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213. Das objektive Selbstgefühl als Sinn für sich
(Die Lebensburg der heilen Persönlichkeit)

Die bürgerliche Gesellschaft trennt vor allem alles Dasein von seiner Entstehung, behauptet das Werden als schon gewordenes Sein, als Gegebenheit, die für alles Werdende wie eine unendliche Bedingung, als schlechthin allgemeine Grundlage gilt. Das betrifft nicht nur die sachlichen Verhältnisse, sondern auch die zwischenmenschlichen, in denen ihre Sachlichkeit nun persönlich auftritt, sich in Personen gesellschaftlich verhält, gerade weil sie in Wahrheit völlig unpersönlich sind. Was auf den Warenmärkten noch "als gesellschaftiches Verhältnis der Sachen" (Marx) erscheint (siehe Warenfetischismus), wird nun zu einer gesellschaftlichen Versachlichung der zwischenmenschlichen Persönlichkeit, zu einem allgemein gültigen Dasein des Zwischenmenschlichen, zur Kultur der Zwischenmenschlichkeit, die nun objektiv als Subjekt ihrer Liebe erscheint. Nur soweit sie deren Sinn erfüllen, haben sie Anteil an dieser Kultur, und nur soweit sie deren Gepflogenheiten bestärken, können sie sich darin frei verhalten. Es ist die Kultur einer "freien Gepflogenheit", in der nichts mehr nötig ist, weil es selbst schon notwendig für das Sein hierin da ist. Die Menschen erzeugen nun aus sich heraus, was sie für ihr Dasein sein müssen und erzeugen somit sich selbst als ihr eigentümliches Dasein, als Menschen mit dern Eigenschaften ihres Soseins.

Die Gegebenheiten der Kultur sind nun wesentlich und vollkommen von den Menschen getrennt, weil diese sich in ihren Eigenheiten selbst so erscheinen, wie sie sind: als Menschen, die ihre Verhältnisse so bestimmen, wie sie von diesen bestimmt sind. Was ihre noch weltliche Liebe in den Verhältnissen der Selbstverwertung ausgemacht hatte, was sie von sich hatten, wenn sie außer sich waren, ist nun eine Lebensbedingung, die unbedingt erscheint. Ohne Grund und Herkunft zwingt sie die Menschen so zu sein, wie sie für ihre Liebe sein müssen, um sich so zu fühlen, wie sie darin mit sich auskommen. Ihre Gefühle, die ihnen in diesen Verhältnissen ein ganzes Dasein in Liebe abverlangen, begründen ein Selbstgefühl, das ihr Dasein schon vereint hat, bevor es sein kann, bevor sie also wirklich da sind. Entweder geraten sie in solche Verhältnisse, weil sie andere verlassen haben oder verlassen sind, oder sie werden da hineingeworfen und "sind zu ihrer Freiheit gezwungen", ohne sich aus ihrer existenziellen Not auch wirklich befreien zu können. Sie kommen dort zur Welt, wo sie geboren werden oder wo sie hingeraten sind, und können sich zunächst nur als das fühlen, was sie hier auch für andere Menschen sind. Es ist vor allem das Verhältnis von eigenschaftslosen Menschen voller Eigenheiten, die keinen Sinn haben, die aber als einzige Wirklichkeit das Verhältnis ihrer Fähigkeiten beleben und sich darin als Mensch auch verhalten, der Sinne hat, auch wenn diese keinen Gegenstand außer sich selbst haben und also auch nicht empfinden können, was sie unentwegt fühlen.

Ihre Selbstgefühle sind auf ein ganzes Leben bezogen, zugleich aber reduziert und eingegrenzt auf den Teil, den sie nur "unter sich" durch andere haben können. Sie sind als Ganzes nur ein Teil und von daher in dessen Heilsamkeit geteilt. Was ihrer Ohnmacht gut tut bestärkt zugleich ihr Abhängigkeit und macht sie so endlos wie das Verhältnis, in dem sie bestimmt und bestimmend zugleich ist. Sie sind aber als dieses ganze Verhältnis unteilbar, also zu einem Unheil geworden, das kein gutes Ende finden kann, weil ihre Liebe nur in ihrer Reduktion auf diese fremd bestimmte Allgemeinheit des Ganzen, dem allgemeinen Selbstgefühl, in welchem sich ihre Gefühle sammeln, sich entfalten kann. Ihre Selbstgefühle werden so zum Teil eines Selbstgefühls, das für sie objektiv herrscht. Und das bestimmt Ihre unentwegte Selbstvergegenwärtigung, die hierzu nötig ist. Sie wird zu einer unendlichen Ergänzungssucht, die sie zu einer Erfüllung treibt, die für sie nicht wahr werden kann, wohl aber ihre Selbstwahrnemng bestimmt. In ihrer Rastlosigkeit verlieren sie gerade hierdurch den Sinn, den sie immer wieder neu zu bilden haben. So subjektiv die Menschen sich dadurch erscheinen, dass sie ihn bilden, insofern sie als Teil des Verhältnisses sich auch tatsächlich äußern, so objektiv ist ihre Äußerung schon dadurch bestimmt, was sie für ihr Verhältnis sein müssen.

Um nicht welt- und selbstlos zu werden, muss ihre Liebe geschützt werden. Aus diesem Grund nähern sich jetzt die Menschen nurmehr als Persönlichkeit ihrer Liebe, als Figurationen einer mit sich selbst identischen Lebensbehauptung. Aber auch und gerade weil sie darin als Persönlichkeiten ihrer selbstwertigen Selbstwahrnehmungen verkehren, müssen sie ihr Menschsein erst mal versichern, sich als Menschen in ihrer Liebespersönlichkeit sicher sein, sich selbst für die Wahrnehmung aufbereiten, sich an das "gegebene Leben" herantasten, um sich ihm zu unterwerfen, um darin zu irgendeinem Glück der Welt zu gelangen. Auch wenn es ihnen Angst macht, so bleibt ihnen - sofern sie es in den Selbstwerten dieser Kultur suchen, doch nur die Herstellung einer Verträglichkeit, worin sie ihre Selbstgefühle wenigstens gestalten können.

In der Lebensangst der bürgerlichen Kultur ist mit der persönlichen Identität jedes Vermögen bedroht, sich auf andere Menschen wirklich einzulassen, sie wirklich zu lieben. Die ausschließliche Selbstwahrnehmung, welche die Selbstwerte nötig haben, hat im Wechselspiel von Selbstgewinn und Selbstverlust letztlich immer die Ohnmacht der Liebe zur Folge. Des einen Glück wird notwendig zum Unglück des andern. Die isolierte Existenz der Selbstwertigkeiten und die privaten Mächte der Selbstgefälligkeiten haben eine Kultur geschaffen, in welcher das Leben nur als kurzer Moment der Einigkeit der Vereinigungen aufblitzen kann. Und gerade weil dies als Zufall und Schicksal erscheint, wird das Streben nach Glück zu einer unendlichen Bestrebung nach Selbstwahrnehmung, welche über das Unglück erhaben ist. Und wer es hie und da erlangt, der kann sich der Mißgunst der Unglücklichen sicher sein. Schließlich ist ihm etwas zugefallen, was er wirklich "nicht verdient" hat und was das Unglück der anderen zunächst zu vermehren scheint.

Die Gefühle selbst stören ja eigentlich einander und wo sie sich schließlich auch wirklich zerstören, wird jeder darin zu einem Monster in den Augen des anderen. Wo das Herz insgeheim dennoch aufgeht, muss es sich daher schützen vor den monströsen Störungen und Zerstörungen, welche die Missgunst der seelischen Absichten mit sich bringt. Der schmale Pfad, auf dem sich Menschen dann begegnet sind, muss zu einem Weg für sie werden, auf dem sie ihr Leben und damit sich selbst verwirklichen können. So zumindest erscheint ihnen dies. Doch der Weg, sofern er sich nicht in der Gesellschaft und ihrer Kultur finden lässt, wird schnell selbst zu einem Status, zu einem Raum, in welchem die Menschen sich für ihr Leben bescheiden müssen, zu bleiben, was sie darin sind.

Was in der Lebensenge der Kulturpersönlichkeiten noch Lebensereignisse waren, zu denen sie sich verhalten hatten, bedroht sie nun selbst. Indem das Leben zu einer bedrohlichen Gegebenheit geworden war, wird nun auch jede persönliche Identität hierdurch beschädigt. Das isolierte Gattungswesen hat in seiner freudlosen Geschlechtlichkeit vor allem kein Gefühl für sich selbst. Der Verlust der Selbstgefühle ist der erste Inhalt, wogegen sich eine eigene Sinnbildung der Menschen richtet, eine Sinnbildung, die nun auch wirklich durch sie bestimmt erscheinen kann: Eine Festung ihrer Gefühle, die hierin entstehen und hierdurch geborgen sein können.

Aus dem Gefühl des Unheils einer Lebensangst heraus, welche die öffentliche Welt macht, entsteht das Verlangen, das eigene Leben zu bergen, sich in eine heile Welt zurückzuziehen. Es ist die Entgegnung gegen die Fremdbestimmung durch die Kultur der Gegebenheiten. So subjektiv dies aufkommt, so objektiv ist aber auch die Notwendigkeit, eine solche Welt zu schaffen: Einen Lebensraum, worin die öffentlichen Ereignisse ausgegrenzt sind, ist die einzige Möglichkeit, den Ereignissen des Lebens wieder einenunmittelbaren Sinn zu entnehmen, weil man ihn hier als Sinngebung vollzieht. Im Schutz vor seiner Wirkung auf andere, also im Lebensraum des privaten Glücks, erscheint das Gegebene als Verhältnis von Geben und Nehmen, als Lebensäußerung von Menschen, die zwar den gegebenheiten der Kultur folgen, aber zugleich darin sich selbst geben können, wodurch sie sich auch nehmen lassen als das, was sie sind: Menschen aus Fleisch und Blut. In der Ausgeschlossenheit der öffentlichen Relationen, in welchen Lebensereignisse stehen und vernutzt werden, erscheinen sie hier als selbstbestimmt, soweit sie die öffentliche Welt beantworten, soweit sie also gegen deren Unheil gerichtet sind und eine heile Welt formulieren können, ein Ganzes menschlicher Beziehungen und deren Gefühlswelt als Wirkungsraum der Seele. Aus ihrer Gegebenheit wird ihre Gewohnheit.

Das in sich geschlossene Ganze muss allerdings das Ganze solcher Gefühle auch aushalten, die vor allem den Mangel haben, nur entäußerte Selbstgefühle sein zu können, sobald die Gewohnheiten in solchem Raum das Gefühl füreinender seines Grundes enthebt, seinen Sinn in der Dichte der Anwesenheiten aufhebt. Und in den Selbstgefühlen verheimlicht sich dann der Zweifel am Ganzen, am Heil dieser Lebensburg, solange er sich nicht verwirklicht als Widerspruch oder ausbricht als Streit, Vorwurf oder Schuldgefühl. Solange er heimlich bleibt, ist er immer gegenwärtig als Gefühl von etwas Unheimlichem, einer potenzielle Vernichtungsmacht des eingeschlossenen Glücks, worin alles schön und gut ist, aber durch böse Mächte bedroht wird. Diese sind in keiner Weise identifizierbar, weil nichts in der heilen Welt Identität haben kann. In ihnen wird eine totalisierte Wirkung unterstellt, die sich aus dem verheimlichten Zweifel als abstrakt allgemeine Negation ergibt: Das Böse schlechthin.

So ist das Böse auch das wichtigste Thema in einer heilen Welt, die Mythologie ihrer Selbstbegründung als das verbliebene gute Menschsein, als Zusammenschluss guter Menschen, die sich in der Abgrenzung vom Bösen immerhin durch ihre Liebe selbst bestimmen und verwirklichen zu können vermeinen. Die Menschliebe wird darin zur "Liebe des Guten", zur ethischen Liebe.

 

Lebensbergung




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213.1 Wohnen & Familie

Lieb gewordene Lebensformen werden zur Form eines objektiven Selbstgefühls, wenn sie wie ein Wall gegen fremde Selbstgefühle errichtet werden. Es bildet sich hierdurch eine Haut der Wohnkultur gegen die Welt, welche dadurch abgewertet wird, dass Wohnen selbst als Privatform der Kultur überhaupt sinnfällig die Selbstbezogenheit vergegenwärtigt, die sie nötig hat. Im Wohnen wird unmittelbar eine Selbstgefühligkeit veräußert , die das Heim heimelig und das Fremde unheimlich macht. Die bürgerliche Familie lebt kulturell vom Wohnen schlechthin und ist sich darin selbt gut, gegen andere gütig oder abweisend, eben so, wie sie zu ihrer Selbstwahrnehmung passen. Das Heim selbst ist daher zum Sinn und Grund ihrer Selbstgefühligkeit geworden, eine Selbstverständlichkeit der Selbstveräußerung, die ihre Selbstsucht nur dadurch abgewiesen hat, dass sie familiar geworden ist. In der so gegründeten Selbstgerechtigkeit ist man sich vor allem selbst gut und wird allem anderen immer fremder. Güte beherrscht den Lebensraum, verwirklicht den Familiensinn der Geborgenheit..

Familie ist keine Naturtatsache und auch keine natürliche Kulturform. Sie ist eine relativ moderne Privatform eines darin unmittelbar scheinenden Gattungsverhältnisses (siehe Gattungsbegriff), eine in ihrer zwischenmenschlichen Ausschließlichlichkeit bestimmten Lebensform der Geschlechter als Generationenverhältnis einer privaten Individualität, die sich ebenso privat vergemeinschaften muss, um in der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt über ihre bornierte Vereinzelung hinausgehend noch Bestand zu haben, sich also reproduzieren zu können. Dies aber betrifft nicht nur die Reproduktion der Privatexistenz, sondern des menschlichen Lebens überhaupt. Hier vermittelt sich das werdende und das gewordene Leben, die innigste Kultur der Menschen in ihrer bürgerlichen Existenzform, die das innere Glück des Lebendigen mit den Existenzbingungen der Verwertbatkeit seiner Veräußerung zusammenschließt.

Gerade in der organischen Verbundenheit des werdenden Lebens, besonders in der natürlichen Symbiose von Eltern und Kindern wirken die Formbestimmungen dieses Lebensraumes total, machen aus der körperlichen Symbiose eine psychische, weil der Schutzraum dieser Lebensburg sich negativ gegen die Außenwelt stellt. Von daher bildet sich in der Familie eine Subkultur, die sich als Grundform des Lebens selbst privat bestimmt erscheint und in dieser Selbstbehauptung die diesbezügliche Selbstbeziehung in der Selbstverwirklichung der Familienpersönlichkeiten gegen die rein objektiv vermittelt erscheinende Gesellschaft entfaltet und erwirkt. Die objektiven Gefühle der Familie erscheinen daher unmittelbar selbst objektiv als Selbstgefühle, die total sein müssen und dies nur sein können, wenn und soweit sie dem Familiensinn entsprechen. Es ist der Sinn einer gesellschaftlich isolierten Notwendigkeit der Reproduktion des Leben überhaupt und enthält von daher gesellschaftliche Macht als unmittelbar personliche Naturmacht der Generaionen in dem hieraus formbestimmten Verhältnis zueinander.

Die Existenz einer kulturell unterworfenen Reproduktion geht auf in der Subjektivierung des Sachzwangs der bürgerlichen Gesellschaft zum Lebensprinzip ihrer Kultur, Die objektive Bestimmtheit erscheint als Gemeinschaft menschlicher Bedürftigkeit, worin sie die Pflichten der bürgerlichen Existenz als Lebensverpflichtung aufnimmt und daraus die Dürftigkeit einer verkehrten Lebenserwartung im Glück menschlicher Lebensmomente erlebt. Gelingt deren Erfüllung, so kann die wirkliche Welt zur Nebensache werden und es vereinigen sich menschliche Bedürfnisse an der Leimstange ihrer bürgerlichen Verheißungen mit der Macht und Hoheit des unverwirklichten Lebens, dem Glauben an die Unendlichkeit eines in sich selbst beschränten Glücks. Während sich die Älteren damit in dem Maß bescheiden müssen, wie ihre Vergangenheit ihre Gegenwart einholt, wird genau dies zum wesentlichen Problem der Jüngeren, weil die Welt die Hauptsache ihrer Zukunft sein muss.

In der Familie beziehen sich die Generationen aufeinander in ihren gegensätzlichen Lebensinteressen, die nirgendwo anders wirklich sein können. Je kleiner sie ist, desto totaler und ausschließlicher vereinigt sich dieser Gegensatz im Verhältnis der Entgegnungen. Sie ist der rückbezogene Lebensraum eines gesellschaftlich ausgeschlossenen Lebens, der Rückzugsraum der darin geborgenen Gattung, die Lebensburg einer Gesellschaft, die für sich die Lebensform zerteilter Beziehungen ist, die sich in ihren Verhältnissen ausschließen und von daher von ihrer Geschichte, von der Vergangenheit ihrer Entstehungsgeschichte selbst beherrscht sind. In der Familie herrscht das Entschiedene in der Abscheidung und wird darin zu einer Lebensform ausschließlicher Sinnlichkeit, die durch den Ausschluss ihrer gesellschaftlichen Bezogenheit in sich selbst herrscht, also eine Burg der Selbstbeherrschung sein muss.

In der Familie müssen die Menschen ausschließlich ihr ausgeschlossenes Leben beherrschen. Sie befinden sich in einem Verhältnis, worin ein jeder notwendiges Objekt des anderen ist und als Subjekt zugleich hierdurch seine eigene Not wendet. Er ist damit also selbst in einem Besitzverhältnis, das die Subjekte sich objektiv unterwirft, die sich in dieser Unterwerfung zugleich ausschließlich subjektiv erscheinen. So entsprechen sie nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv den Formbestimmungen der bürgerlichen Gesellschaft, worin und wodurch die Menschen zugleich allgemein objektiv nicht nur durch ihren Besitz bzw. ihre Besitzlosigkeit, sondern zugleich auch selbst durch das Verhältnis ihrer Sachen als Kulturverhältnis der Personen bestimmt sind (siehe Warenfetischismus). Die Verkehrungen dieser Gesellschaft treten in der Familie als eine sich selbst verkehrende Beziehung der Menschen zur Persönlichkeit ihres gesellschaftlichen Lebensraumes auf und lassen diese als selbständiges Privatwesen erscheinen, das sich in seinem familiären Haushalt völlständig, sowohl existenziell wie kulturell als Subjekt seiner Geschichte, als Schmied seines Glücks vestehen kann, während es objektiv vollzieht, was zur Reproduktion des Menschseins - körperlich, psychisch wie auch kulturell in dieser Welt nötig ist.

Nirgendwo sind sich die Menschen so nah und müssen füreinander soviel sein, was sie nicht sein können, was sie sich also gegenseitig vormachen müssen, um auch menschlich zu sein. Es herrscht in dieser Lebensform ein Verhältnis, worin sich die Scheinbarkeit ihrer Persönlichkeit selbst ermächtigen und substanziell "füttern" muss, während sie objektiv ganz und vollständig den Lebensnotwendigkeiten folgt, denen sie unterworfen bleibt. Erst wenn sich dies in den Menschen selbst ausgestaltet, erst wenn sie also aus der Familie heraustreten, erleiden sie an sich selbst die Scheinbarkeit ihres familiären Zusammenhalts und es treibt sich dieser in seiner Verrücktheit aus ihnen hervor. Sie erleiden in ihrer Wahrnehmung die bloße Abwesenheit der Selbstgefühle, an die sie sich gewöhnt und die sie sich angewöhnt haben.

In der bürgerlichen Kultur ist die Familie der Wohnraum von Verhältnissen, in denen gesellschaftliche Grundlagen sich zur Gewohnheit einer Privatform von Selbstbegründungen verkehren. Mann und Frau und Kind erkennen einander darin nicht als gesellschaftlich verkehrende Menschen, sondern als Gemeinschaft ihrer privaten Verkehrung, als Rückbezüglichkeit und Zurückziehung des Lebens, das in der wirklichen Gesellschaft untergeht, als Lebensburg einer Gemeinschaft, welche Leben und Liebe einfordert, weil diese in ihr nicht wirkllich aufgehen kann. Familie wird hierdurch zum Lebensraum einer Liebes- und Lebensschuld, einer gesellschaftlichen Rückbildung, in welcher sich deren Mängel als Triumph persönlicher Macht und Selbstgestaltung formieren, auch wenn diese nur auf Schuldgefühlen gründet, auf der Ohnmacht des familiarisierten Lebens. Sie ist das organisierte Geschlechtsverhältnis von Privatpersonen, das auf der gewöhnlichen Anwesenheit der Geschlechter und Generationen in einem gemeinschaftlichen Lebensraum beruht, der auch gegen die Einwirkungen der Öffentlichkeit Schutzraum bietet und sich wie die Lebensburg einer Eigenwelt gegen die Anmaßungen einer hiergegen fremd erscheinenden Gesellschaft verhält.

Diese Lebensform macht die Reproduktionsform des Geschlechtsverhältnis als Generationenverhältnis aus und bestimmt die Existenzform der individualisierten Reproduktion eines gesellschaftlichen Lebensverhältnisses zu einem ausschließlichen Verhältnis eines isolierten Gattungswesens. Als dessen Privatform entfaltet es sich zur Haushaltungsform eines Familiensinns, der vor allem die darin isolierte Liebesbeziehung und ihre psychische Substanz bestimmt.

In der hieraus begründeten bürgerlichen Kultur ist die Familie daher auch ein Wohnraum solcher Verhältnisse, in denen gesellschaftliche Grundlagen sich zur Gewohnheit einer Privatform von Selbstbegründungen verkehren. Mann und Frau und Kind erkennen einander darin nicht als gesellschaftlich verkehrende Menschen, sondern als Gemeinschaft ihrer privaten Verkehrung, als Rückbezüglichkeit und Zurückziehung des Lebens, das in der wirklichen Gesellschaft untergeht, als Lebensburg einer Gemeinschaft, welche Leben und Liebe einfordert, weil diese in ihr nicht wirkllich aufgehen kann. Familie wird hierdurch zum Lebensraum einer Liebes- und Lebensschuld, einer gesellschaftlichen Rückbildung, in welcher sich deren Mängel als Triumph persönlicher Macht und Selbstgestaltung formieren, auch wenn diese nur auf Schuldgefühlen gründet, auf der Ohnmacht des familiarisierten Lebens. Sie ist das organisierte Geschlechtsverhältnis von Privatpersonen, das auf der gewöhnlichen Anwesenheit der Geschlechter und Generationen in einem gemeinschaftlichen Lebensraum beruht, der auch gegen die Einwirkungen der Öffentlichkeit Schutzraum bietet und sich wie die Lebensburg einer Eigenwelt gegen die Anmaßungen einer hiergegen fremd erscheinenden Gesellschaft verhält.

Diese Lebensform macht die Reproduktionsform des Geschlechtsverhältnis als Generationenverhältnis aus und bestimmt die Existenzform der individualisierten Reproduktion eines gesellschaftlichen Lebensverhältnisses zu einem ausschließlichen Verhältnis eines isolierten Gattungswesens. Als dessen Privatform entfaltet es sich zur Haushaltungsform eines Familiensinns, der vor allem die darin isolierte Liebesbeziehung und ihre psychische Substanz bestimmt.

In der Familie ist das Zwischenmenschliche jenseits seiner äußeren Bestimmtheit vereint zu einem Menschsein zwischen allem Menschlichen. Zwischenmenschliche Liebe, die sich zwischen den Menschen in ihrer reflektierten Form als Psyche zu gegensinnigen Charakteren entwickelt hatte, wird nun zu einer Lebensform selbst. Es kommten sich darin die Menschen aus ihrer Liebesnot heraus geborgen vor, als geborgenes Leben (siehe Lebensbergung), das seinen Sinn in dessen Notwendigkeiten nun erlebt und leidet und von daher auf sein Menschsein überhaupt zurückkommt, wie gebrochen dieses auch in seiner Gesellschaft existieren mag. Doch es ist ein Menschsein, das seine Gegenwärtigkeit zunehmend aufgeben muss, um seiner Existenzform genügen zu können.

Die widersprüchliche Bestimmtheit der zwischenmenschlichen Verhältnisse erscheinen in der Familie aufgehoben in reale Gegensätze von Mann, Frau und Kind. Diese müssen daher auch subjektiv das austragen, was ihnen objektiv in diesem kleinen Lebensraum zugetragen ist und sich zutragen wird. Besonders die Kinder erfahren ihre objektive Lebensbedingung in den elterlichen Subjekten des Familienlebens, und Mann und Frau müssen ihre Beziehungen nun auch objektiv in einer Ehe, im Bündnis verselbständigter Geschlechtsrollen, in der Selbständigkeit von Mann als Mann und Frau als Frau bewältigen. Die Kinder selbst sind unterschiedlich vor allem aus der Reihenfolge ihrer Geburt bestimmt; das Erstgeborene im Ganzen der Ehe, das letztgeborene hiervon befreit. In dieser Folge teilt sich die Form der Familie als Verhältnisform von Privatpersonen mit.

Güte kann man sich angewöhnen. Es ist ja lediglich eine Frage der Geschmacksbildung, durch welche Gefallen und Gefälligkeiten entstehen und getauscht werden können. Indem sich Menschen in ihrem Geschmack austauschen, erzeugen sie eine Gemeinschaft ihrer Gewohnheiten, eine Lebensgewohnheit als Sinn dafür, wie Leben eigentlich sein soll, wie es sich anfühlen lässt, wenn man sich darin eint und als Welt für sich leben kann. Wie gesagt: Es verlangt Einübung in den gemeinen Geschmack, worin ein geübtes Leben zu einem gewohnten Leben wird. Weil es im Grunde in der Lebensburg um Einigkeit geht, welche über alles andere erhoben sein soll, muss dieser Aufwand auch betrieben werden.

Dies geschieht nicht nur über Verhalten und Rücksichtnahme auf das Erhabene der Einigkeit, sondern auch über das Wohnen selbst. Die Ausstattung der Wohnung wird zur Herstellung eines Anwesens des eigenen guten Geschmacks. Alles wird bedacht, was diesen fördert - und schon mancher Streit um die Wohnungseinrichtung hat die ersten Krisen des großen Glücks eingebracht. Der Geschmack, der hier gebildet werden muss, hat ja nichts mehr damit zu tun, was einem schmeckt, sondern damit, was durch Einpassung in eine gute Gewöhnlichkeit von dauerhaftem Glück erheischt werden soll. Der Wohnraum soll vor Unglück schützen. Und damit ist er allerdings weit überfordert.

Was die "vier Wände" hergeben, ist aber immerhin ein Heim, in welchem sich Menschen geborgen fühlen, ohne dass sie irgendeine Gewissheit von dem haben können, vor was sie sich verbergen und wodurch sie sich bergen. Es geht um eine Lebensbergung schlechthin und die Einpassung in diese heimliche Lebenswelt und dies verlangt unbedingte Gewohnheiten. Geborgenheit ist eben nur dadurch wohnlich, dass das Ungewöhnliche, das zugleich völlig Ungewisses ist, die Bergung erzwingt.

Der Schutz, den der Wohnraum bietet, ist der Schutz vor dem Ungewöhnlichen, dem Äußerlichen, dem Fremden. Die Fremdheit wird zwar nur durch die Wohnlichkeit des Heimlichen geschaffen, aber zugleich steht sie für alles, was dem Heimlichen äußerlich und damit unheimlich ist. Je äußerlicher die gesellschaftlich sich verhaltenden Menschen hier erscheinen, desto heftiger werden hier die Wohnbedürfnisse. Und schon dies verrät, dass die Täuschungen über die Grundlagen der eigenen Welt notwendige Täuschungen in einer Welt sind, worin jedes Eigentum von den Wesenskräften der Abstraktion, von der Wertsubstanz der Selbstbezohnheiten des Geldbesitzes aufgesaugt wird. Aber auch für dieses heimlichen Reich der Lebensbergung hat dies Folgen. Das Ausgeschlossene bestimmt die Verhältnisse, auch wenn das nur wahr gehabt, aber nicht mehr wahrgenommen wird.

Wohnen ist die Lebensform der Gewöhnung im Raum der Gewohnheit von praktischen Lebensumständen. In dieser Form sind Lebensäußerungen als Anschauung und Gefühl bewahrt, Kultur für sich im selbständigen Ausdruck des Lebens, wie es Eindruck für sich selbst macht. Es verlangt für eine Gemeinschaft die Ergänzung oder Angleichung von Gewohnheiten, also ein Aufeinanderbezogensein der Lebensäußerungen, die zur Gewohnheit geworden sind. Dies ist um so leichter möglich, wie der Wohnraum sich dem Ort der Lebensäußerung nähert. Er hat in dem Maße kein Wohnen als solches mehr nötig, wie der Wohnraum zum Raum von und für Lebensäußerung wird. Wohnen erweist sich dann als selbständige Reflexion von Lebensäußerung, die keine bewusste Äußerung mehr nötig hat. Sie wird hierdurch familiar, solange sie die Familie nicht stört - und zur Nestbeschmutzung, sobald sie sich selbst verständigendes, also selbstverständigtes Leben in Frage stellt.

Für sich, also ausgeschlossen aus der zwischenmenschlichen Öffentlichkeit, jenseits des Unheils sinnenthobener Geschichten, wird die Liebe so eitel, wie sie zugleich gewöhnlich wird. Sie gestaltet einen Raum, in welchem sich gut sein lässt, den Wohnraum der Selbstgefühle. In ihm versammeln und gewöhnen sich die Liebenden an ein Leben für sich, leben in der "Wonne der Gewöhnlichkeit" (Thomas Mann), in der das Gemüt erst seine wirkliche Gestalt bekommt und eine eigentümliche Lebensgestaltung zur Folge hat. Nur was gut für das liebende und geliebte Leben ist, macht hier Sinn, denn das Leben selbst erscheint in der ausgeschlossenen Sinnlichkeit ausschließlich als Selbstbestimmung von Sinn überhaupt: Liebliches Leben.

Liebe als Lebensraum der Güte




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213.2 Die Gewohnheiten der Selbstbehauptung

Zwar ist in der Wohnlichkeit die Liebe voller Güte, der guten Liebe alles gegeben, wie es sein muss, aber das Selbstgefühl kann darin auch frei entscheiden, weil es sich nicht nur als besondere Sinnbildung erscheint, sondern weil es auch nur bestehen kann, wenn das Eigene in der Selbstgefälligkeit gewöhnlicher Eigenheiten existieren kann. Nur insofern die Liebe sich ungewöhnlich zeigt, kann sie diese verräumlichten Lebensgewohnheiten überdauern.

So gewöhnlich die an und für sich heile Welt des Wohnens ist, so besonders ist das Selbstgefühl darin, eben als Gefühl eines eigenen Raums der Eigenheiten, als Wohnraum und als eigenes Glück in der Abrenzung von jedem anderen. Die Wahrheit ihrer Liebe im Gemäuer eigener Heimlichkeiten ist daher vor allem die Abgrenzung und sie lebt nur solange, wie die Grenzziehung auch Sinn macht. So ist zwar die Lebensangst verschwunden, doch die Eifersucht ist an ihre Stelle getreten: Die Angst, dass die Selbstbehauptung des eigenen Glücks nicht mehr gelingt, dass selbstbestimmte Liebe ein Unding ist. Es zeigt sich darin immerhin noch in der Lebensform des Heimes die Beziehung, die Gebundenheit und Bindung, welche Liebe ausmacht. Aber in dieser formellen Welt geht es ja nicht wirklich um den darin bestimmten Sinn, sondern um die Lebensform seiner Eigenheiten, um den Bestand seiner Isolation. Das verlangt nach sicherer Form.

Die einzige Sicherheit, die sich gegen die Entbindung erzeugen lässt, ist die der Gewöhnung an das Liebliche. Wird die Liebe selbst zur Gewohnheit, so kann man nicht mehr ohne sie sein. So werden allerhand Aufwände betrieben, um darin einzugewöhnen, Reichtümer geschaffen, die einstimmen in eine mehr oder weniger laue Einstimmigkeit. Doch ein Perpetuum Mobile des Glücks gibt es nicht und die einzige Geschichte, die hierbei entsteht, ist die Geschichte der Gewohnheitsbildungen bis hin zu den Merkwürdigkeiten greiser Ehepaare.

Güte

Gewohnheit

Liebe




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213.3 Das Heil der Eigenwelt als Familiensinn

Die Selbstgefälligkeiten sind nun lieblich geworden, zu Lieblichkeiten des Geborgenen. Da scheint es natürlich, dass sie nichts mehr zu verbergen haben. Doch der Schein trügt. Jede Gefälligkeit birgt in sich, dass sie Dienstleistung für eine Abstraktion ist, für ein Leben, das nicht wirklich sein kann, weil es von allem absehen muss, was wirklich ist. Und gerade darin scheiden sich die Geister, welche das Glück gerade noch zu Händen hatten.

Ihre Eigenliebe erträgt die notwendige Unterwerfung an das Gemeine nur schlecht, - wenn sie es denn überhaupt tragen kann. Das Glück dieser Eigenwelt besteht daher aus dem Unglück, sich ihm ergeben zu haben. Ergebenheiten machen auf Dauer eben notwendig unglücklich. Man mag darüber streiten, wer darin bedonders gedunguen wird, es ist einerlei: Das Unglück des Eigenen ist der notwendige Umstand des Glücks im Heil der Eigenwelt. Das Fremde, das hier ausgeschlossen ist, wird auf Dauer in der Abstraktion der Gewohnheiten als notwendige Selbstentfremdung wirksam. Das geborgene Leben muss sich vor sich selbst verbergen.




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213.3.1 Der eingeschlossene Sinn (Das Unheimliche oder die Liebesangst)

Ein Leben, das seiner selbst nicht gewiss sein kann, das seine Sicherheit allein aus der Form, seiner Formbestimmung bezieht, in der es zugleich ohnmächtig ist, hat einen Grund außer sich, den es durch sich erfüllen muss, weil er der darin implizierten Lebensangst entspringt. Es ist ein zwiespältiges Leben zwischen Liebe und Angst, das als persönliches Gattungsverhältnis, als Begattung von Persönlichkeiten des Zwischenmenschlichen, eine übermenschliche Existenz bekommt. Was seine Form ausmacht, erscheint als Liebe und Liebesentzug und macht von daher das Lebensverhältnis unheimlich, von lebensmächtiger Größe mit trivialem Sinn: Man muss auf sich verzichten können, um die persönliche Größe haben, darin leben zu können. Und man verzichtet, weil man dabei sich und andere als liebende Menschen gewinnt. Im Grunde gehorcht man aus Liebe um geliebt zu werden. Die Liebesfestung ist immerhin eine Selbstvergewisserung von unheimlicher Größe und Macht.

Es ist die Übermittlung der Existenzangst als Liebesangst, in welcher sich der eingeschlossene Sinn in seinem ausschließlichen Verhältnis zuerst geltend macht, eine Zugehörigkeit aus Hörigkeit an das Leben, das er birgt. Aber wo nichts mehr wirklich leben kann, ist das Ausgeschlossene, das Ungelebte und Unlebbare ein mächtiges Subjekt, das sich gegen alles stellt, was darin wirklichen Sinn zeigt, das seine Wirklichkeit durch die Ungegenwärtigkeit seiner Wirkung auf die Anwesenden betreibt und ihre Verhältnisse gerade durch das bestimmt, was abwesend ist und also auch fehlt. Es ist nicht etwas "eigentlich Vorhandenes", etwas "Verdrängtes", das es schon gab und das an den Wurzeln des Daseins nagt; es ist die heimliche Wirklichkeit, der pure Mangel an Gegenwart der Bestimmtheiten dieses Verhältnisses, der die Verhältnisse belastet. Dies macht die Kraft des Unheimlichen, das schließlich dann auch die Sinne bedrängt und sie auch bedrängen und verfälschen kann.

In den zwischenmenschlichen Verhältnissen ihres Wohnens beziehen die Menschen ihre Gewohnheiten aus den Ungewissheiten ihrer Selbstwahrnehmungen, den Interessen ihrer Selbstveredelung und Selbstvergegenwärtigung, worin sie ihren Narzissmus geborgen haben (siehe auch Lebensburg). Was sie sich hierin gegenseitig einverleiben und aneinander erziehen, widerspricht oft dem Vermögen ihres Selbstbewusstseins, das im Zweifel zu seiner zwischenmenschlichen Wirklichkeit zwischen seinen inneren Beweggründen, seinen Selbstgefühlen befangen ist. Darin sind nicht nur die Erinnerungen ihrer Gefühle enthalten, sondern auch die Erkenntnisse ihrer Lebensängste, ihres Unheils. Das so genannte Unbewusste ist eine dem Bewusstsein entzogene Wahrnehmungsidentität, welche die Absichten und Getriebenheiten der Psyche verfolgt, die ihm oft auch entgegen stehen. Von daher galt es auch Sigmund Freud (siehe hierzu auch Psychoanalyse) und C.G. Jung (siehe hierzu auch Esoterik) - nicht aber Wilhelm Reich - als Substanz des Seelischen schlechthin.

Der Lebensraum selbst, das Heim, worin diese Verhältnisse sich vollziehen, wird zum Gemäuer von Ausgrenzungen, die nicht wirklich betrieben und erkennbar sind, sondern durch das wirken, was in jedem gesellschaftlichen Verhältnis nötig aber hier zugleich unmöglich ist: Das wirklich Verhalten der Menschen in einer Wirlichkeit, die sie erhalten und auch fortbilden. Die Notwendigkeiten der Existenz dieses Verhältnisses treten immer mehr in den Vordergund und setzen sich durch, die Sachzwänge verwirklichen auch hier ihre Übermacht und die Liebe bemisst sich selbst an den Leistungen und dem Vermögen, das hierfür beigebracht und aufgebracht wird.

Geld mag hilfreich für die Erweiterung der Möglichkeiten in diesem Raum sein; es kann aber die räumlich wirksame Sachgewalt der menschlichen Not, die darin herrscht, nicht wirklich aufzuheben. Im Gegenteil: Es offenbahrt sich in der Versorgung durch Geld und den ensprechenden Umsänden um so deutlicher, dass Liebe nichts Gewöhnliches sein und nicht gewöhnlich werden kann. Es ist ihr leibhaftiger Widerspruch, dass das Gewohnte und Bewohnte im Alltag nur durch Vergegenstänlichungen der Liebe, also durch ihre Vermittlung bestimmt sein, aber unmittelbar sein soll. Was gute Umstände und Vermögen an räumlicher Weite beibringt, das verflacht die zwischenmenschlichen Beziehungen. Aus der Enge des Raums, aus der Angst heraus entwickelt es eine Vertiefung der Gleichgültigkeit, die darin herrscht.

Es ist in der Tat unheimlich, was sich darin entwickelt. Die Liebe, welche die Geborgenheit der Familie bewirkt hatte, wird zur Angst um die eigenen Lebensinhalte, um die Liebe und Kraft, die man hierfür braucht und der zugleich niemand wirklich gewachsen sein kann, eben weil es immer nur wirkliche Menschen sein können, die sich hier zueinander verhalten. Die Geborgenheit fordert ihren Tribut: die Wirkungslosigkeit der Beziehungen, ihre Unwirklichkeit als Schwäche ihrer Gegenwärtigkeit, als immer schwächer werdende Gegenwart. Das Verhältnis selbst wird gegen seine Beziehungen schwachsinnig, zu einem Vrhältnisschwachsinn, der alles verengt, was sich darin verdichtet. Es entsteht ein Mangel an wirklicher Lebensäußerung, an Wirklichkeit durch andere, Lebenssehnsucht nach anderem.

In dieser Enge vergeht, was darin gedeihen soll. Die Lebensburg ist eben eine kämpferische Einrichtung und ihr Zweck schon bestimmt, bevor die Menschen ihn befolgen und verfolgen. Er verlangt von jedem die Lebensäußerung, um darin auch eingebunden zu sein, die Teilhabe an dem, was sich sich nicht mehr äußerm kann, weil es schon geäußert sein muss, dass dieser Zweck auch befogt werden kann, der schon da sein muss, damit werden kann, was er verfolgt und was zugleich als sein Material und Mittel unterstellt ist, das ihm zur Folge dient, Grund und Folge zuleich ist. Er kann sich nur selbst vermitteln und nur sich selbst befolgen und muss dennoch beides in eins sein, Zweck und Mittel zugleich. Er kehrt sich daher um in eine Macht, der man selbst entfliehen müsste, wenn man kann, in eine Liebesmacht, die alles und jeden aufzehrt, der ihr zu Diensten ist.

 




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213.3.2 Die Liebesflucht

In der Angst entsteht Selbstverlust. Die Liebensmacht geborgener Liebesverhältnisse wird zur Gewalt einer Überlebensbedingung, die ihre Lieblosigkeit, eben die Lieblosigkeit der bürgerlichen Familie wahrmacht und nun in der Form einer Lebensbedingung wahrgehabt wird. Jene Selbstbezogenheit, die diesem Verhältnis vorausgesetzt ist und der Liebe Raum gegeben hatte und wodurch die Menschen in ihrer Zugehörigkeit hörig wurden, wird zu einer Macht gegen sie. Die Liebesmacht der familiären Persönlichkeiten verkehrt sich in ihr Gegenteil, weil sie sich bedingungslos zugehörig fühlen müssen und ihnen zugleich die Substanz ihrer Liebeszugehörigkeit in der Hörigkeit der Verhältnisse entgeignet wird. Als Lebensform mag sie sich halten, so lange man das will oder zu utzen versteht. Aber ohne Liebe wird die Zugehörigkeit djurch das Abwesende, das Unheimliche dieses Verhältnisses immer mächtiger, ausschließlicher und fremder. Die Liebenden werden sich notwendigerweise selbst fremd, gerade weil und sofern sie sich noch im Heimlichen lieben, aber ihr Heim verloren haben und in "unheimliches Wetter" geraten sind. Ihre Hörigkeit hat ihren Sinn verloren.

Die Freiheit aus einer Hörigkeit kann nur Flucht sein. Aber es ist eine Flucht ins Nichts, ins jenseits all jener Liebe, welche im isolierten Sinn möglich war. Doch soweit die Bedingungen ausschließlich bleiben, wird sie entflohen sein. Demzufolge ist solche Flucht so verschieden, wie die Menschen darin eingebunden sind. Die Vergesellschaftung der Sinneswelten wäre die wirkliche Entwicklung aus dem heraus. Doch weil das meist durch die gesellschaftlichen Umstände weiterhin beschränkt bleibt, ist es eben das Beharren und Insisteren duch bloße Formveränderung und der Pflege eines negativen Verhältnisses, eines Schuldverhältnisses, worin sich die familiäre Liebe dann auch total feudalisiert. In der Flüchtigkeit der Liebe wird um die nötigen Beiträge verhandelt und gefordert und bezichtigt und gewettet.

Die Kinder leiden wirklich darunter. Doch sie können durch ihr Dasein in diesem Verhältnis auftrumpfen, indem sie auf ihre Objektivität pochen, die ihnen ihr Objektsein immerhin verschafft hat.Sie stehen im Zentrum des obejektiv gewordenen Gemeinsinns. Und die Erwachsene pochen auf ihre Subjektivität, auf ihr Leben, das sie vergeben haben und das sich verflüchtigt hat. In der Flucht ist dies alles eben einfach nur verloren, nichts. Doch es ist lediglich die Abwesenheit der Liebe, die hier gelitten wird.Deshalb gestaltet sich die Nichtigkeit der Liebe als ein Verhältnis der Beschuldigung, eben dass sein muss, was nicht sein kann - oft auch durch Hass, Vernichtung und Selbstüberhebung. In der Pflicht, die eingefordertes Leben formuliert, wird die Liebe selbst nur noch in der Form der Schuld gegenwärtig. Die Hochform des Familiensinns ist daher auch das, was er jetzt wahrgemacht hat: die Liebesschuld.

 



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213.3.3 Die Liebesschuld

Familie ist die mächtigste, weil unmittelbar natürlich wirksamste Lebensstruktur, die ihren natürlichen Schutz für das Verhältnis der Generationen zugleich als gesellschaftliche Notwendigkeit in der bürgerlichen Gesellschaft in der Bergung und Verborgenheit der Beziehungen abgesondert hat. Sie ist hier der Privatraum persönlicher Fürsorge, auf der das Sozialverhalten der Generationen beruht und worauf sie sich verlassen müssen, um einander leben lassen zu können, auch wenn ihre Beziehungen jeden anderen Sinn verloren hat. Die seelische Fürsorge ist mit der Fürsorge für Leib und Leben identisch geworden und hat alles, was darin in Beziehung geraten ist, zur familiären Liebesmacht verkehrt, zu einem Famileinsinn, dem die Familie verpflichtet ist und in dem daher auch alles durch Liebesschuld aufgehoben ist. Obwohl diese nur durch die familiären Persönlichkeiten befolgt werden kann, ist sie ein Regulativ, von dem das Leben der Einzelnen abhägig ist, weil es für ihren Zusammenhalt sorgt. Im Prinzip dieser Fürsorge bemächtigt sich der von der Gesellschaft abgetrennte Lebensinhalt, der hier quasi eine Ersatzgesellschaft gefunden hat, eine Gesellschaft, die auf Schuldigkeiten gegen das Leben beruht und daher Lebensschuld als Liebesverhältnis veräußert, dem sich die Menschen liebend gerne entziehen würden, wenn sie darin nicht ihr ganzes Leben verwirklicht erkennen müssten.

Weil die Flucht aus der Familie ohne Sinnverlust praktisch kaum möglich ist, ohne Menschen zu beschädigen oder zu zerstören, weil sich darin der Ausweg der familiären Zugehörigkeiten zumindest solange bewahren muss, wie die Generationen aufeinander angewiesen sind, verbleibt sie als chronisch werdendes Schuldverhältnis ihr wesentlichstes Bindemittel. Es zeigt sich darin, wie objektiv das Liebesverhältnis der Selbstbezogenheit werden muss, sobald es seine natürliche Bindung und Entwicklung überwunden hat. Erst jetzt kommt das objektive Selbstgefühl, in welchem sich dieses Verhältnis vollzieht, in voller Macht und Montur zum Tragen. Seine Unheimlichkeit wird von einer Esoterik der Schuld abgelöst. Sie wird dadurch akzeptabel, dass sie einen höheren Sinn erfährt und durchhält, z.B. durch Religion oder Verhältniszauberei, wie sie z.B. der sogenannte Familientherapeut Bert Hellinger zur Genüge vorgeführt und sehr lukrativ für sich in die Welt verpflanzt hat. Was er und andere Phänomenologen dabei als Heilung vorführen beweist vor allem, dass das Schuldgefühl selbst zu einem Familiensinn geworden ist und die psychischen Verhältnisse bestimmt. Indem er das Seelische darin für sich instrumentalisiert, kann er dieses auch mit Unterwerfungen füttern, die "nicht von dieser Welt" sind. Es verlangt nur die Identifikation von Psyche und Seele durch entsprechende Rituale der Entschuldigung, die über alle Welt hinausgreifen und sogar soweit gehen, sich auch vor Adolf Hitler zu verbeugen, um ihm und sich selbst zu "vergeben" (siehe Bert Hellinger).

Stattdessen wird dies aber in der weltlichen Familie durch Leistungsverträge hergestellt, oft auch im Zusammenhang mit Geld. Entschuldigung ist aber hierbei maßgeblich das Eingeständnis einer Schuld am Verhältnis selbst, die auch aus der Vermeidung von nötigen Konflikten bestehen kann. Tatsächlich wird in solcherlei Schuldroutinen vieles aufgehoben, indem es getilgt wird. Wirklich aufgehoben wird das Unheimliche aber erst in der verallgemeinerten Liebesschuld, in der Beugung und Verbeugung vor der Liebesallmacht, der Macht, welche Liebe in ihrem isolierten Sinn als weltliche Institution einer Liebesschuld bekommen kann: Sie wird zur Verpflichtung, das "Leben zu meistern", was immer ihm auch geschehen mag. Das darin permanent gewordene Schuldgefühl verwandelt die Lebensburg, die ihre Liebe nur beherbergen wollte, zur Bestimmung einer Lebensmacht, die sich der Ohnmacht ihrer Psyche durch Nichtigsetzung allen wirklichen Lebens in einer Lebensverpflichtung widersetzt. Weil in der Lebensburg jede Liebe notwendig ihre Genze erfährt, immer wieder an die Wand fährt und sich psychisch aufbraucht und letztlich selbst nichtet, beweist sie sich durch ihren Schmerz, durch die Synonyme der Lebensstörungen und Kränkungen, die der familiären Symbiose zugefügt werden um sie zu vertiefen. Der Kreislauf ihrer Liebesschuld verstetigt die Notwendigkeit einer sich isoliert erhaltenden Liebe, die nicht wirklich sein kann, außer in der Fürsorge durch sie.

 







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