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322. Die Eventkultur der Bildungsbürger
(Der subjektivierte Geist der Kulturmächtigkeit oder die Gesinnung)

Die Selbstlosigkeit der Menschen hat durch ihre Gleichstellung in der Gleichgültigkeit gegen ihre Bestimmtheit, durch die der Ausschließlichkeit des Beliebens vor allem einen allgemeinen Unsinn zu einem Gemeinseinn ihrer Bildung entwickelt. Jeder einzelne Mensch verhält sich darin als Kind einer Bildunhgsgemeinschaft wie ein Gotteskind, das sich wie ein allgemeiner Zwischenmensch verhalten muss. Diese Gemeinschaft stellt aber nur eine Verallgemeinerung der einzelnen Persönlichkeiten ihrer Bildung dar – und die hat durch ihre soziale Gestalt vielfältige Folgen. Die Erste ist, dass sie sich durch ihre Selbstgefühle in einem gemeinen objektiven Selbstgefühl als Gemeinschaft von Bildungsbürger verhalten und hieraus ihre Gesinnung entwickeln, sodass ihre Gesinnung zu einer Allgemeinform ihres ästhetischen Willens geworden ist. Darin wird jedes Gefühl zu einer äußerlichen Beziehung auf sich selbst, zum Gefühl einer veräußerten Selbstbeziehung in einer allgemeinen Selbstgefühligkeit. Der ästhetischen Wille hat durch die Verdopplung ihrer Selbstgefühle eine eigenständige Kultur der Bilder ihrer Bildungen geschaffen.

Diese Kultur entsteht in den einzelnen Momenten der Auseinandersetzung über den Sinn und Zweck einer bestimmten Lebensproduktion. Wer darin schon materiell begütert ist, hat in der Regel ein hohes, oft auch überhöhtes Interesse, das System seiner heilen Welt zu veredeln. Es ist daher vor allem auch eine Kulturelite, die über deren Ereignisproduktion bestimmt und sich die Selbstwahrnehmungen der Menschen aneignet und über eine kulturpolitische Programmatik verfügt damit über deren Lebenszusammenhänge, in denen Kultur entsteht und sich mitteilt, Ziele nach den Zwecken ihrer Kulturvermittlung durch ästhetisches Verhalten gesteckt und befolgt werden (siehe auch Medien).

Ein ästhetisches Verhältnis ist das Verhältnis selbstloser Bürger, die ihre zwischenmenschlichen Beziehungen durch einen ästhetischen Willen verwirklichen, der Ereignisse beabsichtigt (sihe Ereignisproduktion), die Menschen zueinander in ein zwischenmenschliches Verhältnis versetzen, worin sie ihrer Selbswahrnehmungen durch ihr Geltungsstreben zu einem gemeinen Selbstwert durch einen Kult verhelfen, durch den sie ihre Empfindungen sinnlich gleichschalten (siehe hierzu auch Gesinnung). Ihre wechselseitige Beziehung wird hierdurch ästhetisiert und ihre Selbstachtung in dem Maß aufgehoben, wie sie ihr zwischenmenschliches Verhältnis zum Zweck der Veredelung ihrer Selbstwahrnehmungen kulturalisieren können (siehe auch tote Wahrnehmung). Sie verhalten sich hierin ästhetisch zu ihren Gefühlen und bilden in diesem Verhältnis nurmehr objektive Gefühle., Gefühle, in denen sie sich als Objekte und daher auch nur obektiv finden und empfinden, weil sie sich nur in den Gefühlen außer sich finden und empfinden können, wie sie es gewohnt sind. Eine Gewohnheit beruht auf einem akkumulierten Selbstgefühl, durch das sich die Selbstwahrnehmung bestärkt und verselbständigt und von da her blindlings einem ästhetischen Willen folgt, den ihre Gewohnheiten betreiben und aus ihren Ressentiments ästhetische Urteile bilden.

Die Kulturelite errichtet sich über das darin verschwindende Moment des Lebens, das als Bildnis einer toten Wahrnehmung, als Archetypus ihres persönlichen Lebens bewahrt wird. Im Selbstverständnis ihrer Selbstwahrnehmung leitet es aus ihrer Wahrnehmung ein Wesen der dem entsprecheden Erkenntnisse anl und prägt ihren äthetischen Willen in seinen besonderen Aufmerksamkeiten. So wie in der Hand des Kapitals die Arbeit als tote Arbeit bewahrt wird, so witd in der Hand der Kulturelite das Kulturgut zu einem Kulturbesitz, zu einer toten Wahrnehmung, als bloßes Mittel zwischenmenschlicher Kulturkonsumtion bewahrt. Sie trägt Kultur als Kulturbesitz, als Mode, Tradition, Gewohnheit, Sitte, Brauch usw. im Jenseits des praktischen Lebens der Menschen fort und verfügt damit über eine politische Macht der etablierten Wahrnehmung.

Wo Bildungsbürger über ein entsprechendes Vermögen an Freizeit verfügen, das sie in ihre zwischenmenschlichen Verhältnissen über die Notwendigkeiten ihrer kleinbürgerlichen Existenz hinaus sponsern können, entstehen ganz eigene Lebensräume einer zwischenmenschlichen Kultur, in denen sie sich - soweit sie ausschließlich dort verkehren - als Kultursubjekte verstehen und fühlen können, sich durch ihr Wissen, ihre Sprache, ihre Lebensvorstellungen und Lebensansprüche als Subjekte verstehen können (siehe Selbstverständnis). Allerdings ist hierdurch ein jeder schon durch sich selbst beschränkt, weil er oder sie der gesellschaftlichen Dimension seiner kulturellen Ansprüche nicht "gewachsen" ist. Kulturbürger haben sich daher wechselseitig als Lebensumstände ihrer Kultur wahr, wodurch sie sich gegenseitig in ihren Selbstgefühlen als wechselseitige Objekte ihrer Subjektivität bedrängen, sich als potenzielle Gegner ihrer Selbstwahrnehmung wahrnehmen. Mangels wirklicher Bezogenheiten erfolgt dies allerdings nicht offen, sondern gerne hinter psychologischen Attitüden versteckt. Die Küchenpsychologie dieser Verhältnisse befriedigt daher schnett auch psychokratische Bedürfnisse.

Von daher stehen ihre zwischenmenschlichen Wahrnehmungen in einem Widerspruch, der ihrer Beziehung auf der Grundlage ihrer Lebensumstände geschuldet ist. Es ist der Widerspruch einer gesellschaftlichen Beziehung, die ihre Gemeinschaft gestaltet: Aber in Gesellschaft verhalten sich Menschen zu ihren Lebensbedingungen, in einer Gemeinschaft konsumieren sie sich selbst als Lebensumstände. Ihre allgemeine Selbstbezogenheit wird so zu einer Falle ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen: als individuelle Subjekte haben sie sich zugleich als wechselseitige Objekte ihrer Lebensumstände wahr. In ihren Objekt-Objekt-Beziehungen müssen sie sich wie Subjekte zu Subjekten verhalten. Was sie hierbei vergesellschaften ist daher keine Kultur, sondern Lebensangst, die Angst um ihren allzeit möglichen Selbstverlust. Kulturbürger sind die Subjekte lebensängstlicher Lebensumstände, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit nicht mehr bereichern können, sondern sich ihre Unterschiede zum Vorwurf machen.

Das politische Medium der Kultur war hierdurch zu einer Kulturmacht selbstloser Verhältnisse geworden, die sich in der medialen Bildproduktion allerdings bisher nur ästhetisch verwirklichen konnte, die Selbstgefühle also nur durch den Eindruck bewegen konnten, den sie als Medium machen und vermitteln. Die Menschen haben darin sich zwar schon als Objekt der politischen Kultur wahr, als Adressat ihrer instrumentalen Zuwendung. waren sie aber darin erst vollständig subjektiv bestimmt, wenn sie ihre kulturalisierten Selbstgefühle auch wirklich erleben, wenn die Produktion von Ereignissen sich als Kulturmacht des politischen Systems verwirklicht. Es geht dann um die Produktion einer Gesinnung, die ihre Kulturmacht nicht nur durch die Eindrücke auf die Selbstwahrnehmung reproduziert, sondern selbst naturmächtig als allgemeine Notwendigkeit einer angepassten Selbstwahrnehmung dadurch wird, dass sie einen Mangel an Selbstgefühl produziert, um diesen durch ihre Events zu beleben. Die Kultur einer systematischen Ereignisproduktion zielt darauf ab, dass sich die Bürger dieser Gesellschaft allgemein als Kulturbürger fühlen und verstehen und vor allem sich für ihre Gesinnung auch einsetzen.

Es sind nicht die Medien und es ist auch nicht der Staat, wodurch der Sinn für die Gesinnung bestimmt wird. Es ist der Mangel an Selbstgefühl, der nach der bestimmten Ereignisproduktion der Medien verlangt. Es ist also auch kein bewusst produzierter "Verblendungszusammenhang", wie ihn Adorno als Produkt einer Kulturindustrie wissen wollte, sondern ein allgemeiner Mangel an Kultur, der sich in den zwischenmenschlichen Verhältnis genau so entwickelt hat, wie in den kulturellen Gemeinschaften der kultivierten Bürger. Sie werden zu Kulturbürger, die bürgerliche Subjekte sind, die sich aus der Wertschätzung der bürgerlichen Kultur politisch begründen, also Menschen, die sich als kulturelle Elite begreifen, sich aber über diese durch eine transkulturelle Hoheit über die wirklichen kulturellen Beziehungen stellen (z.B. aus aus einem religiösen Glauben heraus) und sich hierdurch politisch verpflichtet geben, um ihre Interessen vor allem im Zweck des Wirtschaftswachstums zu kulturalisieren. Ihre Kulturwerte leiten sich daraus ab, dass sie einer unergründlichen Macht dienen, die sich als Glaubensmacht bestärken soll, die sich aus der bürgerlichen Kultur ableitet, sich aber durch ihre Mythologie hiervon zugleich abhebt und letztlich nur durch Geldbesitz zu verwirklichen ist. Ihr Selbstverständnis war besonders in der Zeit der Aufklärung entstanden, in der die Vermittlung hoher Kulturwerte allgemein politisches Ziel geworden war, das sich als Vernunft der Mündigkeit, der Freiheit durch Gemeinsinn auszugeben verstand.

Der Glaube hatte die Widersprüche einer Kultur der Sittlichkeit in sich dadurch aufgehoben, dass er ihre einzelnen Gegensätze durch eine "höhere Wahrheit" ersetzte, die darüber hinwegtäuscht, dass Kultur in selbstlosen Verhältnissen ihren Sinn verliert, indem sie ihn selbst zum allgemeinen Zweck erhebt (siehe hierzu abstrakt Allgemeines), um darin die gesellschaftlichen Verhältnisse jenseits ihrer widersprüchlichen Subjektivität zu veredeln. Durch ihren hierin gewonnenen Edelmut können zwar alle Menschen sich aufrichten und aufrechten (siehe Selbstgerechtigkeit), sie verlieren zugleich aber darin auch ihre wirklichen Eigenschaften, letztlich ihre ganze persönliche Wirklichkeit. Es sind dann ihre sozialen Konflikte zwar auch wirklich in einer sozialen Hoheit aufgegangen und aufgelöst, soweit sie sich darin veredelt finden lassen, weil sie für sich zu einem ganzen Lebenszweck geworden sind, durch den Glauben an das Edle zu einer Heilsvorstellung, zum Streben nach einem Heil irgendwelcher Art aufgelöst wurden. Aber diese Beziehung ist wesentlich von übermenschlicher Natur, welche die Natur der einzelnen Menschen gegen ihre natürliche Intelligenz bestimmt. Im Herzen der Menschen mag sich vielerlei auflösen lassen, soweit es selbst schon sich der Gewissheit seiner Wirklichkeit enthoben hat. Eine solche Aufhebung kann aber nur gelingen, wenn sie ihren Glauben an einen Gott nicht nur von ihrer wirklichen Welt abwenden können, sondern ihn auch zu sozialisieren, in einer sozialen Glaubensmacht zu ersetzen verstehen. Erst hierdurch können sie sich aus dem Inneren ihrer Seele heraus nach einem ihnen fremden Allgemeinwillen, einem wirklich allgemein mächtigen Gemeinsinn, nach seiner Gesinnung auch wirklich allgemein verhalten und ihre Psyche ausrichten und  gleichschalten.

Doch zunächst sind die allgemeinen öffentlichen Verhältnissen der Kultur ob ihrer Widersinnigkeit zwischen ihrer Ästhetik und ihrem Zweck noch nicht in der Lage, dem zu folgen. Darin erweist sich diese Lösung - ihr ästhetischer Zweck - auf Dauer noch nicht als realisierbar. Die Konflikte zerbröckeln in den Widersinnigkeiten der für sich vereinzelten Psychen, die sich im Lebensalltag der Menschen im Maß ihrer Verallgemeinerung in ihrem Lebenszusammenhang immer barbarischer und sittenloser gestalten müssen, weil sich die Verhältnisse, deren existenzielle Grundlagen sich nicht mehr erkennen lassen, nur noch in Willkür gegen das Subjekt des Glaubens begründen lassen. Dieses soll von der Art des Guten sein und lässt somit die Konflikte nur noch als soziale Abweichung durch Gesinnungslosigkeit, durch die "Seinsvergessenheit" (Martin Heidegger) der Ungläubigen erscheinen, die dem gegenüber für die Selbstwahrnehmung nun äußerlich, rein abartig gegen ihren gesellschaftlich behaupteten Sinn geworden sind. Der bloße Glaube reicht für einen höheren Gemeinsinn noch nicht hin, das "eigentliche" Wesen des Seins (siehe Eigentlichkeit) zu überwinden, seine Unnatur zu beherzen. Der bisher nur ästhetisch geborene Wille wird zu einer Forderung an das "Seiende", einer Forderung von überhistorischer Natur (siehe hierzu auch Fundamentalontologie).

Und das bleibt nicht ohne Wirkung. Die zwischenmenschlichen Beziehungen haben dadurch jetzt immer zwei Seiten, die sich in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen entfalten, indem sie einander ausschließen und sich durch ihre Wechselseitigkeit dennoch bedingen: Subjektiv erscheinen sich die Menschen in ihrer sittlichen Qualität, in ihrer Güte und Freiheit jenseits aller Notwendigkeiten besonders menschlich; doch in der Besonderheit ihres sozialen Wesens sind sie objektiv wie alle, sind sie gerade hierdurch nur Menschen ohne wirklichen Sinn, Menschen schlechthin mit einem bloß abstrakt menschlichen Sinn fürs Ganze. Es sind Menschen, die dem gewöhnlichen Sein im Grunde mit ihrer ganzen Existenz unterworfen sind, gegen sich selbst gleichgültig, weil sie objektiv gleich geltend besonders sittlich sein müssen, um in ihrem Dasein, dessen Gegebenheiten in der Kultur zwischenmenschlicher Verhältnisse dienstbar zu sein, um sich über sich selbst nun auch wirklich gesellschaftlich hervor zu bringen, nicht als Persönlichkeit voller Eigensinn, nicht als Subjekt seiner Selbstverwirklichung, sondern als Mensch der nur über seine allgemeine Gleichgültigkeit ein besonderer Mensch sein kann, der eben wirklich besonders allgemein ist.

Damit verkehren sich nun auch dessen zwischenmenschlicher Verhältnisse zu einer Kultur eines übernatürlichen Zwischenmenschen. Die Menschen können damit öffentlich und allgemein ihre Güte als ausschließliche Substanz ihrer Kultur herausstellen, sich darin geborgen finden, und sich dennoch zugleich in der Verallgemeinerung bekämpfen, weil schon innerhalb der religiösen Sittlichkeit jeder Glaube den anderen ausschließen musste, um für sich allgemein gültig sein zu können, und sich jetzt durch seine soziale Bewährung auch wirklich ermächtigen kann. Er hat schließlich als immer noch ausschließliches zwischenmenschliches Verhältnis keinerlei Gegenständlichkeit in den menschlichen Verhältnissen. Kein Lebenszusammenhang ist noch ersichtlich, keine wirkliche Ursache kenntlich. Damit ist ein Grund für das Unheimliche entstanden, der jeden Glauben in Zweifel zieht. Der Glaube wandelt sich daher von der Veredelung durch Gott jetzt gegen ein Unheil, das aus einer bösen Unterwelt heraus monsterhaft begründet erscheint. Der Glaube hat nicht geholfen. Die Sittlichkeit der Menschheit steht auf dem Spiel. Und das Asoziale dringt in die Wahrnehmung der guten Bürger vor, mit dem sie nichts zu tun haben wollen. Und wo sie ihre Selbstbeziehung nicht darin begründet erkenne, wo ihn kein wirkliches Bewusstsein möglich ist, muss nun Ihr Selbstgefühl allgemein werden,. Denn um hiergegen zu existieren und noch ihr Leben in einem abstrakt allgemeinen Sinn zusammenzufassen müssen sie sich alle wappnen, ihren Spieß packen und Spießbürger werden.

Unheil ist eine Mythologisierung krisenhafter Verhältnisse, die als unheimlich empfunden werden. Gleich, wie diese wirklich sind und wirklich auch auflösbar sein können, erscheinen sie der religiös gewordenen Wahrnehmung nurmehr unheilig, weil sie im Ganzen aus der gewöhnlichen Wahrnehmung des sittlichen Verhältnisses herausgesetzt wurden. Solche Wahrnehmung entfaltet sich daher auch besonders reichhaltig in Krisenzeiten, wo das Bedürfnis, einen unsichtbaren Feind sichtbar zu machen, besonders verbreitet ist. Wenn und weil alles unheil, also nicht mehr ganz wirklich und also auch nicht wirklich ganz ist, wird es für dieses Bedürfnis zu einem Unheil schlechthin totalisiert und wird daher auch nur das Interesse erwecken, eine ungebrochene, eine heile Welt zu suchen, eine Welt, in welcher die Schmerzen der Erkenntnis aufgehoben sind.

Solche Kultur hat sich in der Sittlichkeit des Glaubens von ihren ausgänglichen zwischenmenschlichen Verhältnissen nun vollständig abgelöst und bestimmt diese Verhältnisse selbst zum Mittel ihres Bestrebens, zu einem Sinn, der über das Gebrochene erhaben ist. Die durch diese Sinnstiftung gewonnene Selbstwahrnehmung ist jeder Wahrnehmung darin überlegen, dass sie ihre Verwirrung gegen den Irrtum in einen Sinn aufgehoben hat, der über alle Zweifel dadurch erhaben ist, dass er sich selbst zur unmittelbaren Sittlichkeit bestimmt, dass er sich also gegen Gebrochenheiten selbst als Mensch schlechthin erscheinen kann, indem er selbst eine übermenschliche Sittlichkeit will. Die Sinnstiftung im gesitteten Menschsein, worin das Gute nun als das Heile sich gestalten muss, treibt eine Selbstveredelung voran, die sich niemals gerecht wirklich werden kann und gerade deshalb nur auf sich selbst herabschauen kann - und natürlich auf alle Menschen ihresgleichen.

In der Religion war sie subjektiv noch im Glauben an einen Übermenschen gegründet. Objektiv konnte sie allerdings nur die Liturgie einer Religion sein, wenn und solange sie nicht in der Lage war, die Lebenszusammenhänge der Kultur selbst mit einem Sinn zu füllen, der die Wahrnehmung unterscheidet, die "passende" von der "unpassenden" trennt. Den "Passer" macht jetzt das, was die Menschen in ihrer Wahrnehmung voneinander auch wirklich wahrhaben, also die Wirkung des Wahrgehabten in sich selbst. Hieraus zieht die Selbstwahrnehmung des heilen Menschseins nun ihre übermenschliche Güte und verobjektiviert diese durch ihren Willen zum "Guten und Schönen", aus dem schließlich ein wirklich übermenschliches Menschsein gegenständlich und also auch zu einem gesellschaftlichen Gegenstand wird, der gegen alles Unheil den Vorzug hat, nun in der Selbstwahrnehmung ganz allgemein auch wirklich ganz zu sein - zwar nicht wirklich, doch in einer unendlichen Annäherung und Abstoßung zu einer eigenen Wirklichkeit, zu einer Selbstverwirklichung, die nur noch daraus besteht, nicht für sich selbst wirklich sein zu können. Ganz im Gegenteil steht sie in einem Prinzip der Selbstentwirklichung, welche Selbstlosigkeit produziert. Dennoch erscheint sie zunächst noch durch sich selbst bestimmt zu sein, wenn auch in der bloßen Abstoßung von allem, was darin sinnlich wahr ist; - also durch die Bewahrung des Adels, der sich als abstrakter Sinnbezug der Menschen über sie erhebt, durch die esoterische Ganzheit ihrer Selbstentfremdung.

Die Wahrnehmung, wie sie in der einzelnen Selbstwahrnehmung geläufig war, tritt dabei zunehmend in den Hintergrund: Nicht ihre vordergründige Selbstbezogenheit kann Sinn in zwischenmenschlichen Beziehungen stiften, sondern ihre Bewährung in zueinander passenden Wahrnehmungen, ihre bewährte Ästhetik. Diese unterscheidet nach einer Wahrheit der Angewöhnung, also nach einer Art der Wahrnehmung, wie sie sich in dem, was in den zwischenmenschlichen Beziehungen gewöhnlich wahrgehabt wird, bewährt hat. Das ist eine Wahrnehmung, die ihre Artigkeit im Erfolg der sittlichen Beziehungen gezeitigt hat und sich auf sich selbst wie auf eine unendliche Wahrheit bezieht. Die vergangene Wahrnehmung wirkt darin wie ein in sich verfangenes Gedächtnis gegen die gegenwärtige - jetzt aber nicht als deren Kränkung, wie wir es aus den Verrückungen und Irrsinnigkeiten des geborgenen Lebens kennen (siehe Verrücktheit), sondern als wirkliche gesellschaftliche Macht der Sittlichkeit.. Hiergegen wird jede Wahrnehmung ausgegrenzt und also nichtig, die nicht von solcher Art ist, die nicht den Gewohnheiten artiger Selbstwahrnehmung entspricht.

Was in den zwischenmenschlichen Beziehung noch pure Egozentrik der Wahrnehmung einzelner Persönlichkeiten, eine Sinnstiftung durch persönliche Selbstwahrnehmung war, wird zur Bezichtigung der zwischenmenschlichen Verhältnisse, wenn sie sich gegen deren Mängel verhält, wenn die allgemeine Entfremdung der Zwischenmenschen sich selbst als Wille gegen ihre Nichtigkeiten errichtet. Dieser Wille ist im Kern nach wie vor religiös und von daher auch Produkt einer Religion, die sich jetzt allerdings von Gott abwendet und sich selbst als Kultursubjekt bestimmt. Sie kann sich als solches aber nur bestimmen, wo sie die Macht hierzu hat, wo also die Mängel der zwischenmenschlichen Beziehungen als Nichtigkeiten und Vernichtung wirklicher Lebensverhältnisse wirklich wahr werden, Unheil stiften und vom Standpunkt eines Willens nach ästhetischer Ganzheit darin auch erkennbar sind.

Wo der einzelne Mensch sich in seiner isolierten Selbstwahrnehmung allgemein nicht mehr in irgendeiner Form bestätigt und bestärkt findet, empfindet er das Allgemeine als eine Prominenz, an der er gemessen wird und kann sich somit natürlich nurmehr im Mangel gegen diese empfinden, sich als unprominente Einzelheit in einer Welt voller prominenter Selbstwahrnehmungen fühlen. Ein solches Selbstgefühl steht in der Notwendigkeit, sich zumindest dem anzugleichen, was ihm als Wahrnehmung prominent erscheint und ihm somit als allgemeine Gebotenheit erscheint. Sein Wille wird in dieser Notwendigkeit nur aus seiner Selbstwahrnehmung in einer Welt selbstveredelter Sitten begründet und wird hierdurch zu einem ästhetischen Willen.

Hiergegen kehrt sich der Wille gegen das Unreine als ästhetischer Wille heraus, als Macht- und Ermächtigungsprinzip durch eine Ästhetisierung der Selbstwahrnehmung, als nun wirklich ästhetischer Wille. Dieser bildet aus der Natur der Selbstwahrnehmung eine Selbstveredelung, welche das Unreine zum Selbstgenuss und zur Selbstbestätigung diese Willens bringt. Er wird wirklich, indem er die zwischenmenschlichen Beziehungen selbst als Begründung einer Kontrollmacht inthronisiert, eine restriktive Allgemeinheit aus der dort kursierenden Selbstwahrnehmung zur Ikone des guten Menschseins installiert.

Wiewohl sich diese aus der bloßen Subjektivität des Leidens an der Welt begründet, wird sie dadurch objektiv, dass sie die Verhältnisse der Menschen bestimmt. In ihnen selbst herrscht Isolation. Diese war schon die Grundlage der Religion, um im vereinzelten Menschen Gefühlszusammenhänge zu idealisieren. Nun geht es um die Ästhetik dieser Idealisierung: die Ikonisierung des Ideals. Sie bildet sich im Medium der Idealisierung selbst durch eine Verdopplung der Gefühle jenseits ihrer Empfindungen. Indem idealisierte Wesenheiten zur einfachen Bestimmtheit zwischenmenschlichen Beziehungen werden, wird die Wahrnehmung selbst wesentlich durch äußerliche Eindrücke beherrscht - nicht mehr nur gereizt, sondern zur Befriedung innerer Regsamkeiten gezwungen. Die ästhetische Maske wird das beherrschende Bild der Persönlichkeiten, die sich prominent machen, indem sie dem Alltäglichen den Sinn einer höheren Individualität, eines Massenindividuums verleihen. Jedes wirkliche Gefühl gerät hierbei in die absurde Beziehung einer übermenschlichen Güte, die es nun auch wirklich bestimmt. Es verdichten sich darin die Gefühle zu allgemeinen herausragenden Gefühlen, die von den kulturellen Medien angesprochen werden, um objektive Gefühligkeit in den Menschen zu bewirken. Die Wahrnehmung wird nun in ihrer Subjektivität und Objektivität verschmolzen, in den Menschen zu einem allgemeinen Wahrnehmungszustand, worin alle persönlichen Wahrnehmungen durch prominente Wahrnehmung allgemein aufgehoben sind.

Was in der zwischenmenschlichen Persönlichkeit noch autoritärer Charakter war, wird nun zu einer Institution des mächtigen Willens, zum politischen Willen einer gütigen Macht. Diese Institution wird als bürgerliche Institution vorgefunden (z.B. in den Vereinen und Privatkulturen und den Einrichtungen der repräsentativen Demokratie, dem bürgerlichen Staat und dergleichen). Sie werden für den ästhetischen Willen funktional, wenn sie ihre eigene Begründung, ihre formale Konstitution nicht mehr erhalten können und also als Formation bürgerlicher Politik nicht mehr haltbar sind. Dann kann in ihnen sich der autoritäre Charakter zu einem objektiven Monstrum einer abgehobenen Selbstwahrnehmung werden, in welcher sich die zwischenmenschlichen Verhältnisse zu einem Verhalten einer zwischenmenschlich begründeten Administration verkehrt und zu einer personifizierten Kultur des politischen Willens, zu einem persönlichen Willen der Kultur wird.

Die Kultur wird durch ästhetische Handhabungen selbst zum allgemeinen politischen Werkzeug dieses Prinzips, welches sich nicht mehr kulturell, sondern wesentlich staatspolitisch bestimmt. Der einzelne Wille lässt sich daher auch unmittelbar als staatspolitische Bestimmung auffassen, die sich im einzelnen Menschen begründet oder besser: In der kulturellen Vereinzelung der Menschen. Was seiner Selbstwahrnehmung zum Wohl gereicht, sie zu einer wohligen Allgemeinheit erhebt, das soll nun auch allgemein gültig werden. Was den Einzelnen bislang nur in Abwägung zu anderen einzelnen Menschen zum Recht verholfen hatte, wird nun als allgemeines Recht von Einzelnen, die dem wohligen Ganzen verpflichtet sind, zuerkannt, zur kulturbestimmten Allgemeinheit einer moralischen Totalität, zur Notwendigkeit eines allgemeinen Wohlergehens, dem der wirklich vereinzelte Mensch sich beugen muss, damit die Menschheit im Allgemeinen wieder heil wird, zu ihrem Heil gelangt. Hierdurch wird das Heilsprinzips selbst zu einem staatspolitischen Prinzip, das von einer abstrakt menschlichen Ganzheit, einer politischen Totalität, einem abstrakten Gemeinwesen zu beanspruchen ist und über die einzelne Menschen verfügen muss und sich daher über das bürgerliche Rechtsstaatsprinzip stellt: Nicht die Verfolgung nachgewiesener oder zumindest nachweisbarer Delikte bestimmen das Verhalten der Exekutiven, sondern die Vorbeugung von Vergehen überhaupt, die Bekämpfung von Unheil kündenden Erscheinungen, um das Sichtbarwerden und Ausbrechen wirklichen Unheils, wirklicher sozialer Brüche zu verhindern.

Im Einzelnen erscheint aber nur die Einzelheit bedroht. Nicht das allgemeine Prinzip, sondern die einzelne Not steht hier im Zentrum der Menschen, die sich in ihrer Selbstlosigkeit jetzt allgemein beziehen, ihre Egozentrik als ihre Meinung veräußern. Die kultivierte Persönlichkeit bezieht sich in ihrer Meinung sowohl auf ihre Meinigkeit, wie sie diese allgemein erfährt. Ihre Meinung wird politisch. Und die repräsentative Demokratie ist daher auch die Allgemeinform einer solchen politisch gewordenen Kultur. Damit verhält sich Kultur selbst als Meinung wie auch als Meinungsbildnerin. Es geht schließlich um das Heil eines jeden.

Die Heile Welt, welche die Basis des Heilsprinzips ist, wird damit zur Grundlage einer Politik des Weltenheils, die ganz allgemeine Strategien verfolgt. Damit wird nicht nur eine Vorstellung umgesetzt, die jederzeit an den Möglichkeiten ihrer Verwirklichung scheitern könnte, sondern ein Gemeinwesen geschaffen, das selbst überhaupt nur aus einem Willen der Kultur besteht: Ein esoterisches Gemeinwesen, das sich ästhetisch gegen die Auswirkungen der wirklichen sozialen Verhältnisse stellt. Alles, was durch diese bedrängt oder "beschmutzt" wird, muss vor dem Über der Wirklichkeit bewahrt werden, gilt als Monster des Bösen, welches "das Gute" bedroht. Umgekehrt wird auch, wer dem "Guten" nicht frönt oder etwa dessen Mängel kennzeichnet, zum "Nestbeschmutzer". Das Artige ist damit gegen das Abartige eindeutig bestimmt und wird zu einer Schablone ästhetischer Urteile, die sich bis zu einer Rassentheorie entwickeln kann.

Überwunden erscheint dadurch die allgemeine Sinnentleerung der kulturellen Wirklichkeit, wie sie sich in den zwischenmenschlichen Verhältnisse einer allgemein abstrakt gewordenen Kultur zuträgt. ,Eine nun errichtete allgemeine Esoterik der Kultur bestrebt eine unendliche Fülle von Erhabenheiten, die im Prinzip der Güte ein Heil für die Menschen versprechen, durch das sie sich von ihrer unheil gewordenen Wirklichkeit abwenden können; Es ist das Heil eines ästhetischen Willens, der dem entleerten Ego übermenschliche Dimensionen verleiht.

Alles, was den allgemeinen Egoismus der bürgerlichen Kultur bestärkt hatte, wird nun gebeugt durch die unendliche Allgemeinheit einer Selbstbeziehung, dies sich nur in einer eigenständigen Totalität verwirklichen kann: Dem Kult einer Politik des Heils. Totalitarismus ist immer das Herausbrechen aus einer Dialektik, in welcher sich das Ganze durch die Beziehung seiner Teile fortbestimmt. Und dies kann nur dort sich auch wirklich verselbständigen, wo sich mächtige Gegensätze zu einer Abstraktion, zu einem mythologischen Ganzheit vereinen lassen: Staat und Kultur. Hier wird die Elite zum selbständigen Maßstab gegen den "Rest der Gesellschaft", also gegen jene, welche sie auch wirklich bilden.

Die Absichten, welche die Sittlichkeit in dieser Gesellschaft ausgemacht hatten, werden nun, nachdem sie ihren wirklichen Sinn verloren haben, durch das Heil bestimmt, dem sie sich in der Totalität dieser Esoterik verdanken. Die Sinnlosigkeit des Kulturverhältnisses hatte sich zum bloßen Nichts des Sinnlichen verdoppelt und wird nun zu einer außerwirklichen Sinnlichkeit, die sich nur im Widerschein, als Glanz einer Wirklichkeit darstellt, die für sich trist und öde ist. Alles erscheint nun im Licht einer großartigen Reflexion, die als Reflex des Großartigen unter die Menschen kommt. Ihre Not ist darin zu nichts veronnen und das ist ihre einzige Wahrheit.

Aber wo nichts ist, da kann nur etwas sein sollen, das nicht ist, eine Wahrheit, die sein soll, auch wenn sie nicht wahrnehmbar ist. Es wird daher die Natur des Sittlichen sich nicht mehr an dem bemessen, was Sitte und Brauch war, sondern was wahr sein muss, damit die Menschen sittlich miteinander umgehen. Es muss eine Wahrheit sein, die es nicht gibt, damit die Menschen überhaupt in dieser ihre Einheit finden.

Das Ensemble aller Selbstwahrnehmungen, welche sich gegen die Wirklichkeit entfaltet haben, sind seelisch. Wo nichts ist, kann die Wahrnehmung nur solche Wahrheit haben. Diese Wahrheit kann daher auch nur den Gefühlen entspringen, welche dem Seelischen entsprechen, Selbstgefühlen also, die keine andere Wirklichkeit haben, als jene des Gefühls, worin sich die persönlichen Selbstwerte versammeln.

Von daher wird nun sie Psyche, die ja das persönliche Wesen unwirklicher Selbstgefühle war, nun zum Selbstgefühl einer Wirklichkeit, die keinen Sinn mehr hat. Dies hat eine Selbständigkeit des Psychischen zur Folge, welches allerdings zunächst nur Sehnsucht ist. Sinnlose Wirklichkeit erzeugt in der Sehnsucht nach den seelischen Ursprüngen, welche eine wesenhafte Allgemeinheit darstellen, Archetypen des Seelenlebens, Phänomenologie der Träume und der Wünsche, welche der Sitte übermenschlichen Sinn verleihen. Es ist die Ursprungssehnsucht in einer rauhen Kultur, in welcher die Menschen nur noch den reinen Willen entwickeln können, um solche ursprüngliche Menschlichkeit zu finden oder herzustellen, eine Sitte zu errichten, die unmittelbar sein und wirken muss und unmittelbar nur übermenschliche Ethik sein kann. Der Wille beruht in Wirklichkeit nur darauf, dass alles unmenschlich Gewordene unmittelbar menschlich werden soll und dass alles, was ist, anders werden muss. Die Borniertheit der Sitte wird darin offenkundig, dass sie sich selbst bezwingt, dass sie nur noch als Wille nach einer Ethik des Andersseins sein kann.

Man befindet sich selbst in einem Zustand der Menschenlosigkeit. Je massiver und massiger die Sinnlosigkeit der Sitte ist, desto seelenloser wird sie: Unschön. Die Not der Sittlichkeit ist ihre seelische Unwirklichkeit in der Masse, die dies als Unmöglichkeit einer beseelten Ethik erlebt. Sie ist damit unästhetisch, ohne irgendeine Form der Menschlichkeit, ohne Liebe. Die Güte menschlicher Gefühle steht mit der Sinnlosigkeit menschlicher Gemeinschaft in dieser Kultur wirklich in Frage - und damit ihre Basis. Was sittlich ist, muss auch gewollt werden. Der ästhetische Wille bildet sich wie von selbst aus den Widersprüchen der Selbstwahrnehmungen, die sich nur in Selbstverleugnung sittlich gestalten können. Eine rein aufklärerische Sittlichkeit gibt es nicht wirklich und schon gar nicht in der Masse.

So verwirklicht sich der ästhetische Wille jetzt auch nicht mehr körperlich in der Körpermasse, sondern in deren Durchbrechung, in der Ohnmacht der Seele, welche nach Seelengemeinschaft verlangt. Darin wird der Glaube, der dem Selbstgefühl schon in der einfachen Wahrnehmung zugrunde liegt, zur gemeinen Notwendigkeit. Es ist der allgemeine Glaube an die Güte der selbständigen Gefühlswelt - nicht als theoretisches Verhalten einer Gebotenheit, sondern praktisch als Sehnsucht nach einer Ganzheit des Lebens voller Sinn und Liebe - eben nach einer heilen Welt für sich. Diese Sehnsucht kann sich in der Wirklichkeit nur als eigene Wirkung, als eigenständige Ästhetik des Willens durchsetzen, und dies wiederum nur durch ästhetische Versinnlichung des Gemeingefühls, durch die Wirklichkeit persönlicher Allgemeinheiten als Gesinnung, die in ihrer ästhetischen Form dann natürliche Gemeinschaftlichkeit, als als eine Gemeinpersönlichkeit von reiner Natur, als eine übernatürliche Persönlichkeit erscheinen können.

Darin erscheint die sittliche Masse nun sich selbst äußerst persönlich und verlangt nach einer persönlichen Gestaltung ihrer Sehnsucht und also nach einer Persönlichkeit, in welcher sie sich erkennen kann, ohne wirklich darin sein zu müssen - eben als Person, die nicht wirklich da ist (siehe Dasein). Die Masse der Selbstgefühle werden darin zu einer Massenpsyche des allgemeinen sittlichen Selbstgefühls, zur Persönlichkeit der Gesinnung selbst.

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322.1 Die Prominenz des Meinens und Wohlgemeinten, der Populismus als Erweckung und Sendung

Wo Kultur sich nurmehr aus ihrem Design, also ästhetisch begründet, existiert alles Eigene in der Reflexion und Abweisung des Fremden, in der Rückbeziehung auf das Meinige als Meinung, die aber nur einzeln sein kann, vereinzelte Reflexion ist. Sie trifft sich mit anderen daher auch nur an einzelnen Ereignissen, die in den Meinungen der Bevölkerung jenseits ihrer Wirklichkeit als Eigenes verfasst, in der Meinung zugeeignet werden. Im Meinen und Dafürhalten kann sich der Mensch unter Menschen nun in Gesellschaft fühlen, wenngleich auch seine Meinung gegen andere Meinung steht. Denn es macht die Meinung aus, sich als Entgegnung zu verstehen und entgegen zu setzen, ohne als Kritik aufzutreten. Sie erscheint als persönliche Freiheit, weil ein Mensch als wirklicher Mensch hierbei ungebunden und unverbindlich ist. Und gerade deshalb kommt es darauf an, wie sich Meinungen selbst verbünden und bündeln. Sie müssen prominent werden, um sich über ihre momenthafte Aussage zu bewahren. In der Wählermeinung erst findet sich eine Beziehung zu ihrer Wirkung in der Wirklichkeit, auch wenn sie sich dabei nur im politsch Allgemeinen repräsentieren kann. Von daher ist deren politisch allgemeine Form auch die repräsentative Demokratie, die Demokratie per Repräsentation hierin prominent werdender Meinungen.

In der Scheinwelt des Meinens und Dafürhaltens wird alles prominent, was darin häufig "ins Auge fällt". Prominenz ist das Hervortreten eines Einzelnen aus einem Gemenge von vielem, das sich darin verallgemeinert sieht, ein Beispiel seiner selbst oder seiner Ideen oder Bedürfnisse oder Wünsche oder Bilder für sich kultiviert und im Kult idolisiert (siehe auch Fankult). Dieses Hervortreten findet allerdings nur in der Wahrnehmung statt, im reinen Quantum dessen, was sie in ihren Begegnungen für wahr nimmt, ganz gleich, was sie davon wahrhat. Es reflektiert sich darin alleine die Dichte von Vergegenwärtigungen einer Erscheinung, die mit den Bedeutungen in der Wahrnehmung ganz getrennt von ihrer Wahrheit zusammenfallen, die damit diese allerdings auch bedeutungslos machen. Prominenz vollzieht die Totalisierung dieser Scheinwelt., in dieser Welt, worin alles wichtig und voller Bedeutung erscheint, weil es jedes Geltungsstreben zu befriedigen vermag, wenn es seinen Narzissmus "füttert".

Prominenz ist eine Akkumulation von Gegenwärtigkeit, die "ins Auge fallen". Sie ist eine Verdichtung (siehe Dichte) der Wahrnehmung selbst, wie sie z.B. ausdrücklich durch Werbung oder Anreizungen (siehe Reiz) erzeugt wird. Prominenz kann daher nur entstehen, wo Isolation herrscht, denn dem vorausgesetzt ist die Beziehungslosigkeit zwischen Menschen, die in der Prominenz ihre Gleichgültigkeit aufheben und überwinden.Was zunächst einzeln und unauffällig ist, kann durch bloße Gefälligkeit dann prominent werden, wenn es für die Wahrnehmung durchschnittlich wird und zugleich besonders dicht auftritt oder in Gemeinschaft mit einer allgemeinen Besonderheit (z.B. Mode) ins Auge fällt.

Prominenz entsteht durch die kulturelle Geltung eines Ereignisses, einer Sache oder einer Person. Sie ist zum einen subjektives Resultat eines Geltungsbedürfnisses, das kulturell bestärkt wurde, zum anderen Resultat eines objektiven Mangels an Identifikationsmöglichkeiten für Menschen, die hierauf angewiesen sind. Sie füllt also das Vakuum von selbstlosen Verhältnissen aus, wo sich Geltung vor allem durch Selbstveredlung und Überhebung einnehmen lässt. Von daher ist sie das Subjekt eines ästhetischen Willens, dem es gelungen ist, sich über die Medien in Beziehung zu setzen.

Prominenz ist daher die Form eines Verhältnisses zu einer allgemein wahrnehmbaren Persönlichkeit, die überhaupt nur durch Vorstellung und Glauben wahrgenommen wird. Es ist ein Wahrnehmungsverhältnis, wodurch etwas in den Vordergrund (Promenieren = Vorbeiziehen) gelangt, das sich aus einer allgemeinen Besonderheit ergibt, die erhöhtes Begehren verkörpert und zugleich einem allgemeinen Mangel folgt, das also in jedem Einzelnen etwas ausfüllt und befriedet, das nur allgemein und öffentlich Wirkung hat und somit auch für den einzelnen Menschen wirksam und also wirklich werden kann, dies zumindest seiner Vorstellung verspricht.

Prominenz ist die Wirklichkeit in der Nachwirkung, eine Scheinwelt auf der Grundlage allgemein wirkender Mangelerscheinungen, die Idole entstehen lassen, wo keine wirklichen Bedürfnisse realisierbar sind, weil ihnen ein Allgemeingefühl unterstellt ist, das insgesamt durch seinen Stimmungswandel und seine Willkür nur unbefriedigend sein kann und das nun zu einer trauten Verbindlichkeit, zu einem verbindlichen, weil verbindenden Gemeingefühl exponiert werden muss, weil und sofern alle anderen Verbindlichkeiten, besonders die der Religionen nicht mehr bestärkt werden können.

Die Bildung eines allem vorausgesetzten Allgemeingefühls entsteht aus der Not, welche der gewöhnliche Wille mit sich selbst hat. Er wird für sich selbst unschön und primitiv, wenn er sich nur für sich behaupten und durchsetzen soll. Die Gegenwart des primitiven Wollens und Verlangens, wie sie noch das leidende Herz in der Religion veräußern konnte, kann in der wirklichen Kultur keine kulturelle Gegenwart finden. Die Vergegenwärtigung des Begehrens und der Getriebenheiten kann sich kulturell nur darstellen und mitteilen, wenn es über das Sittliche selbst hinausgeht, sich in seinem Zweck nicht nur in einer allgemeinen Vernunft begründet, sondern in deren besonderen Güte. Das Besondere wird dadurch selbst zu einer kulturellen Allgemeinheit, welche die Not der gewöhnlichen Sittlichkeit überschreitet und sich aus dem Jenseits derselben als das allgemein besondert Gute zu erweisen sucht. Die Menschen verlieren damit ihre kulturelle Gegenwärtigkeit überhaupt und beugen sich der Güte des allgemein und also auch in seiner Allgemeinheit besonderen Sinns als allgemeinen Zweck der Kultur.

Zur Erläuterung ihrer Güte wird allerlei herbeigezogen, nichts Wirkliches und auch nichts Konkretes, aber alles, was Not im Allgemeinen - und damit eben allgemein Nötiges - aufzeigt. Schien die deutsche Politik in Not, so hieß es: "Du bist Deutschland", und schon wurde jeder zum Teil einer allgemein gebotenen Güte, die sich selbst und auch alles andere zu übertreffen trachtete.

Die Gewohnheiten haben sich entleert, so dass sie den Notwendigkeiten der Selbstwahrnehmung widersprechen. In der Leere des bloß gemeinhin kultivierten Menschen kann sich ein Mensch nicht mehr selbst wahrnehmen, wenn er darin seine abstrakte Selbstbegründung als seine Leere und Ödnis verspürt. Selbstwahrnehmung begründet sich daher jetzt negativ zu allem, was außer ihm ist. Er selbst muss sich durch Negation der Wahrnehmungen, die er von der Welt hat, begründen. Er ist nicht einfach als Mensch da, so wie er Menschen und sich unter Menschen wahrnimmt; er ist als die besondere Wahrheit unter ihnen, irgendwie ein bisschen wie Gottes Sohn, der eingeborene Geist einer Kultur, die ansonsten keine Wirklichkeit außer ihm selbst hat.

Das Gewöhnliche zieht ihn daher geradezu von sich ab; er muss es von sich abstoßen und findet allerlei Negationen der menschlichen Gewohnheiten, die ihm insbesondere als jeweils einzelne Kränkung gegenüberstehen. Umgekehrt stellt er sich ihnen entgegen, indem er sich darüber erhebt, indem er das Abstoßende des Gewöhnlichen zum Ausschluss bringt, es von sich ausschließt und sich ihm auch verschließt. Wiewohl er in Wirklichkeit genauso viele Gewohnheiten und Außergewöhnlichkeiten hat, wie andere Menschen, begründet er sich selbst in der besonderen Außergewöhnlichkeit, sich als der besonders Empfindsame, besonders sensible, besonders gefühlige Mensch, der seine Kränkungen als Grunderfahrungen seines Lebens ausführlich zu schildern versteht. Er ist erweckt, durch besonderes Wissen oder durch höhere Erkenntnis begnadet, ohne dieses Wissen oder diese Erkenntnis überhaupt auf andere Menschen wirklich zu beziehen. Er wird dadurch populär, dass er jedem nahe erscheint, der seine Macht in ihm sucht, um sich aus seiner Ohnmacht herauszuheben ohne selbst aufständig zu werden.

Populismus beruht auf der Versinnbildlichung von Ohnmacht, die durch die Verallgemeinerung von negativen Eindrücken prominent gemacht wird. Dies soll Gesinnungen erzeugen, durch deren Masse Ressentiments politisch angereichert werden, die den Glauben an eine Erlösung personifizieren, indem sie diese als in sich geschlossene heile Welt eines allgemeinen guten Willens vorstellen (siehe auch Heilserwartung). Nicht in ihren Verhältnissen wird hierdurch Ohnmacht zum Gegenstand eines Protestes, sondern schon gewendet in einen monströsen Gehalt, der durch die Güte und Selbstgerechtigkeit von prominenten Moralismen aufgehoben erscheinen soll. Im Jenseits der wirklichen Lebensverhältnisse wird daher die Selbstermächtigung eines persönlichen Edelmuts erstrebt, der als Gemeinsinn der Gesinnungen in deren Selbstlosigkeit aufgehen soll und damit eine Abart erfindet, die zumindest den Gesinnungsgenossen artig macht und hierdurch persönlich und allgemein mächtig wird.

Indem zu diesem Zweck in diesem Sinn heilsnotwendige menschliche Eigenschaften zu einem ästhetischen Willen zusammengefasst werden, wird der darin implizierte politische Wille dadurch vermenschlicht, dass er als Ausdruck des Willens von starken Persönlichkeiten im schönen und guten Leben prominent gemacht wird. Populismus betreibt also die Personifikation von Meinungen, die selbst sich an der Allgemeinheit einer dem entsprechenden Gesinnung orientieren, also selbst eine allgemeine Meinung wie eine prominente Persönlichkeit darstellen. Populär wird hierdurch ein Gemeinsinn, wodurch eine Gemeinschaft als das "Völkische" einer Meinung geschaffen werden soll (siehe auch Nationalismus).

Populisten wollen Meinung bilden durch die Aufladung politischer Inhalte mit der Erregung aus sozialen Ängsten und Nöten, die in einen ihnen entäußerten Bezug gestellt werden, also durch die Behauptung einer Beziehung, die im Wesentlichen nicht wahr ist (siehe z.B. Antiislamismus, Fremdenfeindlichkeit), sehr wohl aber die Phänomene einer Bedrohlichkeit zu isolieren versteht (siehe politischer Nominalismus). Es handelt sich hierbei also um eine Verwesentlichung von Wahrnehmungen zu einem politischen Zweck, der sich diesen in einer Weise zuwendet, mit der er unerkennbar bleibt und unmittelbar zum Ressentiment wird. Das Ziel ist eine Macht der Mehrheit, die hierfür an oberflächlichen Wahrnehmungen und Selbstbehauptungen zugerichtet wird. Das Resultat ist ein politischer Terror der Mehrheit, einem politischen Willen, an dem die Individuen schließlich bis zum Ausschluss ihrer Individualität relativiert werden.

In dieser Beziehung errichtet sich der Populismus einer allgemeine gewordenen und allgemein gemachten Meinung, die über die Niederungen der bornierten Einzelinteressen, aus der allgemeinen Gewohnheit des Meinens und Dafürhaltens sich erheben will. Es ist diese Wonne des Ungewohnten und das Gefühl der Besonderung, die Selbstwahrnehmung des Erhabenen, was diese allgemeine Güte ausmacht und die als solche jetzt zur Grundlage einer Kultur wird, in welcher die Menschen einen höheren Sinn erwerben: Die Hochkultur. Darin wird erweckt, wozu sie sich berufen fühlen können, weil sie Fähigkeiten besitzen oder erworben haben, die über das bloße Überleben des kulturell Notwendigen hinausführen und höhere Sinne wecken, die wie ein Ruf aus höheren Sphären, wie Berufung erscheinen.

Es ist dies nichts anderes als die erhabene Fähigkeit als Befähigung zur Erhabenheit, der Dienst am Altar eines Willens, der über das wirkliche Leben der Menschen hinausgeht und sie überragt. Solcher Beruf begründet sich aus der Besonderheit der Ästhetik von Kultur, der allgemein besonderen Beschaffenheit von Kulturgütern, ihrem besondren ästhetischen Wert übergeschichtlich scheinender Güte und Beschaffenheit. Er macht vor allem das Selbstverständnis der höheren Kulturbürger, der Medien und der Beamten aus. Und das ist schließlich auch das, was nicht nur als Sendung zu verstehen ist, sondern das, was auch auf Sendung geht.

Solche Werte verschaffen der menschlichen Zivilisation überhaupt einen allgemein besonderten Sinn, eben dem der höheren Kultur, gegen welche die Gebundenheit der Sinne an Leib und Seele unkultiviert erscheint, ja, als Begründung einer Archaik des Menschentiers (Nietzsche), einer Horde, welche als Trieb die Menschen beherrscht. Kultur wird damit zum Mittel der Befreiung des Menschen aus der vermeintlichen Barbarei seiner Natur - und auch zur Grundlage der Bekämpfung jeder Unkultur, als welche andere Kulturen dann erscheinen (siehe hierzu den "Kampf der Kulturen"). Der Kulturbürger verhält sich jetzt als Kulturprofi gegen die Begierden des "kleinen Mannes". Er sieht sich in einem Licht, das von oben kommt und wonach er strebt, worin er sein Glück nicht nur religiös ergreifen kann, sondern als wirkliche Lebensfreude zu ergreifen sucht. Was seiner Persönlichkeitsbildung noch als Selbstverwirklichung nützlich war, wird jetzt zu einem Streben nach höherer Selbständigkeit, die sich von den Begehrlichkeiten dieser Welt angewidert abwendet und sich selbst zu einem Sinn bringt, den sie allein durch ihre Selbstvermittlung hat, durch die Erweckung der höheren Sinnlichkeit in den Menschen, einem Allgemeingefühl, das sich über die Sinne hinwegsetzt und deren Inhalt bestimmt, indem es sich als allgemeine Kulturwirklichkeit diesen voraussetzt..




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322.2 Die Gesinnung als Kulturmacht ästhetischer Verhältnisse

Die Meinungen verhalten sich insgesamt objektiv als Form eines Zweifels an der Begründbarkeit von Handeln, wie es sich in der Kultur ergeben müsste. Sie verschleißen daher in ihrem praktisch unendlichen Wechsel zwischen dem Dafürhalten und Dagegenhalten die Restlichkeiten der Vernunft, die sie enthalten mögen und die sie für ihre Argumentation im Meinungsstreit nützen. Weil sie damit sich selbst zunehmend als sinnlos erweisen, treten sinnhafte, also zur praktischen Handhabung sinnvoll scheinend Begründungen in den Medien und politischen Institutionen zunehmend in den Vordergrund. Der in der wirklichen Konfrontation ohnmächtig werdende Streit der Kulturbürger in der Öffentlichkeit wird daher auch zunehmend von den Medien und Populisten bestimmt, die aus ihrer herausgesetzten Position ihnen nach dem Mund reden und zugleich darin praktisch tätig sind, dass die durch Unterhaltung im "Großen und Ganzen" Befriedungsmöglichkeiten schaffen, in denen die Not des Selbstzweifels der Meinungen untergehen kann. Diese konfrontieren sich daher zunehmend aus der Negation der Reflexionen heraus, die in den Meinungen enthalten sind und werden deshalb darin mächtig, dass sie "in den Sinn fahren". Von daher werden sie als Gesinnung zu einem hintergründigen Regelwerk des Dafürhaltens, das die öffentliche Meinung zunehmend bestimmt und später auch beherrscht, sobald sie von den politischen Medien in Dienst genommen werden, durch sie schließlich der Gesinnungsfriede auch diktiert wird. Doch nicht das Diktat entwickelt die Verhältnisse, sondern die Zustimmung aus der Ohnmacht kulturalisierter Menschen.

Durch die Versinnlichung der Meinungen wird die Gesinnung zur Gesamtheit von Absichten, welche die Menschen im Sinn haben, sobald sie sich darin verbünden und in ihren Vereinigungen einen Gemeinsinn einrichten können. Im Unterschied zu einem Willen ist die Gesinnung eine Form des Sentiments, worin sich ein kultureller Habitus, z.B. auch als Ressentiment ausmacht. Ideell ist sie eine abstrakte Bestrebung, worin sich auch die Reflexion eines Menschenbildes äußert, dessen Verwirklichung erstrebt wird und das sie dann auch in dessen Negation verfolgt, also zur Erlösung aus einem Unheil weltlicher Zustände als Heilsversprechen aufführt und zum Beispiel als Gesinnungsjustiz betreibt.

Da sie von einem Sinn kündet, der nicht ist, muss sie ihr Bild vom Menschen als Maßstab für eine darin verlangte Objektivität durchsetzen. Für sich ist die Gesinnung bloß negativ, Gewissheit untergegangener Sinnlichkeit, die Grauen erweckt und sich hiergegen erhebt. Als Moment des Grauens und zugleich als Erhebung hierüber dient Gesinnung politisch wie kulturell zur Erhebung über die gesellschaftliche Not (siehe Krise) und wird in der Verneinung wirklicher Not zur notwendigen Selbstbeziehung von Bürgern und Intellektuellen, die ihren hierdurch abstrakt gewordenen Sinn nur in diesem Wissen als zwangsläufig grausames Selbstverständnis finden können. Für den Intellekt wird Gesinnung als Form des abstrakten Wissen um die Notwendigkeit von Sinn und von da her als Reflex abstrakter Sinnlichkeit zur ästhetischen Position: Selbsterregung der Notwendigkeit ihres Vollzugs als Perversion ihrer Selbstwahrnehmung. Dies macht die Gewaltsüchtigkeit der Gesinnung bis zur Grausamkeit aus, welche Menschen zu Handlangern fremder Kulturkräfte (fremde Kraft) macht. Sie ist die subjektive Bedingung für die Existenz und das Fortdauern des Faschismus, die Form, in welcher sich die Meinung der Menschen zu einer Kulturgewalt verstaatlicht (siehe Kulturstaat). Sie richtet sich vorwiegend gegen die Unmittelbarkeit menschlicher Bedürfnisse, um ihnen eine mächtige Vermittlung "einzubrennen" und sie fremder Macht gefügig zu machen (s.a. Nietzsche). Die Ästhetik der Gesinnung als Selbstgefühl (s.a. Gefühl) ist der Sadismus.

Die Not der Entwirklichung menschlicher Beziehungen, die in der Entgegenwärtigung der Kultur erzeugt wird, impliziert nun eine positive Bestimmung, in welcher Kulturwerte diese Not beantworten, ohne auf ihre Gründe zu reagieren. Es entsteht aus der Reaktion eine Beziehung, die Kultur ohne Gegenwart reflektiert, die das einzelne Sein der Privatexistenz als allgemeine Position des Meinens und Dafürhaltens für sich nimmt und geltend machen will. Die Meinung ist die Position einer Selbstverwertung, die sich selbst auch als Wert schlechthin versteht, als persönlicher Sinn für das Gute in einer gefährdeten Welt. Und so existiert die Meinung als Verhältnis von persönlichen Bewertungen, die sich auch im bürgerlichen Staat durch dessen Repräsentanten auf politische Positionen reduzieren lassen.

Was immer auch die objektiven Inhalte solcher Meinungen sein mögen, ihre Substanz, also das, wodurch sie sich als das Meinige von vielen kultivieren und dies auch sind und bleiben, ist letztlich ein kulturell bestimmter Wert, der sich aus den Bewertungen der Persönlichkeiten über ihre Dafürhaltungen und Gutheißungen, aus ihrer persönlichen Güte ergeben. Diese Werte begründen sich auf einem allgemein Gefühl der Selbstwahrnehmung, auf einer allgemeinen Position des Guten gegen die Beschränktheit des einzelnen Selbstgefühls. Das Maß der Güte entsteht aus dem Nichts und wird alles mit Inhalten erfüllen, die lediglich formell begründet sind. Die Medien werden zum Träger dieser Güte und personifizieren sie.

Weil die Medien selbst keine inhaltliche Bestimmung haben, greifen sie alle Inhalte auf die ihnen bestimmend erscheinen. Hierdurch entsteht erst eine Allgemeinheit der Wahrnehmung, die es ohne Medien garnicht geben kann. Jedes Medium kehrt ins Allgemeine, was in seiner Allgemeinheit ihm zum Gegenstand wird, was also allgemein öffentlich bestimmend erscheint. Durch diese Verallgemeinerung entstehen erst die Gegenstände der Wahrnehmung, die nicht unbedingt wirklich wahrnehmbar sein müssen. Je weiter sich die Menschen von ihren wirklichen Gegenständen entfernen, haben sie diese nurmehr in Abstraktionen ihrer Gefühle wahr, in welchem diese sich für sich gut bewahren müssen, um sich ihrer Wirklichkeit auch entgegenstellen zu können. Von daher entsteht und bestimmt sich ein Medium der Güte, die nichts wirklich erkennt, aber alles nach ihrem ästhetischen Einklang und Eindruck zu bewerten versteht.

In die so hervorgebrachten Werte stellt sich ein Wille dar, der sich von allem abhebt, was Menschen wirklich wollen und planen und tun. Es ist die Grundform eines reinen politischen Willens, der aus der Abstoßung von jedem praktischen Willen begründet ist, der in sich die Absicht allgemein und politisch objektiv betreibt, in welcher sich konkrete Willensverhältnisse auflösen und darin ihren Sinn aufheben. Der Wille erscheint nun, so trivial er in Wahrheit ist, als Zustand einer höheren Befugnis und Reife: Als höhere Bildung.

Güte




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322.3 Die Kunst der Gunst (Das Medium von Schön und Gut)


Die Selbstvergegenwärtigung hat sich durch die Notwendigkeit eines gesitteten Allgemeingefühls umgekehrt: Nicht das Sich-Einfühlen in einen - wenn auch äußerlichen - Kulturzusammenhang begründet das gesellschaftliche Zusammenwirken der Menschen, sondern die Notwendigkeit, ein allgemeines Kulturverhalten zu vollziehen, in welchem das Einzelne nurmehr Moment des Ganzen ist, worin das Ganze zugleich zum Allgemeinwesen des Einzelnen wird. In der Abtrennung, in der Vereinzelung fühlen sich die Menschen daher jetzt wirklich allgemein und verstehen sich aus ihrem ästhetischen Willen heraus als Allgmeinwille, gegen den jeder, der ihn nicht teilt gefährlich, als "Nestbeschmutzer" begriffen wird. Was bis dahin nur Heile Welt war, wird jetzt zu einer übermächtigen Selbstgerechtigkeit, worin die Menschen sich allgemein wiedererkennen und hieraus die Macht ihrer Bildung als Edelmut ihrer Selbstverwirklichung beziehen. Im Kult der Medien von "Schön und Gut" wird sie jetzt prominent und soll verbinden, wo keine Beziehung mehr möglich ist.

Die Kulturprominenz wird dadurch verbindlich, dass sie nun Personen, die bis dahin sich trotz aller Gemeinschaftlichkeit noch als einzelne Individuen sehen und fühlen konnten, nun über die Versicherung ihrer allgemeinen Wahrnehmung zu einer positiven Prominenz von guter Wahrnehmung verbunden werden. In diesem Zusammenhang verbindet sich ihre Selbstwahrnehmung zu einer Ganzheit mit der medialen Wahrnehmung, worin deren wirkliche Bezogenheit zu einer Großartigkeit des Fühlens herausgesetzt wird. Nicht, was die Menschen wirklich verbindet, treibt diese Entwicklung voran, sondern was einer Verbundenheit des Guten nahe steht.

Das Allgemeine hat keinen anderen Grund, als allen gemein zu sein, hier also eine allen gemeine Güte zu verkörpern. Aber Güte kann sich nicht selbst begründen und entwickeln; sie ist in dem, was im Gebotenen, in den Gegebenheiten der Kultur als gut erscheint, was ihre besondere Qualität als qualitative Gegebenheit ausmacht, in der Form, wie es sich begibt. Die nahestehende Begebenheit ist daher die Substanz der Prominenz des Guten, deren Bedeutung sich alleine in der Dichte zur Wahrnehmung aus ihrer Masse heraus ergibt. Es mag die größten Katastrophen auf der Welt geben, wenn das, was das Herz ergreift, z.B. ein leidendes Affenbaby im Zoo, gut präsentiert wird, so ist alleine diese Güte für die Wahrnehmung prominent. Das Gute steht eben nicht aus irgendeinem objektiven oder moralischem Grund nahe, sondern dessen Dichte zur Selbstwahrnehmung in der Wahrnehmung von anderem.

Was die Wahrnehmung in dieser Beziehung begeistert, das wird auch zum Geist derselben, reduziert also auch die Wahrnehmung selbst auf den Geist, der ihr schon vorausgesetzt ist. Hierdurch kehrt sich Ursprung und Resultat der Kultur, das Sein und Vermögen menschlicher Sinne, um: Es wird ihnen diese Güte praktisch im Vorhinein unterstellt, wonach sich das einzelne dann auch wirklich ausrichten muss - nicht nur durch Ethik oder Moral oder Benehmen, sondern als Zweck und Grund der eigenen Gegenwart. Es wird in solchem Verhältnis nichts anderes mehr zur Wirkung gebracht und also von der Wirklichkeit zugelassen, als der in diesem und zu diesem Zweck gebildete Mensch.

Dieser hat in dieser Wirklichkeit kein anderes Sein als das der Allgemeinbildung. Was der persönlich wirklich ist, hat keinen Belang. Sofern er zumindest in diesem Zweck zur Güte der Kultur gebildet ist, kommt er auch in dieser abgehoben Sphäre der Kultur, in der Hochkultur zur Wirkung. Das Gewohnte wird in der Ikone einer kulturellen Güte prominent und von daher ungewöhnlich, wenngleich massenhaft. Es ist letztlich das Ungewohnte dieser Masse, das massenhaft ikonisierte Individuum, das hier zur Gewohnheit gebracht wird. Es sind die aus dem Gewöhnlichen elaborierten Wahrnehmungen, welche erlebbar gemacht werden und sich als gehobene Gewohnheit in den Menschen niederlassen, indem sie ihnen die Maske einer mitmenschlichen Güte verleihen.

Die Idealisierung des Gewöhnlichen ist nötig und wirksam, weil die vereinzelten Menschen ihren idealen Mitmenschen auch wirklich nötig haben. In der Wahrnehmung selbst verdoppelt sich daher die Selbstwahrnehmung zu einer Wahrnehmung der idealen Selbstbeziehung. Die trivialen Inhalte des Alltags werden aus ihrer isolierten Gefühlswelt herausgenommen und zum Ideal der Alltäglichkeiten. Damit werden vor allem die Gefühle ihrer Empfindungen allgemein enthoben und die allgemeine Selbstbeziehung zur bestimmenden Form der Wahrnehmung, zur Grundlage von Empfindungen, die keine andere Welt mehr haben und brauchen, als das Medium ihrer Selbstbezogenheit, der Wohnraum des Gewohnten.

Es spielt dabei der bestimmte Inhalt dieser Kultur überhaupt keine Rolle mehr. Die rein materielle Form der Darbietung bestimmt die Prominenz und die Prominenz der Darbietung macht hierdurch bestimmte Selbstwahrnehmung prominent. Lediglich die sachliche Form des Mediums, also die Stofflichkeit der Beziehung des Dargebotenen zur Wahrnehmung bestimmt das Verhältnis. Von daher sind die Formen der Hochkultur auch nur darin zu unterscheiden, wie sie sich stofflich lokalisieren, ob auf der Bühne, auf der Leinwand, auf dem Bildschirm usw.





322.3.1 Die Theaterbühne als Form öffentlicher Hochkultur



Für junge Menschen bietet das Theater vielerlei Anreize zur Selbstreflektion und Selbsterfahrung, soweit sie darin ihr kulturelles Selbsterleben reflektieren können - eben weil und sofern sie es auch jenseits der Aufführung haben und kennen. Für sich und auf Dauer ist die Bühne aber vor allem eine Kulthandlung des Kulturerlebens selbst. Was in den Flachheiten der bürgerlichen Gewohnheiten abgeht und Singlosigkeiten erbracht hat, das findet auf der Bühne mit entsprechender Sinnesvertiefung statt. Das Schauspiel zeigt eben nicht nur Leben, wie es ist und Probleme und Geistesinhalte, wie sie wirklich sind, sondern gibt ihnen sinnliche Tiefe durch eine Entbergung ihrer öffentlichen Relevanz, durch die Öffnung eines Vorhangs, der ihren privaten Schleier aufzulösen scheint. Auf der Bühne ist das Kommen und Gehen eingerahmt und zu einer Choreografie geordnet, die ihre Wirkung als Gesamtwerk dadurch entfaltet, dass die Stimulanzen stimmen, die Fokussierung, die Beleuchtung, der Pathos, die Gestik usw.

Hier wird Hochkultur wirklich durch eine Erhöhung der Darbietung den Menschen gestiftet, die sie im Theater als ästhetische Darstellung ihrer Selbstwahrnehmung erleben, als ihre Vollkommenheit in ihrer Szenerie. Man könnte sagen, dass hier die native Form der Hochkultur sich äußert und unter die Menschen kommt: Der Fokus des Tiefsinns, der nur durch den Bühnenraum schon sinnlich gegeben ist und der darin erhaben wird, dass das Gewohnte selbst als Schau erfahren wird.





322.3.2 Der Kinofilm, das Parkett der Hochkultur



Das kulturelle Leben ist für sich wesentlich reizloser, wenn auch vielfältiger. Im Film kommt die Vielfalt in einer flachen Darbietungsform auf der Leinwand zum Tragen. Szenen wechseln ständig, Menschen werden platter und lediglich als Bild erlebt. Und der Fortgang der Geschichte vermittelt Reize, Aktionen und Eindrücke in einem Zeitablauf, der keinerlei Wirklichkeit mehr nötig hat. Die Eindrücke sind informativ und schnell wechselnd und bringen allerhand Stoff beiger. Aber sie bleiben Beispiele der Wirklichkeit, Interpretationen des Lebens und der Beziehungen der Menschen, durch welche die Darsteller überhaupt beispielhaft werden. Das Leben selbst wird hierdurch in seiner Idealität vorgeführt, also in seinem Glück, seinen Problemen und Krisen auf eine Idealität hin fokussiert, wie sie nicht wirklich sein kann.

Das Kino betreibt daher auch die Idolisierung der Leinwandhelden zu Stars, weil es in der Lage ist, unwirkliche Menschen zu produzieren, ihnen den Glanz des Lichtes von der glatten Leinwand heraus ins Gesicht zu schreiben.

Sie werden zu Figuren einer platten Wirklichkeit, die sie auch in ihrem sonstigen Leben für diejenigen darstellen, die im Parkett sitzen. Die Medienprominenz hat darin ihren Höhepunkt, dass die Menschen selbst als Beispiel ihrer Prominenz, als Idol einer Unwirklichkeit gefeiert und mit vielen Preisen für ihre rein ästhetische Leistung geziert werden.





322.3.3 Fernsehen und Rundfunk, das Wohnzimmer der Hochkultur
(Die mediale Selbstermächtigung)



War das Theater und der Film noch geschichtlich und ereignishaft auf wirkliche Wahrnehmung bezogen und von daher auch in ihrer Ungegenwärtigkeit noch irgendeine Art der reflektierten Wahrnehmung, so wird diese durch Fernsehen und Rundfunk nun als mediale Wahrnehmung von Wirklichkeit selbständig. Im Grunde verkehrt sich ihr reflektiver Gehalt zu einer Art Selbstbestärkung des allgemeinen Fühlens, worin die mediale Prominenz nun selbst im Menschen gegenwärtig wird. Die Wahrnehmung bekommt Masse durch die Anteilnahme, welche die Menschen ihr zollen, und wird dadurch zu einem Allgemeingefühl des Gewohnten Menschseins, das nun als schön und gut empfunden wird, weil es sich im wesentlichen nurmehr bestärkt wissen will. Von daher liegt es in der Absicht der medialen Beteiligung am Weltgeschehen und den Ereignissen in der Nachbarschaft, dass sie in ihrer Dichte sich hervortut und diese Form der Wahrnehmung also selbst Größe bekommen muss, um das eigen Sein selbst zugleich als prominentes Dasein darzustellen. Diese Selbständigkeit des Mediums ist erst möglich, sobald die Trennung von ihrem Gegenstand total ist, also einerseits vollkommen getrennt von seiner Gegenwart ist und dennoch zugleich höchst gegenwärtig die eigene Situation erfüllt und also in seiner Ungegenwärtigkeit absolut gegenwärtig ist.

Fernsehen und Rundfunk bieten zwar wie alle anderen Medien vielerlei kulturelle Inhalte und Reflexionen, deren Kultur aber besteht in Wirklichkeit nur daraus, in einem Sessel zu sitzen oder einem Bett zu liegen oder dergleichen, um sich solcherlei Reflexion zur Unterhaltung zu machen. Was die Menschen inhaltlich davon zum Bedenken, Informiertsein oder für ihre Bedürfnisse und Begierden haben mögen, sind die Inhalte, wie sie überall vorkommen. In der Tat aber bietet es vor allem Eindrücke, die unterhaltsam sind und oft auch praktisch entspannen, dem praktischen Leben Inhalte vermitteln, die entspannen oder beruhigen oder Verbundenheit repräsentieren.

Diese Medien haben damit eine doppelte Funktion der Kulturmedien aufgehoben: Die Trennung von Unterhaltung und Bildung wird darin eins, dass Bildung selbst Unterhaltung ist und sein muss, die lediglich dadurch medial ist, dass sie als Prominenz mitten im Leben der Menschen sich mitteilt und vermittelt. Sie gehört nicht mehr nur zum Lebensunterhalt, sondern ist selbst als Unterhaltung lebensfüllend - und zwar lebenserfüllend in dem Sinn, dass sich Menschen als Medium ihrer selbst, also sich in der Prominenz des Mediums erkennen. Dies verwirklicht sich nicht über die bloße Unterhaltung, sondern durch das sich selbst Herabsetzen der Prominenz in die Welt der Umgebung, welche Fernsehen und Rundfunk bei sich haben: Das gewöhnliche Leben, meist das Wohnzimmer.

Das gewöhnliche Leben ist somit selbst Gegenstand medialer Konsumtion, ihr wirkliches Subjekt und Objekt in einem. Diesem muss alles entsprechen, was hier geboten wird und es wird geboten, was dem entspricht. Es entstehen Augenfälligkeiten der besonderen Art: Das allgemein besonders Gewöhnliche, das als Reiz für den Alltag, also als etwas ungewöhnliches geboten sein muss, das vor allem dadurch mediale Prominenz bekommt, dass es das Gewohnte ungewöhnlich produziert und das Ungewöhnliche die Gewohnheiten erträglich macht, obwohl sie für sich nur trist sind. Aber in der Hervorkehrung des besonders Allgemeinen solcher Einzelheiten bekommen sie auch den Charme des Mediums selbst, werden zu einer allgemeinen Botschaft, an der sich die Menschen auch ausrichten und beglücken. Indem es somit wirkliche Verallgemeinerung des Einzelnen ist, wird dieses hierdurch zu einem beliebig Einzelnen herabgesetzt. Gerade dort entstanden, wird durch das mediale Hervorkehren der Ursprung eines medial gebotenen Ereignisses zu dessen flüchtigem Moment, das Medium zu dessen einzig wirklichen Fortbestand - eben dadurch, dass es zum nächsten Ereignis fortschreiten kann, ohne dass sich das Medium hierfür sonderlich ändern müsste. Es war Produkt des medialen Interesses und wird nun selbst zu dessen Produzent.

Es wird vieles für diese Herabsetzung getan, welche Medien betreiben müssen, um "auf der Höhe" zu sein, und das heißt: gute Einschaltquoten zu haben. Und das verlangt eine Art mediale Selbsterniedrigung zu dem Zweck, dass jeder "dabei sein" kann. In Talk Shows oder Dschungel-Camps werden Stars dafür bezahlt, dass sie sich entblättern oder sogar selbst bezwingen lassen (z.B. Fußballstars, die sich von Ratten blutig beißen lassen). Und es ist nicht die absurdeste Perversität, die sie davor abschrecken könnte, denn auch den Stars ist es im Grunde gleichgültig, wer sie in Wahrheit sind. Geld alleine reicht schon, dass sie alles täten, was den Zuschauer "anmacht" oder begeistert. Und ihn begeistert nicht das wirkliche Leben, wie es manchmal im Fernsehen auch vorbeihuscht; ihn begeistert die Selbsterhöhung, die er dadurch genießt, dass er die Selbsterniedrigung prominenter Persönlichkeiten "miterleben" kann, indem er sie einfach als Medium seiner Wahrnehmung wie seine Wirklichkeit erlebt: Der öffentliche Mensch als Mensch wie Du und Ich, das Ich wie ein prominenter Mensch, selbst wie Öffentlichkeit, in der "alle Menschen gleich" sind.

Von daher ist das Fernsehen - vor allem auch in Hinsicht auf seine noch möglichen interaktiven Entwicklungen - das absolut öffentliche Medium der politischen Kultur. Es ist die selbst zur allgemeinen Kulturmacht gewordene Subjektivität, die sich als Bild auf dem Schirm äußert - praktisch unerkennbar als Macht, weil diese nur aus seiner Prominenz besteht, dafür aber allseitig darin wirklich tätig, indem sie alle gesellschaftlichen Inhalte der Kultur zwischen Ausbildung, Information, Kunst , Unterhaltung usw. informell überträgt, also in die Form der Wahrnehmung wandelt und vermittelt. Sie werden damit als Vision von Vergangenem, Gegenwärtigen und Zukünftigen mächtig.








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