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232. Die entfremdete Aufmerksamkeit (Der Autismus einer veräußerten Gegenwart)

Entfremdete Aufmerksamkeit stellt sich in Aufmerksamkeitsstörungen dar. Es sind Störungen der Selbstwahrnehmung, die in unausweichlichen und also depressiven Ohnmachtserfahrungen begründet sind und die verinnerlichten Wahrnehmungen (siehe auch Erinnerung) von den äußeren getrennt hatten. Sie treten als chronifizierte Verhaltenszwänge auf, die das Selbstgefühl vor der Macht bedrohlich vorgestellter Eindrücke bewahren sollen. In der bürgerlichen Kleinfamilie verhält sich die Lebensangst der Eltern als Notwendigkeit in der Lebenspflicht eines entäußerten Selbstgefühls, als verselbständigt wirkendes objektives Selbstgefühl im Verhalten zur nachwachsenden Generation. Durch die Grundstimmung in solchen Verhältnissen entfremden sich deren Empfindungen von ihren Gefühlen und nehmen diese wie eine fremde Kraft wahr, durch die sie sich entgegenwärtigen. Die hierdurch bedrängten Empfindungen flüchten in Verhaltensweisen (z.B. Zwangshandlungen), die sich schließlich in der Beziehung auf ihre Lebensumstände in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen auch durch sozialen Befremdunglichkeiten (z.B. Stottern, Tics) niederschlagen. Wo es gelingt, eigene Empfindung Empfindung auszudrücken und hierdurch wahr zu machen (z.B. durch Musizieren, Malen, Dichten, Sport), wird dieses Verhalten unnötig

Wahrnehmung kann nur wirklich "wach", mit sich identisch und also auch wahr sein, wenn und soweit sie aufmerksam ist. Aufmerksamkeit ist eine intensive Gegenwärtigkeit der Beziehung der Sinne auf ihren Gegenstand: intensive Empfindung. In ausschließlich zwischenmenschlichen Verhältnissen, worin erzieherische Beziehungen vorherrschen (siehe z.B. Familie), unterliegt das Selbstgefühl der Abhängigen der Ungewissheit der Verhältnisse ihrer Erzieher (siehe Erziehung) und der Stimmmung in ihren Beziehungen. Wenn diese selbst im Widerstreit empfunden werden, stellen sie eine Bedrohung dar, die sich im Zweck der Selbserhaltung der Wahrnehmung zu entziehen sucht und deren Empfindlichkeit stört. Um diese Verhältnisse auszuhalten wird deren Aufmerksamkeit auf ihre objektive Inhalte reduziert und ihre Organe durch deren Abstraktionskraft bedrängt. Durch die Ausschließlichkeit ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse entstehen Aufmerksamkeitsstörungen als Störungen der Selbstwahrnehmung in einer Welt zerstrittener Gefühle, die durch Flucht aus ihrer Gewissheit bewältigt und überwältigt werden. Aufmerksamkeitsdefizite als Störungen ihrer Selbstwahrnehmung sind deren Folge (z.B. innere Unruhe, Konzentrationsprobleme, Hyperaktivität, Stimmungsschwankungen, Antriebsstörungen). Indirekt können auch Probleme der Selbstkontrolle erfolgen, die z.B. durch Zwangshandlungen oder auch psychische Depressionen oder diverse Süchte abgewehrt werden.

Doch die psychischen Phänomene ihrer Störungen (siehe z.B. auch psychische Krankheit), besonders der Aufmerksamkeitsdefizite, Hyperaktivität (ADHS), Depressionen und Zwänge (siehe Zwangshandlungen), offenbaren eine nicht gelungene organische Einheit der Wahrnehmung (siehe Wahrnehmungsidentität), die psychische Kräfte in Gang gesetzt hat, die ihre Natur bestimmen, die als Formbestimmung ihrer Einheit eine Abstraktion ermächtigt haben, die im Nachhinein ihrer Krise ihrer Verwirklichung vorauseilen, um sie schon auszuschließen, bevor sie entstehen könnte (siehe hierzu auch Verdrängung). Der Grund einer jeden Aufmerksamkeitsstörung liegt daher in den Wahrnehmungsverhältnissen, worin das Wahrgenommene dem Wahrgehabten widerspricht (siehe hierzu auch erzieherische Beziehung). So bedrängt z.B. eine psychische Depression die Macht einer Selbstwahrnehmung, die ihrem Selbstgefühl unterliegt, die ihre Gefühle beherrscht, wenn sie ihre Empfindungen von sich abstoßen müssen. Und Zwangshandlungen suchen übermächtige Gefühle durch ein Verhalten gegen ihre Verhältnisse auszuschließen, die ihre Empfindungen nötig haben. Das Leben einer isolierten Zwischenmenschlichkeit in den Lebensburgen einer burgherrlichen Kultur - besonders wo es in symbiotische Selbstbehauptungen geraten ist - muss die Gesellschaftlichkeit seiner Generationen leugnen und verstrickt sich zunehmend in den Blähungen ihrer Eindrücke und Ausdrücke, ihre Wahrnehmung durch das Erleben in ihren Blasen entstellen oder verrückt machen, in denen es in sich zusammenfallen, weil sich darin ihre Formen selbst als Lebensinhalte darstellen, sich inhaltlich also verkehren müssen.

Was darin schon vor aller Erfahrung bestimmt ist, wird in den zwischenmenschlichen Verhältnissen der Lebensbergung zur puren Gewohnheit und wird gegen das Verhalten der Abhängigen mächtig. Autismus entsteht gegen hörige Gefühle (siehe Hörigkeit) über die Selbstbezogenheit von Wahrnehmungen abwesender Empfindungen in erzieherischen Beziehungen. Er lässt sich daher auch auf Dauer durch deren Kritik und Emanzipation früher oder später auch auflösen.

Zwangsverhalten entsteht im Verhältnis einer Selbsvermeidung, ist ein Verhalten zur Vermeidung eigener Empfindungen, weil durch sie ein wesentliches Selbstgefühl verlustig geht. Es ist durch einem Selbstverlust bedroht, der durch eine Wahrnehmung bewirkt wird, die einer Selbstentfremdung unterliegt, also Fremdes nicht als fremd erkennen kann, weil und solange sie dem objektiven Selbstgefühl einer symbiotischen Selbstbehauptung Folge leisten muss. Weil sie sich durch die Gewohnheiten einer erzieherischen Beziehung und ihrer Lebensbedingungen hiergegen nicht emanzipieren konnte erleidet ihr Selbstgefühl unentwegte Beengungen, die Angstzustände entwickeln, die durch Selbstbeschädigung, durch Zwangshandlungen (Selbstverletzungen, Essströrungen, Sprachstörungen, Waschzwänge usw.) abgewehrt werden.

Zwangshandlungen sind letztlich ohnmächtige Reaktionen auf traumatische Erinnerungen, wodurch die Psyche sich gegen die Gegenwärtigkeit ihrer Wahrnehmung durchsetzen muss (siehe hierzu auch ästhetischer Wille). Die traumatische Erinnerungen bestimmen sich aber nicht notwendig aus der Dauer oder Heftigkeit des Traumas, sondern vielmehr aus der Innigkeit und Dichte der zwischenmenschlichen Verhältnisse, die sie bedingt haben (z.B. Familie, Gemeinschaften, Flüchtigkeiten). Soweit diese Erinnerungen verselbständigt, also von jeglichem Selbstgefühl abgelöst sind, das hierbei gleichgültig geworden ist, entwickeln sie mit dem Entzug ihrer gefühlen Empfindungen einen Wahrnehmungszustand, in welchem sich ihre Selbstentfremdung durch einen sich selbst bestärkenden Selbstverlust vertieft. Umgekehrt lösen sie sich oft auch mal leicht auf, wenn eine Gegenwärtigkeit jenseits der gewöhnlichen Wahrnehmung (z.B. durch Kunst, Musik, Tanzen o.ä.) möglich ist. Das verlangt allerdings, dass die objekiven Bedingungen, der traumatischen Lebenszusammenhänge, insbesondere der narzisstischen Lebensverhältnisse abgesondert werden können.

In narzisstischen Lebensverhältnissen entstehen nämlich Täter wie Opfer der wechselseitigen Einverleibung von Gefühlen, die das Selbstgefühl speisen oder entleeren. Die Konkurrenz um die Eigenliebe kann nur deren Unglück vertiefen, kann nur das nichten, was sie retten könnte. Es entsteht hieraus ein Zwang gegen die Selbstwahrnehmung, der einem Selbstgefühl folgt, das seine "Rettung" als Selbstverlust fürchten muss, das also sich nur durch den Ausschluss von Wahrnehmungen erhalten kann, die seine Isolation und Abschottung beschädigen könnten. Es entsteht hierbei ein höchst widersinniges Problem, das zu einer schier endlosen Last wird und durch seine unheimlichen Wirkungen, durch sein Geraune und seinen stetigen Alarmismus ein Handeln bewirkt, das die Widersinnigkeit der zwanghaften Selbstwahrnehmung offenkundig werden lässt und sich als soziales Problem breit machen kann.

Der Zusammenhang der Erlebnisse und Ereignisse ist für die Wahrnehmung der Individuen einer Gesellschaft, wo sie keinen Grund hierfür in den Gegenständen ihres Lebens finden und empfinden können, nur im Dasein ihrer Persönlichkeit, die sie in ihrem Fühlen und Denken stetig einholen müssen, wo sie ihnen entzogen wird. Es ist nicht die einfache Lebensangst, die dies vermag, sondern die Lebensangst, die durch das eigene Verhalten und Handeln entsteht, die also als Angst um sich auftritt, wo dieses ihrem Sein nicht mehr gerecht werden kann. Dem geht eine lange Vermittlung von Nichtungen voraus, die durch ihre Erfahrungen sich zunehmend in ihrer Selbstwahrnehmung verselbständigt haben. Darin wird jedes Selbstgefühl schon zu einer Bedrohung, wenn es sich verwirklicht und außer sich gerät und damit den Boden einer jedweden Selbstbehauptung verlässt. Wo Lebensangst schon in der Selbstwahrnehmung herrscht und nicht mehr durch eine Wirklichkeit Einhalt erfährt, wo sie sich also in der Wahrnehmung unbeschränkt entfalten kann, kann es nur darum gehen, sie zu meiden, die Organe der Wahrnehmung gegen das zu kontrollieren, was sie wahrnehmen können, gegebenenfalls auch Augen, Nase, Ohren, Zunge und Haut zu verschließen, um damit leben zu können. Zwanghandlungen richten sich daher gegen die Sinnlichkeit der Wahrnehmung selbst, treten auf als "Konversionsstörungen" oder Essstörungen, oder Verhaltenszwänge (z.B. Waschzwänge, "Putzfimmel") oder Selbstverletzujgen usw. Und sie können auch dann pausieren, wenn sich Gefühle anderweitig formuliern können (z.B. Musik, Kunst überhaupt, Liebe).

Ein Zwangsverhalten ist ein Verhalten, das sich von selbst aus der Notwendigkeit zur Abwehr einer Selbstwahrnehmung einstellt und auf die Vermeidung von bestimmten Gefühlen abzielt, die in zwischenmenschlichen Verhältnissen deren Sinn zerstören könnten und von daher eine strukturelle Lebensangst enthalten. Dies setzt voraus, dass diese Beziehungen sich nur über eine erzieherische Beziehung erhalten können, weil sie selbst schon durch Selbstgefühle in einer symbiotischen Selbstbehauptung begründet sind. Sie verhalten sich darin wie ein Vorschuss, der durch hiervon bestimmte Zuwendungen eingelöst werden muss und Gefühle einfordern, die sich nicht verwirklichen können. Was dadurch als Zweck eines Verhaltens objektiv bestimmt ist, ist durch die Subjektivität des symbiotischen Verhältnisses schon vor aller Erfahrung bedroht und erfordert dann, wenn dieses sich in seinem Ablauf gestört fühlt, ein Verhalten, das einer fremden, einer entäußerten Wahrnehmungsidentät der Selbstgefühle in diesem Verhältniss gehorchen muss und von daher "deplaziert" erscheint. Das beendet sich selbst, sobald andere Verhaltensweisen möglich sind, die eigene Empfindungen hiergegen stellen können (z.B. Musizieren, Gespräche, Genüssse).

Doch das Problem der Lebensangst ist erst wirklich dann überwindbar, wo es andere Beziehungen zu Menschen findet, die nicht zwischenmenschlich gebeugt sondern auch wirklich gesellschaftlich sein können. Ansonsten erhalten sich in den Selbstgefühlen die lähmenden Ängste um sich selbst und müssn durch die innere Tätigkeit ihrer Selbsbeziehung aufgehoben veräußerlicht werden. Die Selbstvergegenwärtigung durch Zwangshandlungen ist allerdings beschränkt. Je isolierter die Dinge und Geschichten des Lebens außer sich existieren, desto schwerer ist es auch für einen einzelnen Menschen, auf sie aufmerksam zu werden oder zu bleiben, sie denken zu können. Aufmerksamkeit ist die einzig wahre Gegenwärtigkeit des Gedächtnisses für die Wahrnehmung, also das, was sie in ihren Gedanken verbunden weiß und aufmerken lässt und ihre Gefühle bildet. Ohne diese kann sie nur ein ästhetisches Verhältnis hierzu haben und ist jederzeit zu beeindrucken durch die Selbstgefühle, welche von daher in die Empfindungen eingehen. Die Aufmerksamkeit ist dann allerdings relativ, abhängig von den Umständen und Inhalten der Wahrnehmung im Erleben selbst, durch die immer mehr wahrgemacht wird, was nicht wirklich wahr sein kann, weil es nurmehr aus der Absicht selbstbezogener Tätigkeiten entspringt, also nur noch die Selbstwahrnehmung bestärkt.

In den Lebensräumen der Lebensangst haben sich die Empfindungen als eine Macht in einer Herrschaftsform der Selbstwahrnehmung durchgesetzt, vor der sich die ihre Gefühle bedroht fühlen, weil sie darin paralysiert werden. Die Selbstgefühle der Menschen müssen sich hiergegen zur Wehr setzen, indem sie die Empfindungen schon vor aller Wirkung und Wirklichkeit kontrollieren (siehe auch Kontrollbedürfnis). Unter diesen Bedingungen müssen Menschen ihre Selbstgefühle immer wieder neu gewinnen, indem sie die ihnen nötigen Empfindungen durch das beibringen. was in den Angstzuständen ihre Selbstgefühle aufgehoben hatte, Sie werden ihren hergegkömmlichen Empfindungen entledigt. Im Ausschluss von diesen verkehrt sich nun schließlich ihr Selbstgefühl zu einem Wächter, der sich der Angst entgegensetzt, seine Gefühle für sich entäußert und sich gegen fremde Empfindungen verschließt, indem er "eigene" durch Verhaltenszwänge (z.B. als Waschzwang, Ordnungssucht, Grimassieren usw.), durch sein Zwangsverhalten produziert. Zwanghaft müssen daher alle Empfindungen kontrolliert werden, vor allem in den Stimmungen, die "zu nahe kommen".

Aufmerksamkeit kann aber auch durch reine Überreizung (siehe Reiz) mehr oder weniger vollständig zu selbständigen Wahrnehmungszuständen (siehe z.B. Zwangshandlungen) aufgehoben werden, weil sie sich auf wesentliche Inhalte ebenso fokussieren und verselbständigen kann, wie auf die Ästhetik einer Begebenheit (z.B. übermächtige Geruchsempfindlichkeit). Damit einher geht dann eine Abwehr gegen bestimmte Wahrnehmungsinhalte, ohne dass diese verdrängt würden und ohne dass darin bestimmte Ursachen wirksam wären, diese unbestimmbar aber als leere Erregung in einem Menschen fortwirken, die zugleich andere ungebundene Erregungen verstärken, wie sie z.B. beim Zusammenbruch einer symbiotischen Selbstbehauptung auftreten. Es sind dies dann Surrogate von Inhalten, die übermäßig bestimmt sind (siehe auch Formbestimmung) und von daher ihren Lebensraum überdehnen würden und sich in ihrer Wirkung komprimieren müssen (siehe Dichte), von daher sich ganz unbestimmt gegen dessen bestimmte Inhalte in der Wahrnehmung und sich schließlich gegen deren Aufmerksamkeit selbst richten. Ein Mensch der an einem sogenannten "Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom" leidet, ist kaum mehr in der Lage, sich in einem Lebenszusammenhang wahrzunehmen. Unentwegt muss er jeder einzelnen Empfindung, die er hat, nachgegen, um darin eine Beziehung zu sich und seinen Gefühlen zu erkennen. Ähnlich ergeht es auch mit anderen Zwangsstörungen, die immer einem Aufmerksamkeitsproblem nachgehen müssen um einer zugrunde liegenden Lebensangst aus den Lebensräumen zu entgehen, in denen sie ihre Wahrnehmungsidentität erlangt hatten.

Lebensangst verhält sich dann als Beziehung gegen die Selbstempfindungen, wenn diese durch erzieherische Beziehungen in einem engen Lebensraum der Selbstgefühle ausgeschlossen worden waren. Es sind die Kinder der Angstvermeidung, die nur fühlen können, was darin als Lebensangst abwesend und doch wirksam ist, die Kinder erfolgreicher Vermeidungsstrategien, die in ihren Gefühlen selbst widersprüchliche Empfindungen auslösen, die sie nicht wirklich auflösen können, also nur durch Zwangshandlungen quasi abergläubisch abwehren.

Die Wahrnehmungszustände der Entgegenwärtigung, die als Angst, Depression und Sucht auftreten, sind die Eltern der Zwangshandlungen. Sie heben sich in der narzisstischen Abkehr auf in einem Weltgefühl, das so allgemein ist, dass es sich jeder einzelnen Beziehung ihren wirklichen Lebensverhältnissen entzieht und die Selbstwahrnehmung nur noch im Zweifel gegen ihre symbiotisch Wirksamkeit wahrmachen kann. Von daher ist der Selbstzweifel die gewöhliche Grundlage in den Lebensburgen von Menschen geworden, die sich gegen sich selbst vereinen und darin ununterscheidbar gegen sich stehen. Gegenwärtig können sie darin nur außer sich sein und sich gegen die damit betriebene Selbstauflösung durch erzwungenes Verhalten zur Wehr setzen. Dieser Zwang entspringt der entäußerte Selbstbehauptung einer zwischenmenschlichen Identität in narzisstischen Lebensverhältnissen.

Der Selbstverlust durch die räumliche Gegenwart einer sich selbst behauptenden Identität, welche als absoluter Narzissmus aus einer symbiotischen Selbstbehauptung hervorgegangen ist, macht in der Verwirklichung ihrer Beziehungen auf andere Menschen die lähmende Angst aus, die durch Zwangshandlungen abgewehrt und aufgehoben werden müssen. Verhaltenszwänge haben ihren Grund in der Gefahr, die ihre selbstverlustigen Verhältnisse für ihre Wahrnehmung wahrmachen. Jeder Mensch in diesen Verhältnissen einer mächtig vereinten Selbstbehauptung ist darin eine Lebensgefahr für den anderen. Und seine Nähe, die Dichte seiner Anwesenheiit, wird zum Monster einer permanenten Selbstbedrohung, die beständige Selbstüberwindung verlangt, um darin bestehen zu können.

In der Abweisung des Selbsterlebens, das die Selbstgefühle einer symbiotischen Selbstbehauptung jetzt nötig haben, wird ein Weltgefühl ohne Beziehung zur Welt zur Identitätsfrage schlechthin, worin jede Wahrheit im Zweifel steht und sich die Wahrnehmung selbst zum Gegenstand ihrer Verhältnmisse und ihres Handelsns macht. Sie isoliert sich gegen diese und existiert im Ausschluss zu allen subjektiven Wahrnehmungsinhalten, Empfindungen und Gefühlen. Die eigene Wahrnehmung unterliegt der symbiotischen Kraft zerteilter Wahrheiten, die nicht nur in der Einheit gegensinniger Wahrheiten einander vermitteln, wie es für solche Selbstgefühle tragend war, sondern nun auch selbst eigene Verhältnisse erzeugen, in denen die Herabsetzung solcher noch subjektiv erscheinenden Widersprüche aufgehoben ist. Dies verlangt den Ausschluss jeglicher Subjektivität dadurch, dass sich die Subjekte selbst als Objekte füreinander totalisieren. Ihre wechsdelseitige Einvernahme wird selbst zu einem objektiven Selbstgefühl, das sich vor jedem Gefühl schützen muss, um sich in fremder Geborgenheit zu vermitteln. Es ensteht der Widerspruch, dass Menschen sich auf diese Weise vor der Wahrnehmung ihrer Verhältnisse verbergen müssen, um in diesen, weil sie unauflösbar scheinen, geborgen zu fühlen.

Es ist ein Widerspruch zwischen zwei Veräußerungen eines entfremdeten Selbstgefühls, die zum einen dessen Inhalt wie auch zum anderen dessen Form entsprechen. Die Wahrnehmung der Welt ist voller Ahnungen ohne wirkliche Ähnlichkeiten mit den Erfahrungen, sodass jegleiches Gedächtnis von Gefühlen ausgeschaltet bleibt. Und die Wahrnehmung selbst muss immer wieder darauf aufmerksam gemacht, versichert werden, dass sie sich dem auch entgegenstellen kann. Solcher Widerspruch unterwirft die ganze Selbstwahrnehmung nicht nur in ihrer Gegenwärtigkeit, sondern auch in ihren Umständen, müssen diese doch in selber Weise "stimmig" gemacht werden, wie auch die Empfindungen von ihr. Es ist eine Sysyphosaufgabe, dem ungeheueren Anspruch eines fremd bestimmten Selbstgefühl zu gehorchen, und zugleich auch die Umwelt danach auszurichten, dass sie ihm entspricht. Und weil solche Selbstwahrnehmung unentwegt von ihrer eigenen Wahrheit bedroht ist, droht sie selbst auch beständig zu zerfließen und muss sich hiergegen zu einer Selbstvergenwärtigung zwingen, die zugleich eigene Vergegenwärtigung entfremdet, zu einem bloßen Sollen veräußert. Das Objekt eines entäußerten Selbstgefühls muss sich gegen dieses verhalten, um sich subjektiv zu empfinden und durch eine entfremdete Vergewisserung eine Gewissheit für sich zu erhoffen, die in Wahrheit aber nur Selbstentfremdung vertiefen kann.

Damit wird Selbstgefühl unmittelbar als Kraft gegen sich vollständig objektiv, weil es sich als reine Gegenwärtigkeit der Empfindung heraussetzt, die mit aller Welt verschmolzen ist und zugleich dies nicht wahrnehmen kann, weil es dies ganz ausschließlich und von sich ausgeschlossen nur wahrhat. In dieser Verschmelzung, wie sie die Sucht noch als Zweck hatte, wird nun die Identität gesucht, die hiergegen Mittel ist. Doch diese kann ob ihres negativ bestimmten Ursprungs nicht näher bestimmt sein, bleibt also ein negativ bestimmtes äußeres, durch welches der Trieb der Sucht sich als Zwang zur Identitätsbildung durch äußere Gegenwärtigkeit die Selbstwahrnehmung bestimmt. Es ist eine von den Sinnen selbst abgetrennte Identität, die das Leiden unendlich bestimmt und sich nur durch Zwangsverhalten entgegnen lässt. Dieses hat den Mangel, dass er nur momenthaft Linderung verschafft, weil es nicht in der Lage ist, die davon betroffenen Sinne wirklich in die Wahrnehmung zu integrieren.

Es war das Selbstgefühl der Sucht noch durch die Mittel bestimmt, die sie nötig hatte, um sich gegen objektiv gewordene Gefühle überhaupt zu verhalten. Jetzt geht es um das objektiven Selbstgefühl, das sich nun wie ein zum Zwang gewordener innerer Trieb gegen seine äußere Wirklichkeit stellt. Dieser verhält sich notwendig gegen äußere Vermittlungen, indem er jedes Mittel zerstört. Er zwingt das Leben über seine Verhältnisse zu leben, indem er das Verhalten selbst zwanghaft setzt, im Verhalten selbst die Verhältnisse um ihn herum aufzuheben sucht, - jetzt aber nicht als Absicht, sondern als innere Notwendigkeit. Es ist kein Ausweg aus der Depression mehr, sondern ein Leben dagegen, ein beständiges Konfrontieren und Auszehren aller Beziehungen zu Menschen und auch Sachen. Doch in den Beziehungen der Menschen, die nun ununterschieden zu den Beziehungen der Sachen wahrgenommen werden, wird nun alles Subjektive unmittelbar objektiv erfahren, selbst wie eine Sache empfunden, ununterscheidbar zwischen sich und anderem.

Natürlich hat dies auch seine Geschichte in dem Raum, worin die Erziehung zur Welt leiten sollte. Doch die Erzieher haben sich selbst als Welt subjektiv verwirklicht, weil der Raum selbst ihre Welt als geschlossenen Lebensraum vermittelt hat, ausweglos für den Zögling, der als Mensch sich damit identifiziert und als Objekt sich darin zu erheben sucht, dass er sich gegen das erzogene Menschsein permanent zur Wehr setzt, indem er sich durch sein Verhalten vergegenwärtigt, sich als Mensch anwesend machen muss, wo er sich abwesend fühlt. Weil er die Ausgeschlossenheit seiner Identität als Lebensangst verspürt, muss er, um sich der symbiotischen Beziehung seiner Gefühle zu entziehen, gegen seine Empfindungen arbeiten.

Waren in der erzieherischen Beziehung noch Subjekt und Objekt der Erziehung identifizierbar, ihre Wahrheit von daher erkennbar, so ist jetzt das Verhältnis in der ausgeschlossenen Sinnlichkeit eines objektiven Selbstgefühls symbiotisch geworden. Es hat sich zu einer einzigen Lebensbedingung vereint, indem es in seiner Wirkung gegen Ängste, depressiven Entgegenwärtigungen und Süchte nun wirklich objektiv tätig wird. Sie erleiden ihre Hörigkeit gegenüber dem objektiven Selbstgefühl ihrer Wahrnehmung nun wie eine Wirklichkeit für sich, die Wirkung eines Verschmezungstriebs, der ihre Wahrnehmungsidentität permanent aufzuheben strebt. Zwangsverhalten richtet sich gegen die Macht eines vergemeinschafteten Selbstgefühls, ist sozusagen erzwungene Selbstvergegenwärtigung im Kampf um die Entwirklichungstendenzen der Psyche. Die ist das gerade Gegenteil der Sucht, die noch durch die Herstellung eines abstrakten Selbstgefühls, einer reinen Kraft der Negation sich gegen die Gewalt der isolierten Selbstwahrnehmung wendet. Was dort als Entgegenwärtigung der Wahrnehmung betrieben wird, um Identität zu verschaffen, wird hier gefürchtet, weil es Identität zerstört. Der Zwang ist das widerspenstische Kind der Sucht und bestärkt sich auch gegen sie, die quasi das Subjekt seiner Erziehung ist.

Gegen die ursprüngliche Symbiose der Lebenspflichtigkeiten entschwinden daher im Zwang alle Eigenheiten des subjektiv verselbständigten Verlangens in einer objektiven Unwirklichkeit, einer fremden Macht der Entwirklichung, so dass die Wahrnehmungsidentität nur noch heimlich sein kann. Diese Heimlichkeit wird selbst objektiv bedrohlich, weil diese Macht zu ihrer Lebensbedingung hat und vertieft. Und so wird ihre Grundstimmung bei aller Gefühligkeit unheimlich.

In der Erziehungsgemeinschaft in den abgetrennten Lebensräumen der Geborgenheit entwickelte sich also nicht nur ein entfremdetes Selbstgefühl, welches die Grundlage für Wahrnehmungszustände der Angst bereitet, sondern auch eine Gefühlswelt, worin Selbstgefühle verschmelzen, um sich der Angst zu entziehen, die sich darin bildet. In der Verschmelzung derart vergemeinschafteter Gefühle von Zögling und Erzieher, in einer vergemeinschafteten Angst, in der Symbiose der Erziehung, zieht sich ein Gefühlsgemenge aus erzogenen und verneinten Selbstgefühlen in ein Gedächtnis zurück, wodurch die herangezogenen Gefühle ihre Empfindung auch wirklich aufheben müssen. Indem sich auf diese Weise die Gefühle in diesem ohnmächtigen Verhältnis eigenmächtig wie eine Mythologie jenseitiger Gefühle vereinen, können sie nicht mehr empfinden, was sie begründet. Sie haben sich ausschließlich unmittelbar und nur noch in einer bestimmten Selbstempfindung wahr, in der sie ihre Ungewissheit zu überwinden suchen. In dieser Bestrebung verliert die Wahrnehmung den Zugang zu ihrer Wahrheit, und wird zugleich in ihrer Selbstempfindung selbst zur Produktionsstätte ihrer Ungewissheit, also zu einem prozessierenden Selbstverlust.

Gegen sie müssen Empfindungen produziert werden, die pure Selbstvergegenwärtigung bewirken, dass überhaupt gefühlt zu werden kann. Es muss etwas getan werden, damit sich die Wahrnehmung in ihrer Gefühlsverschmelzung nicht auftürmt und übermächtig wird. Empfindungen werden erzeugt, damit die in der Symbiose doppelt bestätigten Gefühle auch aktiv entzogen bleiben. Das zwischenmenschliche Erziehungsverhältnis wird zu einem Lebensverhältnis, worin sich die Selbstverborgenheit von Empfindsamkeiten fortbestimmt. Sie wird als Ganzes im Selbstgefühl einer potenziellen Selbstauflösung erfahren und bedrängt den Menschen, der seine Selbstwahrnehmung aus diesem Verhältnis gründet. Es ist ein in sich widersprüchiches Selbstgefühl, welches einerseits Selbstverlust zu fürchten hat und zugleich auch Angst vor dem Verlust dieses Lebensverhältnisses haben muss, weil es darin keine Wahrheit hat, nichts sein kann, und ohne dies nichts ist.

Alle Wahrnehmungen, welche diese Gemeinschaft infrage stellen, sie als Lebensverhältnis bedrohen, weil sie ihren Untergang zur Folge haben müssten, müssen aus der Empfindung ausgeschlossen werden, um darin nicht für sich gewiss zu sein. Die Empfindungen sind dazu bestimmt, selbst nur als Gefühl zu bestehen, also nur im Innern zu wirken, nur als Regung zu sein, die an und für sich keinen wirklichen Sinn hat. Das Selbstgefühl wird selbst zum Träger einer Gefühlswelt, die so nicht sein kann, wie sie ist, sie also nicht empfunden werden kann. Die Gefühle, welche das pflichtschuldige Verhältnis der Erziehung erkennen, werden dazu bestimmt, nur als Regungen im Selbstgefühl der Menschen wirksam zu werden, also selbst als ein objektives Selbstgefühl die Wahrnehmung zu bestimmen, so dass das, was in Wahrheit ist, sich gegen die Wahrnehmung stellt, die Wahrnehmung also gezwungen wird, eigene Wahrheit hiergegen zu erzeugen. Regungen treten auf, die an und für sich keinen Sinn mehr haben und daher selbst nur als Angst bestehen. Es ist ein Widersinn in sich: Der darin bestimmte Mensch ist durch seine Selbstgefühle sich unmittelbar selbst zum Gegner geworden, fühlt sich schlecht oder unrein oder aufgelöst oder in Angst, wenn er sich nicht zu sich in entsprechender Weise verhält, z.B. durch einen Waschzwang, Hungern, Verletzen u.a..

Es ist in solchen erzieherischen Beziehungen durch deren Symbiose ein mächtiges Selbstgefühl entstanden, das sich nur heimlich wie ein Hintersinn, also unheimlich vermittelt und sich in die Selbstwahrnehmung einschleicht, indem sie ausschließt, was darin wirklich für sich selbst ist. Es sind objektive Selbstgefühle, die in den Menschen selbst erzeugt werden und ihre Gefühle dadurch beherrschen, dass sie diese selbst entleibt, sich ihre Selbstbezogenheit einverleibt, also ihr Selbstgefühl unmittelbar entfremdet.

Es entsteht so eine gedoppelte Selbstbeziehung, eine unmögliche Selbstbeziehung, die zugleich darin möglich ist, dass sie sich zugleich negiert, sich von sich selbst bereinigt. Die Empfindungen werden von Gefühlen beherrscht, die sie von sich selbst trennen müssen, die im Augenblick der Wahrnehmung zugleich diese ungeschehen machen müssen. Das trennt aber auch die Gefühle in sich: Im Bezog auf Empfindungen stellen sie sich mächtig gegen diese, im Bezog auf sich selbst werden sie zu einem nach innen abgetrennten Selbstgefühl, das allerdings nicht für sich sein kann. Hierdurch haben die Gefühle ihren Grund nur noch in einem bodenlosen Verlangen, zu sich zu kommen, und das können sie nur durch die Empfindung anderer. Sie sind in einem fortwährenden Dilemma, das nur dadurch unterbrochen wird, wenn sie eine Nische für sich finden (z.B. Musik machen). Das Selbstgefühl wurde von den Empfindungen abgetrennnt und betreibt nun für sich eine Vorstellungswelt voller Sehnsüchte. Diese kehrt sich früher oder später auch wirklich gegen die Empfindungswelt, der sie entsprang, indem sie nach Mittel verlangt, welche eine hiergegen jenseitige Identität stiften. Durch diese Mittel werden die herrschenden Empfindungen schließlich auch wirklich ausgeschlossen.

War bisher von der Aufhebung von Empfindungen in der Verkehrung von Gefühlen die Rede, so geht es daher nun um die Aufhebung von Empfindungen, in welcher die Entleibungsverhältnisse bestimmter Lebensverhältnisse wahrgehabt werden. Es geht daher um die Abschirmung und Verselbständigung einer Gefühlswelt, welche hiergegen abgeschottet ist. Es geht damit um eine Abschottung von Gefühlen, welche ihre wirkliche Identität dadurch verlieren, dass sie vom bloßen Körper und seinen Stoffen vermittelt werden. In solchen Gefühlen reflektiert sich eine Welt, welche die Sinne ihrer tatsächlichen Leiblichkeit enthebt und sie selbst zum Mittel der Heraussetzung von einer gefühlten Identität bestimmt, welche als Selbstgefühl durch eine selbständige, also von ihrem wirklichen Sein abgetrennnten Empfindungswelt besteht.

Dies geschieht zunächst an den Menschen selbst durch Erzeugung ihrer Selbstentfremdung (Sucht), dann durch das Dazwischentreten einer fremden Kraft gegen sie (Zwangshandlung) und schließlich durch die Objektivierung einer Gewalt, welche die Menschen selbst einer Scheinwelt unterjocht (die sogenannte Soziopathie), indem sie jede Selbstwahrnehmung zu ihrem Mittel macht und darin alle Empfindungen und Gefühle in sich aufhebt.

 

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232.1 Der Zwang zur Selbstempfindung (Zwangsverhalten)

In den Angststörungen haben die Empfindungen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen die treibende Kraft und deren Energie zum Schutz der Selbstwahrnehmung entwickelt, wodurch in der Angstvermeidung die Angst zirkulär geworden war. Im Unterschied hierzu wird diese Kraft im Zwangsverhalten durch Selbstgefühle gebildet, die sich gegen ihre wirklichen Gefühle abheben und diese bestimmen und darin zirkulär werden. Ein Zwangsverhalten zeigt sich durch psychisch begründete Zwangshandlungen, weil es sich durch wirkliche Gefühle bedroht sieht. Es löst negatiive Empfindungen in der Selbstvergegenwärtigung auf, indem es sich gegen einen drohenden Selbstverlust (bzw. psychische Depressioin) wehrt, der durch Stimmungen hervorgerufen wird, die psychische Beziehungen zu solchen Gefühlen im Gedächtnis des betroffenen Menschen blockieren (siehe auch Verdrängung). Seine Grundlage ist ein Lebensverhältnis, worin die Aufmerksamkeit eines Menschen stetig gestört ist. Es entwickelt darin die abwesende Aufmerksamkeit eine ästhetisch verformte Wahrheit in in den Verhältnissen (siehe auch Zwangsverhältnis), worin Selbstgefühle verschmolzen (siehe symbiotische Selbstbehauptung) und als bloße Erregungen empfunden werden. Gegen diese müssen Empfindungen erzeugt werden, um überhaupt eine eigene Gegenwärtigkeit, eine Wahrnehmungsidentität des einzelnen Menschen jenseits seiner widersprüchlichen Empfindungen zu gewähren. Es sind die Kinder der Angstvermeidung, die nur fühlen können, was darin als Lebensangst abwesend und doch wirksam ist, die Kinder erfolgreicher Vermeidungsstrategien, die in ihren Gefühlen selbst widersprüchliche Empfindungen auslösen müssen, die sie nicht wirklich auflösen können, also nur durch Zwangshandlungen quasi abergläubisch abwehren.

Die Probleme mit der Selbstvergegenwärtigung entstehen durch eine objektiv wirksame Kraft gegen die Wahrnehmung, welche subjektiv erzeugt ist. Es setzt also voraus, dass das Subjekt selbst diese Objektivität lebt, also sich in ihr befindet, um mit sich auszukommen. Die Lebensverhältnisse, die dem vorausgegangen waren, haben es ihm verunmöglicht, für sich sein zu können, weil sie in der Symbiose erzieherischer Beziehungen immer zugleich auch objektiv waren. Hierdurch ist die Selbstwahrnehmung auf die Wahrnehmungsorgane reduziert und ihre Empfindung darin bestimmt, sich den Gefühlen, worin Zusammenhänge wahrgenommen werden, zu entziehen, sich also körperlich von ihrem geistigen Zusammenhang zu entfernen. Es war eine Entgeisterungen der Selbstwahrnehmung in Lebensverhältnissen, in welchen der sinnliche Gehalt der Wahrnehmung schon vorweggenommen ist, der darin entstehen könnte. Was bleibt ist die Angst vor den Regungen, welche die ausgegrenzten Geister hinterlassen, die Unheimlichkeit, mit welcher sie den Menschen, der diesen Lebensverhältnissen entwachsen ist, bedrängen.

Die abstrakten Erlebenswelten, die sich in dieser Selbständigkeit im Gedächtnis erhaten haben, sind in sich unendlich bestimmt und heben jede Gewissheit auf, besonders jede Selbstgewissheit. Hiergegen ist die Selbstwahrnehmung panisch, wenn sie sich nicht in Selbstempfindungen findet, wenn sie nicht durch eine körperliche Gegenwart sich gegen diese Bedrängung wehrt. Menschen, die in solchen Verhältnissen leben müssen oder mussten, erleiden oft eine Sucht nach Selbstvergegenwärtigung, welche sich in einem zwanghaften Verhalten vollzieht, deren Zweck alleine die Selbstempfindung ist.

Ein Zwangsverhalten (bzw. die psychische Zwangshandlung) löst ein Problem der Selbstvergegenwärtigung auf, indem es sich gegen einen drohenden Selbstverlust (bzw. psychische Depressioin) wehrt, der durch Stimmungen hervorgerufen wird, die psychische Beziehungen im Gedächtnis des betroffenen Menschen blockieren (siehe auch Verdrängung). Es begründet sich aus einer ästhetisch verformten Wahrheit in Verhältnissen (siehe auch Zwangsverhältnis), worin Selbstgefühle verschmolzen sind (siehe symbiotische Selbstbehauptung), und gegen welche Empfindungen erzeugt werden müssen, um überhaupt eine eigene Gegenwärtigkeit, eine Wahrnehmungsidentität des einzelnen Menschen zu gewähren. Und es kann sich spontan aufheben, wo andere Selbstgefühle an deren Stelle treten (z.B. durch Musik). Von daher ist Zwangsverhalten ein Verhalten gegen den eigenen Zerfall, gegen die Zufälligkeit, in der es in Beziehung steht, wenn Gefühle sich gegeneinander aufspalten und ihre Empfindungen in einen ästhetischen Zweifel ziehen. Im Zwangsverhalten kämpft ein Mensch um seine Empfindungen, die ihm zu entschwinden drohen und ohne solches Verhalten eine tiefgründige Lebensangst auslösen würden. Von daher ist Zwangsverhalten auch eine Anpassung an ein abwesendes Zwangsverhältnis.

Im Unterschied zu den Ausdrucksformen der Lebensangst begründen sich Zwangshandlungen aus einer Identitätsangst. Sie sind also Handlungen, die dem Gefühl einer Nichtung vorgreifen müssen. Zwangsverhalten ist ein Verhalten, das aus einem "inneren Zwang" hervorbricht, um die Gegenwärtigkeit einer Wahrnehmung durch eine Selbstvergegenwärtigung von irgeneiner Art zu unterbrechen. Es tritt als Impuls auf um ein Gefühl abzuwehren, das als vernichtend erlebt wird. Es setzt eine Nichtung in der Gegenwart voraus, die sich gagen das wahrnehmende Subjekt totalisiert hat (z.B. durch eine Lebensangst, oder unbewältigbare Spannungen, Erregungen usw.).

Die ungemeinen Anspannungen, welche solches Verhalten verursacht und zugleich bestärken, werden oft durch künstlerische oder musische Ausdrucksformen gemildert oder ganz aufgehoben.

 

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232.1.1 Stottern, Ticks

Im Stottern vollzieht sich eine Entfremdung der Sprache vom Sinn ihrer Bezogenheit auf eine Welt, deren Unsinn eine sprachliche Bedeutung für den Betroffenen hat. Was er sagen will, ist ihm zu einem Müssen geworden, weil ihm Mitteilung selbst zu einer Beziehung gegen sich selbst geworden ist, eine Mitteilung gegen eine hiergegen gefestigte Beziehungswelt, deren Sinn und Bedeutung übermächtig empfunden wird, weil die Beziehung auf sie einen Bedeutungsausschluß enthält. Dies treibt Sprechen an, um auf einmal viel zu sagen, um also hierdurch diese Welt zu errreichen.

Zuviel ist immer Vorwegnahme und die Notwendigkeit eines Vorgriffs auf das zu Sagende führt zu Sprachschwierigkeiten. Diese folgen dem Zwang, etwas zu sagen, bevor es gesagt, bevor es also selbst zu einer Wortbedeutung werden kann. Der Drang zum Stottern nimmt mit der allgemeinen seelischen Belastung zu und beruhigt sich bei außersprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten (z.B. Musik machen).

Ticks vergegenwärtigen eine Erregung, die sich nicht einbeziehen kann, weil sie ihrer Bedeutung nach keine Beziehung gefunden hat, weil also ihr Sinn nicht vollständig aufgehen kann und durch den Tick aufgehoben wird.

 

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232.1.2 Selbstverletzungen und Essstörungen (Autoaggression)

Die im Selbstgefühl der Symbiose einer symbiotischen Selbstbehauptung verschmolzene Beziehung entgegenwärtigt jegliche Wahrnehmung und lässt deren Gewohnheiten als fremde Macht wirken, die erdrückend wird. Sie lähmt das Selbstgefühl und bedroht damit die hierzu nötige Identität. Autoaggressionen suchen im Schmerz der Selbstkasteiung nach der Selbstgewissheit einer Empfindung, welche durch eine zunichte gemachte Selbstwahrnehmung in eine Abwärtsspirale des Selbstverlustes gekommen ist. Was in einer unmöglich gewordenen Geschichte in einer umöglich gewordenen Beziehungswelt an Gefühlen ertragen wird, schließt die Selbstwahrnehmung aus, die sich durch Selbstverletzung wieder herstellen soll. Der wirkliche Schmerz löst Angstzustände auf und reduziert eine depressive Problematik vorübergehend auf eine körperliche Befindlichkeit.

Ess-Störung ist eine Selbstverletzung über den Ausschluss von Nahrung, in welcher das Selbstgefühl einer symbiotischen Selbstbehauptung vernichtet werden soll, um ein weltliches Gefühl hiergegen zu halten, um durch dessen organische Umkehrung deren Wirkung aufzuheben. Es ist die auf sich selbst reduzierte Reaktion auf eine Selbstunterdrückung durch mächtige Objektbestimmungen, die einer selbstgerechten Perfektion in einer erzieherischen Beziehung beigefügt werden und jede Liebe ohnmächtig werden lassen. Auch dienen dabei oft weltliche Kulturmaßstäbe als Vermittlung (z.B. Schlankheitskult). Die Flucht in die Welt sucht Beziehungen, die aber nicht wirklich sein können. Die Betroffenen wirken exrovertiert, obwohl sie sich in Wahrheit nur gegen jede Art von Einverleibung, wenden, indem sie ihren Leib gegen die herkömmliche Weltbeziehung des Konsums, vor allem gegen die Nahrungsaufnahme bestimmen. Es geht dabei weder um einen bewussten Protest noch gegen allgemeine Probleme mit Konsumtion. Die Nahrungsreduzierung ist die Tätigkeit einer Empfindung, die sich gegen das wehrt, worin sie ihren Körper verloren fühlt, weil er das Medium ihrer Selbstentfremdung geworden ist.

Die Verweigerung strebt nach einem Leben, das sich nicht mehr fühlen lässt, dem jedes Gefühl abhanden gekommen ist. Hierdurch unterscheidet sie sich von der Depression. Es ist zugleich Affirmation und Flucht, Wahrnehmung einer ungenießbaren Beziehungswelt als Verweigerung, die Flucht vor einem im Überleben der Lebensburg übersteigerten Lebensbild, das selbst die Überwertigkeit von Leben vermittelt und durch die Sinnesgemeinschaft der darin nur Überlebenden vollzogen wird. Ihr Gemeinsinn besteht im Unvermögen des Lebens durch Aufzucht aller Überlebensmöglichkeiten, welche zum Beispiel Kinder darstellen. Darin wachsen und gedeihen vor allem die Vorstellungen, welche das Bürgertum in sich trägt und welche es auf dem Altar eines funktionell hochwertigen Lebens zelebriert.

Die Verweigerung strebt nach einem Leben, das sich nicht mehr fühlen lässt, dem jedes Gefühl abhanden gekommen ist. Hierdurch unterscheidet sie sich von der Depression. Es ist zugleich Affirmation und Flucht, Wahrnehmung einer ungenießbaren Beziehungswelt als Verweigerung, die Flucht vor einem im Überleben der Lebensburg übersteigerten Lebensbild, das selbst die Überwertigkeit von Leben vermittelt und durch die Sinnesgemeinschaft der darin nur Überlebenden vollzogen wird. Ihr Gemeinsinn besteht im Unvermögen des Lebens durch Aufzucht aller Überlebensmöglichkeiten, welche zum Beispiel Kinder darstellen. Darin wachsen und gedeihen vor allem die Vorstellungen, welche das Bürgertum in sich trägt und welche es auf dem Altar eines funktionell hochwertigen Lebens zelebriert.

Hierdurch wird das Überleben so veräußerlicht, dass es nur noch als innere Notwendigkeit wahr werden kann, als vollständige Beherrschung der Schmerzen und in ihrem Erleben. Aber die so entstandene innere Überlebensnotwendigkeit ist so stringent und selbstzerstörerisch wie das Prinzip der Sucht, auch wenn der Vorgang hierzu gegensinnig ist: Die Selbstkasteiung ist wirkliche Selbstvernichtung, welche als Überlebensprinzip erscheint. Und diese Wirklichkeit ist in ihrem finalen Sinn tötlich, wenn nicht hiergegen eine Unwirklichkeit des Lebens, also das unverwirklichte Leben begonnen werden kann.

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232.1.3 Zwangshandlungen

Alle Tätigkeiten, die sich gegen die objektiven Selbstgefühle der Symbiose richten und unmittelbar aus ihrer Fremdbestimmung erfolgen, sind eigentlich Zwangshandlungen. Aber in der Psychologie werden als Zwangshandlungen hauptsächlich nur Handlungen gemeint, die körperlichen Handwerklichkeiten nachgehen, die als solche aufgezwungen empfunden werden (z.B. häufiges Händewaschen aus Befürchtungen heraus, dass man sich beschmutzt haben könnte, ohne es bemerkt zu haben). Meist erscheinen solche Handlungen von jeglicher Wahrnehmung unabhängig und sind oft zu allgemeinen Ritualen geworden. Sie dienen einer Selbstvergewisserung gegen eine unbestimmte Angst verbunden, mit dem Geraune ungeheuerer Mächte aus einem Hinterhalt , das sich als Stimmung einer Ungeheuerllichkeit breit macht. Die Zwangshandlung will dieser entgegenwirken.

Konkrete Ursachen sind unwahrnehmbar, und manche Handlungen befördern auch gerade mit höchster Aktualität das Hervortreten dessen, was zur Wahrnehmbarkeit drängt, vergleiche z.B. Freuds Geschichte von einer missglückten Hochzeitsnacht, welche mit Zwangshandlungen in der Verfolgung unendlich gesühnt werden musste - wie er es verstanden wissen wollte. Aber der Psychoanalyse muss dennoch entgegengehalten werden, dass es keine wirklichen Gründe oder geschichtlichen Ursache für solches Verhalten in der "Lerngeschichte", etwa eine übertrieben Reinlichkeitserziehung oder ähnliches, gibt. Es geht um eine ganz aktuelle Konfliktlage, welche durch Vermeidung bestimmt ist. Allem Zwangsverhalten gemein ist eine übermächtige Befürchtung, es könne ein Mensch untergehen, also seiner Identität verlustig werden, wenn er dem Handlungszwang nicht Folge leistet.

Eine Sinndeutung von Zwangshandlungen weist lediglich auf die Form hin, durch welche Identitätsverlust bekämpft wird, nicht woher er in Wirklichkeit begründet ist. Das Reinigungsritual will eine Sauberkeit anstreben, die nur abstrakt und also unendlich gegen das stehen kann, was den Strudel der Abgründe in die unheimliche Macht der symbiotischen Selbstverneinung ausmacht. Es ist die verbliebene Form einer verzweifelten Selbstbejahung, die ihren Gegner nicht mehr fassen kann. Stille Beschäftigungen oder Tätigkeiten (z.B. Klavierspielen) dagegen, in denenen die Angst schwindet und sich deren Verkrampfung löst, können Pausen der Zwangshandlung bewirken, in welchen ein gänzlich veränderter Mensch zum Vorschein kommt.

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232.2 Die Konversionsstörungen (Hysterien )

Die bezwungene Wahrnehmung, wo sie keine Erfahrung mehr machen kann, muss sich auf die Selbstgefühle konzentrieren, die sich die Zwänge der Empfindungen selbst errichten: Die Herbeiführung bestimmter Umstände, welche ein mächtiges Selbstgefühl gegen die Empfindungswelt selbst bestärken, das dadurch möglich wird. Es sind daher naturgemäß ausschließliche Selbstgefühle, die nicht mehr hörig sind, sondern sich alle Gefühle selbst unmittelbar unterwerfen. Sie bestimmen die Wahrnehmung nach der Zugehörigkeit zu dem Sinn, in welchem Empfindungen dem ausschließlichen Selbstgefühl dienen und erkennen in anderen eine bloße Gefahr für das Selbstgefühl. Von daher kann man dieses Selbstgefühl in seiner Wirkung als uteral bezeichnen (hystera = Gebärmutter).

Der Begriff hysterisch ist heute verpönt, weil er als Diskriminierung der Frau angesehen wird. Ursprünglich wurden Hysterien tatsächlich nur bei Frauen beschrieben, weil die Geschlechtertrennung es den Männern unmöglich gemacht hatte, ähnliche Störungen an sich selbst wahrzunehmen. Die Ersatzbegriffe, die ob dieser Bedenken eingeführt wurden (Dissoziation oder dissoziative Störung, histrionische Persönlichkeitsstörung) sind allerdings so nichtssagend, dass sie hier nichts taugen. Tatsächlich betrifft es ja auch nur die Beschreibung einer Wahrnehmungsfunktion, die zwar durch ein weibliches Organ gekennzeichnet wird, aber deshalb nicht weiblich sein muss, weil kein Organ eine isolierte Wahrnehmung auslösen kann. Das hatte schon Sigmund Freud erkannt, als er den Begriff der Konversionsneurose einführte. Allerdings verblieb diese als "Neurose" natürlich im Schema der Psychoanalyse.

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232.2.1 Die Verkehrung der Selbstgefühle

Die Konzentration auf Selbstgefühle, die sich durch zwanghaft erzeugte Empfindungen errichten, verkehrt diese selbst zu einem inneren Zwang gegen die Umstände der Wahrnehmung. Die Wahrnehmung selbst muss nun bezwungen werden, um Wahrnehmungsidentität zu erzeugen. Das allerdings erzeugt zugleich Selbstgefühle, die nicht nur deren Gebilde in sich aufnehmen, sondern sich selbst auch als Gefühl verbilden. Die Selbstwahrnehmung wird nun nicht mehr äußerlich durch fremde Kraft, sondern von einer inneren Kraft bestimmt, die ihre Gegenstände fokusiert und atomisiert. Ihre Erregung macht aus jeder Regung ein isoliertes Ereignis des Selbstgefühls, das sich nun in einer allgemeinen Bedrohungslage befindet. Diese besteht aus der Gewissheit, dass alles gegen dieses gerichtet ist. Und dadurch wird die allgemeine Bedrohung als inneres Wissen empfunden, das nur durch bestimmte Wahrnehmungen überstehen kann.

Aber es entsteht hierbei keine Wahrnehmungsidentität, sondern ein unendlicher Zirkel sich kreisender Abschirmungen und Beflissenheiten, die je nach Allgemeinzustand sich mehr oder weniger heftig gegen alle weltlichen Einflüsse richtet. Die Wahrnehmungen bleiben auf sich gerichtet und scheinen daher auch "von innen" zu kommen.

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232.2.2 Die aufgehobene Selbstwahrnehmung (Psychischer Autismus)

Autismus ist eine Wahrnehmung, die sich selbständig von ihrem Organ bildet, die also Wahrheit hat, welche die wirklichen Sinne umgeht. Weil ihre Organe aus psychischen (oder auch aus körperlichen, traumatischen oder genetischen) Gründen gelähmt sind, stellt sich die Wahrnehmung auf eine Vermittlung hinter den Organen ein, aus einem Zusammenfügen von Vermittlungswegen, die sich aus dem Gesamterleben erschließen.

Sind die Sinne nicht physisch gelähmt, so besteht ihre seelische Lähmung aus einem Sinn, der ihr Innenleben ausschließt, der also ihre Verbindung mit ihren Sinnen beherrscht und blockiert. Dies kann aus einem Schutzbedürfnis vor einem absoluten Identitätsschmerz her sein, der sonst die Wahrnehmung überkommen würde. Es kann aber auch in der Absicht einer Selbstzerstörung in der Wendung gegen eine vollständige Beherrschung der Sinne geschehen, z.B. aus Rache gegen eine lebensbestimmende Gleichgültigkeit. Autismus ist lediglich die Form eines vollständig ausgeschlossenen Sinns der Wahrnehmung, was immer sie darin auch wahr hat.

Autismus bildet den ausgeschlossenen Sinn als Seelenbild seiner Aufhebung aus, als Angst, Wut, Liebe, Erregung usw. welche sich nicht organisch vermittelt, sondern sich aus einer eingesperrten Seele heraus organisch in irgendeiner möglichen Art und Weise durch mehr oder weniger heftige Organbewegungen umsetzt.

Oft entwickelt sich im Autismus eine sehr hohe Abstraktionsfähigkeit und Intelligenz, welche die Wahrnehmung mehr oder weniger über intelligible Kräfte "vervollständigt", fehlende Empfindungen durch Ahnen und Fühlen überbrückt. Von daher haben sich auch geniale Gedankenwelten (vergl. Bürger) und Rechengenies dabei entwickelt.

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232.2.3 Sinneslähmungen (Schlafsucht, psychische Taubheit und Blindheit)

Das in sich verkehrte Selbstgefühl schließt sich kurz, sobald es in seiner Wahrnehmung keinen Grund mehr hat und sich selbst zum Umstand wird, weil es sich in seiner Ausschließlichkeit gegen die Wahrnehmung überhaupt behaupten muss, gegen alles Empfinden und Fühlen selbst tätig wird und sich darin "abreagiert". Der Körper wird zum Austragungsort dieses Verhältnisses. Es kommt dabei zu aktiven körperlich auftretenden Bewusstseinsstörungen wie Gedächtnisverlust, Lähmung, Blindheit, Taubheit u.a..

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232.3 Der Selbstverlust (oder die ausgeschlossene Selbstwahrnehmung)

Für sich genommen erscheint ein Selbstverlust als Verlust seiner selbst als bestimmter, mit sich identischer Mensch, also Verlust eigener Identität. Identität kann aber nicht wirklich verloren gehen, Sie wird durch Widersprüche aufgelöst, welche Substanz verzehren, welche also aufzehren, was ein Mensch an Gefühlen und Gedächtnis für sich gebildet hat. Selbstverlust ist die Nichtung der Selbstwahrnehmung, ein Prozess, in welchem sie sich gleichgültig wird, weil sie die Regungen auflöst, die ihr zur Erkenntnis gereichen sollte, ja, gerade deren Notwendigkeit selbst ausmachen.

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232.3.1 Die Sebstverflüchtigung (oder das so genannte ADHS-Syndrom)

Die permanente Flucht vor der Fremdbestimmtheit der Selbstwahrnehmung

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232.3.2 Der subjektive Selbstverlust (oder das so genannte Borderline-Syndrom)

Wo die symbiotische Selbstbehauptung zu einem Zwangsverhältnis geworden ist, also durch Gewalt gehalten wird, beruht jede Beziehung auf einer absoluten Enteignung, ist also eine objektiv bestimmte Entziehung ihrer Subjektivität. Im Grunde entwickeln schon die Verhaltenszwänge eine Beziehungsfalle, weil sie ihren Angstgegner nötig haben, um durch seine Gegenwart zumindest Gewissheit über sich selbst und ihre Äußerungen zu erlangen. In den Verhältnissen solcher Angstgegnerschaften zirkuliert schließlich aber nicht die Gewissheit, sondern die Selbstaufhebung durch das Betreiben von Zwangshandlungen, Fluchten und Hingabe. Nirgendwo ist die Einsamkeit der Selbstbezogenheiten schmerzlicher, als gerade da, wo Leidenschaft und Selbstaufhebung in ihrer Einheit die zwischenmenschlichen Verhältnisse bestimmen. Es ist ein wahnhaftes Beziehen und ebensolches Vernichten von Beziehung, worin alles sogleich zerstört werden muss, was gerade aufgegangen ist. Es ist von daher zwar beziehungssüchtig, nicht aber wirkliche Sucht nach Beziehung. Es ist ein Verhältnis in der Wähnung von Beziehungen, die zwischen Einverleibung und Abstoßung um sich selbst kreisen, in einem Kampf um ihre Wahrheit sich zermürben - bis sie schließlich hieraus ihre Emanzipation beginnen können.

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232.3.3 Der objektive Selbstverlust (oder die so genannte Psychopathie)

Die Selbstverleugnung

Weiter mit Buch II: 233. Das bezwungene Selbst
(Die ungegenwärtige Selbstwahrnehmung)