahrnehmung auf, ist bestätigt und wirklich durch den Selbstwert, den Menschen als einzelne Persänlichkeiten in diesem Verhältnis erlangen.

Ihr wechselseitiges Verhältnis verschafft ihnen hierdurch eine gewisse Rolle, in der sie sich beständig so erleben kännen, wie sie integriert sind. Sie empfinden sich als sie selbst, während sie nichts anderes sind als das, was sie fär andere tun. Aber es macht die Entwicklung ihrer Selbstverwirklichung aus. Und die verlangt erst mal Selbstbehauptung und Selbstäberwindung.

 



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132.1 Die allgemeine Selbstbehauptung des Edelmuts

Die Selbstveredelung ist der Rückstand an Selbstgefühlen, der durch eine Gemeinschaft narzisstischer Persönlichkeiten gebildet und gepflegt und mit den Einverleibungen ihrer Beziehungen im Großen und Ganzen eines oder vieler Lebensverhältnisse bestärkt wird. Weil sich die Menschen in solchen Verhältnissen der Selbstverwertung nur dann selbst fühlen, wenn sie in der Beziehung auf andere Selbstwert erwerben, also hierin auch ihre ausschließliche Selbstbeziehung, ihren totalen Narzissmus gewinnen, wird ihnen diese Beziehung selbst zur Quelle ihres Selbsterlebens. Sie füllt und erfüllt die Sinne mit dem, was sie an Selbstwert verwirklichen und damit wirklich wahr machen, was sie in dieser Beziehung also als Selbstwert erst schaffen, indem sie sich darin bespiegeln und also einander nötig haben. Menschen in dieser Notwendigkeit müssen also nicht nur die Anwesenheit anderer Menschen haben und nutzen; sie müssen sich auch gegen sie behaupten, sie müssen ihre Beziehung auf andere so arrangieren, dass diese ihren Selbstwert in ihrem Sinn gestaltet und zur Basis ihres Selbstgewinns dadurch wird, dass sich Selbstbewertung darin erübrigt, weil sie jetzt blankes Selbstgefühl ist, worin sich alle Empfindungen wie von selbst bestimmen und fortbilden. Ihre Selbstbeziehung hat daher keine Wirklichkeit mehr außer sich selbst; sie ist Wirkung durch sich, veranlasst alle Verhältnisse so zu sein, dass sie den entsprechenden Selbstwert wie von selbst empfinden. Die seelische Absicht wird zur Grundlage einer selbstwerten Wirklichkeit und die durch diese begründete wirkliche Absicht besteht aus dem seelischen Arrangement der Selbstbewertungen in solchem Verhältnis, worin sich das Selbst im Maßstab und zum Maßstab aller Beziehungen akkumuliert.

Ein solches Verhältnis der Selbstverwertung, in welchem sich die Beteiligten finden und empfinden, stellt die Beteiligten unter das, was hierin erlebt wird, was als Leben darin durch seine Eindrücke Wert hat, weil es im Erleben als wertvoll anerkannt und gesucht ist. Darin wird der Selbstwert in einem Lebensverhältnis bestätigt und behauptet sich zugleich über die Gefühle, die in ihm aufgehoben sind. Da sich das Selbstwertgefühl in diesem Verhältnis als Lebensumstand akkumuliert, wird das Erleben darin zum Träger der Selbstbehauptung von Selbstwertgefühlen. Ein Mensch fühlt sich substanzialisiert als ein Selbst, als ein Wesen, das durch seine Selbstbehauptung in solchen Wahrnehmungsverhältnissen seine Selbstwertgefühle gewinnt, ausdrückt und mitteilt und sie damit auch gestaltet und selbst bestimmt.

Das ist nicht einfach: So wie sich die Menschen durch ihre Selbstbehauptung selbst gegenständlich, fär sich selbst objektiv werden, so gefährden sie diese auch durch die Last, sich beständig objektiv machen zu mässen, sich also durch das zu begränden, was sie ware, bevor sie sich behaupten kännen. Sie haben zwar in der Form, worin sie Eindruck machen, ihren Selbstgewinn, zugleich jedoch verlieren sie sich darin, keine Beziehung ihrer Selbstwahrnehmung entwickeln zu kännen. Als objetivierte Subjekte ihrer Wahrnehmung entleeren sie sich in ihrer Selbstbewahrheitung in dem Maä, wie sie damit "Eindruck schinden". Das macht sie angreifbar und dännhäutig. Gerade dort, wo sie keinerlei wirkliche Identität haben kann, weil solche Selbstbehauptung nicht wirklich existiert, also keine andere Tätigkeit von ihr Wirkung hat, als deren Verhältnismääigkeit selbst, muss sie sich gegen alle andere Gefähligkeit durchsetzen, sich also durch die Unterwerfung von Gefählen in ihren Selbstwertgefählen behaupten.

Es herrscht viel Angst und Feindschaft in dieser dännen Luft. Selbstbehauptung als solche gibt es ja nicht, sie ist lediglich das Maä eines zwischenmenschlichen Verhältnisses, worin Selbstwert gefählt werden soll. Ein Maä hat eigentlich immer nur etwas an einem anderen von gleicher Qualität zu messen. Und ein Maä, das seine Substanz auäer sich gelassen hat, kann nur die Dichte der Selbstwerterfahrung messen. Es kann sich nur in der Annäherung der Menschen, in ihrer Anziehung und Abstoäung bis hin zu deren Extremen von Anwesenheit und Abwesenheit bewahrheiten. Es besteht also darin, zu messen, wie weit sich Menschen durch ihre Anwesenheit in solchen Verhältnissen behaupten kännen.

So entsteht ein verborgenes Stechen und Drängen und was an Selbstwertgefählen hierbei gewonnen wird, wird andererseits auch verloren, sofern die Anwesenheiten gleich bleiben. Ohne Zunahmen des durch bestimmte Selbstwertgefähle getragenen Verhältnisses bilden sich darin Persänlichkeiten heraus, deren Selbstbehauptung dem Selbstwert entspricht, welche die Menschen darin suchen. Aber gerade diese Persänlichkeiten zeigen sich zwangsläufig als unmääig gegen andere, die ihre Selbstwertgefähle bestätigen sollen und von daher in ihrer eigenen Originalität unterworfen werden. Durch Selbstbehauptung entstehen Fährungspersänlichkeiten, welche das Verhältnios in sich aufsaugen, worin sie entstanden sind. Nur wer sich äberwinden kann, solcher Selbstbehauptung zu entgehen, kann daher eine wirklich eigene Persänlichkeit finden.

Anwesenheit, Dichte, Abwesenheit, Selbstverwertung




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132.2 Das wirkliche Geltungsstreben

In der Selbstäberwindung wird Selbstwert erst darin wirklich, dass er aus der bloäen Gefählswelt heraustritt und durch Abgrenzung hiervon zu einem Bestandteil einer Person wird. Das Selbst tritt sozusagen äber sich hinaus, um sich selbst als Person, als Maskerade der Selbstwahrnehmung zu gewinnen. Es streift seine Selbstwertprobleme damit ab, dass es wirklich persänlich wird, dass es also die Menschen ausschlieälich als Personen wahrnimmt und wahr hat. Man kännte es auch von der Absicht her so formulieren, dass die Persänlichkeit das verwirklichte und also auch wirklich äberwundene Selbst werden muss, und daher sich selbst äberwinden muss. Doch in dieser Absicht handelt niemand wirklich.

Zunächst ist die Selbstäberwindung nichts anderes als ein Verzicht auf Selbstwertgefähl, ein Vorschuss an Eindruck, der keinen unmittelbaren Wert fär die Selbstwahrnehmung hat. Um sich selbst wirklich zu gewinnen als Mensch, der sich nicht einfach behauptet, sondern sich in seiner Abgrenzung von anderen Menschen zugleich persänlich vertritt, sich als das äuäert, was er an Selbstwert nicht wirklich hat, aber wirklich hiergegen sein will, muss er sich als Hauptsache der Wahrnehmung gestalten. Er muss sich als das veräuäern, als was er fär andere wahrnehmbar sein muss, um durch sie als dies objektiv äuäere wahrgenommen zu werden, durch das sie ihn wahrnehmen und wahrhaben.

Der somit entäuäerte Selbstwert stellt die erste Wirklichkeit einer Persänlichkeit dadurch her, dass sich diese von der Egozentrik der Wahrnehmung, dem Verhältnis der Selbstwertgefähle, enthebt und sich als Verhältnis zu Menschen bildet, die sich persänlich färeinander einsetzen, weil sie ohne einander keinerlei Identität haben kännen, weil sie sich also in keiner Weise selbst äuäern und auch nicht ihr eigenes Leben wirklich gestalten.

Aber die egozentrische Wahrnehmung, die Selbstwahrnehmung als Wahrnehmung ist damit nicht äberwunden. Sie hat lediglich eine hähere Objektivität bekommen, indem sie sich ausschlieälich selbst in ihrer Wahrnehmung wahrhat. Aus den Selbstgefählen ist eine Empfindung entstanden, die nurmehr durch sich selbst bestimmt ist, das Selbstgefähl als allgemeines Zentrum der Ders Selbstempfingung, Gefähl als Empfindung nur fär sich. Die Egozentrik erscheint daher nurmehr in der Wahrnehmungstätgkeit; nicht mehr als Wahrnehmung, die auf sich selbst gerichtet ist, sondern als Wahrnehmung deren Ausrichtung durch sich selbst tätig ist, als Wahrnehmung, die dadurch exozentrisch erscheint, dass sie als Empfindung kursiert, aber ihre ihre Empfindungen aus dem Gefähl fär sich bestimmt. Sie erscheint sensibel fär alles andere, weil sie sich selbst sensitiviert.

In Wahrheit ist ihre Sensibilität vollständig leer, aber dennoch voller Wahrnehmung, weil sie sich selbst in ihren Empfindungen fählt, sich ausschlieälich selbst versprärt, wenn sie sich auf anderes bezieht. Aus dem, worin dieses Hochgefähl fär sich kommt, aus dem, was sie fär sich gewinnt, muss sie die Macht äber dass ganze Wahrnehmungsverhältnis gewinnen, um es fär sich nutzen zu kännen. Sie muss die psychischen Bedärfnisse der Menschen erkennen, um sich als deren Mittler zu erweisen, um sich als ihr Mittel selbst zu fällen und deren Zweck durch sich zu erfällen. Die Absicht solcher personifizierter Selbstgefähligkeit besteht in der Ausrichtung einer Vermittlung, die sich durch die leere Bedärftigkeit von zwische4nmenschlichen Beziehungen gestaltet, den Zweck ihres Bedarfs nach bloäer Anwesenheit eines zwischenmenschlichen Ereignisses erfällt.

In der Bedärftigkeit anderer Menschen erkennt eine Person jetzt ihre persänliche Macht. Was sie persänlich beeindruckt hatte wird ihr nun zum Ausdruck ihrer Persänlichkeit, zur Aktivität der Selbstwahrnehmung, die sich dadurch behauptet, dass sie das ausdräckt, was einen Mangel der Wahrnehmung bestätigt und als Subjekt hiergegen beeindruckt. Ein solches Subjekt der Selbstwahrnehmung formiert aich gegen den Mangel an Wirklichkeit und verschafft sich dadurch Wirkung, dass es diese äberhaupt äberwindet.

Es ist eine fundamentale Tätigkeit der Persänlichkeit, das zu sein, was ihre Selbstgefähle dadurch zur Wirkung bringt, dass sie sich ihnen widersetzt, sie ordnet und lenkt. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit wird somit selbst vermittelst der Negation zur Wirkung gebracht und also beherrschbar. Dadurch, dass Menschen sich fär die Wahrnehmunng äberhaupt als nätzlich erweisen und sich selbst dahin äberwinden, solchen Nutzen durch ihre Person zu formalisieren, wird Wahrnehmung äberhaupt kontrollierbar. Es entsteht so etwas, wie die Herstellung einer Gewissheit der Wahrnehmung dadurch, dass das Ungewisse kraft eigener Persänichkeit negiert wird. Es funktioniert vielleicht so, wie es S. Freud's "äber-Ich" sein wollte, aber es setzt sich nicht gegen ein Naturschicksal eines Triebkonflikts, sondern ist unmittelbar persänlich notwendig, um wirkliche Selbstgefähle zu haben, um also die Selbstwertgefähle einer Person durch Selbstverwirklichung zu äberwinden, sich als wirkliche Selbstwahrnehmung zu produzieren.

Hierin macht sich das Selbstgefähl frei von jedem Maä und entwickelt sich wie von selbst bestimmt weiter aus dem Verhältnis der Selbstwertgefähle heraus zu einem selbstkritischen Verhalten, zu einer Art Selbstkontrolle, die aber nicht als Verstandeseigenschaft fungiert, sondern als Gefähl fär Wirklichkeit. Das Selbstwertgefähl wird selbstlos, und damit aber zugleich unendlich selbstbezogen. Wirklichkeit als solche gerät hieräber in eine Gefählsform, wie sie im Gedächtnis herrscht und wie sie ohne weiteren Unterschied zwischen Wahrnehmung und Welt zum Maästab aller Selbstwahrnehmung werden muss. Was im Selbstwertgefähl noch positiv erstrebt wurde, wird darin als Unangemessenheit gegen die eigenen Sinne verspärt. Es entsteht ein Gefähl gegen die Selbstwertgefähle, welches eine gewisse Gefählsmacht darstellt, die sich äber diese erhebt. Die Unangemessenheit sich selbst gegenäber wird zu einer Gewissensinstanz, die persänliche Selbstverwirklichung erst wirklich mäglich macht.

 



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132.3 Die Selbstverwirklichung der persönlichen Gemeinschaft (Die Gewohnheiten der Einverleibung)

Die Anstrengungen der Selbstverwirklichung in den wechselseitigen Selbstbeziehungen haben eine Lebenswelt erzeugt, die über ihre Mühe hinausgewachsen ist. In den zwischenmenschlichen Beziehungen, worin Selbstbehauptungen und Selbstäberwindungen tragend fär den Selbstwert geworden sind, gewöhnt man sich daran, was man durch diese Beziehungen von ihnen hat: Eine Eigenwelt, die nur durch die Einverleibung der Lebenswelten von vielen anderen Menschen ihren Sinn erfährt, einen Sinn also, den sie nicht durch sich selbst hat, ihn also gar nicht für sich haben kann. Und gerade dies, was nicht wirklich Eigenes sein kann, bildet sich fort in Gewohnheiten, die selbst objektiv sind, weil sie nur durch ihre Objekte wirken und von daher wirklich sind. Sie graben sich als Spuren eines Verhältnisses in die Selbstwahrnehmung der Menschen, das in Wahrheit gar keines ist, weil es nur vom Standpunkt einer Person her allgemein sein kann. Sie kerben den Charakter der Gewohnheit, der Verhaltensgewohnheiten in diese ein und bilden den Zusammenhang ihrer Verhältnisse auf diese Weise auch ganz persönlich in ihr aus.

Es bilden die Eigenarten eines persänlichen Charakters. Die bestehen aus der Art und Weise, wie die Selbsterlebnisse eines Menschen in diesen Beziehungen in ihm selbst sich zusammenfinden. Er muss die Eindräcke, die er in solchen Verhältnissen von sich selbst gewinnt, auch ausdräcken, um darin fär sich wahr zu werden, seine Wahrheit innerhalb dieser Beziehungen zu bewahren. Es wird dies zur Grundlage seiner persänlichen Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, Umgang schlechthin, der alle Bräche der Wahrheit umgeht, die eine solche Persänlichkeit notwendig ausmacht. Niemand wird sie dafär belangen, wenn er nur sich mit sich vereinen kann. Doch das erfordert Lebenserfahrung, die hierin als persänliche Wirklichkeit erscheint. Und die Maägabe dieser Persänlichkeitsbildung ist die Selbstverwirklichung, welche einer solchen Person in solchen Verhältnissen mäglich ist.

Die Selbstverwirklichung wendet die Eindräcke der Wahrnehmung, also alles, was einen Menschen beeindruckt, unmittelbar als Ausdruck seiner selbst um. In der Selbstverwirklichung weiä ein Menschl endlich, was er fär seine Selbstwahrnehmung ist, nämlich das, was ihn beeindruckt hat und was er erleben und ausdräcken will. Er ist dabei ganz und gar nicht mit sich identisch,aber er verwirklicht sich im Ausdruck seiner Selbstwahrnehmung. Er wird, wie er sich erlebt und erfährt, wird zum Bild seiner selbst und handelt in Gleichnissen hierzu. Im Grunde wird er zu seinem eigenen Theoretiker: Er handelt, wie er sich interpretiert und fählt sich auch entsprechend. Alle Wirklichkeit ist ihm vertraut, bevor sie wirkt, bevor sie stattfindet und kann daher auch nur die Wirklichkeit seiner Selbstwahrnehmung beabsichtigen. Von daher ist in der Selbstverwirklichung ein Selbst tätig, das alles unter sich herabsetzt, was wirklich ist, um selbst wirklich zu sein.

Das dermaäen erhähte Selbst kennt keine wirkliche Beziehung mehr, weil es sich gegen jede Beziehung nur selbst verwirklichen kann, sich also um seine Wirklichkeit sorgen muss, wenn anderes auf es einwirkt. In und durch seine Selbstverwirkichung hebt es jede andere Wirklichkeit auf. Es lässt keinen Raum frei auäer dem, den es selbst ausfällt - oder umgekehrt formuliert: Aller Raum muss durch sie bestimmt werden. Die Selbstverwirklichung der bärgerlichen Persänlichkeit ist raumfällend und lässt keine Luft fär anderes. Was darin als Reichtum ihrer Beziehungen, Fähigkeiten und Sensitäten erscheint, verwirklicht sich nun zu ihrem Mangel. Selbstverwirklichung kann nur als ganze Wirklichkeit seiner selbst funktionieren und ist von daher total. Doch gerade diese Totalität ist weder durch Selbstbehauptung noch durch Selbstdarstellung erreichbar. Sie kann daher nur äber die vollständige Einverleibung der zwischenmenschlichen Lebensumstände Bestand haben.

Das macht nätig, dass ihr Leben sich veräuäert als Welt ihrer Selbstwahrnehmung, dass es sich personifiziert als Umstand fär sich. Darin vollzieht sich im Grunde nichts anderes als die Kontrolle der zwischenmenschlichen Beziehungen durch die persänliche Macht und Rolle einer tätigen Selbstwahrnehmung, die sich selbst durch andere erzeugt und verwertet. Indem die Selbstwahrnehmung auf diese Weise Persänlichkeit erlangt, wird sie auch fär andere wirklich. Und hieräber erfährt sie ihre Wirklichkeit auch durch andere. Es ist die persänliche Wirkungsmacht der Wahrnehmung, die sich als Verwirklichte Egozentrik in der Beziehung auf andere Menschen wahrhat. Ihre Emfindungen bestehen darin unmittelbar als Selbstgefähl und jedes Gefähl fär andere ist nichts anderes, als die Gestalt einer Selbstempfindung durch andere.

Die Persänlichkeit ist von daher das Gewirke vieler Personen in einer. Es ist die als Persänlichkeit gewordene Wirkungsmacht persänlicher Beziehungen, die aneinander ihre Selbstverwirklichung in der Konkurrenz ihrer Lebensumstände färeinander betreiben. So ist eine Persänlichkeit zwar ein gesellschaftliches Produkt, in Wirklichkeit aber existiert sie in der bärgerlichen Kultur nur privat, also im Ausschluss der persänlichen Selbstwirklichkeit, als Personifikation der Selbstwahrnehmung, die sich nur in der persänlichen Beziehung wahrhaben kann.

Es ist ein emsiges Geschäft, das darin betrieben wird: Das Geschäft der Selbstgefähligkeit, die das fär sich erwirbt, was die Personen durcheinander erbringen, was sie an Liebe und Lust und Erleben dadurch aufbereiten, was sie fär sich nicht mehr sein und bleiben kännen, was also in ihren Verhältnissen nur als Selbsterlebnis mäglich ist. Dabei konkurrieren die einzelnen Selbstdarstellungen um die Gunst des Selbsterlebens, und was das Gläck des einen darin ist, kann leicht zum Ungläck des anderen werden. Das persänliche Selbsterleben bestimmt sich aus der Beziehung dieser Konkurrenz in einem gemeinsamen Lebensraum, der fär sie nätig ist, um nicht in sich selbst zu zerfallen, um also im Bezug auf andere objektiv zu sein, subjektiv allerdings in der permanenten Angst vor einem persänichen Untergang zueinander stehen. Die Personifikation der Selbstwahrnehmung grändet also auf einem Wahrnehmungsverhältnis, das hächst gesellschaftliche Wirklichkeit hat und zugleich nur private Verwirklichung der äberwindung von Lebensangst sein kann. Und dies prägt sich ein, wird charakteristisch fär die Menschen in solchen Verhältnissen.

 

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