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231. Die entfremdete Empfindung (Entgegenwärtigung der Selbstgefühle)

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Innerhalb der Lebensburgen entwickelt sich das abgeschotteten Glück einer heilen Welt, das als Sphäre absoluter Privatheit alle Störung energisch von sich weisen muss (siehe hierzu auch Spießbürger), soweit sich die darin eingeschlossenen Menschen einig sind (siehe Familiensinn). Allerdings sind sie dadurch, dass und soweit sie von ihren öffentlichen Beziehungen absehen ihre Absichten durch ihr zwischenmenschliches Erleben bestätigen und bestärken müssen. So entsteht eine vergemeinschafftete Selbstbehauptung, die von der Funktionsweise ihrer wechselseitigen Bestärkungen abhängig ist und Angst macht, wo das Heil ihrer kleinen Welt scheitert oder auch nur zu scheitern droht. Diese heile Welt birgt daher immer schon ein potenzielles Unheil, das die Menschen immer stärker verbindet auch wo sie sich nicht wirklich verbünden können. Diese Angst tritt vielleicht in Streitereien und Verlustängsten auf, ist aber wesentlich in der bourgoisen Struktur dieser Lebensbündnisse, in der Struktur ihrer Lebensburgen angelegt. Ihre Bedrohung wird zunächst gerne auf äußere Mächte verlegt, erscheint daher aber vor allem als eine innere, unspezifische Angst als ihre Lebensangst, die immer tödliche Abgründe, nämlich den Verlust der gemeinschaftlichen und also auch persönlichen Wahrheit (Identität), Selbstverlust auf allen Ebenen des zwischenmenschlichen Verhaltens erlebt. Sie ist der Ursprung aller verunsicherungen in einer an und für sich heilen Welt und somit die Grundlage der Verrücktheiten, welche die Menschen in ihrerWahrnehmung und Wahrheitsfindung durchmachen, wenn sie die widersprüchlichen Verhältnisse ihrer Herkunft verlassen. Deren Widersprüche erscheinen dann in den Störungen ihrer verlustig gegangenen Selbstwahrnehmung (siehe Selbstverlust), in den Angststörungen (siehe auch Phobien) und Depressionen, den Aufmerksamkeitsstörungen (siehe Zwangshandlung) und in der sie verrückenden Überwältigung radikalisierter Selbstzweifel durch Gefühlsstürme, die die Wahrnehmung überhaupt überfluten und entstellt (siehe Psychosen).

In den familiären Lebensburgen haben sich symbiotische Selbstbehauptungen existenziell gebunden, indem sich darin ihre einzelnen Bedürfnisse in ihrer zwischenmenschlichen Lebensgemeinschaft im Schutz vor fremden Gefühlen verwirklichen konnten - ganz gleich, ob sie sich vertragen können oder ertragen müssen. Denn das ihr Äußerliche, das Fremde ist das, was solche Symbiose wirklichem bedroht. Daher wurde der Schutzwall gegen die wilde Vielfalt der sich über ihre Selbstbehauptung veredelnden narzisstischen Persönlichkeiten bestärkt, zugleich in der Beschränkuing des Lebens der Menschen und ihrer darin gegründeten Lebenspflichten relativiert und zu Fähigkeiten sich selbst beschränkender Entwicklungen vergemeinnschaftet. Es war ja auch ursprünglich vor allem ihre Lebensangst, die die Menschen darin zu ihrer Lebensform errichtet haben, in der sie sich in geschlossenem Lebensraum in ihrer Eigenliebe verbunden fühlen können. Ihre Angst hat nun in ihrer Abgeschlossenheit von der Welt endlich sich ganz in getrennten Selbstwahrnehmungen und zugleich vereinten in Rollen unterschieden aufgeteilt - bzw. zu Widersprüchen ihrer Wahrnehmung aufgelöst. Dies hat eigentümliche Beziehungen auch schon zwischen den darin gebildeten Empfindungen und Gefühlen geschaffen, wodurch vor allem die Selbstgefühle gegensinnig bestimmt und immer mehr durch fremde Gefühle im Familiensinn vereint werden mussten. So wurden somit die familiären Beziehungen selbst zu einer kulturellen Objektivität der Beteiligten, die den Inhalt ihrer persönlich objektivierten Selbstgefühle in der Symbiose einer familiären Intimität vergemeinschaftet hatten, Das Heraustreten aus dieser Gemeinsinnigkeit belebt daher auch unmittelbar in den Menschen die Lebensangst, die darin gebunden war und den familiären Schutz nötig hatte. Damit wurde in deneinzelnen Menschen Form und Inhalt ihrer Selbstgefühle notwendig getrennt und die Gegensinnigkeit der Generationen erzwungen.

Die Mauern einer Lebensburg bestehen im wesentlichen nicht aus wirklichem Bauwerk, sondern aus dem Einschluss von selbstverliebten Selbswahrnehmungen nach einer einer Lebensform vergemeinschafteter Selbstbezogenheit, die sich gegen alle ihr fremden und also hiervon ausgeschlossenen Selbstwahrnehmungen richten. Es hausen in diesen Mauern nicht nur deren Bewohner mit ihren häuslichen Gewohnheiten, sondern ganz wesentlich Die Gefühle einer allgemein veräußerten Subjektivität, die in diesem Raum praktisch willkürlich und nur durch den Gemeinsinn der je einzelnen Familien in deren allgemeinen Verhältnissen ihrer Kultur objektivierter Selbstgefühle beschränkt sind.

Sobald aber die Beziehung vom Schutz der Familienstruktur und ihrer objektiven Lebensbedingung aufbricht ist die familiäre Selbstwahrnehmung gefordert, sich in den allgemeinen kulturbestimmten Wahrnehmungen als gesellschaftlich existenter Mensch zu erkennen. Der Prozess dieser Beziehungen verläuft über eine Abgrenzung zu den kulturell existenten objektierten Selbstgefühle, wie sie in den Veranstaltungen und Kulten gesellschaftlich gewahr werden. Die Grundlage dieser Verhältnisse ist der Durchbruch der familiären Beziehungen im Aufbruch ihrer Mauern. Doch diese Mauern verkörpern eben nicht nur die Schranken des Privaten gegen das Öffentliche, sondern auch die Ängste, die in ihren familiären Verhältnissen gebunden waren. Der Durchbruch, den jeder Mensch in seiner psychischen Entwicklung durchleben muss, eröffnet auch die familiär strukturierte Lebensangst, die sich nun gegen die öffentliche Wahrnehmung im Dasein ihrer Kultur der Zwischenmenschlichkeit beziehen können muss. Doch gerade dies verdoppelt die familiär bestimmte Angst und fixiert die gegenwärtige Wahrnehmung an ihre ursprüngliche Selbstwahrnehmung und verhält sich in verschiedenen Zuständen der Lähmung, in Wahrnehhmungszuständen, die sich zunächst erst mal in ihrem Selbstverlust totalisieren.

Die in der bürgerlichen Kleinfamilie strukturierte Lebensangst trennt in der Symbiose ihrer Gewohnheiten die darin ausschließlich gewordenen Selbstgefühle auf und entwickelt sie zu einem Verhältnis der ihnen hierdurch äußerlich gewordenen Wahrnehmungsidentitäten zwischen Empfindungen, die nach ein Selbstgefühl verlangen und Selbstgefühle, die Empfindungen nötig haben, in denen sie sich aufgehoben haben. Die gegensinnig gewordenen Wahrnehmungsidentitäten verlieren ihre sinnliche Gewissheit und muten sich eine Selbstbehauptung zu, die ihre Symbiose als Verhältnis zu sich selbst für sich selbst fortbestimmt. Erstre erdrücken die Empfindungen, die ihnen fremd geworden sind und formulieren und verwirklichen sich in einer depressiven Wahrnehmungsidentität. Letztre können ihre Wahrnehmungen nurmehr durch Gefühle identifizieren, die sie für sich erzeugen müssen, um für sich whr zu sein. Sie erzwingen ihre Wahrnehmungsidentität durch die hierfür nötigen Erlebensweisen, durch Zwangsvorstellungen oder Zwangshandlungen, die ihren Empfindungen die Schwingungen von Gefühlen verleihen, die sich schließlich in einem ihnen notwendigen Selbstgefühl behaupten können. Und schließlich ergießt sich in der hierdurch verfolgten Psyche eine Wahrnehmungsidentität in den Wahnbildungen von Psychosen, die ihre Wahrheit nur noch in ihrem Wahn selbst erwähnen können, um für sich wahr zu bleiben. Die Wahrnehmung wird somit überhaupt von den sich ausschließenden Selbstgefühlen bestimmmt, die in Zuständen (siehe Wahrnehmungszustand) wie eine fremde Macht so erlebt werden, wie sie ihreSelbstwahrnehmung überwältigen.

Es ist ursprünglich dei Beziehung ihrer Lebenswelt, die sich in ihren Erinnerungen zum Körper ihrer Wahrheit verfestigt haben. Die Lebensform der Lebenspflichten und Erziehung (siehe hierzu auch erzieherische Beziehung) hat die Selbstgefühle entgegnwärtigt und war in ihrem Lebensraum, in ihrer Lebensburg durch die Ablenkung, Verhütung und Unterdrückung abweichender Gefühle zu einer strukturellen Lebensangst geworden. Die darin zur Gewohnheit gewordene Wahrnehmung hatte in sich selbst das notwendige Bedürfnis der Angstvermeidung strukturiert und zugleich die entsprechende Erkenntnis der Grundlagen ihrer Lebensangst ausgeschlossen. Das aber ist ihr Verhängnis, weil dieser Ausschluss die Grundlage für psychische Störungen ist, ihre Selbstenfremdung zur Folge hat, die ihre Emanzipation innerhalb dieser Verhältnisse unmöglich macht.

Wo Ängste zwischenmenschliche Verhältnisse bestimmt und begründet hatten, schließen sie durch ihre Lebenspflichten und erziehische Beziehungen, durch die symbiotischen Lebensverhältnisse ihrer Selbstwahrnehmungen, ihrer Empfindungen und Gefühle gegeneinander aus, machen sie undenkbar. Sie lassen kein wirkliches Denken zu und reagieren mit Selbstgefühlen, die zur Gewohnheit ihrer Selbstentfremdung werden und die betroffenen Menschen von sich selbst entfremden, ihre seelischen Beziehungen gegen sich selbst richten. Ihre Selbsterkenntnis selbst ist darin fremdbestimmt durch die objektive Subjektivität ihrer Lebensangst, durch die sie sich selbst kränken, die Zertrennung ihrer Selbstwahrnehmung, die nur aus der Symbiose ihrer Beziehungen bestand, nun zu einer Struktur der Selbstbehauptung eines jeden Menschen geworden. Es ist ein ängstliches Verhältnis der Selbstenfremdung, das eine Undenkbarkeit der Beziehung von Empfindungen und Gefühlen, idie Gedankenlosigkeit der hierin objektiv bestimmten Persönlichkeiten nötig hat.

Was die symbiotische Selbsbehauptung bewirkt hatte, fällt schlagartig in sich zusammen, wo die zugehörigen Lebensverhältnisse sich substanziell aufgelöst haben. In der Ohnmacht der darin ausgeschlossenen Psyche entwickelt sich allmählich oder schlagartig eine psychische Depression, die ihre darin eingebunden Sebstverlust nicht erkennen kann.

Von daher gibt es Selbstgefühle, die sich den Beziehungen zu Menschen in anderer Wirklichkeit überstellen und ihren Sinn durch ihr objektives Selbstgefühl dazu bestimmen, sich in dem einzuschließen (bzw. isolieren), was außer sich negiert ist, was also nicht sein darf, solange die negierte Wahrnehmungsidentität herrscht. Diese verhält sich daher nun aus ihrer Formbestimmung unmittelbar zum Ausgeschlossenen, indem es dieses für sich vereinnahmt und die Selbstentfremdung der Wahrnehmung so betreibt, wie es ihr die eigenen Umstände und Bedingungen aufnötigen.

Wahrnehmungszustände, die wie ein Fremdbeherrschung über die Wahrnehmung "herfallen" treten daher meist in den Übergängen verschiedener Gefühlswelten auf, worin gewohnte Gefühle oft ganz plötzlich von Ängsten oder Befürchtungen "überfallen" werden, ohne dass ein Grund sichtbar wäre. Die Wahrnehmung enthält den Gegensatz von Isoliertem und Ausschließlichem eben nicht als Wahrnehmung, sondern in dem, was sie wahrhat. Dieses bewirkt eine Störung geschützer und wohlvertrauter Gepflogenheiten, die längst nicht mehr empfunden werden, weil sie durch die Verhältnisse selbst ersetzt und für die Wahrnehmung eigentlich unersetzbar sind. Die Aneignung des Ausgeschlossenen kann daher eine längere Prozedur sein.

Das isolierte Selbstgefühl wirkt nun wie eine objektive Gegegenheit der Psyche und bestimmt von daher vor allem die Selbstwahrnehmung der Menschen in diesen Verhältnissen zu einem Zirkelschluss gegen sich selbst, zu einem Zustand, in welchem ihre Substanz, ihre Anwesenheit und Gegenwart, sich gegen sich selbst richtet und so zu einer Identitätskrise wird. Die Wahrnehmungszustände der Menschen, die von der Psychiatrie oder Psychologie als "Verhaltensstörungen" oder "Psychische Krankheit" oder durch Beschreibungen von "Unfähigkeiten" als "Geistesprobleme" oder als "neurophysiologische" oder "psychosomatisch Störungen" behandelt werden, drücken dieses unmöglich Seiende, das ausgeschlossene Sein der Selbstwahrnehmung aus. Wie es dahin kommt, dass sie auch ohne die Gegenwart des Ausschlusses fortbestehen können, also sich bei ganz anderer Wahrnehmung durch deren Entgegenwärtigung wahr machen, soll nun auseinandergesetzt werden.

Die unterschiedlichen Bestimmungen im Ausschluss der Selbstwahrnehmung ergeben sich aus der Art der Symbiose, in welcher das objektive Selbstgefühl vereint war. Sie haben daher auch unterschiedliche Zustände des Wahrhabens zur Folge, die sich als unterschiedlich bestimmte Formen der Entgegenwärtigung der Wahrnehmung geltend machen: Zustände der Bedrängung (Angst, Depression, Sucht), des Selbstverlustes (Zwang, Austismus, Borderline) und des Irrsinns (Paranoia, Wahnsinn, "Schizophrenie"). Im ersten bestimmt ein objektives Selbstgefühl die Selbstwahrnehmung durch Bedrängung, den betroffenen Menschen durch Auflösung seiner Gegenwärtigkeit durch hierdurch subjektiv aufgehobene Selbstgefühle, welche seine Empfindungen bestimmen. Im zweiten bestimmt die Verschmelzung mit der Objektform selbst die Auflösung seiner Selbstentfremdung durch objektive Selbstvergewisserungen (negative Selbstvergegenwärtigung). Und im dritten verschmilzt die Wahrnehmung überhaupt in einer Auflösung, in einer temporär absoluten Entgegenwärtigung der Wahrnehmung, worin sich die Selbstwahrnehmung der Psyche durchsetzt.

Es sind die Ächtungen ihrer Erkenntnisse, die ihre geistige Isolation und Verdrängung bewirkt, sich als Kränkungen der Seelen verwirklichen. Ihre Ausgeschlossenheit verfestigt sich durch ausschließliche Lebensermächtigungen in ihren psychischen Beziehungen und entwickeln sich zu einer Struktur der Angstvermeideung.. Wenn hierdurch Menschen krank werden, so sind sie einer Macht der Kränkungen erlegen, in ihren unmittelbaren Lebensverhältnissen, in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen in widersinnigen Verhältnissen ihrer Liebe verstrickt.

Im Verhältnis der Selbstgefühle entwickelt sich die Lebensangst in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen mit der Auflösung ihrer symbiotischen Selbstbehauptung als Verhältnis der Angst gegen die Selbstempfindungen ihres Lebens. Lebensangst ist die Angst einer bodenlos gewordenen Selbstwahrnehmung, einer verlorenen Gewissheit, die wie eine aufgelöste Wahrnehmungsidentität empfunden wird. Es ist eine Angst, die einer Selbstentfremdung entspringt, die als Verlust der gewohnten Geborgenheit (siehe auch Lebensburg) erlebt wird, deren Selbstgefühle durch Wahrnehmungen ihrer Wirklichkeit unter ihnen fremden Umständen in Abwesenheit geraten sind. Es geht hierbei um eine wesentliche Enttäuschung der gewohnten Lebensbedingungen, worin Angst ohne Sinn für sich empfunden wird, ohne Beziehung auf die Möglichkeiten ihrer Überwindung, ohne gesellschaftliche Erfahrung zur Bearbeitung verselbständigter Bedrängungsgefühle, wie sie sich in den Verhältnissen der Selbstbehauotungen und ihres Geltungsstrebens in zwischenmenschlichen Verhältnissen immer wieder ergeben.

Lebensangst entspricht einer Zusammenhanglosigkeit der Gefühle, die sich in der Zerspliterung ihrer Selbstgefühle nicht mehr im Ganzen erkennen lassen. Weil in dieser Angst das Gefühl einer ungewohnten Bodenlosigkeit auftritt, weil sein Zusammenhang abwesend ist, wird es als Verlust der eigenen Lebenskraft empfunden. Lebensangst entsteht also in Verhältnissen, worin die Menschen in der symbiotischen Gemeinschaft ihrer Selbstbehauptung ihren Selbstwert fanden und empfinden mussten, um ihre Selbstgefühle zu bewahren, die in ihrer Wirklichkeit auseinandergefallen sind. Weil sie diese nur durch ihre symbiotische Selbstbehauptung identifizieren konnten, ist ihr Erlkenntnisvermögen mit dem Verlust solcher Beziehungen (z.B. nach dem Verlassen ihrer Famllie) bedroht, wenn ihre Wahrnehmungen durch ihre Selbstwahrnehmungen bestimmt und durch andere Lebensumstände aufgelöst werden.

Es sind dann nur abstrakte Empfindungen dessen, was Menschen für sich in dieser Beziehung wahrnehmen und die eine latente Angst bereiten, weil sie nur als Entzug von einer Wahrheit der Wahrnehmung erkannt werden, als Verlust der Wahrheit, eigener Erkenntnis, die nicht mehr wirklich wahr sein kann. Die Bewältigung einer Lebenssituation innerhalb einer erzieherischen Beziehung hat unendlich viel Raum und Bewegung nötig, um überhaupt die Bedingungen diess Verhältnisses erkennen zu können. Indem aber nur die Begrenzung ihrer Wahrnehmbarkeit wahrgenommen wird, entsteht eine grundlos erscheindende Beengung, eine Angst, die lediglich eine räumliche Beengung abstrakt und unabhängig hiervon empfindet. Diese latente Angst ist die Grundlage eines Selbstgefühls, das sich totalisiert und oft erst dann auch ausbricht, wenn es in spätern Situationen fixiert, also situativ festgehalten und wirklich beschränkt wird (vergleiche z.B. Platzangst, Phobien), wo die Bewältigung einer Lebenssituation unendlich viel Raum und Bewegung nötig hätte, die Beschränkung einer räumliche Bewegung aber nur abstrakt und unabhängig hiervon empfunden werden kann, weil die anerzogenen Selbstgefühls auf ihrem Ausschluss beruhen. Darin wird der Kreis geschlossen, der als Nichtung einer Lebenssubstanz des Erkenntnisvermögens - z.B. als Panikattacke - empfunden wird und als dessen Verlust sehr wohl wahrgehabt, als Identitätsverlust eigener Wahrheit empfunden wird.

Es war durch das ausgeschlossene Selbstgefühl einer symbiotischen Selbstbehauptung innerhalb der Lebensburg der Geschlechter und Generationen durch die Lebenspflichten ihrer erzieherischen Beziehungen eine Selbstbeherrschung entstanden, die dem allgemeinen Narzissmus der bürgerlichen Persönlichkeit (siehe bürgerliches Subjekt) einen Lebenraum beschafft hat. Dieser ist vor allem dazu da, im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung Sinn für sich und durch sich zu bilden. Aus den "Intimitäten" der Selbstwahrnehmung wird auf diese Weise eine narzisstische Psyche entwickelt, die in ihrer Ausschliesslichkeit zugleich total abhängig von ihrer Umwelt ist. Diese soll deshalb nichts mehr von ihrer Angst wissen, die ihr lebensräumlich zugrunde liegt. Doch der hierfür nötige Friede kann nicht wirklich eintreten, weil sich narzisstische Beziehungen (siehe narzisstische Persönlichkeit) immer gegeneinander aufbrauchen und beherrschen. Die Liebe, die in der griechischen Saga die Schicksalsgöttinnen dem Narziss als unerreichbar auferlebt haben, um ihn für seine Eitelkeit zu bestrafen, vollzieht hier ihr wirkliches "Schicksal", ihre Rückkunft auf sich in der Kränkung ihrer Lebensgeister, die sich um so nötiger sind, je mehr sie sich in der Fremdbestimmung ihrer Ausschließlichkeit verlieren. Die Wahrnehmung erscheint sich selbst in dem Maße fremd, wie sie keine Welt mehr für sich wahr nimmt, aber alles wahrhat, was die Welt für sie ist. Was die Lebensburg der Selbstwahrnehmung schützen sollte, bricht nun gegen sie in ihrer wirklichen Schutzlosigkeit herein wie eine fremde Bestimmungsmacht ihrer Psyche.

Die Wesensnot der Selbstwahrnehmung, in die sie hierdurch geraten ist, ist daher jetzt nicht mehr "nur" existenzielle Lebensangst, welche in den Ereignissen ihrer erzieherische Beziehungen personifiziert und also subjektiviert worden war. Diese Angst hat inzwischen innerhalb der Geborgenheit dieser Verhältnisse die Menschen gegeneinander in ider Ausschließlichkeit ihrer narzisstischen Lebenssubstanz gestellt, die aus eben demselben Grund auch aufeinander eingeschworen und unüberwindbar ist. Das hat die Beziehungen der Selbstwahrnehmung auf Menschen überhaupt in der Weise gespalten, wie sie sich in der Beziehung auf die zwischenmenschlichen Ereignisse innerhalb der Lebensburgen entwickelt hat. Ihre Selbstwahrnehmung wurde dadurch so an sich gebunden, dass sie sich gegen die eigenen Lebensverhältnisse wendet und einen Sinn herauskehrt, der ihre bloße Negation ist und die Wahrnehmung überhaupt gegen sich kejhrt. Eine in sich verkehrte Wahrnehmung war die letzte wirklich persönliche Beziehung der Selbstwahrnehmung in dieser Angst, durch die sie einen unmittelbar subjektiven Ausweg zu finden suchte.

Jetzt wird die verkehrte Selbstwahrnehmung zum Grund für sich selbst, indem sie sich in eine äußere und eine innere Seite im Bezug auf die Ereignisse ihrer Begegnungen so aufspaltet, wie sie sich in dem Lebensraum ihrer Symbiose auch stetig ereignet hat, in welchem sich das Gedächtnis der Selbstwahrnehmung entwickelt und fortgebildet hat. Es hat sich auf diese Weise eine Verarbeitungsweise der Psyche entwickelt, sie sich einerseits von den Ereignissen selbst aus Angst abwendet, um sie sich andererseits im Ungewissen zu lassen und für sich zwanghaft zu werden. Sie wird ihre Wahrnehmungsverhältnisse schließlich dadurch überwinden, dass sie aus sich selbst heraus sich ihre Wahrheit gegen Angst schlechthin verschafft und aus ihrem Körpergedächtnis eine Gewissheit bezieht, die sich gegen die Bedrohlichkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen überhaupt stark macht und sich durch entsprechende Selbstwahrnehmungen in den Ereignissen dieser Beziehungen bestärkt. Doch im Jenseits der Angst ist sie weder aufgelöst noch aufgehoben. Sie ist sich lediglich in dem ungewiss geworden, was ihre Wahrheit ist.

Was das Gedächtnis in den Ereignissen seiner Wahrnehmung erinnert, hat nun kein Auskommen in den Lebensverhältnissen, die hier auf es einwirken. Es bleibt Erinnerung ohne Dasein, ein inneres Sein, das im Dasein keinen Sinn findet, ihn also auch nicht empfinden kann. Ohne diese ereignet sich daher ein Gefühl, das alle Selbstgefühle außer sich findet, sich selbst also nur fremd empfindet. Es entsteht eine sich selbst bedrängende Wahrnehmung, die Wahrheit einer zur Wirklichkeit gewordenen Selbstentfremdung. Die Empfindungen haben keinen Sinn in ihren Gefühlen und die Gefühle keinen Sinn für das, was sie vorfinden. Die Spaltung von Empfindung und Gefühl in getrennte Seinsweisen beengt die ganze Wahrnehmung und so wird ihre Getrenntheit zu einer Angst, die keinen Grund und Boden finden, sich nicht "erden" kann.

Darin manifestiert sich schließlich die Lebensangst, die sich nurmehr ohne Wahrnehmung selbst wahrhat und also existenziell wird. Wovor die Menschen in ihrer Lebensburg geborgen, also bewahrt sein wollten, das wird nun selbst zum Verhänglis ihrer Wahrheit, weil diese zunehmend ihrem Lebensverhältnis unterworfen wird.

Das Verhältnis der Menschen wird zum Verhalten ihrer Angst, in der sie sich in dem Maß vertiefen, wie sie durch ihre Beziehung sich hieraus zu entziehen suchen. Ihre Lebensangst lädt sich darin auf, dass sich ihre Bodenlosigkeit verdoppelt und die Sinnbildung in solchem Verhältnis immer unbestimmter, ungewisser wird, eine negative Identität erfährt, Vermeidung von sinnlicher Wirklickeit betreibt, Erzeugung unsinnlicher Wirkungen, die - für sich sinnlos, bzw. eigensinnig - nurmehr die Bewahrung und Aufbewahrung ihres Lebensverhältnisses bezwecken. Ihre wechselseitige Erziehung betreibt nun selbst die Pervertierung ihrer Psyche, die ihren Lebensverhältnissen dort zu entfliehen sucht, wo sie sich auch psychisch festhalten. Es handelt sich daher jetzt um die vollständige Perversion der Lebensverhältnisse ihrer symbiotischen Selbstbehauptung.

In der Eigenständigkeit der symbiotischen Selbstbehauptung schien ursprünglich gerade diese unmitelbare Lebensangst dadurch aufgehoben, dass sie in den geschlossenen Lebensräumen burgherrlicher Lebensburgen zum Nutzen von unmittelbar zwischenmenschlichen Verhältnisse geborgen wurden. Damit allerdings wird keine Angst bestimmter und keine Bestimmung angstfrei. Im Gegenteil: In diesen Verhältnissen gedeiht eine durch sich selbst schon aufgelöste Angst vor dem, was kommen mag. Kein Weg in die wirkliche Welt tut sich hier auf und keine Bewegung aus der Welt findet sich hier ein. Indem die Selbstwahrnehmung in den darin gegenwärtigen Gefühlen, also in dem Gefühl ihrer Selbstbeschränktheit nun auch wirklich allgemein in den Mauern dieser Geborgenheit verschwinden, verlieren sie auch ihr Gefühl für sich. Was in den Perversionen noch gegenwärtig war, gibt sich hier als Schutzraum in einer in Alarmbereitsschaft befindlichen Lebensburg vor gerade solcher Gegenwärtigkeit. Damit aber wird die heimliche Geborgenheit nicht heimisch sondern unheimlich, weil sie nurmehr ein Vakuum ihrer Beziehungen verwirklichen können, sich als Wahrnehmung gegen die Selbstwahrnehmung wenden. Sie müssen ihre Bestimmtheit erst finden, die sie schon verloren haben und bewegen sich daher in einem subjektiven Zirkel. Hierdurch werden die Mauern dieses Lebensraumes selbst subjektiviert, denn sie wurden zum Subjekt ihrer Wahrnehmbarkeit bestimmt. Sie selbst bekommen menschliche Eigenschaften, die sich in ihren Selbsterlebnissen verstetigen und erinnern. Sie bilden ein Gedächtnis, das sich diesem Lebensraum unterworfen hat und sich gegen dem äußerliche Beziehung verschließt. Es begründet eine Verarbeitungsweise, die zum Gefängnis der Selbstwahrnehmung wird.

Die daraus erwachsenden psychischen Krisen beruhen allesamt darauf, dass sie aus ihren unbestimmten Wahrnehmungen eine bestimmte machen und an dieser nun völlig abstrakten Selbstbestimmtheit irre gehen. Denn sie müssen darin alle Regungen verdichten, die ihnen darin verlorengehen. Diese Dichte vergegenwärtigt sich in einer sich selbst begründenden Lebensangst, die nurmehr psychische Substanz hat, z.B. als Angstt vor öffentlichen Plätzen, Insekten, Schlagen usw. oder in zwanghaften Verhalten oder in zwischenmenschlichen Beziehungen, worin der Selbstverlust zum allgemein herrschenden Prinzip wird und die Beziehung zu anderen Menschen und der Beziehungsarbeit jenseits dieser Lebenswelt bestimmt, oft auch erst, nachdem sie auch wirklich verlassen wurde, bezw. durch veränderte Umstände die Menschen entlassen musste.

Was nun fast in geronnerner Form endlos erscheint ist aber dennoch nicht allzuweit weg von der Welt, die ja selbst auch räumlich ist. So war dieser Lebensraum auch schon vor seiner Nutzung als Lebensburg ja auch schon in der gesellschaftlichen Notwendigkeit bestimmt, sich jenseits gesellschaftlicher Wirklichkeit subjektiv überhaupt reproduziern zu können, sich zu erneuern und sich auf eine Welt zu beziehen, von der die privaten Verhältnisse abgetrennt existieren. Der Nutzen dieser Verhältnisse reflektiert sich auch in den allgemeineren zwischenmenschlichen Beziehungen, steht dadurch aber negativ zu ihrer Herkunft, zum gesellschaftlichen Ausschluss von Privatwelten. In Partnerschaften, Vereinen, Familien, Fürsoregeinrichtungen usw. sind die Menschen in dieser Weise auf sich selbst verworfen, um die gesellschaftlichen Mängel ihrer Reproduktion in einer Gemeinschaft auszugleichen, für die sie an sich keinen Sinn mehr haben und finden, ihn nicht empfinden können. Für sich selbst müssen sie sich so haben und nehmen, wie sie gesellschaftlich sein müssen, um leben zu können, ohne dass Gesellschaft hierin gegenwärtig ist. Von daher sind sie wesentlich von außen, durch den gesellschaftlichen Nutzen ausgeschlossener Sinne bestimmt. Ihre subjektiven Verhältnisse können hier im Grunde nur als Objektbeziehung einer Gesellschaft verwirklicht werden, in der die Menschen selbst sich als Objekte dieser Bestimmtheit verhalten und ihre Gegenwärtigkeit aufheben, entgegenwärtigt leben müssen.

Die Selbstwahrnehmung der Menschen hat sich in solchen Verhältnissen, besondern in familiären Beziehungen, nun in doppelter Weise veräußerlicht und darin ihren Grund verkehrt: Die symbiotische Selbstbehauptung, in welcher sie ihre Liebe gegen die Lebensformen einer pervertierten Selbstbezüglichkeit durchzusetzen suchten und dem entsprechend sich selbst veranstalteten, wurde zur Selbstbehauptung ihrer Symbiose mit den darin eingeschlossenen Menschen und damit zu einem Selbstverlust, der ihre Selbstgefühle den Empfindungen unterwarf, die sie in solchen Verhältnissen vor allem nur noch in ihren Schuldgefühlen als Mangel ihrer Selbstwahrnehmung wahrhatten.

Ihre Selbstwahrnehmung hat sich zum einen ihrer gesellschaftlichen Grundlage enthoben und ist zu einer Welt symbiotischer Gewohnheiten geworden, die das Leben mit Pflichten bestimmte, welche die Reproduktion der Liebesverhältnisse mit sich bringt. Der darin ausgeschlossene Sinn wirkt als ausgeschlossenes Grundgefühl dieser Verhältnisse fort, die zum zweiten jetzt sich selbst aufheben, sich bedrängen durch die veräußerte Liebe erzieherischer Beziehungen, die sich selbst aus den Persönlichkeiten des Lebensraums begründet, ja nach dem, was ihre Selbstwahrnehmung nötig hat. In dieser doppelten Negation ist jedes Selbstgefühl fremdbestimmt und als objektives Selbstgefühl in diesen Verhältnissen wirksam, je nach dem, wie es in ihrem ausgeschlossenen Sinn und den Persönlichkeiten, die darin tragend sind, sich vergegenwärtigt.

Nicht immer muss sich siese Selbstentfremdung auch wirklich wahrmachen, besonders dann nicht, wenn die Persönlichkeiten dieses Verhältnisses selbst auch weltlich auftreten können, diese Lebenswelt als wirklich Welt noch erleben, z.B. als Wohngemeinschaft oder Interessensverhältnis. Wo sie sich damit aber vollständig identifizieren und ihre Rolle selbst subjektiv für sich wenden, sie zu einer objektiven Gewohnheit machen, wird jeder Sinn darin selbst zu einer objektiven Gewalt gegen die Wahrnehmung. Was sich darin gebildet hat, versetzt die Wahrnehmung in einen Wahrnehmungszustand, sobald sie für sich und durch sich da sein soll. Der ausgeschlossene Wahrnehmungshintergrund und die ausschließlichen Personifikationen der Gewohnheit entziehen ihr die Gegenwart. War schon die soziale Lebenslage bedrängt, so ist es nun auch die Wahrnehmungsidentität. Das soziale Lebensproblem in diesen Verhältnissen wird zu einem unmittelbar wirksamen Wahrnehmungsproblem.

Unmittelbar kann ein Selbstgefühl niemals objektiv sein, auch wenn es direkt - z.B. als Kunstwertk, Gebäude oder Literatur - geäußert ist. Ein objektiven Selbstgefühl besteht nur durch seine Vermittlung, durch die Wirkung, die Menschen aufeinander haben, weil sie füreinander darin bestimmend sind. Diese Wirkung besteht daraus, dass sie als einzelne Menschen für einander nicht erreichbar sind, wohl aber in gemeiner Einverleiblichung identisch leben und in solcher Identität verkehren, also sich selbst gemeinsam verkehren, ihre Empfindungen durch ihre Gefühle tauschen und vertauschen. Objektiv sind sie als Subjekte identisch, eine symbiotische Einheit, während sie sich subjektiv gegenseitig bestimmen, das Sollen des Einen dem Anderen als Lebensinhalt zumuten. Während sie in Wahrheit gegensinnig bestimmt sind, nehmen sie sich nur in ihrer Einheit wahr. Von daher ist auch ihre Wahrnehmung zur Selbstwahrnehmung in ein verkehrtes Verhältnis geraten.

Verhältnisse, die auf objektiven Selbstgefühlen gründen, haben daher sehr subjektiv auftretende Konsequenzen in der Gegenwärtigkeit der Wahrnehmung: Sie selbst wird von dem bestimmt, was sie wahrhat, von einem Gefühl, das sie in ihrer Wahrheit ausschließt. Ihre Gegenwärtigkeit hat eine doppelte Seinsweise, die gespalten ist, sich nicht positiv aus einem Selbstgefühl ergibt, das in der Empfindung gegenwärtg ist, sondern aus einem Selbstgefühl, was es ausschließt, wozu sich die Wahrnehmung nicht verhalten kann, weil es als ein Sein ausgeschlossen ist, das gerade unter der Bestimmung wahrgehabt wird, wie es nicht sein kann und also auch nicht sein darf. Es ist aber keine verdrängte Wahrnehmung, die durch moralische oder persönliche Machtverhältnisse verursacht ist, wie in der Psychoanalyse behauptet, sondern eine eigenständige Wirklichkeit der Wahrnehmung, die zwar ihren geschichtlichen Grund in geborgenen Verhältnissen hat und über Persönlichkeiten vermittelt ist, der aber als gegenwärtige Wahrnehmungsidentität, als eigenständige und notwendige Wahrheit in der Wahrnehmung nur durch seine ausschließliche Lebensform wirksam werden konnte. Solche Identität ist in den Räumlichkeiten der zwischenmenschlichen Verhältnisse erzieherischer Macht als eigenständige Gefühlsidentität entstanden, soweit diese Verhältnisse von anderen isoliert und gegen sie bestimmt waren. Die Selbstwahrnehmung hat sich in einem Sinn veräußert, der als psychische Formation die Wahrnehmung entgegenwärtigt und die eigenen Gefühle und Empfindungen gegeneinander bestimmt.

Wir hatten bereits erläutert: Allem voraus geht die absolute Bestimmung der Lebensverhältnisse durch einen Lebensraum der Selbstgefühle, wodurch sie nicht einfach nur sind, sondern vor allem bestimmend sind für die, welche darin leben. In den Beziehungen darin verwirklichen sich zum einen erziehende Pflichten und hierin entstehen die Subjekte dieser Gefühle, welche darin aufgehen und sich verwirklichen, indem sie die Lebenspflicht dieses Verhältnisses verkörpern. Zum anderen sind die Menschen, die als deren Objekte existieren, selbst zu objekten ihrer Gefühle, indm sie in ihrer Beziehung auf diese Subjekte beibringen müssen, was dem Geminsinn nützlich ist, der darin nötig ist, was also auch zum Erhalt des Lebensraums selbst nötig ist und von daher mehr oder weniger erzwungen wird. Durch die Geschlossenheit des Raumes ist dies bestimmt, durch die unmittelbar zwischenmenschliche Beziehung wird es entwickelt. Erst durch die Raumbestimmung wird also die erzieherische Beziehung absolut. Von daher verwirklicht sich die Selbstwahrnehmung der einen durch eine objektive Wahrnehmung der anderen Menschen, die darin eingebunden sind. Letztre werden zu Trägern objektiver Selbstgefühle und müssen sich in dieser Bestimmung zum Erhalt des ganzen Verhältnisses denen unterwerfen, die hierin subjektiv sind.

Während aber durch die Selbstwahrnehmung die Menschen in diesem Lebensraum ihre objektivierten Selbstgefühle in gegensinniger Bestimmung sich zu eigen gemacht und damit totalisiert haben, kann der objektiv betroffene Mensch seine Empfindungen - ganz oder teilweise - nurmehr wie einen fremden Sinn erleiden. Während also die einen ihre Subjektiität quasi objektiv betreiben, indem sie die Subjekte des Verhältnisses sind, wirkt dieses als das verinnerte Gefühl in den anderen als vorausgesetzte Objektivität gegen das objektive Selbstgefühl, das es vergegenwärtigt. Im Gemeinen ist es zugleich von seiner Subjektivität abgespalten und hebt sich von daher darin auf, dass seine Selbstwahrnehmung davon beherrscht wird - nicht nur im Augenblick, sondern im ausgeschlossen bleiben selbst: Die Wahrnehmung kennt nur sich als anderes, als Fremdes und nimmt in dieser Kenntsnis sich auch ausschließlich wahr. Es gibt für die Wahrnehmung keine Identität, weil das Ausgeschlossene durch eien entfremdete Kenntnis ersetzt wird. Sie erkennt sich nur in der Selbstentfremdung, also in der Kenntnis seiner als sich selbst Ungewisses, dessen Gewissheit das entfremdet sein ist, als fremde Kraft, die nur durch ihre Vergegenwärtigung in der Wahrnmehmung wahr wird. Als derart aufgehobene Wahrnehmungsidentität wird die Empfindung durch ihre Negation, durch die Kraft und Wirkung ihrer Abstraktion, soweit bestimmt, wie die Totatilät dieses Verhältnisses ausschließlich fortwirken kann, also solange, wie sie sich keine wahre Kenntnis desselben aneignen kann, was in ihr fremd erscheint.

Diese Kraft der Abstraktion erklärt sich nicht aus einer Verdrängung wie bei Sigmund Freud - obwohl es hier auf den ersten Blick so scheinen mag. Sie hat kein traumatisches oder kulturell sanktioniertes Ereignis als Erfahrung zur Voraussetzung, sondern gründet ganz allgemein auf einem von erzieherischen Beziehungen bestimmten Lebensverhältnis, das "höchst normal" und gewöhnlich sowohl in Familien oder auch in anders institutionalisierten Lebensräumen (z.B. Schule, Beruf) vorkommt. Gerade indem die Psychoanalyse dies auf Ereignisse reduziert verkennt sie den gesellschaftlichen Charakter dieser auch heute noch oft als Psychische Krankheit deklarierten Wahrnehmungszustände und ideologisiert sie zu einer individuellen Verschuldungsmythologie, bei der die auftretenden Personen nicht im Vollzug ihrer Lebensbedingungen, sondern durch ihre persönlichen Absichten selbst schon as Verursacher solcher Zustände gelten.

Wenn die Wahrnehmung ihre Gegenstände nurmehr unter der Bestimmung dieser sinnlichen Kraft der Negation ihrer Wirklichkeit auffassen kann, dann verliert sie ihre Gegenwärtigkeit, weil sie durch einen Sinn bedrängt wird, der für sie ausgeschlossen ist und weil sie gegen diesen zugleich eine ausschließliche Wirkung behaupten muss. Er überfällt sie, sobald sie etwas wahr hat, das der Wahrnehmung entzogen, nicht mehr wirklich anwesend sein darf und das für das Selbstgefühl nötig war oder ist, um das Anwesende in diesem Raum der Geborgenheit wie selbstverständlich wahrzunehmen. Auch wenn dieser Raum längst verlassen ist, so wirkt die Erfahrung auch in ihrem Gedächtnis als innerlich abgetrennte Wahrheit fort. die gerade dort Wirklichkeit nur erleiden kann, wo sie am, besten an ihre eigene Ausgeschlossenheit erinnert wird.

Von daher wird Gegenwärtiges als fremd wahrgenommen, ohne dass darin Entfremdung erkennbar ist - eben weil die Wahrnehmung durch sich selbst schon entgegenwärtigt wird. Entfremdung wird nicht mehr geltten, sondern vollzogen. Sie besteht aus der Unmöglichkeit der Selbstvergegenwärtigung, weil ihr der Sinn hierfür entzogen ist, durch die Selbstaufhebung der Gefühle im Widerstreit objektiver Gefühle mit objektiven Selbstgefühlen ausgeschlossen wurde. Sie wirkt nun im Wahrnehmungsprozess selbst, erzeugt einen Zustand der Wahrnehmung, in welchem sie gegen das Gegenwärtige zu ist - und zwar: solange sie nicht in der Lage ist, ihre Fremdbestimmtheit zu erkennen und anzugreifen.

Die Sinne selbst sind daher jetzt wirklich in zweierlei Seinsweisen gespalten zwischen dem, was sie wahrhaben, und dem, was sie wahrnehmen. Was sie wahrhaben, bedrängt ihre Wahrnehmungsidentität und fügt ihr die entzogene Wahrheit wie eine fremde Kraft zu. Oft gerade dann, wenn die Wahrnehmung ihrem sie begründenden ursprünglichen Lebensraum entkommen ist, wird sie unfähig, dieser Attacke zu entkommen. Sie ist jetzt erst vollständig eingeschlossen in die Bestimmungen eines Gefühls, das nur gegen die eigene Wahrnehmungsidentität wahr sein kann.

Der vom objektiven Selbstgefühl ausgeschlossene Sinn hinterlässt das Ausgeschlossene als Bestimmung der Selbstwahrnehmung, als eine bestimmte Form des Wahrnehmens, als eigenständiges, also subjektiv erzeugtes objektives Gefühl, wodurch die Selbstwahrnehmung im Gegensatz zur gegenständlichen Wahrnehmung bestimmt ist. Die Wahrnehmung sucht durch eine bestimmte Gegenständlichkeit zu sich zu kommen, zu einem Gefühl zu gelangen, in welchem das entgegenständlichte Selbst sich als Stimmung manifestiert. Es ist keine bestimmbare Stimmung, sondern ein Grundgefühl, worin sich wahrmacht, was die Menschen in den entgegenständlichten Verhältnissen ihrer Selbstwahrnehmung in Wirklichkeit wahrhaben. Sie fühlen ihre Wirklichkeit nurmehr in ihren Empfindungen, während sie empfinden, was sie nicht fühlen können. Das Fremde und das Eigene lässt sich nicht mehr unterscheiden, weil sich die Wahrnehmung selbst fremd geworden ist.

Die Wahrheit der Wahrnehmung besteht jedoch als eine Grundstimmung, welche die Wahrnehmung ausschließlich macht, alles von ihr ausschließt, was sie durch ihr Bestimmtheitheit "nicht fassen kann". Darin wirkt der Sinn, der nicht wirklich sein kann, sich nicht beziehen lässt, als eine Empfindung, die sich gegen das Gefühl für das verschließt, was sie nicht wahrhaben kann. Die Form der Wahrnehmung, ihre Gegenwärtigkeit, vollzieht diese Wahrheit ihrer Identitätslosigkeit, indem sie diese als eine Stimmung durchsetzt, die alle Wahrnehmungen durchzieht, in der Wahrnehmung das Gefühl zur Wirkung selbst bringt, in welchem die Empfindungen vereint erscheinen.

Dies ist aber nicht ein "verdrängtes" Gefühl, - so, als wäre es ein bestimmtes Gefühl gewesen und würde im Nachhinein unterdrückt. Es ist ein wirklich aufgehobenes Gefühl, eine unbestimmte Gewissheit, ein Widersinn selbst, - die Gewissheit, dass eine unbestimmte Wahrnehmung sehr bestimmte Verhältnisse vermittelt. Der Raum, worin sich diese Verhältnisse vollziehen, wird selbst zu einer Form, zum Raum einer Bestimmung, indem sich darin die Stimmung reflektiert, worin er wahrgehabt wird. In der Entgegenwärtigung der Wahrnehmung durch diese Stimmung vollzieht sich der Kurzschluss ihrer Wahrheit: Sie erscheint gerade dort bestimmt, wo sie völlig von sich entfremdet ist. In ihrem Gedächtnis birgt sie den Sinn eines Lebensraums, den sie nur außer sich haben kann und daher auch nicht empfindet, wenn er sich gegen sie selbst richtet.

Solche Wahrnehmung hat ihre Gewissheit alleine aus einer Unmöglichkeit, die sie wahrhat und die in einer bestimmten Identitätslosigkeit in einem ausschließlich bestimmten Verhältnis entstanden war. Es ist eine Gewissheit, welche die Wahrnehmung selbst ungewiss macht, sich als eine Stimmung in die Wahrnehmung einführt, für die es keinen erkennbaren Grund gibt.

Sie besteht aus einer völlig grundlos scheinenden, einer bodenlosen Angst - keine Angst um etwas oder vor etwas, sondern Angst als Zustand der Nichtigkeit, als Gefühl der Vernichtung, welches pure und totale Identitätsloskeit ausgelöst hat. Es ist dies die Wahrheit eines Selbstgefühls, welches die persönliche Wahrnehmungsidentität ausgemacht hatte und nun seine vollständige Entleerung erfährt, ohne dass es deren Wirklichkeit erkennen kann, also darin aufgehoben ist, dass es sich selbst auch aufhebt. In ihm selbst wirkt die Entwirklichung durch eine Kraft, die sich lediglich in rudimentärer �sthetik begreifen lässt - z.B. als panisches Gefühl des Selbstverlustes, als totale Beengung, als unbegreifliche Höhenangst, Erdrückung usw.. Nicht dass eine Lebensituation eines Menschen beengend wirkt, wacht dieses Gefühl aus, sondern dass diese Situatiion nur als totale Beengung der Wahrnehmung erfahren werden kann, weil es zur Erkenntnis der beengenden Inhalte keinen Sinn mehr gibt. So wird das, wodurch in bestimmten Beziehungen Gefühle geborgen wurden, zu einem Gefühl, worin sich das Verborgene in einer Form durchsetzt, worin es unerkennbar geworden ist. Es erscheint nun in der Form eines Lebensraums, worin die Wahrnehmung nur noch um sich selbst kreisen kann, also keinen Gegenstand und keine Gegenwart mehr findet.

Das Selbstgefühl ist unter der Entgegenwärtigung durch objektive Gefühlsbildungen in einen Aufhebungsprozess geraten, worin sich nurmehr dieser Prozeß selbst wahrhat, Subjekt wie Objekt eines Sinnes ist, der in diesem Raum nicht mehr anwesend sein kann, weil er darin wirklich ausgeschlossen und selbst ausschließlich wurde. Diese Selbstauflösung der Wahrnehmung hat keinen Sinn; - aber sie ist durch und durch sinnlich, prozessierende Selbstentfremdung in einem Zustand, in welchem sich Wahrnehmung lediglich als Stimmung gegen sich selbst bewahrheitet. Schon Figurationen und Gestalten, ästhetische Sinnbilder der Selbstauflösung, können solche Wahrnehmungszustände hervorrufen. Es genügt, wenn sie eine Grundstimmung darstellen, welche der Wahrnehmung nun vorausgesetzt ist, welche also objektive Gefühlswelten ihr zugrunde gelegt hatten - mal sind es z.B. geschlossene Räume oder öffentliche Plätze oder Insekten oder auch Menschen überhaupt, worin sich die Angst um die eigene Gegenwärtigkeit manifestiert. Aber nicht diese Manifestation macht das Wesen der Angst aus, sondern das, was sie als Negation formuliert, was also dem Gefühl sinnlich entfremdet ist: Weite, Entfaltung, Penetranz, Selbstgewissheit usw.. In der Negation ist der Grund aufgehoben, wodurch sich solche Selbstgefühle entwirklicht haben. Es sind die Wahrnehmungsformen einer verkehrten Wahrnehmung, worin diese lediglich sinnbildhaft erkennbar sind, weil sie deren Stimmung beschreibt.

Die Grundstimmung, welche in der Wahnehmung selbst nur wahrgehabt wird, ist als solche nicht wahrnehmbar. Niemand wird einen Raum als solchen wirklich bedrohlich empfinden, wenn er unter einer unerträglichen Klaustrophobie leidet. Aber in der Grundstimmung seiner eigenen inneren Beengung kann ihn die Wahrnehmung räumlicher Beengung "um den Verstand" bringen. Was die Wahrnehmung jetzt also bestimmt, ist nicht ihr Inhalt und Gegenstand, sondern die Grundstimmung, welche sie durch ihre eigene Formbestimmtheit wahrhat. Das Verhälnis ausgeschölossener Sinne ist damit selbst zur Bestimmung eines Wahrnehmungszustands geworden, an welchem Menschen leiden.

In der Wahrnehmung ist damit vor allem ein bestimmtes Selbstgefühl ausgeschlossen. Dieses Selbstgefühl wird dadurch in einer bestimmten Form negiert, dass sein Inhalt sich zur Wahrnehmungsform selbst wandelt. Alles, was sich in ihm regt, wird von ihm ausgeschlossen und stellt sich als eine Erregung heraus, die für sich keinen Sinn mehr hat, wiewohl das Ausgeschlossene für den Menschen innerhalb eines bestimmten Verhältnisses durchaus Sinn hatte. Die Sinne der Wahrnehmung erweisen selbst einen sich erregenden Sinn, der ihrem Inhalt nach im wahrsten Sinne des Wortes verkehrt ist, weil er die Aufmerksamheit der dadurch bestimmten Menschen zur Sinnverkehrung bestimmt.

Es ist wohl diese "Nervosität", die der Ausgang von Sigmund Freuds Forschung war und ihn den Verkehrungsprozess einer Wahrnehmung erkennen lließ. Aber in seiner phänomenologischen Art des Begreifens musste er sie als "Verdrängung" eines Triebgeschehens begreifen, welche die "Objektbesetzungen" einer bestimmten Beziehung in einer bestimmten Kultur erforderlich machen würde. Er musst diese Sinnverkehrung in einer Verdrängung substantivieren, weil ihm dialektische Erkenntnis substanziell verschlossen war. Dennoch waren seine Beobachtungen zu seiner Zeit hervorragend, gerieten aber gerade dadurch in seiner Theorie zu einem grotesken Widerspruch zwischen Seele und Wahrnehmung, dass er Seele nicht aus einer abstrakten Wahrnehmung abzuleiten wusste, sondern ihr die bestimmte Wahrnehmung, das "Errinnerungsbild eines Befriedigungserlebnisses" (Traumdeutung, 1900) vorraussetzte.

Doch in der Wahrnehmung ist der negierte Sinn des Selbstgefühls zunächst erst als selbst als Gefühl wirksam. Bestimmte Gegenstände, Beziehungen oder Raumverhältnisse werden durch diesen Sinn als eine gegen ihn mächtige Lebensform wahrgenommen. Sie wirken auf den Menschen dadurch verändert, dass sie in der Empfindung nicht als das wahr sein dürfen, was sie für die Menschen sind. Seine Wahrnehmung verrückt sich gegen solche Gegenständlichkeiten, fühlt darin das von ihr ausgeschlossene Verhältnis als Nichtigkeit und sich selbst gerade durch die Empfindung im Gefühl nichtig.

Das bringt Menschen zu Wahrnehmungszuständen, in welchen sich oft ihr ganzes Leben so bestimmt, dass sie zu den ihnen nötigen Entwicklungen sich selbst im Wege zu stehen scheinen. In Wahrheit aber ist, was so bedrohlich bestimmt erscheint, lediglich der verkehrte Inhalt eines verschlossenen Sinns. Dieser kann dann aber durch bestimmte Entwicklungen von den Menschen erschlossen werden - manchmal auch mit fremder Hilfe (Therapie), wenn sie denn keine neue Sinnverkehrungen durch Professionalisierung mit neuen Hörigkeiten erzeugt. Jeder Wahrnehmungszustand ist die verkehrte Form einer bedrängten Wahrheit durch eine mächtig gewordene Beziehungshörigkeit. Angstzustände überfallen den betroffenen Menschen zu Anlässen, die er nicht begreifen kann und Gefühle der Umnachtung (Depressionen) überwältigen ihn aus Gründen, die keinen Sinn mehr zu haben scheinen, und Autismen (z.B. Sprachlosigkeit, Empfindungslosigkeit u.a.) entstehen aus Gründen, die lediglich als organische Disfunktion der Wahrnehmung, als ihre Lähmung spürbar werden. Um sich hiergegen zu bilden, verlangt es von den beteiligten Menschen ein objektives Bedürfnis, sich gegen Täuschung zu verhalten und die Konsequenz eigener Wahrheit in zwischenmenschlichen Beziehungen umzusetzen.

 



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231.1 Das verlorene Selbst und die Angst der psychischen Depression

Die erste Formverwandlung, welche die Wahrnehmung erfährt, ist die plötzliche und unmittelbar unbegreifbare Aufhebung des Selbstgefühls, die Empfindung einer Bedrohlichkeit durch etwas, das nicht erkennbar ist und als allgemeine Beengung gefühlt wird. In Angstzuständen und unbegreiflichen Panikattaken wird dieser Prozess zuerst augenfällig. Oft wie "aus heiterem Himmel" werden die Menschen von Gefühlen der Selbstauflösung überfallen, fühlen, wie ihre Gegenwärtigkeit sich aufhebt, in ein endlos scheinendes Loch fällt, das alle Empfindungen eines Menschen mit sich reißt. Es das Gefühl einer Nichtigkeit der eigenen Identität, das als Vernichtungsgefühl empfunden wird und von da her Angst macht und Angst bedeutet. Meist wird dabei festgestellt, dass solcher Zustrand keine erkennbare Ursache hat. Manchmal berichten die Menschen von Irritationen ihrer Selbstgefühle, die sie zuvor bemerkt hätten. Und oft werden der Bedrohung auch ästhetische Figurationen zugewiesen, wodurch die Vernichtungsangst immerhin gegenständlich zu sein scheint. Dann treiben die Wahrnehmung von Insekten, Schlangen, Raumenge, Höhe, Tiefe und anderes zum "Ausrasten". Objekte werden in einem Sinn wahrgenommen, den sie ganz offensichtlich und leicht nachweisbar objektiv nicht haben müssen, oft auch nicht haben können (z.B. Angst vor Mäusen, Bewegung, leeren Räumen). Die Wahrnehmung nimmt Inhalte an, die sich nicht oder nur höchst scheinbar aus ihrem Gegenstand erklären lassen.

In den Angstzuständen wird nicht dieser vergegenwärtigt, sondern das, was er für die Selbstwahrnehmung verkörpert. Deren Stimmung setzt sich im Wahrnehmungsprozess selbst durch, weil ihr Sinn ausgeschlossen ist, weil sie also einen Sinn hat, der nicht sein darf, der als gewohnte Lebensgrundlage wie selbstverständlich hingenommen und von daher der Erfahrung entzogen ist. Wo z.B. Stress und Enge zum Alltag gehören, wird das Leben darauf eingerichtet und so kann Beengung nur auftreten, wenn ein Mensch aus dieser Gewohnheit heraustritt. Er wird "überfallen" von einem Gefühl, das er nicht kennt, das also in seinem Lebens dadurch ausgeschlossen ist, dass es zu den Lebensbedingungen gehört, also dem, worauf sich dieses Leben gründet. Der ausgeschlossene Sinn besteht also aus einer Lebensgewohnheit der Wahrnehmung, welche dieser fremd geworden ist.

Es zeigt sich in solchen Angszuständen daher die Formverwandlung der Wahrnehmung noch unmittelbar, wenn auch verkehrt. Ihre Verkehrung besteht darin eben aus dem Inhalt, den sich der ausgeschlossene Sinn in der Wahrnehmung verschafft: Die Sinne sind nicht in der Lage, ohne weiteres das aufzufassen, was sie zu ihrer Lebenserhaltung von sich getrennt hatten. Da werden dann z.B. Insekten zu höchst angstbesetzten Wahrnehmungsgegenständen, weil sie von einer Penetranz künden, die nicht mehr in äußerst penetranten Lebensumständen wahrgenommen werden kann. Oder da ängstigt man sich vor öffentlichen Plätzen, weil dort eine eigene Gegenwärtigkeit zutage tritt, die ansonsten ausgeschlossen wurde. Oder es zeigt die Angst in geschlossenen Räumen eine Beengung der Lebensverhältnisse an, die nicht mehr wahrgenommen wird.

Relativ einfach lässt sich die Erregung, welche die Angst auslöst, aus der Umkehrung des Selbstgefühls erkennen. Der Gegenstand der Angst auslösenden Wahrnehmung stellt das Selbstgefühl außer sich und hintergründig als eine Stimmung dar, in der es nicht sein kann, es sich also verliert, verflüchtigt, aufhebt. Oft genügt die Zuwendung auf diese Angstwahrnehmung, also die Unterbrechung der gewohnten Wahrnehmung, um solche Ängste zu verlieren.

Schwieriger ist es mit frei flottierenden Ängsten und Panikattacken. Diese entstehen im vollständigen Selbstverlust des Selbstgefühls, dessen Anlass nicht mehr ein Ereignis oder Gegenstand, sondern ein ganzer Lebensraum ist, die Wahrnehmung einer bestimmten Kultur, die nicht mehr sein kann. Das gewohnte Leben selbst wird dann zur Bedrohung in Stimmungen, worin es als völlig fremd gewahr wird. Alles Vertraute erscheint dann als fremd, weil es in den kulturellen Bezügen ausgeschlossen wurde. Was zuvor noch bruchlos zusammenging, z.B. der Ortswechsel von Hier nach Da, wird ungeheuer schwer. Die Wahrnehmung hat sich aus irgendwelchen Günden fixiert, an das Vertraute "festgefressen". Aber diese Gründe sind in keiner Form mehr gegenwärtig, also abwesend. Es selbst bedroht die Wahrnehmung, weil es diese dem Selbstgefühl entzieht, weil sich also das Fixierte gegen den Wechsel wendet, solange es keine Anwesenheit von dem verspürt, was seine Beziehung auf die Selbstwahrnehmung ausmacht.

In solchen Angstzuständen fühlt sich das Selbstgefühl insgesamt und vollständig unbestimmt aufgehoben und der freie Fall im Selbstverlust löst diese Zustände dann aus. Die Wahrnehmung wird sozusagen "entmenscht", verliert ihre eigene Wirklichkeit als wesentliches Moment menschlicher Verhältnisse. Der Betroffene kann sich durch seine Wahrnehmung nicht mehr menschlich verhalten, sich nicht mehr als Mensch unter Menschen erkennen und fühlen.

Aber genau hierdurch wird die Fixation der Wahrnehmung auch wieder umkehrbar. Durch anwesende Menschen, die sich hierzu verhalten können, wird der betroffene Mensch sich seiner selbst wieder gewahr. Indem in der Kultur, deren Wahrnehmung die Angst auslöst, der betroffene Mensch an Menschen gerät, die er auch menschlich wahrnehmen kann, verliert sich diese Angst, weil er sich dann darin gewinnt, wo er sich verloren hatte. Allerdings bleibt er noch weiterhin an die Anwesenheit von Menschen fixiert, wenn er sich nicht aus den Notwendigkeiten und Zwängen seiner Wahrnehmungen emanzipiert. Das aber verlangt die Rückbeziehung seiner Wahrnehmung auf die wirklich gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen, auch wenn deren Wirklichkeit selbst gebrochen, also nicht vollständig wirklich ist (siehe hierzu Geld und Wert).

Angst, Angstzustände

Beschreibung siehe auch
http://de.mimi.hu/krankheit/angstzustand.html
http://meine-gesundheit.de/86.0.html




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231.2 Die Depression der Angst

Depression ist ein allgemeiner Begriff für eine totalisierte Bedrängung, die auf der Nichtung zugrunde liegender Inhalte beruht, die durch den Ausschluss ihrer widersprüchlichen Bedingtheit folgt, die eine abstrakt allgemeine Kraft, eine Abstraktionskraft gegen sich sichten in der eine ausgeschlossende Abstraktion eines abwesenden Wesens ihre Wirklichkeit nichtet (siehe auch Nichtungstrieb). In ihrer Abgetrenntheit leidet das Deprimierte an dem Schmerz ihrer Isolation ihrer ganzen Existenz gegen sich selbst bestimmt sind, solange sie einer Wesensnot ihrer Lebensverhältnisse unterworfen sind.

Psychische Depressionen sind Erschöpfungszustände der Selbstentfremdung, die sich in der Isolation und Vereinsamung der Empfindungen ihrer Selbstwahrnehmung entzogen und in ihrer stetig gewordenen Lebensangst ihr Selbstgefühl aufgehoben haben. Es sind daher zunächst Selbstwahrnehmungen in den Lebenswelten objekiver Selbstgefühle, die durch den Ausschluss subjektiver Wahrnehmungen in narzisstisch bestimmten zwischenmenschlichen Beziehungen deren Sinn beherrschen.

In der Depression äußert sich eine Bedrängnis, die nicht mehr unmittelbar einer Fixation der Wahrnehmung entspringt, diese wohl aber als Gewohnheit einer aufgehobenen Lebensangst vermittelt. Darin wirkt ein ausgeschlossener Sinn nicht unmittelbar, sondern in einem ganzen ausgeschlossenen Lebensgefühl als objektives Gefühl. In der Depression fühlt sich ein Mensch vom Leben selbst bedrängt, wie es seinen Verhältnissen in Wahrheit entspricht, die er nicht ertragen und zugleich nicht im Unterschied zu sich selbst erkennen kann. Er nimmt darin wahr, was er wahr hat, was er aus seinem Leben heraus zwar empfindet, aber nicht wirklich leben kann. Oft treten Depressionen daher gerade dann auf, wenn er wirklich mit Gefühlen zu tun hat, die seinem Leben entsprechen, die er aber nicht in seiner Wahrnehmung erträgt, weil er sich nur im Ausschluss von diesen empfinden kann, nur in ausschließlichen Empfindungen sein Leben wahrnimmt, in Empfindungen, die durch ihre Wahrnehmung selbst unterbrochen und abgebrochen werden, sich in einer Gefühlswelt isolieren, die nicht mehr wahr werden kann. Der Wahrnehmung sind die Zusammenhänge außer ihr selbst unwahrnehmbar geworden, weil sie hiergegen ohnmächtig ist. Die Gefühle, worin sie wahrgehabt werden, erscheinen entäußert und unwirklich und daher in der ohnmächtigen Wahrnehmung übermächtig. Im Gefühl herrscht die Ohnmacht der Wahrnehmung und bestimmt sich gegen die Ausschließlichkeit der Empfindungen, die ein Mensch hat.

Psychische Depression ist daher ein Zustand geistiger Lähmung, eine seelische Erdrückung, die durch ein negativ gestimmtes Selbstgefühl die Wahrnehmung beherrscht und durch ihren Kraftentzug den ganzen Menschen bestimmt. Diese Grundstimmung resultiert aus einer Selbstempfindung, die aus einem Lebensverhältnis ergeht, das sich selbst erschöpft hat und von daher gegen alle Eindrücke auf die Wahrnehmung einschreitet und ihre Gefühle ausschaltet, von da her auch ihre Gedächtnisleistung von ihrem Sinnesvermögen abtrennt.

Sie ist eine zum psychischen Wahrnehmungszustand gewordene Lähmung der Empfindungen durch Gefühle, die objektive Wirkung auf sie haben, durch Gefühle also, die sich in der Bedrängung bis zur Ausschaltung von Empfindungen aufbrauchen (siehe Selbstverlust). Ihrem Grund nach liegt das an einer Lebensangst, die sich nicht mehr wahrnehmen lässt, weil sie symbiotisch geteilt ist (siehe symbiotische Selbstbehauptung), die aber als Gefühl für sich wahrgehabt wird, ohne mit einer Empfindung verbunden zu sein, ohne also einen Sinn für sich zu haben. Die Selbstwahrnehmung wird dadurch negativ bestimmt, dass solche objektiv wirkenden Gefühle aus der Negation ihrer Empfindungen ihre Kraft bedrängen und in ihrem Stress deren Lebendigkeit aufbrauchen, in sich aufheben. Die Erkenntnistätigkeit wird hierbei blockiert und oft auch ihre Erinnerungen zerstört. Dieser Kreislauf der Selbstwahrnehmung, wenn er aus seiner Isolation nicht durch Empfindungen durchbrochen wird, die dem Menschen erkennbar sind und ihn in seiner Erkenntnistätigkeit wieder bestärken, kann zu einer vollständigen Erschöpfung der Lebensenergie führen, die eine Todessehnsucht entwickelt und bis zur Selbsttötung drängen kann.

In dieser Form erscheint die Trennung von Empfindungen durch negativ gewordene Gefühle absolut und dem Betroffenen selbst nicht mehr fassbar, die Kluft dazwischen unüberwindbar, die eigene Wirklichkeit unmöglich, von fremder Gegenwart bedrängt, entgegenwärtigt. Solche Gefühle können schleichend entstehen oder auch schlagartig auftreten, wo sich Menschen an ihre Lebensumstände gewohnt haben, die sich gegen das eigene Leben selbst richten. Zugleich ist dieses Leben hiervon gefüllt, kann sich also nicht mehr von den Umständen unterscheiden. Es verengt sich selbst und nur in der Wahrnehmung wird dies als Bedrängung erfahren. In der Wahrnehmung aber ist das bestimmend, was sie wahrhat, was also die Umstände der Wahrnehmung ausmacht.

Als Zustand, worin Menschen gefangen sind, ist die Depression die Erlebensform einer Selbstentfremdung, die ein erdrücktes Leben reflektiert, ein Leben, das nichtig geworden ist, also die Umkehrung einer Lebensbedrängung zur Selbstbedrängung des Lebens wurde. Der Zustand resultiert aus der Selbstaufhebung von Gefühlen, die völlig grundlos erscheint. Er ist Resultat einer unendlich gewordenen Einverleibung von Selbstwahrnehmungen, in denen eigene und fremde ununterschieden geworden waren.

Das eigene Leben selbst erscheint daher unterschiedslos fremd, als Bedrängnis, weil das darin Wahrgehabte die Gefühle selbst erschlägt, oder - umgekehrt formuliert - die Selbstgefühle einen ausschließlichen Sinn gegen das eigene Leben haben. In diesem Gefühl verbirgt sich eine Abhängigkeit vom Gewöhnlichen. Dies setzt eine verinnerlichte Gewohnheit an das Gegebene voraus, welches der Wahrnehmung eine scheinhafte seelische Identität verliehen hat, die nun in der Wahrnehmung auf sich zurückfällt, wenn sie Leben außer sich, also die entäußerte Form des eigenen Lebens wahrhat. Man könnte daher auch sagen, dass in der Depression alles Eigene entäußert ist und wie ein nichtig gewordener Sinn erscheint. Doch dieser Sinn existiert nur in seiner negativen Wirkung, weil er die in den Erlebnissen entleibte Sinnlichkeit hat. Sie wird daher als Verlust eigener Gefühle, als Selbstauflösung erlebt.

In einem sich selbst bedrängenden Leben wird dieses zu einem Wahrnehmungszustand, worin die Empfindungen mehr oder weniger schlagartig aufgehoben werden, wo Leben als das wahrgenommen wird, was es nicht wirklich ist und eine Wirklichkeit wahrgehabt wird, welche das Leben beherrscht. Oft ist die wirkliche Lebensbedrängnis der Wahrnehmung schon über lange Zeit entzogen, bevor dann bestimmte Wahrnehmungen oder Stimmungen diesen Zustand auslösen. Es können ganze Welten dazwischenliegen, bevor sich dieser Zustand einstellt, wenn sich das Leben über größere Abschnitte hinweg selbst durch fremde Welten bestimmt, die dieses entgegenwärtigen. Depressionen beruhen also auf dem Gefühl einer Entgegenwärtigung des eigenen Lebens.

Die Gefühle befinden sich in einer alles beherrschenden Lähmung, weil ihnen ihre Angst, ihre wirkliche Beengung abhanden gekommen, bzw. "überlebt" ist, aber als Erregung dennoch die Wahrnehmung bestimmt. Die Unmöglichkeit des Fühlens entspringt einer Selbstentleerung der Gefühle in einem unendlichen Prozess des Scheiterns an ihrer Wirklichkeit, die nicht als fremd empfunden werden kann, weil sie zugleich dem Leben zu eigen ist. In dieser Dopplung wird das Fremde jetzt als Eigenes, als Eigenschaft des Wahrnehmens selbst empfunden. Es gerät in der Wahrnehmung zu einer Selbstbeglückung, durch welche sich die Selbstwahrnehmung aufhebt, sich von sich selbst ausschließt. Hierdurch entsteht eine Wahrnehmungsidentität, die in der Entfremdung die Enteignung bejaht und von daher sich fremde Wahrnehmung zu eigen macht.

Es ist oft ein langer, verborgener Prozess, in welchem als momentanes Glück erscheint, was die Selbstwahrnehmung im Grunde zerstört. So sind es oft Konsumationen, Befriedigung durch Nähe und Einverleibungen, in welchen Beziehungen schleichend ihren Sinn verlieren, um sich dann plötzlich als aufgehoben zu erfahren. Was diese Aufhebung bewirkt hat kann nicht mehr erkannt werden, weil die Einverleibungen selbst zum Inhalt der Beziehungen geworden sind und das Gefühl darin aufgelöst hat. Nichtig gewordene Gefühle bestimmen die Empfindungen selbst zur Bewahrheitung einer Nichtung, die sie wie eine fremde Macht überkommt. Diese Beherrschung wird als Empfindungslosigkeit wirksam, als Verfinsterung der Wahrnehmung. Davon betroffende Menschen finden keinen Sinn mehr in ihrer Wahrnehmung, kein Gefühl und keine Gewissheit. Ihr Leben erscheint ihnen von jedem anderen Leben isoliert, auch für sie selbst unbegreiflich versperrt.

Das aufgehobene Leben verschließt die Wahrnehmung, macht ihre Sinne wirklich zu und enthebt sie ihrer Wirklichkeit. Es ist ein Zustand der Wahrnehmung, in der sich die Selbstwahrnehmung zugrunde gerichtet hat, weil sie sich selbst übermächtig geworden ist, überflutet von einem seelischen Chaos, das darin zu Ende gekommen ist, dass es sich selbst aufgehoben hat und "in den Brunnen gefallen" ist. Wie aus einem tiefen Loch erscheint in diesem Zustand die Welt unerreichbar und die Selbsterhaltung scheint davon abzuhängen, wielange die Kraft noch reicht, darin zu schwimmen. Darin sind alle Selbstwahrnehmungen nicht nur bedrückt durch die Sinne, welche die Wahrnehmung hat und welche in der Selbstwahrnehmung sich gegen die Wahrnehmung selbst überhoben haben, sondern zugleich auch gefangen wie von Kerkermauern, die jeden Bewegungsdrang ersticken. Erdrückt wird nun die Selbstwahrnehmung durch den im Allgemeinen ausgeschlossenen Sinn der Wahrnehmung, also im Wahrnehmungsprozess selbst. Was die Sinne darin belebt, das erschlägt sie - und zwar in dem Maße, wie sich das Leben darin regt. Das ist fatal.

Es setzt voraus, dass das Leben selbst überlebt wurde, dass alle Beziehungen, Bedürfnisse und Probleme darin selbst schon dem überleben in rein objektiven Gefühlen gedient hatten. In dem Augenblick, wo sich das überleben schließlich selbst als unmöglich erwiesen hatte, bricht die Depression aus - z.B. auch nach Hochphasen der Anstrengung wie nach Examen, nach Abbruch wichtiger Beziehungen die sich als prothetisch erwiesen haben oder durch den Tod eines Partners verloren wurden, der Bestandteil einer gewohnten Lebenswelt geworden war.

Der Selbstverlust, den das Selbstgefühl erleidet, beruht auf der Unmöglichkeit des überlebens, welches das Selbstgefühl betrieben hatte, auf der Unmöglichkleit einer Lebensform, in der es sich aufheben muss. Dies hatte zur Aufhebung der Selbstwahrnehmung überhaupt geführt und hatte sie ihrer Sinne enthoben. In ihrer Ohnmacht wird sie nun von den Empfindungen beherrscht, die ihr untergegangenes Leben erregen.

Der ausgeschlossene Sinn ist in der Depression ein lebendiger Sinn für wirkliches Leben. Er hat sich zu seinem Schatten in und durch die Selbstwahrnehmung entwickelt, die nur wahrnahm, dass sie von sich nichts mehr wahr hatte. Die Depression ist sozusagen die Selbstzerfleischung der Selbstwahrnehmung, die sich aber nicht dort abspielt, sondern in der Aufhebung der Wahrnehmung sich ereignet. Was darin lebendig empfunden wird, tötet die Wahrnehmung unmittelbar ab. Der depressive Prozess schreitet in dem Maß fort, wie die Wirklichkeit der Wahrnehmung durch die sich verschleißende Selbstwahrnehmung aufgebraucht wird.

Von daher ist es oft nötig, sich aus dem depressiven Verhältnis ganz herauszusetzen und wirkliche Wahrnehmung auf sich zukommen zu lassen, auch wenn sie Angst macht. Ohne die überwindung dieser Angst, also ohne ihrer Verarbeitung ist die überwindung der Depression auf Dauer nicht möglich.





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231.3 Die Sucht (narzisstische Störungen)

Der Gefühlszusammenhang depressiver Beziehungen ist ein Zusammenhang vernichteter Gefühle, der sich in den Empfindungen durchsetzt. Von daher kann das auch als eine gegen die Gefühle bewahrte Empfindungswelt aufgefasst werden, die in der Depression erst wahrgehabt wird. Aber eine Welt unbezweifelter Empfindungen kann nur ein bloßes Erdulden und Fühlen in einer unwirklichen, aber in Wirklichkeit mächtigen Beziehung sein. Die hiergegen ohnmächtige Selbstwahrnehmung kann sich daher nur gegen sich selbst fortbestimmen, muss sich also in einen Prozess der Selbstentleibung einlassen.

Jede Sucht sucht das Auseinanderfallen der Wahrnehmung zwischen Empfindungen und Gefühlen aufzuheben, indem ein Mittel der Wahrnehmung, ein entsprechendes Suchtmittel hergenommen wird, um die Empfindungen an den Selbstgefühlen auszurichten, derer die Wahrnehmung bedarf, um sich in ihrer Getrenntheit wahrzumachen, im Wahrnehmungszusatnd einer dritten Art das als eigene Wahrheit zu erleben, was sie durch sich nicht mehr wahrhaben kann.

Sucht ist von da her eine entäußerte Ergänzung, die Totalisierung einer verzweifelten Selbstbeziehung im Ausschluss der zwischenmenschlichen Beziehungen, wie sie in zwischenmenschlichen Verhältnissen, in der erzieherischen Beziehung einer symbiotischer Selbstbehauptung begründet waren, und die durch das Suchtmittel ausgeschlossen wurde und von daher ausschließlich in ihrer inneren Negation fortbesteht. Darin entstand der Trieb einer Selbstentfremdung, der sich gegen ihre Existenz im Ganzen richtet. sich In der Absicht zu einer Aufhebung ihrer Wesensnot forttreibt in einer Suche nach Erfüllung, wo nichts ist. Von daher ist sie ein zu einer schlechten Negation gewordenes Bedürfnis nach Fülle. Sucht ist Erfüllsucht, das unendliche Verlangen einer schlechten Unendlichkeit, dass erfüllen soll, was nicht sein kann, was nicht wirklich Gegenstand seines Bedürfnisses ist, weil das Bedürfnis sich selbst vergegenständlicht, nach der Körperform seiner Selbstgefühle sucht, und deshalb nur Gegenstände finden kann, für die es keine Empfindung hat. Von daher entwickelt sich eine Spirale, ein "Teufelskreis" in der Produktion von Selbstgefühlen, die nur ihre Leere, ihre Nichtigkeit fühlen können, weil sie nicht finden können, was sie wirklich sättigt, was sie in ihrer Empfindung auch verarbeiten können würden.

Sucht entsteht aus der Verzweiflung an zwischenmenschlicher Selbstauflösung, die sich als Gewalt zwischenmenschlicher Beziehungen jenseits der wirklichen zwischenmenschlichen Verhältnisse auftürmt. Oft entsteht sie noch inmitten einer erzieherischen Beziehung, die durch ihre Überfüllung die Empfindungen darin erstickt, oft aber auch nach dem Scheitern solcher Beziehungen, die depressive Selbstzerstörungsprozesse hinterlassen haben. Von daher ist Sucht die überwindung von Depression, die den Zirkel ihrer Selbstauflösung mit geistigem und/oder materiellem Stoff (z.B. Computerspiele, Drogen, Sex) befriedet und zunächst eine "neue Gefühlswelt" eröffnet, die allerdings den Gefühlszirkel forttreibt und oft auch in einem nicht mehr unmittelbar einsichtigen Gefühlszirkus veranstaltet.

Das Prinzip der Sucht ist, die eigene Gefühlswelt in ihrer Selbstaushöhlung zu überwinden, sie dadurch auszuheben, dass der Selbstwahrnehmung Empfindungen ermöglicht werden, in welchen einzelne eigene Gefühle als Empfindungen wieder menschlich gebunden erscheinen. Da aber diese Einbindung beruht auf einer stofflichen und geistigen Prothese beruht, welche die Empfindungen aus ihrer lebendigen Wirklichkeit isoliert und vereinseitigt, kristallisieren diese sich zu einem Selbstgefühl, dessen Selbständigkeit eine unnahbare Gefühlsidentität erlangt. Von da her ist Sucht ein seelisches Unterfangen, welches verzweifelte zwischenmenschliche Beziehungen durch isolierte Selbstwahrnehmung abfängt und aufhebt.

Hierdurch aber bewahrt Sucht vor allem die Verzweiflung in einer pervertierten Form, als eine wiedergefundene Identität im Gefühlsrausch von Bezogenheiten, die wie eine glückliche Wiedererlangung einer verlorenen Bindung erscheinen können. Diese Bindung erfolgt allerdings nur durch einen Stoff, welcher den Gefühlszusammenhang ausblendet, einen Stoff, durch den er negiert wird. Der betroffene Mensch versetzt sich hiermit in einen Zustand, worin ihm zwar einzelne Empfindungen als vereinzelte, isolierte Empfindungen gegenwärtig werden, welche aber zugleich durch sein Gefühl ansonsten beherrscht blieben.

Aber diese Mittel überwinden nicht die wirklich negative Beziehungen seiner Gefühle, sondern verstärken sie eher unter der Haut. Sie bleiben den Empfindungen völlig äußerlich und sind also nur quantitative Bestimmung für sie, auch wenn sie unterschiedliche chemische Wirkungen auf die Rezeptoren haben und unterschiedliche Eigenschaften des Empfindens hervorbringen.

Allgemein werden hierdurch Selbstgefühle mit Selbstempfindungen ersetzt, die jene dadurch möglich machen, dass sie die Wahrnehmung von ihren Gefühlen trennt, bzw. den Körper auf ein hierfür nötiges Tempo (Speed) bringt. So werden ihre organischen Tätigkeiten (z.B. Schmecken, Hören, Denken, Phantasieren, Riechen, Geschlecht usw.) zu Objekten von Gefühlen, die ihre Aufhebung nötig haben und dadurch betreiben, dass sie in diesen Tätigkeiten ihre Mittel finden für ein Lebensgefühl, das sich in Selbstempfindungen zu gewinnen sucht.

Sucht ist die Notwendigkeit eines Sinns, der sich seinem Leben entzogen und verweigert hat, nicht mehr passiv, depressiv, sondern aktiv als Sinn für sich, als überlebensnotwendigkeit gegen ein vollkommen überhobenes Leben. Aber dadurch, dass das hiergegen gesetzte Lebensgefühl sich nur durch äußere Mittel und also auch nur durch äußere Vermittlung bestimmt, kann es auch nur den Gefühlsgewalten herrschender Lebenszusammenhänge unterworfen bleiben.

So erliegt der süchtige Mensch nicht nur den sozialen Gewalten, die ihn aufgelöst hatten, sondern zugleich auch seiner Flucht vor ihnen. Das macht die Einsicht in den eigenen Lebenszusammenhang innerhalb des Suchtverhaltens, also bei fortwährender Einverleibung der Suchtmittel, praktisch unmöglich. Solange diese Mittel unvermindert eingenommen werden, bestimmen diese den Ausschluss des Lebens, dessen Sinn objolet geworden ist. Von daher wird der/die Betroffene durch seine überlebensmittel selbst unendlich nichtig bestimmt, kann also auch nur durch unendliche, also nicht enden wollende Zufuhr dieser Mittel sich erhalten. Sucht ist die sich ins Unendliche steigernde Heraussetzung eines negierten Selbstgefühls im Prozess seiner Negation: Selbstzerstörung.

Damit ist sie auch die sublimste und höchste Affirmation des Lebens, dem sich der süchtige Mensch zu verweigern sucht. Er wird von dem abhängig, was er hasst und was ihn vernichtet. In der Suche nach einem überleben in einem Leben, das er nicht haben will, betreibt er objektiv die Vollstreckung seiner Vernichtung durch die Mittel, mit denen er sich ihm entzieht.

Die Auflösung einer Sucht kann daher nur die Auflösung der in ihr zirkulierenden Depression sein, die Herausarbeitung des zwischenmenschlichen Zusammenhangs, der sich selbst zerstört hatte. Das verlangt allerdings einen enormen Einsatz der darauf bezogenen Menschen, vor allem ein hohes soziales Engagement und das Ertragen eines beständig bedrohten Sinns während der Suchtbekämpfung.

 



 

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231.3.1 Todessehnsucht und Selbstentgrenzung

Die gewöhnliche Egozentrik der bürgerlichen Persönlichkeit setzt sich selbst als Grenze gegen Fremdes dadurch, dass Fremdes einverleibt wird und die Selbstwahrnehmung bereichert. Umgekehrt stellt sie damit sich als allseitige Persönlichkeit einer sich selbst fremden Welt her. Innerhalb einer erzieherischen Beziehung begründet sich hierdurch ein objektives Selbstgefühl, das sich selbst unendlich begründet sieht. In seiner inneren Allseitigkeit zerfließt es in ein leeres, aber ganz allgemein wirksames Ego.

Die Grenzen zwischen sich und anderen Menschen verschwimmen, weil die Abhängigkeit von einer gemeinsamen Lebenskultur zu einer Hörigkeit geworden ist, in welcher die Gefühle selbst wie Welten der Erkenntnis füreinander gelten. Damit lässt sich alles machen und alles verschwindet dadurch auch in den Menschen selbst. Sie vielseitig und differenziert sie in ihrer Selbstbezogenhet erscheinen mögen, so einseitig wird nun ihre wirkliche Identität.

Es ist eine Sehnsucht nach Entleerung der quälenden Vielfalt, deren Wirkung eine Selbstzerstörung ist, das unendliche Pochen der Empfindung gegen ein Gefühl, welches sich darin gaz allgemein verliert. In einer Todessehnsucht tritt ein Verlangen auf, aus dieser Welt zu scheiden, das aber zugleich ein Verlangen ist, sich unendlich über diese Welt als Gefühl für alles zu stellen - als ein Gefühl, das durch seine Allseitigekeit zu einer Allmacht über Leib und Leben gezwungen ist. Es treibt jede Selbstverwirklichung in ihr Gegenteil: In eine Ohnmacht gegen sich selbst.


 



 

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231.3.2 Die progressive Selbstvernichtung


 

Der Trieb der Negation verlangt eine Wahrnehmung, die sich darin gewinnt, dass sie das Wahrgenommene selbst nichtet, dass sie also etwas für wahr nimmt, was das aufhebt, was sie wahrnimmt. Was in der Depression noch Angst war, wird hier zu einem Prinzip, das sich selbst nur durch Entgegenwärtigung erhält, indem es Gegenwärtigkeit als Bedrohung abwehrt. Es ist ein sich vertiefender Selbstverlust, der nurmehr durch Erlebnisse durch Ereignisse oder Stoffe sich entwickeln kann. Die Erlebensucht (z.B. Sexsucht, Internet usw.) sind daher die Wahrnehmungsformen, in denen sich schließlic die Sucht selbst ausbildet.


 



 

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231.3.3 Rauschmittel- und Erlebenssucht


 

Was allgemein ausschließlich als Suchtverhalten interpretiert wird, ist die Erlebnissucht (auch die Sucht nach Glücksspielen oder Computerspiele), also die Sucht nach Erlebnissen, die als solche nicht wirklich entstehen, sondern durch Ereignisse, Rauschmittel und dergleichen erzeugt werden müssen.

Es geht dem Süchtigen nicht wirklich um das bloße Erleben oder um die "Bewusstseinserweiterung", wie das oft vermutet wurde, sondern vor allem um die Entstellung seiner Wirklichkeit. Er will sich durch Rauschmittel eine Welt herstellen, die sich seinem Selbstverlust in seiner Wirklichkeit entgegenstellt, seine Depression auflöst, indem ihr eine andere Wirklichkeit in dieser Absicht entgegengestellt wird. Deren wesentliche Wirkung ist der Rausch, der allerdings nur durch die hergestellten Ereignisse und Mittel für eine bestimmte Zeit einen Menschen über seinen Selbstverlust hinweg forttragen kann und in dem sich seine Wahrnehmungen nicht wirklcih auflösen, sondern zu einer inneren Macht einer fremdbestimmten Selbstvergegenwärtigung verschmelzen. Diese übernimmt zunehmend die Herrschaft über die Selbstwahrnehmung und ist im Grunde ohne Schranken und Grenzen, befördert also ihre Entgrenzung.

Solche Berauschungen werden aber oft auch nicht gut ertragen, wenn sie verflogen sind. Der Moment des Rausches lässt das alles erträglich scheinen, steigert aber seine wirkliche Unerträglichkeit und gerät durch die erträgliche Selbstwahrnehmung im Suhtverhalten zu einer Erlebensspirale ins Unendliche, welche die zugund liegende Depression verstärkt.

Die Sucht bildet schließlih ein Streben nach einer Eigenwelt des Selbstgefühls aus, das sich gegen die Ungegenwärtigkeiten der depressiven Wahrnehmung wendet, eine eigene Wirklichkeit der Selbstgefühligkeit betreibt, die sich durch Hinzunahme von Mitteln, welche die Wahrnehmung entsprechend verändern, in ihrer Isolation ertragen lässt, weil sie damit eine Gegenwart gegen die Entgegenwärtigung erzeugen kann. Ihr Trieb zielt auf ein abstraktes Selbstgefühl, das sich gegen dessen Objektivität überhaupt wendet und aus Körpererlebnissen heraus eine Subjektivität einer durch Suchtmittel entfremdeten Selbstwahrnehmung erstellt.


 

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