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323 Das Ressentiment der Burgherrren des Kulturkonsums
(Die gehütete, behütete und verhütete Kultur)

Eine Eventkultur besteht aus einer Fülle von Ereignissproduktionen, die einen Kulturkonsum über die unterschiedlichsten Erlebnisse beschert und eine Scheinwelt voller selbstsüchtiger Gefühle erzeugt (siehe auch Egomanie), die sich aus völlig weltlos gewordenen zwischenmenschlichen Beziehungen nähren und ihre Bildung aus bloßen Vorstellungen und Erinnerungen des Erlebens beziehen. An deren Bildern erzeugen und vermitteln sich Selbstgefühle im Kult ihrer in sich und durch sich geborgenen Wesenhaftigkeit, ein eigenständiger Sinn aus der Selbstbestärkung isolerter Menschen und Gruppen erfahren und entäußern, die überhaupt nur noch über Kulturkonsum sich wahrhaben können, indem sie ihre Langeweile vergesellschaften und sich im Kollektiv selbstloser Arrangements aufheben. Und weil sich darin jeder Mensch wiederfinden soll, herrscht dann auch eine im Allgemeinen sehr widersinnige Wahrheit.

Kulturkonsum ist vor allem die Einverleibung von Kultur, von Wahrnehmungen, Erlebnissen oder Vorstellungen durch Ereignisse, worin Kulturprodukte erlebt und über das darauf gründende zwischenmenschliche Erlebnis als objektive Gefühle angeeignet werden. Der "Hunger" nach solchen Erlebnissen kommt aus der Erfahrung von Sinnentleerung in einem an und für sich unglücklichen Leben, aus Arbeitswelten und zwischenmenschlichen Verhältnissen, deren Selbstgefühle sich durch die Hereinnahme objektiver Gefühle auffrischen, durch die sich die Befriedung einer hintergründigen Lebensangst ereignet. In der "Freiheit" dieser Erfahrung wird der "Frieden" (siehe auch heile Welt) in seinem Unglück erlebt, erneuert und somit die Abtrennung von seiner Wirklichkeit vertieft.

Eine In einer solch heilen Welt wird die Befriedung selbst gesellschaftlich tragend, sobald sie sich durch die Masse von Ereignissproduktionen duchsetzt, durch deren Kulturkonsum die Menschen befriedet, in der Masse von Erlebnissen zugleich auch befriedigt werden. In einer hieraus bestehende zwischenmenschlichen Masse ist alles nurmehr Gefühl, das jede seelische Regung zum Kult befördert, Kultur zur Hofschranze einer Scheinwelt von Befriedigungn werden lässt. Vergangene Selbstachtung erscheint jetzt objektiv auf den Altären der Selbstwerte als Gefühlsmasse der Selbstgefühle, die gegen ihre Empfindung nicht nur blind, tote Wahrnehmung sind, sondern politische Erregung formulieren. Denn darin geht die einzelne Selbstbezogenheit als Empfindung eigener Ohnmacht unter, wenn sie sich darin bestärkt und sich selbst in der Masse der Gefühle als Massengefühl verliert. In der Abwesenheit von Massenkultur ist es für sich das leere Verlangen einer erregten Abstraktionskraft. Weil es durch sich selbst bodenlos und grundlos ist, beteibt es die Dämonie enes Selbstbewusstseins, das nur im Selbstverlust wahr sein kann, sich in der Selbstverlorenheit eines Massengefühls an ihr messen und bestärken muss, um Masse als eigene Größe zu ersetzen.. Es wird für sich notwendig größenwahnsinnig, um Geltung zu finden, sich überhaupt in seiner Einsamkeit massenhaft gültig, in seiner Selbstwahrnehmung als Moment einer Gefühlsmasse wahr zu nehmen und wahr zu machen. Es sucht die Masse seiner verlorenen Selbstwahrnehmng in einer besonderen Art seiner Gruppenzugehörigkeit als Maß und Mittel seiner Selbstermächtigung, an der sein Selbstwert bemessn und empfunden wird. Es findet und empfindet sich nurmehr in einer ihm fremden Zugehörigkeit, also im Selbstverlust (siehe auch Depression) und wird sich selbst entsprechend fremd, weil es sich in seiner Selbstbegründung verachtet (siehe auch tote Wahrnehmung). Denn es gewinnte sich psychisch in der Zugehörigkeit in einem fiktiionalisierten Gruppengefühls, wie es sich darin verliert und in seinem Verlust autoritattiv bestärken muss, sich aus seiner Verachtung für sich gegen andere emanzipiert (siehe hierzu auch autoritärer Charakter),

Politische Kultur bezieht sich daher nun auf Kultur überhaupt durch das, was sie durch einen ästhetischen Willen geworden ist, was sie also nicht nur sittlich zur Religion gebracht hatte, sondern was sie nun in der Eigenwelt der Gewohnheiten, besonders des Wohnens und Sorgens als öffentliches Medium der politischen Kultur darstellt. Über die Medien der Kultur war der subjektivierte Geist zur Prominenz seiner Kulturmächtigkeit gelangt, ist von daher selbst zu einer allgemeinen Kulturmacht kultureller Subjektivität geronnen, die sich nicht nur populistisch von der Politik verwerten lässt. sondern selbst in der Wahrnehmung und Meinung der Bevölkerung vergegenwärtigt ist. Sie ist zu einer formierten Subjektivität der kulturellen Prominenz geworden, die sich nicht nur öffentlich, sondern nun auch in den eigenen Räumen bestärkt und sich schön und gut finden kann, weil sie sich darin heil gegen alles Unheil erscheint. Alle gesellschaftlichen Inhalte der Kultur zwischen den Menschen werden hierdurch in ihrer formellen Gegenwärtigkeit eines geschlossenen Lebensraums in der Form der Wahrnehmung, der Information absolut bestätigt und bestärkt, ohne dass sie noch irgendeinen Bezug haben müssen zu dem, was Menschen darin wahrgehabt haben oder wahrhaben werden. Die Erinnerung der Menschen ist damit entsubjektiviert und hat die Form einer allgemeinen Gegenwärtigkeit eingenommen indem sie sich in ihren objektiv gewordenen Wahrnehmungen selbst konsumiert.

Die in ihren Lebensburgen eingeschlossenen Menschen, die in ihren Familien, in deren symbiotischen Selbstbehauptungen durch ihren Selbstverlust eine Lebensangst strukturiert hatten, an der sie verrückt geworden waren, gelangen In ihrer Selbstverlorenheit in eine Welt, in der sie zunächst nur durch ihre Selbstlosigkeit gegenwärtig sein können, weil sie darin ihre Ohnmacht zumindest kaschieren können. Damit wird allerdings eine Macht vermittelt, die nichts anderes als eine Macht der Heilsamkeit ist (siehe auch Heilserwartung), einer unterstellten Gesundung einer noch nicht erkannten Krankheit. Von daher verwirklicht Selbstlosigkeit die Machtfantasie eines abstrakt gesellschaftlichen Heils.

Die heile Welt ist eine Lebenskonstruktion (siehe auch Konstruktivismus), die sich durch und gegen ein Unheil der Welt bestimmt. Mit der Abtrennung hiervon entsteht ein "Echoraum" der Empfindungen, eine zirkuläre Hermeneutik, in der sich die Wahrnehmungen von äußerlichen Bedrohlichkeiten in ihren isolierten Erscheinungsformen vervielfacht, die sich auf deren Wirklichkeit, auf die einfache und widersprüchliche Wahrheit ihrer Zusammenhänge nicht mehr beziehen kann und diese daher meidet und ihrem Erkenntnisvermögen (siehe auch Erkenntnisinteresse) entzieht. Hierbei setzt sich in den hiernach gearteten zwischenmenschlichen Verhältnissen eine Selbstwahrnehmung durch, die sich durch die somit statuierte Selbstgrechtigkeit eines "gesunden Lebensverhältnisses" von den Widernissen und Widersprüchen der geselllschaftlichen Wirklichkeit absetzt. Die algemeine Wahrnehmung in solchen eigenständigen Lebensräumen von selbstisolierten Gemeinschaften formatisieren sich durch ihre Selbstbeschränkungen zu einem Zusammenschluss ihrer Verselbständigung, zu einem Bedürfnis ihres Gemeinsinns nach Bewahrung, wodurch sich ein durch die Selbstgerechtigkeit ihres Edelmuts in der Sicherheit für ihr sich selbst veredeltes Leben entwickelt und abschirmt. So entstehen Selbstwahrnehmungen, die sich in der Sicherheit und Abgrenzung ihrer durch sich selbst veredelten Verhältnisse bedroht fühlen, wenn sie Fremdes wahrnehmen und hierüber ihre Entfremdung von der wirklichen Welt (siehe hierzu auch Wirklichkeit) erfahren.

Kulturkonsum ist die Einverleibung von Kultur, von Wahrnehmungen, Erlebnisse oder Vorstellungen für ein unglückliches Leben in zwischenmenschlichen Verhältnissen, das hierdurch eine Befriedung seiner hintergründigen Lebensangst betreibt und in diesem "Frieden" (siehe auch heile Welt) ihr Unglück erlebt, erneuert und somit vertieft. Das "unglückliche Bewusstsein" (Hegel) steht eben nicht vor sich selbst und kann nicht gegen sich selbst kritisch und hierdurch selbstbewusst werden, wie Hegel unterstellt, weil es selbst nur im Verhältnis eines glücklosen Lebens steht und durch seine Kritik nur zum Bewusstsein seines Unglücks werden kann (siehe Marxismus). Kulturkonsum verleiblicht hiergegen seine zwischenmenschliche Erlebnisse in den Ereignissen, die eine Selbstwahrnehmung beflügeln, die über sich hinauswächst, die sich in ihrer Egozentrik veredelt und ihrer Selbstveredelung "Flügel verleiht". Eine Eventkultur ist in der Lage, diesem Leben als Prothese zu dienen und in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen prothetische Beziehungen zu verschaffen. Letztlich wird dadurch allerding ihr Sinn hinfällig, Kultur dekultiviert (siehe auch politische Kultur).

Kultur ist der Sinn, den Menschen in ihren Beziehungen vergegenständlichen; Konsum ist der Nutzen, den sie daraus beziehen, sich als Objekte ihrer Kultur zugleich als Subjekte ihrer Selbstbeziehung verhalten können. Alle Gegenstände können einen Nutzen für den darstellen, der sie für seinen Selbstwert und einem dem entsprechenden Geltungsstreben gebrauchen kann. Für ihn haben sie Gebrauchswert. Konsum ist ihr Verbrauch, ihre Vernichtung durch Aufzehrung. Konsum ist die Einverleibung eines vom Subjekt getrennten Objekts in der Form, in der es als ein äußerlicher Gegenstand angeboten wird. Nicht was es ist, sondern was es für den Konsumenten sein soll, was es für sein leibliches Wohl, seinen Leib ist, macht diese Beziehung aus, auch wenn sie selbst nicht nur körperlich sein muss. Sie kann geistig, seelisch, psychisch oder sonst wie in Beziehung für einen Narzissmus sein, der sich überhaupt nicht mehr sinnlich darstellt. Aber ihre Körperlichkeit macht die Substanz der Einverleibung, ihre Sinnlichkeit aus. Konsum macht sich fremden Körper zu eigen.

An und für sich ist Kultur nicht zum Verbrauch bestimmt und nicht unbedingt nützlich, also auch nicht wirtschaftlich verwertbar. Doch sie wird es durch ihre Ästhetisierung, wenn sie zur Nutzung angeboten und über den Wert hinaus von dem Aufwand bezahlt wird, der ihre Veranstaltung oder Darbietung kostet - z.B. im Tourismus, auf den Bühnen der Hochkultur, dem Fankult, den Events, der Prostitution usw. Solche Aneignung von Kulturgenuss stellt eine Einverleibung zum privaten Nutzen dar: Kulturkonsum.

In der bloßen Form, wie es geboten ist, gilt das als Gegebenheit, die in ihrer Äußerlichkeit durch ihre Eigenschaften nützlich ist zur körperlichen Aneignung, zur sinnlichen Besetzung, zur Inbesitznahme ihrer äußeren Eigenschaften. Und die gerade so wird, wie diese sich hierfür eignen und ereignen, die zu dem werden, was sie hierbei bilden, selbst wenn es nur Einbildungen sind. Kultur wird dabei selbst zu einm Abbild, zur Wirklichkeit eines Bildes, das ein bloßes Ereignis, das Erlebnis einer Belebung bewirkt- zum Event einer Selbstbezogenheit. Sie wird zu einem Ereignis in ihrem Dasein als Sinneszusammenhang, der als Ganzes seiner Kultur so da ist, wie es geboten wird. Und es bleibt daher in ihrer Masse immer noch allgemein vereinzelt und auf diese Weise im Sosein seiner Gesellschaft abgetrennt zu einem veräußerten Ausdruck ihrer selbst. Sie vergegenständlicht sich im Innern ihres Erlebens, also in der Erinnerung, in der ihre äußere Gegenständlichkeit verdichtet wird, - eben in dem Bild, das sich im Gefühl der Masse als Gefühlsmasse zu einem Massengefühl aufheizt und akkumuliert. Seine Vernichtung dient vor allem zur Selbstveredelung von persönlichen Eigenschaften, die sich zur Einbildung einer Selbstvergegenständlichung eignen und einem Geltungsbedürfnis von Nutzen sind.

Kulturkonsum ist also weit mehr als nur bloße Befriedigung von kulturellen Bedürfnissen. Es ist zugleich auch Befriedung ihrer Erregungen, welche z.B. auch durch Selbstentfremdung bewirkt sein kann. Im Kulturevent (siehe auch Eventkultur) versammelt sich so vor allem kulturelles Design (siehe auch Mode), das durch seine Ausdrücklichkeit Eindruck macht und auch dazu verhilft, selbst Eindruck zu machen, einem Druck, der sich nurmehr als das Selbstgefühl einer Grundstimmung wahrnehmen lässt.

Stimmung ist ein Gefühlszusammenhang, wie er sich durch die Anwesenheit der Selbstgefühle mit den darin manifesten Erinnerungen bildet und in ihrer Ästhetik vergegenwärtigt. So wie diese Gefühle aufeinander wirken, bestimmen sie vermittelst ihrer Stimmung auch wiederum die Gefühle, die darin entstehen und als Grundlage eines Zusammenlebens empfunden werden. Die Verhältnisse der Empfindung beruhen daher auf dem, was die zusammengehörigen Gefühle, die Gefühle der Zugehörigkeit, so wie auch das Ressentiment gegen Andersartiges bestimmen.

Weit mehr als die einzelnen Wahrnehmungen und Äußerungen bilden die Stimmungen (z.B. in der Familie) die Lebensgrundlage des Selbstgefühls ganzer Generationen durch die Ausgestaltungen ihres Lebensraums. Sie sind somit schon Keime einer Hörigkeit, in der das Zugehörige sein Geltungsstreben entwickeln (siehe hierzu auch Fremdenfeindlichkeit) und deshalb auch rassistisch werden kann (siehe hierzu auch Massengefühl). Dies allerdings notwendig erst, wo es für sich selbst kulturell verloren hat (siehe Selbstverlust) und widersinnig wird.

Darin gestaltet nun eine öffentliche und auch hinreichend selbst objektiv veröffentlichte Selbstwahrnehmung (siehe Populismus) von jeder wirklichen Wahrnehmung enthoben den öffentlichen und privaten Lebensraum der Menschen, die sich darin ihrer selbst vergewissern müssen, weil ihnen jede Gewissheit ihrer selbst darin vergangen ist und vergehen muss, weil sie durch ihre Allgemeinheit abstrahiert, gegen sich selbst abstrakt werden (siehe auch abstrakt Allgemeines). Sie ist zum absoluten Medium geworden, das aus der Gegenwart eine Zukunft des Vergangenen bezieht. In solcher Vision von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem entsteht eine Macht, die weniger der Wahrnehmung folgt, als sie sich immer mehr in ihren Regungen verbinden und oft seltsame Verbindungen zum Selbsbewusstsein der Menschen eingehen.

Darin wendet sich Kultur in eine politische Kraft, die sich nun gegen ihre Brüche und Niederträchtigkeiten richtet, indem sie sich endlich als etwas Ganzes behaupten kann, wenn sie sich ihren eigenen Raum erobert hat und darin heil für sich erscheint, indem sie die heile Welt nurmehr verspricht, die in der Entwicklung des ästhetischen Willen gerade gescheitert war. Sie muss sich nicht mehr aus der Wahrnehmung berstätigen, denn sie kann nun die Wahrnehmung bestimmen, indem sie sich als eine natürliche Grenze gegen das Böse vermittelt, durch ihre lebensräumlichen Grenzen von eigenen, in sich natürlichen Beziehungen bestimmt gelten soll, damit darin alle Geltungsbedürfnisse vereinigen kann.

Die Selbstbestimmung der Wahrnehmung war schon in der Selbstverwirklichung der eigenen Persönlichkeit und der Selbstvergegenwärtigung in den zwischenmenschlichen Verhältnissen erhofft, aber nicht wirklich gelungen. Und es war auch schon mit dem Naturbedürfnis des ästhetischen Willens kein substanzielles Verhältnis entstanden, das ihn ganz zu verwirklichen vermocht hätte. Mit all den Mitteln, Rezepten und Verschönerungen hat sich nichts wirklich Gutes außer dem ergeben, was allein der Wahrnehmung als gut erscheint. Nun soll ihre Grenze durch die Begrenzung ihres Lebensraums selbst politisch mächtig werden, um die Güte ihrer Erscheinung abzusichern.

Darin "sitzen alle in einem Boot", hatte Adolf Hitler dereinst bemerkt, und damit die kulturelle Not zu einem notwendigen Lebensraum der Kultur verwandelt, zur Lebensgemeinschaft einer übermächtigen Privatpersönlichkeit, welche die Fähigkeit hat, sich Familie und Staat einzuverleiben, indem sie zu einer Kulturnotwendigkeit der Nationalität gemacht wird, in der die Zugehörigkeit selbst hörig macht. Was in der heilen Welt des ästhetischen Willens entstanden war und in den Medien des Meinens und Dafürhaltens zum Unterhalt der Selbstwahrnehmung gedient hatte, wird nun als Kulturform von Heim und Welt durch die Bezwingung jeder Abweichung zu einer inneren Gewalt, zu einer Beziehungswelt, die alle erziehen muss, um als eigene gute Welt erscheinen zu können. Die Menschen ziehen einander zu einem Gemeinsinn, der selbst den Lebensraum einer ausschließlichen und ausschließenden Selbstbezüglichkeit formatieren soll, indem er jede Meinung durch seine Gesinnung zu beherrschen trachtet. In ihrer Einheit und Einigkeit, wird das Heil der Kleinbürger zum Material der Politik überhaupt, zum politischen Selbstverständnis eines groß aufgemachten Kleinmuts, in dem politische und ökonomische Machbesterebungen zwangsläufig sich vereinigen müssen, um in der Abgrenzung von einer abtrskten Bedrohlihkeit der Macht selbst mächtig zu werden.

Aber auch in dieser Erscheinung stellt sich keine menschlcihe Wirklichkeit, sondern immer nur ein Verhältnis zu dem dar, was als böse gelten soll, weil dieses dann eben auch als Bedrohung eines an sich heilen, also unbeschadeten Wesens, als die Eigentlichkeit des Guten erscheinen muss. Was gut oder böse ist kann sich im Ganzen hier nur als Kulturraum erweisen, als seine Ideale und deren Antagonisten in den zwischenmenschlichen Verhältnissen selbst, die diese Kultur betreiben. Weil Kultur gesellschaftslos geworden ist und ausschließlich als Macht einer zwischenmenschlichen Gemeinschaft wirksam werden kann, kann ihre heile Welt sich auch nur noch von der unheilen abgrenzen, um überhaupt heil sein zu können. Ihr Heil beruht darauf, ist pure Idealität, die sich wie eine wirklich menschliche Identität gibt, ideale Geltung für sich haben soll, die jede substanzlos gewordene Wahrnehmung hörig macht. Von daher vollzieht sich die wirkliche Idealisierung in den engen Grenzen ihrer Lebensräume, die sich zugleich nur aus dem nähren, was sie sich vorstellen, was sie außer sich als wirkliches Ideal unterstellen und für sich zugleich nur als Unheil wahrhaben. Ihr Lebensraum enthält somit eine wirkliche Idealität, die zwar nicht wirklich ideal sein kann, aber ihre Idee von sich in einer Welt verwirklicht, vor der es ihr zugleich graut. Die Farblosigkeit ihrer Idee muss durch den Glanz einer absurden Popularität aufgepomt werden, denn eine solche ausschließlich auf sich selbst reflektierende Wirklichkeit kann sich nur in ihrer Mangelhaftigkeit erfahren, sich im Mangelgefühl ihrer Lebensform empfinden und von daher einen Bedarf an unendlicher Ausdehnung im Grunde nur als Grausamkeit gegen das Leben überhaupt entwickeln, um sich selbst zu zu erfüllen. Ohne dies fühlt sie sich so entleert, wie sie ist. Die Selbstlosigkeit der Zwischenmenschen kann sich nur durch ihre Vergemeinschaftung selbst wie ein Mensch gebärden indem sie als gesellschaftliche Macht glänzt, die leicht in die Hände hervorragender Kulturbürger gelangt, die das kulturelle Heilsversprechen politisch zu wenden verstehen.

So wird jedes fassbare Gemeinwesen zu einem Kulturraum und die Gemeinschaft selbst zu dem, wozu sie von einer Kulturelite bestimmt wird. Nur durch eine Gemeinkultur werden die Eliten zum Träger der idealen Gemeinschaft, weil sie das Maß bestimmen, in dem die Bereinigung sich darin vollziehen muss. Um heile Welt zu sein, muss Unheil bestimmt und ausgegrenzt werden. Die hierin vereinigte Notwendigkeit der Kultur wird zum politischen Subjekt einer Schutzgemeinschaft, zu einem Raum, in dem Kultur verbindlich sein muss, um sich in den Menschen als einzelne Persönlichkeit auch als Lebensverpflichtung geltend zu machen.

Als Lebensverpflichtung wird der ästhetische Wille nun auch in seinem politischen Raum wirklich mächtig. Er hat ja schließlich auch die Welt kulturbestimmter Persönlichkeiten zu seiner auschlaggebenden Substanz. Nur was sie hierfür veräußern, was sie an politischem Willen für diesen Raum aufbringen, kann hier den Raum als Lebensraum auch verbindlich halten. In den Personen wird das als Verpflichtung bestimmt, was sie in diesem Raum des Heils verbindet - eben nur, damit auch das Heil des ästhetischen Willens durch die Heilsgemeinschaft einer Zukunftserwartung sich erhalten lässt.

Dieser Raum kann vieles sein, am einfachsten schon als Lebensraum der Familie, eines Vereins, einer Gemeinde oder Nation und dergleichen. Wir haben ja schon im 2. Buch diese Formen zwischenmenschlicher Selbstvergegenwärtigungen beschrieben. Jetzt geht es darum, ihre Substanz als allgemeines Kulturverhältnis zu verstehen. Doch wie sich bereits gezeigt hat, besteht der Zweck der selbstlos gewordenen Kultur jetzt nur noch in ihrer ästhetischen Form, in der alles verpackt ist, was in ihr keimt, alle Verhältnisse, wie sie bisher erläutert wurden und nun nur noch gut verpackt erscheinen können.

Der Lebensraum der jetzt zur kulturellen Bestimmung geworden ist, wird zum Raum der politischen Kultur. Wesentlich ist für alle öffentliche Kultur nun mal der verbindliche Zweck, der die Gemeinschaft zur Lebensbestimmung getrieben hat. Im ästhetischen Willen ist der jedoch nur noch formell und von daher ungemein gemein. Wer ihm zuwider ist, wird selbst als Unheil gefasst und bedrängt, ausgegrenzt oder gar vernichtet. Jedes Heil verlangt Entsagung und die ist als notwendiges Opfer eines derart bestimmten Gemeinwesens ausdrücklich nötig, da seine Ausgrenzung ja gerade die Stabilität des Heils dieser Gemeinschaft erst ausmacht. Von daher ist er zur positiven Bestimmung einer behüteten Kultur geworden. Wer sich der sittlichen Wahrnehmung widersetzt, wird unterdrückt. Und die alles, weil das Gemeingefühl zu einer Lebensbestimmung geworden ist, zu einer Heilkraft, die sich im Schutz und Trutz gegen das Böse versteht, das sie rein ästhetisch birgt und verborgen halten muss, weil es sich mit der ausgeschlossenen Welt verschwören kann.

Als erstes bestimmt sich das Lebensgefühl in diesem ästhetisch begründeten Lebensraum durch seine Ohnmacht, den Bedrohlichkeiten der von ihm ausgegrenzten Welt.




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323.1 Die Kulturformationen der Selbstverachtung (Das Gemeingefühl der Ohnmacht)

Ohnmacht macht hässlich, besonders wenn sie das Selbstgefühl betrifft, aus dem sie auch hervorgegangen ist. In den selbstlosen Verhältnissen abgetöteter Empfindungen (siehe tote Wahrnehmung) waren sich die Menschen immerhin noch nützlich durch ihr bloßes Dasein als Mensch. Darin dient ein jeder dem Selbstgefühl der anderen, um sich selbst zu dienen, um ihre Anwesenheit zu teilen und für sich zu nutzen, sich einzuverleiben. Aber weil er im bloßen Nutzen für die Selbstgefühle der anderen keine Selbstachtung mehr haben kann, verschwindet er für sich selbst und muss seine Selbstwahrnehmungg den Ereignissen überantworten, durch die er sich zu finden glaubt, sich als das empfindet, was ihm nicht zu eigen sein kann. Die Ereignisproduktion ist von daher zu einem Machfaktor der politischen Kultur geworden, dem sich die Menschen in ihren Selbstgefühlen so unterwerfen, wie sie damit ihre Gefühle mit anderen Menschen teilen und veräußern können. Und sie erden sich hierbei in dem Maß selbst so äußerlich, wie sie hierbei überhaupt für sich gleichgültig sein können und ihre Wahrnehmung an Objekten und Ereignissen ausrichten, durch die sie zunehmend bestimmt werden (siehe Formbestimmung). Solche Wahrnehmung findet für sich keine Wahrheit mehr und muss sich selbst in ihren Verhältnissen ausschließen. Sie achtet nurmehr auf das, was sich durch andere ereignet . Und sie missachtet, was sich hiergegen querstellt. Von daher entwickelt sie selbst eine innere Hierarchie ihrer Wahrheit, die ihre Selbstachtung nicht nur auflöst, sondern einen Selbstwert hieraus entwickelt, in dem die Wahrnehmung für sich sinnlos wird und nur ihre Selbstentfremdung, die fremde Macht ihrer zwischenmenschlichen Verhältnissen erkennen kann und für sich selbst verächtlcih wird. Selbstverachtung ist die Grundvorm einer Wahrnehmung, die im Grunde ihre eigene Wahrheit zu nichten sucht (siehe auch Fanatismus).

Selbstverachtung ist das Resultat massenhafter persönlicher Krisen in solchen zwischenmenschlichen Verhältnissen, in denen sich die darin notwendige Selbstbehauptung zwischenmenschlich aufgelöst hat, besonders, wo es um eine symbiotische Selbstbehauptung gegangen war. Was in diesen Verhälnissen an Selbstwert nötig ist, macht sich dann als Verlust an Selbstachtung geltend, also der Selbstbeziehung, die durch Selbstwert und Selbstveredelung sich in einem persönlichen Hintersinn bewahrt hat und sich mit ihrem Niedergang als Nichtung der Selbstbeziehung bewahrheitet.

Weil die politische Ästhetik zu einer allgemeinen Kulturmacht kultureller Subjektivität geronnen, formierte Subjektivität der kulturellen Prominenz geworden ist, die sich auch in den eigenen Räumen bestärkt und darin ihr Heil sucht, tritt ihr Unheil nun auch aus diesen Räumen hervor, das sich nur daraus bestimmen kann, dass es sich dem entgegenstellt, denn das Heil kann nur durch die Bedrängung eines Unheils bestehen.

Die letze Form, die Subjektivität von Gesellschaftlichkeit bietet eine Kultur, die sich aus den Nischen der zwischenmenschlichen Verhältnisse hervortut, dort ihr Heil sucht und dieses schließlich als ihre Welt zu eigen haben will. Was darin an Wahrnehmungen ins Verhältnis gesetzt ist, wird im abgetrennten Jenseits der gesellschaftlichen Wirklichkeit vor allem als allgemeine Selbstwahrnehmung kulturell fortbestimmt, entspringt einem Schutzbedürfnis, das zugleich nur durch das Unheil fortbestimmt wird, das es zu meiden hat. Von daher befördert jeder Schutz auch die Angst, welche darin gemieden ist und muss ängstlich auf all das achten, was der Wahrnehmung von Unheil ähnelt, was also ästhetische Abweisung und Unterdrückung von dem verlangt, was Ohnmacht verheißt.

In der Geborgenheit einer heilen Welt erscheint das Leben dann als etwas auf sich selbst zurück geführtes, für sich isoliertes, als ein abgegrenztes Leben im Schutz der Abtrennung. Es soll darin anders sein weil es sich durch eine Grenzziehung zum öffentlichen Leben als Lebensburg eignet, die das Heil einer eigenen Welt verwirklichen soll (siehe hierzu auch Familie). Es grenzt sich durch die Bergung des eigenen Lebens als Geborgenheit im eigenen Heim von der öffentlichen Welt ab, wodurch es sich in seiner Heimat gegen das unheimliche Leben, das Fremde schlechthin erwehrt und verwahrt. Deshalb vermehrt sich mit zunehmender Geborgenheit in dieser Heimat die Fremdenfeindlichkeit, denn vom Standpunkt einer heilen Welt ist die Bedrohungslage weit abstrakter, als innerhalb der wirklichen Beziehung von Bekanntem und Fremdem.

In der heilen Welt herrschen Heilsvorstellungen, Durch diese werden zwar abstrakte Untergangsängste reduziert. Eine heile Welt hat es allerdings auch nötig, die darin strukturierten Heilserwartungen und Glücksversprechen immer wieder und solange zu wiederholen, bis daran auch ihre Wirklichkeit sich entleert und zerbrechen muss, Das verdoppelt aber gerade die Sorgen und Ängste, die mit der Geborgenheit und den entsprechenden Lebensstrukturen aufgehoben sein sollten. Es geht aber bei Gefühlen der Geborgenheit letztlich immer zugleich auch um eine Form von Wirklichkeit, einer notwendigen Bergung von wirklichem Leben, das sich durch die Formbestimmtheit seiner eigenen Lebenstrukturen bedroht fühlt und Lebensangst macht. Daran trifft sich burgherrliche Sehnsucht in Massen und wird leicht zu einem Massengefühl, das ebenso leicht als bloße Gefühlsmasse selbständig werden kann. Deshalb werden die Vorstellungen eines Heilsversprechens, das ihr inne wohnt, nicht nur obsolet, sondern schnell auch gewalttätig.

Eine heile Welt hebt sich allerdings auch schon selbst auf, wenn sie sich der Gemeinschaft ihres Heils beugen muss. Darin stellt sie sich nicht nur gegen ein Unheil, sondern verleiht sich selbst die Heilung ihrer Lebenssubstanz, ihres Körpers. Durch die Verkörperung ihrer Vereinigung (siehe auch Einverleibung), durch ihren Verein, lebt sich darin ein Körperfetischismus als Parallelkultur narzisstischer Persönlichkeiten solange aus, bis dieser schließlich zu einem Körperkult seines Lebensraums, zur Heimat seiner Selbstgefühle, zu einer unendlichen Rückbezüglichkeit der Selbstwahrnehmung ihres ästhetischen Willens wird.

Zunächst ist diese heile Welt aber lediglich eine Scheinwelt, eine Welt der Eigensinnigkeiten des beziehungslos Eigenen, das sich als Gemeinschaft für viele versteht, durch alles was man durch die Abtrennung von einer wirklichen Welt als Meinung und Gewohnheit verallgemeinern kann und in dieser Allgemeinheit im Sinn hat. In einer solchen Welt ist man vor den eigenen Wirkungen und Wirklichkeiten geschützt und in ihrem Gemeinsinn geborgen gegen die Gefahren einer Außenwelt, in der sie aufgehoben sein würden. Von daher ist man allerdings gegen diese nur durch ihre isolation, also der bloßen Form nach bestimmt und wird sich in dieser Formbestimmung also auch als Gesinnung zu einem Geltungsbedürfnis weiter entwickeln und totalisieren, das nicht mehr von dieser Welt ist (siehe auch Fanatismus).

Die Fortbestimmung dieser Ausgrenzung ist zugleich eine Eingrenzung der dem entsprechenden Beziehungen von Selbstreflexionen und Selbstgefühlen, einer allgemeinen Heilserwartung, die unter den Schutz eines Spießbürgertums gestellt ist. Dieses war ursprünglich mit Spießen bewehrt als Wächter der Marktflecken und Städte vor deren Toren aufgestellt. Eine dieser Isolation eintsprechedenen Einfalt der zwischenmenschlichen Verhältnisse war die Folge. Das Heile wurde damit zum Begriff einer Ganzheit, die sich durch die Beziehung auf sich selbst  (siehe auch Selbstbeziehung) schon vor aller Erfahrung "als geheilt" bestimmt sieht.

 




323.1.1 Die ästhetische Selbstisolation (Die Selbstbefriedung)



Wo Selbstsucht allgemein herrscht und Selbstlosigkeit erzwingt, wo alles Bestimmte nur gleichgültig bleiben kann, um allgemein zu bestimmen was gültig sein soll, wo also jede Identifizierung kulturell unmöglich ist, da erscheint sich ein in diesen Verhältnissen isolierter Mensch nur noch durch sich selbst fähig, sich gegen seine gesellschaftlche Not zu behaupten. Stofflich und materiell bleibt er nur noch sich selbst übrig in dem Maß, wie seine Isolation betrieben ist. Die gesellschaftlichen Getriebenheiten wirken in ihm fort als Trieb zu sich selbst und erwecken Wahrnehmungen, die ihren Sinn auch nur durch sich haben können. Die Organe der Wahrnehmung werden selbst zur Wahrnehmung ihrer rein stofflichen Natur, ihres Körpers, der nun in der Bestimmung sich wahrhat, dass er sich gegen diese Isolation der selbstsüchtigen Selbstlosigkeit behaupten muss. Seine Isolation wird zum Medium gegen die gesellschaftlichen Getriebenheiten und in diesem Schutz befördert er zugleich die Isolation vor allen der dort erzeugten Gefühle und Selbstwahrnehmungen. Was die Lebensburg, der Zwischenmenschlichkeit war (siehe Familie) wird nun zum Körper der Selbstaneignung. Doch in dem Maße, wie er seine Regungen in den verschiedenen Akten der Selbstbeziehung abreagiert, verliert er auch seinen Sinn für sich, wird selbst zum Körper der Selbstwahrnehmung, - und in demselben Maß abhängig von den gesellschaftlichen Erregungen und Umtriebe.

Zugleich werden die kulturellen Events nun auch zum bloßen Mittel, diese allgemein gewordene und nur noch zwischenmenschlich erscheinende Erregtheiten zu befriedigen. Von daher wird die Selbstbefriedung auch zu einer Selbstbefriedigung. Und so wird mit dem Sinn für sich auch der Sinn für andere nichtig. Die Kultur selbst wird zu einem Allheilmittel der Befriedung durch eine Befriedigung, die von der körperlichen Allgegenwart von Menschen zehrt, die für sich selbst weder Sinn noch Macht haben. Ihre Ohnmacht wird für sie selbstverständlich, soweit ihre Gleichgültigkeit gegen sich und andere sich durch ihre Sinnlosigkiet bestärkt und keinen Sinn zu einer Kritik dieser Selbstentfremdung findet, weil und soweit sich kein Sinn mehr finden lässt, keine Empfindung mehr wahrnehmbar ist, weil und sofern sie von der allgemeinen Erregung beherrscht ist. Doch dies ist nur temporär möglich, da Geschichte immer sich ereignet, auch wo und wenn die Einzelnen sie nicht immer wahrnehmen. An der Wahrheit seiner Zeit und Geschichte kommt niemand wirklich und dauerhaft vorbei.

Doch mit der Selbstbefriedung wird zunächst das gesellschaftliche Getriebe auf die gleichgültige Erregtheit der Masse gewendet, die sich in ihren fiktiven Erlebnissen ebenso bestärkt, wie in den Casinos der Finanzmärkte das fiktive Kapital seine Glaubenswelten zu bereichern sucht. Der Glaube mag einige selig machen, nicht jedoch, was allgemein wirklich ist. Selbst wenn man sich Konsum unendlich vorstellt, wie das die Ideologen des Tittytainments drauf haben, so gerät dennoch die kapitalistische Wirtschaftsweise in unauflösbare Zerwürfnisse mit der Kultur des Kapitals. Der geschichtliche Selbstwiderspruch des Kapitalismus entwickelt sich zugleich zu einem Selbstwiderspruch der bürgerlichen Kultur, die sich in einem feudalkapitalistischen System nicht wiedererkennen kann und immer deutlicher zeigt, dass sie zunehmend nurmehr ihrer geselllschaftlichen Zerstörung begegnen kann (siehe auch Dekadenz) und sich zu einer Entgegnung entwickeln muss. Darin aber muss sich dann das Heil des ästhetischen Willens aufheben und seine heile Welten sich in den Institutionden einer staatlichen Kulturmacht fortbestimmen - dann allerdings auch in einer Substanz der staatlichen Institution.

In der ästhetisch begründeten Unterdrückung in einer heilen Welt setzt sich das Maß des Heilvollen durch. Im Prinzip oder dem Begriff nach wendet es sich gegen jeden Menschen innerhalb des von ihm bewohnten Lebensraums, denn jeder ist von der Konjunktur der Güte dieses Sittlichkeitssiegels abhängig. Doch das Siegel ist brüchig: Was heute noch gut gilt, kann morgen schlecht sein, wenn die politischen Ereignisse es verlangen. Jeder Mensch ist hiergegen ohnmächtig, soweit er in diesem Lebensraum sich lebendig verhält, sich seinen Erlebnissen nicht unterwirft. Ohnmacht gibt es eben letztlich nur dadurch, dass Menschen ihr Eigenes und also ihre Macht nicht erkennen und sich selbst an ihre Eigentumslosigkeit gewöhnen.

Gegen die Ereignishaftigkeit der virulenten Güte des "Heilvollen" muss sich daher selbst eine Substanz bilden, die sich als selbstverständliches Gemeingefühl so einrichtet, dass sie die nötigen Gewohnheiten und Gebräuche hinreichend langfristig definieren kann. Vorzugsweise sind es nun die Medien und Kommunikationswerkzeuge, die hierfür taugen. Sie entgrenzen den Raum zwischen den Menschen und bündeln diese zu einem einhelligen Glauben an den Sinn der ästhetischen Willensgemeinschaft, in der sich die einzelnen Persönlichkeiten aufheben müssen.

Allerdings kann dies nur im Widerspruch verlaufen, bestehen die einzelnen Persönlichkeiten doch weiterhin aus vereinzelten Personen, die nur durch den gemeinen Willen verbunden sind. Dieser bestimmt sich daher im Populismus fort, in welchem alles Einzelne dadurch untergeht, das es in einer allgemeinen Gleichgültigkeit aufgehen soll. Dieser setzt sich durch und bestimmt die einberaumte "Volksmasse" als Schutzprinzip der entgrenzten Persönlichkeiten, die keine mehr sind. Es ist die Macht des abstrakt Allgemeinen einer den Menschen fremd gewordenen Kultur und von daher zugleich die Ohnmacht der Menschen. Und die massenhafte Ohnmacht bestimmt wiederum die Macht der Masse durch die Notwendigkeit des Schutzbedarfs in einer heilen Welt. Die massenhafte Vereinigung der Menschen führt zu einem Prozess der Entsubstantivierung der Meinungen und der Persönlichkeiten, die sich nurmehr als Volksmeinung halten und bestärken können. Die Ohnmacht der Menschen geht darin als Machtgefühl auf. Der Bürger als Wähler wird zum Avantgardisten der staatsbürgerlichen Gesinnung, wie sie heilsnotwendig ist. Und die Gesinnung selbst wird zu einem familiaren Selbstbezug. Der Deutsche Verein wurde zum Verein der Deutschen nur, weil die Menschen darin ihrer Ohnmacht nicht mehr gewahr wurden. Aber ihre einzige Gewähr für ihren Lebensraum ist die Masse der Beteiligten, die sich in diesem zu ihrer Schutzmacht bestimmten Lebensraum ihr verbindlich und also verpflichtet erweisen, zugleich aber nur als vereinzelt Einzelne darin auftreten können.

Doch zunächst werden die Fiktionen kulturell mächtig, wenn auch eher nur als verkörperlichte Visionen, denn als kulturelle Wirklichkeiten. Sie werden zunächst nur visuell mächtig, um sich in den Menschen gegen ihre gesellschaftliche Wirklichkeit - und schließlich auch wirklich gegen die Menschen selbst - mächtig zu machen.


323.1.2 Die Automatiion der Selbstverleugnung (Computerspiele)



Das höchste Gut der Kultur ist der Sinn, den ihr die Menschen einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit in ihrem zeitbestimmten Lebensraum geben und an dem sie sich auch sinnlich fortbilden, indem sie ihn genießen und bereichern. In einem feudalkapitalistischen System fehlen aber vor allem die wirklichen Lebenszusammenhänge, worin sie sich erkennen und sich im anderen Menschen wiedererkennen können. Hierfür hatten sich deshalb in den öffentlichen Medien zum großen Teil die Bedürfnisse des Kulturbürgertums durchgesetzt, die ihre Kultur natürlich schön und gut finden, weil sie darin nichts anderes mehr außer sich finden, als es ihre heile Welt bieten kann, die sie wirklich für sich hatten, weil ihr ästhetischer Wille sich darin zu verwirklichen schien. 

Schön und gut ist in der medialen Kultur aber letztlich nur, was ihre Persönlichkeit prominent macht. Die Medien bieten eine Vielfalt fremder Prominenz, welche die eigene Existenz einfältig erscheinen lassen. Herrschende Kultur ist eben immer schon die Kultur der Herrschenden. Doch auch wenn sie in ihrer Scheinwelt unter sich sind, so lassen sie sich auch in ihren Medien erkennen und ihre Selbstlosigkeit als Selbstsucht eines Medienkonsums begreifen, der vielen Menschen als wirklich tröstliche Alternative zur Welt nicht möglicht ist. Die heile Welt der herrschenden Wahrnehmung hat daher auch den wesentlichen Mangel, sich darin selbst zu verlieren, zum Kitsch ihrer Egozentrik zu verschmelzen und gerade zum Teil der Ödnis zu werden, der sie sich widersetzen sollte. Dem entgegen steht der Eingriff in das Medium selbst, einem Griff im weitesten Sinne des Wortes zum Spiel mit den Medien, zur Wirklichkeit eines Spiels, das keinen Sinn mehr sucht, weil es den ausschließlichen Sinn hat, sich mit Gegebenheiten zu befassen, die nicht wirklich gegeben sind, die also in einer Art Wirklichkeitskonstruktion gegen die herrschende Kultur zu gebrauchen sind.

Computerspiele ermöglichen, dass sich ein Mensch selbst in den Zweck seiner immer guten Sache auch dann wirksam macht, wenn ihm die Wirklichkeit von beidem abgeht, sowohl von seiner Persönlichkeit wie auch von seiner Sache - wirksam allerdings nur für die Selbstwahrnehmung über einen Bildschirm.

Diese steht zwangsläufig in dem Widerspruch zu jeder anderen Wirklichkeit, wie sie sich aus dieser ja gerade entfernt und abgehoben, als sich gegen sie selbständig gemacht hat. Im Computerspiel bekommt die geringste Kraft der Selbstverwirklichung eine Ästhetik, die weit über alle andere Verwirklichungen und Wirklichkeiten hinausgeht. Sie kleidet sich mit den Attributen des Computerprogramms und seiner Grafik und ist im Prinzip nur duch den Raum und die Zeit beschränkt. Kein Wunder, wenn Menschen dies manchmal verwechseln und auch Raum und Zeit vergessen.

Computerspiele simulieren Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Wahrnehmung am Computerbildschirm oder durch Eingabesysteme, die mehr oder weniger nah an eine Motorik und Sensibilität herankommen, die einer wirklichen Handlung analog ist. Im Unterschied zu dieser ist solches Handeln aber in Wirklichkeit völlig folgenlos.

Zudem erfassen Computerspiele lediglich Verhaltensbereiche, die sich als bekanntes und gewöhnliches Verhaltensmuster fassen und systematisieren lassen. Nur innerhalb dieses Verhaltenssystems lasssen sie sich auch quantifizieren (bemessen), können also nur besonders heftige oder schwächere Reaktionen darin darstellen und sind nur in ihrer Quantifizierung entsprechend gewöhnlich oder ungewöhnlich.

Von daher produzieren sie ein Verhalten, das alle Eindrücke der Wahrnehmung in diesem Spiel auf einen technischen Sinn der Reaktionsmöglichkeit reduziert, das Handeln im Sinne des Musters, das als Verhaltensmuster geboten ist, verselbständigt. Produziert wird ein Sinn für die Technik von Reaktionsmöglichkeiten innerhalb des Spiels und kultiviert wird hierbei eine Ästhetik (Grafik) dieser Technik, die sich der realen Empfindung sowohl nähert, wie sie sich ihr zugleich in Wirklichkeit entzieht, indem sie lediglich das Bild an sie angleicht, um jede Wirkung beherrschbar zu machen. Es wird auf diese Weise eine Welt zum Erleben gebracht, die ohne diese Form der Wirklichkeitsaufhebung unerträglich wäre. Das hat zur einzigen Folge, dass es für das im Spiel mögliche Verhalten keine Hemmschwelle mehr geben kann. Es wird in seiner Wirkung auf andere unendlich bestimmbar, wohingegen die Anderen in Wahrheit völlig wirkungslos für den Spieler sind. Es herrscht eine Gleichgültigkeit gegen jedweden Gegner, während das eigene Tun mit wachsendem Spielerfolg zu einer Kette von Heldentaten gerät. Was zum einen totale Isolation von der Wirklichkeit ist, ist zum anderen totale Selbstüberhebung gegen sie.

Die reale Folgenlosigkeit des Verhaltens wird in der Selbstwahrnehmung allerdings übertrumpft durch einen Sinn für das technisch Machbare; - reale Empfindungslosigkeit wird erzeugt, wo technische Machbarkeiten obsiegen. Computerspiele sind somit effektive Grundlagen für empfindungsloses verhalten. Von daher hatte schon der US-Präsident Ronald Reagan ihre subjektive Brauchbarkeit für die Heranbildung der Mititärs erkannt und ihre Entwicklung und Nutzung empfohlen.

Subjektiv erscheint sich der Spieler als potentieller Herrscher, indem er sich mit den Möglichkeiten der ihm verfügbaren Technik identifiziert. Auch thematisch wird dies in den Spielen selbst angesprochen, wenn sie in einer von Gegnern beherrschten Welt durch heftiges Klicken auf entsprechenden Tasten oder joisticks deren Untergang bewirken können, meist aus Gründen, die rein objektiv erscheinen, indem sie im Spiel als selbstloser Befreier hilfloser Menschen auftreten. Hierdurch entsteht eine moralische Skupellosigkeit, wie sie in der Handhabung von Computerspielen schon vorgegeben ist. Die Spieler erleben sich selbst als Handlanger einer rein abstrakten Größe und Macht, die bedingungslos nötig erscheint. Ihre technische Fähigkeiten, sich durch die Reize und Geschwindigkeiten einer ihnen fremden Welt hindurch zu arbeiten werden durch den Spielerfolg belohnt, der meist mit der Anzahl der überwundenen Hindernisse oder der vernichteten Gegner bemessen wird. Darauf beruht das Gefühl der Kontrolle über das Böse schlechthin. In dieser künstlichen Welt erscheinen sich die Spieler als Willensträger des Guten, das letztlich nur sie selbst, bzw. ihr technischen Handungsvermögen sein kann. Indem sie sich mit ihrer Rolle gegen die aufgebotenen Ungeheuer oder Ungeheuerlichkeiten identifizieren, identifizieren sie auch ihr Kontrollvermögen mit dieser Technik. Dies ist wohl der Grund, warum Computerspiele manche Menschen auch süchtig machen.

Hiervon zu unterscheiden sind Computerspiele, die sportliches Verhalten in technisches Verhalten umsetzen (z.B. Boxkämpfe, Fussball oder Golf, Kegeln usw.). Hier werden die Menschen in die Illusion eines sportlichen Vermögens durch technisches Vermögen versetzt, das sie meist nur für sich und getrennt von allen natürlichen Bedingungen vollziehen. Es geht hier um die vollständige Denaturierung des Sports und seiner sozialen Wirklichkeiten und Bedürfnisse. Aber auch die somit verselbständigte Computererlebenswelt befriedigt eine Scheinwelt der Selbstwahrnehmung.


 

 

323.1.3 Fanatismus



Fanatismus ist eine Reaktionsbildung auf die Zerstörung von Selbstachtung durch eine Kultur, die desolat gegen jede Sinnbildung geworden ist. Wo Liebe nach Verwirklichung sucht, erscheint sie in einer Eventkultur entwirklicht, wo Leben nach Erleben sucht, erscheint es in den Formationen einer allgemein gleichgültig gewordenen Kultur nur noch verödet und wird in seiner Dekadenz als Potential einer umfassenden Vernichtung erfahren.

Es ist kein Wunder und keine individuell aufklärbare Gewalt, die sich aus dem Hass einer vorwiegend jungen Bevölkerung, die in solcher Kultur keine Zukunft für sich erkennen kann, einer übermenschlichen Sinnbildung zuwenden, die ihre Selbstwahrnehmung zumindest wirksam werden lässt. Wo Selbstsucht allgemein herrscht, die in ihrer Selbstbeziehung Selbstlosigkeit erzwingt, wird alles Bestimmte, was zwischen Menschen gelten soll, gleichgültig. und verkehrt sich in einen Sinnverlust, in eine Dekadenz. Die schließt jede Sinnbildung aus, weil diese immer ein Verhältnis von Menschen zu Menschen, eine menschliche Kultur nötig hat. Nichts scheint mehr wirklich, nichts mehr gültig für die Menschen und jede Selbstachtung ist somit prinzipiell unmöglich. Da erscheint sich ein in diesen Verhältnissen isolierter Mensch nur noch durch sich selbst fähig, sich gegen seine gesellschaftlche Not zu behaupten (siehe auch Lebensburg, Familie). Und wo diese Selbstbehauptung keine Wirkung hat, also auch keine Wirklichkeit erfährt, und sich daher zudem in ihrer Wirkungslosigkeit isoliert, also in einer verdoppelten Isolation leben muss, treibt sie sich in eine Gemeinschaft, in der die Ausgeschlossenheit sich selbst fortbestimmt, sich zu einem gemeinschaftlichen Trieb gegen die Ausschließlichkeit der normativen Kraft der herrschenden Gewohnheiten subjektiviert (siehe auch symbiotische Selbstbehauptung), z.B. in Sekten, Religionsgemeinschaften (siehe auch religiöser Fanatismus) oder politischen Gruppierungen.

Fanatismus ist eine Leidenschaft von höchster Intensität (lat. fanaticus: göttlich inspiriert), die sich ausschließlich aus einer vergemeinschafteten Fixierung auf bestimmte Ideen, politischen Vorstellungen, Tätigkeiten oder Äußerungen (Kunst, Konzerte u.a.) konzentriert, bzw. diese für sich fokusiert. Die Ausschließlichkeit speist sich aus einer Abgrenzung gegen das gewohnte Leben, gegen die Gewöhnlichkeit und ist die verselbständigte Sehnsucht eines darin ausgeschlossenen Lebens, das sich durch seine Reinheit selbst bestimmt, die sich gegen die fremdbestimmten Gelüste der allgemeinen Selbstsucht, der Dekadenz zu bewähren hat

Aber Fanatismus ist zugleich auch die Unmöglichkeit, diese ausschließliche Leidenschaft als wirkliches Leben auszudrücken. Er radikalisiert sie im Fokus einer dem Selbstgefühl entsprungenen Sehnsucht in einer Gefühlsmasse, in welcher tiefe Einsamkeit zu hohen Erregungen versammelt wird. Fanatismus setzt die Zerstörung eines Lebenszusammenhangs voraus, der sich in der Isolation des Leidens mächtig macht und das ausgeschlossene Leben in der Idealisierung einer verallgemeinerten Selbstbeziehung durch die Masse der Gefühle liebt.

Von daher ist Fanatismus ein in dieser Beziehung verselbständigtes Leiden einer Liebe, die sich gänzlich entäußert hat, die sich nur außer sich wahrnehmen lässt und sich nur außerhalb des konkreten Lebens, das nurmehr aus den Gewohnheiten des Lebens besteht, wahrhaben kann. Die Abtrennung dieses Leidens von seinem Lebensursprung reflektiert selbst eine Formbestimmung, welche in dem ist, was nicht mehr gelitten werden kann und die durch ihn selbst schon überwunden sein soll. Dies kann äußere Gründe haben (z.B. Bedrohung durch Gewalt, durch Macht oder andere fremde Zerstörungsinteressen) oder innere (z.B. Selbstveredlung). Erstres kann sich in blindwütigen Gewalttaten entladen, die kein bestimmtes Ziel haben (z.B. Amok), letztres ist z.B. auch ein Motiv des Fan-Kults.

Der religiöse Fanatismus unterscheidet sich vom gewöhnlichen Fanatismus durch seinen Bezug auf die Allmacht und die Ewigkeit Gottes, einem übernatürlichen, übermenschlichen Wesen, das den wahren Menschen als ewige Wahrheit, als absolutes und also absolutistisches Subjekt beherrscht und richtet. Ein solcher Fanatismus hat sich - wie jeder andere auch - in eine schlechte Unendlichkeit begeben, durch welche die Menschen selbst sich am Abgrund einer Scheidemarke (siehe auch Urteil) wahrnehmen, was ihnen erkären soll, warum sie ihr abgetrenntes und erniedrigtes Leben - ihr Leben in einer absoluten Isolation - nur noch in einer permanten Lebensangst vor etwas abstrakt Allgemeinem wahrhaben. Darin wird jede Angst dumpf und jede Dumpfheit muss Angst machen. Der Grund ihrer Verdummung ist zugleich das, woraus sie sich speist und zu retten sucht: In einem Gott, der sie und alles, das All schlechthin "nach seinem Bilde" geschaffen haben soll. Sie können ihre Angst vor seiner Macht nur in der Hoffnung auf ihn in der Gemeinde, in der Teilung und Mitteilung seiner Gotteskindschaft aufheben, der sie somit nicht nur zugehörig, sondern auch hörig im Gehorsam sein müssen. Das Heil solcher Kindschaft entlastet die Menschen dadurch, dass sie sich nicht durch ihre Welt, sondern durch das Böse bedroht fühlen, das vom Ungläubigen in sie gebracht sein soll. Hierdurch bestimmt sich solcher Fanatismus als Glaube schlechthin in jeder Hinsicht unendlich, macht sich zu einer endlosen Bestrebung, die das zerstören muss, was ihn auf sich verwirft und ihn somit bedroht, indem er ihn in das profane Leben herabzieht und damit endlich, zu einem Widersinn per se machen würde (siehe hierzu auch Sektiererei).





32

323.2 Das Objekt der Masse als Gefühlsmasse der Macht

In menschlicher Gestalt ist der politisch Wille nun zugleich ästhetischer Wille geworden und hat darin sein Material gefunden. Jede Empfindung und jedes Gefühl ist daher jetzt immer auch objektiv politisch. Von daher war wirkliche Individualität untergegangen. Selbstlose Menschen beziehen sich nicht mehr aufeinander und setzen sich daher auch nicht mehr auseinander. Sie empfinden und fühlen in der Masse und sich als Masse, in der ihre Gefühle selbst zu einer Gefühlsmasse werden.

In der Beziehung auf andere Menschen, Gegenstände oder Ereignisse reflektieren sich Gefühle aus Empfindungen, aus denen sie bestimmt waren, die an sich zeitlos im Gedächtnis verbleiben können, das sie in ihrer Abwesenheit erinnert. Von daher sind sie an und für sich nicht unbestimmt, jedoch nur in der Form der Anwesenheit dieser Beziehungen wahr. Doch in ihrer Aufhäufung durch die Abwesenheit von widersprechenden Empfindungen, durch deren Isolation, worin sie sich zwangsläufig abstrakt und also fremd werden, verlieren sie ihre bestimmte Inhalte mit der Dichte ihrer Fremderfahrungen. In der Masse solcher Gefühle entsteht in den Menschen eine Gefühlsmasse, die ihre Psyche beherrscht. Darin radikalisieren sich deren Erregungen zu einem Erregungssturm, der auch auf die Masse der Gefühle zurückwirkt. Im Verhältnis zu dieser entsteht eine Wechselwirkung der inneren Isolation mit der immer äußerlicher werdenden Wirklichkeit eines Verhältnisses innerer und äußerer Gefühlsmassen.

Eine Gefühlsmasse ist die bloße Dichte von Gefühlen, die sich in der Masse vereinen, zu einem Massenereignis verschmelzen und ihre Subjektivität objektiv aufheben. Dadurch geht ihre Subjektivität nicht verloren, sondern entwirklicht sich, erzeugt also durch die Wirkung der Masse auf sie eine Wirklichkeit, die in der Masse massenhaft zurückkommt, sich also in der Einheit mit Fremdem aufmassiert, bestärkt und verfremdet, zu einer fremden Stärke sich auftürmt. Unter bestimmten Bedingungen, besonders unter Anleitung durch Religion, Idole, Rituale oder Populisten kann sie zu einem Massengefühl und darin fanatisch werden.

Eine Gefühlsmasse ist immer objektiv. Gefühle können aber auch schon durch ihre einzelne Äußerung objektiv werden, indem sich Menschen darüber verbinden und diese auch als Zusammenhang ihrer Kultur darstellen, äußern und gegenständlich gestalten. In ihren Häusern, Kunstwerken, Mahlzeiten, Bräuche usw. stellt sich nicht nur ihre Lebensweise dar, sondern auch, was die Menschen damit im Sinn haben. Dieser Sinn lässt sich nicht vermengen; er bleibt immer der bestimmte körperliche Gehalt als Inhalt der Formgebung, auch wenn von ihm abstrahiert wird. Nur dessen Form kann sich hiergegen erheben und selbstständig werden, wo sie in einer Masse der Gefühle verschmelzen.

Wo sich Gefühle nämlich als Selbstgefühle versammeln, stellen sie ihre reine Selbstbezogenheiten dar, die sich nicht wirklich zusammenfinden, also nicht in gegenständlichem Zusammenhang finden können. Solche Versammlung wird zu einer rein körperlichen Grundlage von Empfindungen, die nichts mit den bestimmten Gefühlen zu tun haben, sondern nur durch ihre Dichte bestimmt sind. Von daher wird eine Aufmassierung von Gefühlen zu einer Formbestimmung ihrer Empfindungen, zu einer Gefühlsmasse, die ohne Empfindung für sich sein muss.

In der Masse von Menschen, in Ansammlungen von Selbstgefühlen in sportlicher, kultischer, religiöser oder politischer Gemeinschaft entstehen Gefühle die sich aus dem verdichten, was für den einzelnen Menschen nicht ist, etwas, das seine Isolation ausmacht, die gerade im Massengefühl einer Gefühlsmasse aufgehoben ist. Es die körperliche Umkehrung, die Negation der gewöhnlichen Lebensgefühle, in denen Gefühle zusammenkommen, die für sich nicht sein können und die den einzelnen Menschen in ungeahnten Übermut reißen können, weil sie das sind, was er nicht fassen kann (vergleiche z.B. missionarische oder psychologische Erweckungsveranstaltungen). Für den einzelnen Menschen sind das zwar verkehrte Gefühle, doch gerade die Verkehrung entzieht ihm seine Not, da sie sich durch ihre Dichte schon aller Notwendigkeit enthoben hat, die seiner Verlassenheit entspricht. So findet der verlassene Mensch zu einem Gott, einem Idol oder einem Heil, das ihm seine Gottverlassenheit austreibt - wenigstens solange, wie der Gefühlsrausch der Masse anhält. Das Massengefühl ist ein Rausch, der die Masse der Gefühle als Suchtmittel nutzt.

Eine Gefühlsmasse ensteht daher in der massenhaften Produktion von Selbstgefühl, sei es durch Rede, Provokation, Kunst oder anderer Mittel des Populismus. Es ist hierfür lediglich eine Masse von Menschen vorausgesetzt, die sich in einen Gemeinsinn einstimmen lassen, ganz besonders dann, wenn diese Gefühle vertauscht, individuell gebrochen, für sich unglücklich sind. Hierzu dienen vor allem Massenveranstaltungen, wie z.B. Konzerte oder Sportereignisse, - eben die Events, die schon weitgehend Kult geworden sind. Darin geschieht eine höchst sonderbare Verwandlung in den Individuen, die im Grund eihrer Isolationgeschuldet ist: Die massenhafte Produktion von Selbstgefühl durch die Masse und für die Masse. Was z.B. in der Musik noch Ausdruck von Gefühlen sein kann, wird so in der Eventkultur zur Produktion von einem hoch verdichteten Selbstgefühl, einem Gefühl für jeden, der sich dabei durch die Energie der Dichte selbst vergessen kann oder vergessen muss.

In der Beziehung auf andere Menschen, Gegenstände oder Ereignisse reflektieren sich Gefühle aus Empfindungen, aus denen sie bestimmt waren, die an sich zeitlos im Gedächtnis verbleiben können, das sie in ihrer Abwesenheit erinnert. Von daher sind sie an und für sich nicht unbestimmt, jedoch nur in der Form der Anwesenheit dieser Beziehungen wahr. Doch in ihrer Aufhäufung durch die Abwesenheit von widersprechenden Empfindungen, durch deren Isolation, worin sie sich zwangsläufig abstrakt und also fremd werden, verlieren sie ihre bestimmte Inhalte mit der Dichte ihrer Fremderfahrungen. In der Masse solcher Gefühle entsteht in den Menschen eine Gefühlsmasse, die ihre Psyche beherrscht. Darin radikalisieren sich deren Erregungen zu einem Erregungssturm, der auch auf die Masse der Gefühle zurückwirkt. Im Verhältnis zu dieser entsteht eine Wechselwirkung der inneren Isolation mit der immer äußerlicher werdenden Wirklichkeit eines Verhältnisses innerer und äußerer Gefühlsmassen.

Eine Gefühlsmasse ist daher eine in ihrer Masse allgemeine aufhobene abstrakte Beziehung von Selbstgefühlen, die massenhafte Selbstbeziehung in einem verschmolzenen Gefühlserlebnis, die durch Gefühle entsteht, welche sich aus Empfindungen in der Dichte anwesender Menschen gleicher Gefühle ergeben. Es entsteht hierbei eine ästhetische Verdichtung der Gefühle, die sich aus der Körperlichkeit der Menschen ergibt, der Art und Weise, wie sie sich äußern und bewegen. Sie assozieren hierdurch Inhalte ihres Selbsterlebens zu einer eigenen Masse des Gefühls, das sich darin von jeder Empfindung löst, sich also in der Selbstwahrnehmung entgrenzt und zu einem allgemeinen Selbstgefühl wird. Hierdurch erfährt das Gefühl in der Gefühlsmasse eine magische Dimensionen (siehe hierzu auch Fanatismus) und erzeugt von daher Erregungen, die außer Kontrolle sind. Sie sind zugleich das Mittel des Populismus, der durch die Medien und die Politik darin entwickelt und ermächtigt wird.

Diese Masse ist subjektiv nichts und objektiv alles. Subjektiv ist sie die durch Masse bestimmte Bewegung. Ihr Objekt ist Fokusierung ihres Zwecks, die Konzentration ihrer subjektiven Macht. Das konzentrierte Selbstgefühl wird zum Navigator der Masse. Die Gefühlsmasse als Macht der Gefühle. Das Heil der Masse.

In einer Mensschenmenge entstehen Massengefühle, wenn sich darin Gefühle als Lebensäußerungen in der Masse von Menschen vereinen. Die Gemeinschaft der Gefühle versammelt körperlich, was im Einzelnen keine Anwesenheit hat und wird von daher wie eine Beglückung wahrgenommen, die der Gemeinschaftskörper des Masssengefühls bereitet. Wenn die Menschenmasse jedoch zu einem bloßen Gemenge der Gefühle werden, kehrt sich das Massengefühl in eine Gefühlsmasse, welche die einzelnen Gefühle beherrschen und ihnen jede Gegenwärtigkeit nehmen kann. Von daher können Kulturereignisse unmittelbar zu einer politischen Mystifikation werden, indem sich darin jedes Gefühl im Gemenge der Gefühle verzaubert und für jede Selbsttäuschung bereit steht, weil darin das Gefühl einen Massenkörper bekommt, der ihm seine Wahrnehmung enteignet, sie in der Masse einverleibt. und sich von daher ihr entfremdet.

In der Masse von Menschen, in Ansammlungen von Selbstgefühlen in sportlicher, kultischer, religiöser oder politischer Gemeinschaft entstehen Gefühle die sich aus dem Ereignis der massenhaften Anwesenheiten heraus zu einer Einheit verdichten, die für den einzelnen Menschen nicht ist, etwas, das seine Isolation ausmacht, die gerade im Massengefühl einer Gefühlsmasse aufgehoben ist. Es die körperliche Umkehrung, die Negation der gewöhnlichen Lebensgefühle, in denen Gefühle zusammenkommen, die für sich nicht sein können und die den einzelnen Menschen in ungeahnten Übermut reißen können, weil sie das sind, was er nicht fassen kann (vergleiche z.B. missionarische oder psychologische Erweckungsveranstaltungen oder die Familienaufstelungen Bert Hellingers). Für den einzelnen Menschen sind das zwar verkehrte Gefühle, doch gerade die Verkehrung entzieht ihm seine Not, da sie sich durch ihre Dichte schon aller Notwendigkeit enthoben hat, die seiner Verlassenheit entspricht. So findet der verlassene Mensch zu einem Gott, einem Idol oder einem Heil, das ihm seine Gottverlassenheit austreibt - wenigstens solange, wie der Gefühlsrausch der Masse anhält. Das Massengefühl ist ein Rausch, der die Masse der Gefühle als Suchtmittel nutzt.

Eine Massengefühl ensteht daher in der massenhaften Produktion von Selbstgefühl, sei es durch Rede, Provokation, Kunst oder anderer Mittel des Populismus. Es ist hierfür lediglich eine Masse von Menschen vorausgesetzt, die sich in einen Gemeinsinn einstimmen lassen, ganz besonders dann, wenn diese Gefühle vertauscht, individuell gebrochen, für sich unglücklich sind. Hierzu dienen vor allem Massenveranstaltungen, wie z.B. Konzerte oder Sportereignisse, - eben die Events, die schon weitgehend Kult geworden sind. Darin geschieht eine höchst sonderbare Verwandlung in den Individuen, die im Grund ihrer Isolationgeschuldet ist: Die massenhafte Produktion von Selbstgefühl durch die Masse und für die Masse. Was z.B. in der Musik noch Ausdruck von Gefühlen sein kann, wird so in der Eventkultur zur Produktion von einem hoch verdichteten Selbstgefühl, einem Gefühl für jeden, der sich dabei durch die Energie der Dichte selbst vergessen kann oder vergessen muss.




321

323.2.1 Das entäußerte Selbstgefühl als Persönlichkeit der Masse

Das individuelle Selbstgefühl ist als Objekt der Masse aus einem doppelten Grund unendlich nichtig geworden: Zum einen ist es als deren Teilmenge unendlich gefordert, zum anderen ist es objektiv zugleich unendlich nichtig. Die Menschen befinden sich kulturell allgemein wie einzeln in einer absoluten Krise ihrer Selbstwertigkeiten. Für sich gelten sie nur durch andere etwas, richten sich an einer allgemeinen Massenästhetik aus; für andere müssen sie zugleich Träger dieser Ästhetik sein, ohne wirklich ästhetisch sein zu können: Sie sind häßlich und leben von ihrem Hass auf andere.

Niemand kann sich selbst genügen, weil alle ihrer persönlichen Entäußerung gehorchen müssen. Sie sind im Grude nicht nur einsam, sondern verworfen, Randfiguren einer Gefühlsmassse, die zugleich nur durch sie getragen wwerden muss, Pathos der Selbstlosigkeit.

Ihre Zugehörigkeit hierin ist ihre Selbstentfremdung, die sich nur durch ihre Nähe zur gefühlten Masse, zu einer raunenden Bewegung in ihr substanzialisieren kann. Unendlich verworfen und unendlich hassend können sie im Pathos ihrer Selbstlosigkeit als Persönlichkeit dieser Masse zumindest ästhetisch fungieren, als kleine Selbstvergegenwärtiung in einer Führerschaft einer Massenbewegung, die selbst nichts anderes ist als eine Anmutung des bewegten Seins schlechthin.

Doch als Masse hat es Körper. Das Pathos erscheint dadurch ungemein sinnlich und wird auch dadurch zu einem Sinn persönlicher Erregung, dass es sich darin selbst als Masse, sich als massenhaft erlebt.

Die Selbstverlorenheit der Selbstlosen gerät zu einem Selbstgenuss allgemeiner Bewegtheit und Erregtheit, die ihren Sinn durch eine absurde Verallgemeinerung findet: als Persönlichkeit der Masse und ihrer Bewegung. Die macht die Grundlage eines bewegten Willens aus, wie er in der Ästhitik solcher Kultur angelegt ist. Der Einzelne hebt sich darin vollständig auf und wird im Grunde völlig gleichgültig. Er ist Teil einer Führerüpersönlichkeit, die durch die Massenbewegung jedem zukommt. Damit übersteht er alles.

Und im Grunde ist es auch gleichgültig, wer dann wirklicher Führer wird. Es sind hierfür keinerlei persönliche Besonderheit oder wirkliche Fähigkeiten nötig, außer der vollständigen Selbstaufgabe des persönlichen Willens und dessen Aufhebung und Erektion als allen gemeiner Wille, die vollständige Einverleibung eines Bewegungungsvermögens der Masse durch einen ästhetischen Willen, der sich darin bewegt.

Er nährt sich von einer Willenssymbiose, die kosmische Ausmaße bekommt. Gerade durch die Bodenlosigkeit des ästhetischen Willens wird er nun zum Träger übersinnlichen Erscheinungen, zur Gewalt des Mythos, der aus allen Zufällen des Magischen gewonnen wird. Der Zauber der Masse, der für sich schon aus ihrem magischen Sinn kommt, wird in der Persönlichkeit der Masse zu einem Sinn des Magischen, zu einem Tiefsinn der Oberflächkeiten, die nichts anderes mehr sind, als was sie massenhaft scheinen, und dadurch tief sind, dass sie in die Breite gehen. Die Pfützen der Gefühlsduseligkeiten werden zum Ozean der Machtwillkürlichkeiten.




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323.2.2 Die Masse der ohnmächtigen Persönlichkeiten (Die Gehässigkeiten des ästhetischen Willen)

Denn da wo die Wahrnehmung von dem getrennt ist, was sie wahr hat (siehe hierzu Ästhetik), strebt sie nach einem Zusammenhang in sich selbst, um Wahrheit durch sich selbst zu haben, um für sich heil zu sein. Sie bestärkt sich gegen den Mangel ihrer Vereinzelung durch Gleichnisse und Bilder (siehe hierzu auch Bildungsbürger), durch die sie sich über deren Wirklichkeit hinwegtäuschen kann, durch die sie die Wirkungen auf sich, die Eindrücke, denen sie ausgeliefert ist, gegen deren Gründe, gegen ihr wahres Sein stellt und sich hierdurch eine im Großen und Ganzen geschlossene Wahrheit ihres Daseins vorstellt, um sich in den Scheinwelten ihrer Kultur durch ihre Totalisierungen (siehe auch Verallgemeinerung) zu behaupten (siehe Selbstbehauptung).

Ein ästhetischer Wille begründet sich aus den Notwendigkeiten der Selbstverwertung, der Ohnmacht einer bloßen Wahrnehmung gegen die Wirklichkeit aus dem, was Wahrnehmung hiervon wahrhat und nicht wirklich für sich anerkennen und erkennen kann. Wo Menschen im Jenseits ihrer Empfindungen alleine und mehr oder weniger ausschließlich durch ihre Gefühle verbunden sind, da entwickelt sich ein ästhetischer Wille zu einer kulturellen Macht. Er reflektiert den Fortbestand der Abwesenheit eines sinnlichen Gehalts der Selbstwahrnehmung, die sich in den vereinzelten Menschen wie von selbst verliert. Er entsteht in der Empfindung der sinnlichen Ermangelung eines unerfüllten Gefühls der ihm nötigen Selbstwahrnehmung. In den Verhältnissen der Selbstgefühle entstehen mangels substanzieller Inhalte immer wieder Zweifel an der Gewissheit ihrer zwischenmenschlichen Beziehung, weil darin die Position der einen Beziehung immer nur die Form für den Inhalt der anderen, wie auch umgekehrt diese bloße Form ihres Andersseins, unerfülltes Verlangen nach der Änderung ihrer Inhalte sein kann. Der ästhetische Wille verlangt daher nach einer allgemeinen Form ihrer subjektiven Wirkungen, nach einem objektiven Gefühl, in dem sie für sich und allen gemein dargestellt sind, um sich schließlich in einem objektiven Selbstgefühl zu verallgemeinern, das die Menschen nurmehr in dem erkennen können, was es mit ihnen macht un wozu es sie treibt (siehe hierzu auch Massengefühl).

Das Unheil der Selbstwahrnehmung ist eben schon durch ihre Selbstreferenzierung - ihrer "Blase" im Echoraum ihrer Gefühle - als ein unendlicher Regress ins Innerste ihrer Bewahrheitung angelegt und kann in der Endlichkeit der Wahrnehmung nicht für sich wahr sein. Sie ist zwar getrieben, sich durch sich selbst zu bewahrheiten, kann aber nur eine ästhetische Form für sich finden, um darin auch für sich zu sein und bleiben zu können. Die Eindrücke, die sie wahrhat, kann sie daher auch nur gebrochen ausdrücken, eine abgebrochene Wahrheit als Kultur ihrer Selbstwahrnehmung leben.

Und weil die Ästhetik die Formation der politischen Kultur in ihrer Elementarform (siehe Wahrnehmung) ausmacht, betreibt ihre Abstraktionskraft darin einen ästhetischen Willen nach den Maßgaben ihrer Formbestimmung. Wo nämlich Gefühle entstanden sind, die ihren Gegenstand verloren haben, weil sie ihnen durch ihre Selbstwahrnehmung entzogen worden waren, bestehen sie als Verlangen nach einer Wahrnehmung der ästhetischen Form ihres substanziellen Daseins (siehe auch Elementarforms). Ein ästhetischer Wille reflektiert den Fortbestand der Abwesenheit eines sinnlichen Gehalts der Wahrnehmung. Er entsteht in der Empfindung der sinnlichen Ermangelung eines unerfüllten Gefühls der ihm nötigen Selbstwahrnehmung und erstrebt ihr Heil, die Verwirklichung ihrer abwesenden Ganzheit (siehe Heilserwartung ). In den Verhältnissen der Selbstgefühle entstehen mangels substanzieller Inhalte immer wieder Zweifel an der Gewissheit ihrer zwischenmenschlichen Beziehung, weil darin die Position der einen Beziehung immer nur die Form für den Inhalt der anderen, wie auch umgekehrt diese bloße Form ihres Andersseins, unerfülltes Verlangen nach der Änderung ihrer Inhalte sein kann.

Durch die verkehrten Reflexionen der einen Form gegen den anderen Inhalt der Gefühle erscheinen sie trotz aller Sinnhaftigkeit ihrer Empfindungen zugleich beliebig aufgehoben als schlechthin notwendige Form, als Formbestimmung ihrer Beziehungen. Der ästhetische Wille verkörpert darin das Sowohl-Als-Auch von Form und Inhalt der Selbstwahrnehmung. Aus der Wahrnehmung als Elementarform der politischen Kultur wird hierdurch eine gegen sich selbst mächtige Form der Selbstgefühle. Weil ihr allgemeiner Sinn sich nicht wirklich allgemein bewahrheiten kann, bleibt er immer auf sein vereinzelztes Dasein angewiesen und verlangt nach einer Allgemeinform, die nicht wirklich wahr werden kann und im Widerspruch zu sich selbst sehnsüchtig nach einer abstrakt allgemeinen Wahrheit wird.

Diese Sehnsucht verhält sich als Bedürfnis nach reinen Formen (siehe hierzu Reinheit) vereinzelter und zugleich allgemeiner Inhalte, das sich als ästhetischer Wille äußert, denn sie muss zwangsläufig in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen unbefriedigt bleiben, sich als unverwirklichte Beziehung minderwertig erscheinen und wird deshalb das Streben der Selbstverwertung (siehe Geltungssstreben) befeuern, in einem dem entsprechenden Willen sich als Bedürfnis nach der Erfüllung ihres Selbstwerts unentwegt anstrengen, ohne eine durch seine Ästhetik verwirklichte Beziehung finden zu können. Denn diese kann es in Wirklichkeit garnicht geben.

Da der Lebensraum eines verbindlich gewordenen ästhetischen Willens zur Lebenssubstanz einer Willensgemeinschaft bestimmt und darin auch begrenzt ist, wird die Verbindlichkeit der darin beschlossenen Personen zu einer allgemein notwendigen Verpflichtung - und damit zur politischen Basis ihres Lebensverhältnisses. Aber diese Basis ist völlig stofflos und leer. Es sind lediglich die zwischenmenschlichen Beziehungen, die sie ausfüllen können, die aber für sich keinen Grund haben, einem ästhetischen Heil dienstbar zu sein, wenn sie nicht aus ihren Verhältnissen heraus eine ihnen äußerliche Gemeinschaft nötig haben. Die Baisis eines solchen Lebensraums sind also entleerte zwischenmenschliche Verhältnisse in einem entleertem Kulturraum. Seine Güte hängt davon ab, wieweit sich die einzelnen Personen in die hierin geborgende politische Ästhetik einfügen.

Doch damit wird das Schöne und Gute der heilen Welt in Wirklichkeit zum Ekel gegen jede andere Welt. Wer ihr sich nicht in Treue und Gesinnung verbindet, wird zu einem Aussätzigen, dem die veredelte Gemeinschaft nicht gelingt, der ein Unheil darstellt, wo das Heil herrscht, der nicht formulieren will, was hierin zu einer höheren Natur erhoben ist, und ihn die alles als widernatürlich versteht, was nicht der von ihr nur vorgestellten Natur entspricht. Darin bricht die Substanzlosigkeit ihrer Gemeinkultur als Selbstverlust auf, der sie nur durch Ausgrenzung einer vorgestellten Unnatur erhalten kann. Der Gemeinsinn kann hier in Wahrheit nur durch einen ausgegrenzten Sinn bestehen und es ist eine Ästhetik der Gesinnung, welche die Menschen hier binden muss. Wo sich diese nicht einstellt, treten die Gehässigkeiten des ästhetischen Willens in Kraft.

Wer in dieser ästhetischen Naturbestimmung von anderer Art erscheint, wird zum Gegenstand eines Hasses, in welchem sich die Angst vor dem Nichts, dem Unheil aller Selbstbezogenheiten entlädt. Er ersetzt die Lebensangst, die darin wirksam ist, durch eine Gewalt gegen alles, was fremd erscheint. Er hat mit ihm direkt überhaupt nichts zu tun, sondern nur mit den Symbolen seiner andersartigen Natur, die zum Diskriminationsmerkmal seiner fremden Persönlichkei geworden ist. Sie wird zur Unperson, die nicht nur den Sinn der Gemeinschaft stört, sondern ihn durch ihre einfache Gegenwart schon bedroht.




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323.2.3 Fremdenfeindlichkeit (Die Unperson der Masse)

Die Unperson der ästhetisch verfassten Kulturgemeinde ist im Grunde nur eins: Fremd. Und das Fremde ist die Sache, die überwältigt werden muss, um die Grenzen des verfassten Lebensraums nun neu, nämlich kulturell in einer Ästhetik zu bestimmen, die vorhandene Kultureigenschaften in ihrer Wahrnehmung zusammenfasst, durch die sie in Konkurrenz zu anderen Kulturen tritt.

Jedes Konkurrenzverhältnis ist das Prinzip der Verwertung menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften, seine Substanz die Abstraktion einer gesellschaftlichen Macht, die Ausschließlichkeit des Gemachten, die Isolation der Menschen und Produkte durch deren Abtrennung von ihrer Lebenstätigkeit, die mit der Verwirklichung des Einen die Entwirklichung des anderen betreibt, das Getrennte gegeneinander ausspielt und einander fremd macht. Jeder wird darin zum Fremden als Feind des anderen.

Konkurrenz ist die Wirklichkeit des Wertverhältnisses, die Gewalt des Vergleichs im Warentausch und der kulturellen Gleichschaltung von allem, was auf den Markt kommt. Fatal, dass sie oft gerade von den Menschen am stärksten verinnerlicht wird, die nur ihre Arbeitskraft veräußern können oder selbst am Rand der Gesellschaft leben. Wo sie ökonomisch unterliegen, suchen sie einen Ausweg durch eine Selbstbewertung, die zwangsläufig in Selbstverwertung mündet. Und wo sie hierüber kein Bewusstsein erlangen, können sie sich hiergegen nur noch persönlich als Bürger einer Nation behaupten, durch die sie sich letztlich noch politisch bestimmen (siehe auch Nationalismus) und sich darin selbstlos, sich selbst zum Kollektiv vereinigter Bürger, zum Volk machen.

Fremdenfeindlichkeit entsteht in symbiotischen Lebensverhältnissen (siehe auch heile Welt) als Bedrohungsgefühl, als Angst um die Selbstbeziehung, die darin gefestigt sein soll (siehe auch symbiotische Selbstbehauptung). Das in der Symbiose veräußerte, das für sie ausgeschlossene Sein wird zur Gefahr für die Selbstgefühle, die als Infiltration oder Penetration empfunden wird. Deren Wahrnehmung kann sich im Maß ihrer Ausschließlichkeit als negative Erregung aufladen, als femde Kraft einer empfunden Negation mit Hass aufladen und sich im Prozess ihrer Nichtung vom Fremdenhass zum Rassismus entwickeln. Die Bedingung hierfür ist Isolation der Selbstwahrnehmung, die allgemeine Bedrohlichkeit gegen ihr Vermögen, sich durch sich selbst zu bestimmen, durch die Dichte der fremden Eindrücke sich von sich selbst zu entfremden (siehe auch Selbstentfremdung).

Fremdenfeindlichkeit ist eine Selbstbehauptung, die in sozialen Krisen und den darin auftretenden Lebensängsten Selbstsicherheit aus einer kollektiven Selbstgerechtigkeit beziehen will. Darin entsteht eine Selbstversicherung (siehe auch Sicherheitsbedürfnis) durch die Behauptung einer normativen Substanz der Selbstwahrnehmung, die als Rechtswesen von eigener Art hergenommen wird. Mit der Projektion von Symbolen artfremder Eindrücke, wird die Mythologie einer Unart zu einer Wesensfremdheit verschmolzen, gegen welche die artgerechte Selbstwahrnehmung veredelt (siehe auch Selbstveredelung) und die Selbstbehauptung mit Edelmut verfüllt wird.

Die Symbole werden aus Wahrnehmungen von fremden Eigenarten geschaffen, aus der Geste eines fremden Selbstverständnisses, oft aus dem Inhalt ihres Glaubens und ihrer Sitten, aber auch aus der Hautfarbe oder Körperform, die mit gesellschaftlichen Rollen und Sitten assoziiert wird. In fremden Selbstverständnissen liegt eine unerschöpfliche Quelle der Mythologisierung und Begründung von Selbstschutzeinrichtungen. Sie dienen wie eine objektive Notwendigkeit dazu, sich nicht auf sie zu beziehen und mit ihnen auseinanderzusetzen zu müssen, sondern sie selbst schon als eine überdimensionierte Bedrohlichkeit aufzubauen. So werden einzelne Positionen darin zu einem Monster aufgebläht, das jenseits aller wirklichen Interessen die Vernichtung der eigenen bedroht. Der religiös formulierte Anspruch der Juden, ein "auserwähltes Volk Gottes" zu sein, genügte zum Beispiel schon, sie als wirkliche Verschwörung gegen die eigene Welt anzusehen. Und auch einige Textstellen aus dem Koran eigneten sich dazu, Front gegen Muslime zu machen, die ebenso erschrocken vor den Attentaten ihrer Landsleute standen, daraus eine absurde Radikalität ihres Islamismus bezogen. Mit der Feindbildung löst sich die Lebensangst der eigenen Welten auf wunderbare Weise auf, weil sie etwas zu tun haben soll mit der endlich personifizierbaren Gefahr, gegen die auch endlich was zu tun ist. Und das schließt die Menschen zusammen, die sich plötzlich im Boot einer Gemeinschaft wiederfinden, das einem "Kampf der Kulturen" entfliehen soll, das allerdings schnell auch viel zu voll hierfür sein kann.

So werden die Bilder einer abstrakten Bedrohungslage in den Kreislauf einer Selbstbestärkung einbezogen und hierbei zusammengemengt und zu einer Symbolkonstruktion, worin Gefühle der Selbstentfremdung zur Form eines feindlichen Unwesens konzentriert werden, das schon durch seine fremde Art zur Aufwertung der Selbstwahrnehmung, zur Begründung einer hochwertigen Eigenart dienen. Eigenarten werden auf diese Weise zu Symbolen einer Ausgrenzung, die sich in der Selbstgerechtigkeit der eigenen Lebensart gegen eine Wesensfremdheit veredelt.

Die Verunsicherungen der gesellschaftlichen Beziehungen eines Lebensraumes werden dadurch gegen eine Selbstsicherheit ausgetauscht, die aus nichts anderem besteht, als aus der Bereinigung der heimeligen Lebensart (siehe heile Welt) durch die Ausgrenzung von Eindrücken fremder Art, durch die Selbstermächtigung eines Edelmuts, der sich mit einem ästhetischen Willen bewaffnet. Aus einem Sicherheitsbedürfnis entwickelt sich die Bereinigung der Selbstwahrnehmung (siehe auch Reinheit) aus der Selbstveredelung gegen Monster aus fremden Welten, durch die Mythologisierung von fremder Lebensart, fremder Kultur, mit der die Selbstentfremdung in der eigenen überwunden werden soll.

Fremdenfeindlichkeit hat nichts mit Entfremdung und Fremdem zu tun. Es ist die notwendige Schuldzuweisung einer in den Institutionen des Kleinbürgertums und seinem abstrakt allgemeinen Lebensmittel Geld allgemein herrschenden Lebensangst, die sich in der Bekämpfung von Fremdem überhaupt stark macht, weil es sich in seinem Geldbesitz so allgemein versteht, wie es seinen Kulturbesitz darin so innig wahrhat, dass sein Sicherheitsbedürfnis sich in absoluten Kontrollbedürfnissen verwesentlicht und sich dem entsprechend auch ideologisch verfüllt. Darin treten die Begründer von Rassismus und Bücherverbrennung hervor, sobald es ihnen möglich ist, ihre Gefühlsurteile durch ihre Medien auch allgemein vorherrschen zu lassen, als allgemeine Meinung zu installieren, die jederzeit zu einer vorherrschenden Wählermeinung werden kann.

Es ensteht durch den im wesentlichen auszugrenzende Fremden eine seltsame Umkehrung seiner Funktion als Unperson der Gemeinde. Gerade weil ein Lebenraum auf der Grundlage eines äshetischen Willens keine wirkliche Lebenssubstanz aufzuweisen hat, befördert er als das Hassobjekt der substanzilosen Kulturgemeinschaft eine persönliche Substanz, eine übernatürlichen Persönlichkeit der Gemeinschaft, die zum Gesinnungsträger als Erlöser von ihrem Übel wird. Er ist das gemeine Resultat einer Gemeinschaft in ohnmächtigen Bestimmmtheit, die von der Ausgrenzung des Eingegrenzten, dem Infiltrat einer bösen Welt zehrt. Es ist ein Betäubungsmittel aller inneren Leere, die diese Gemeinschaft ausmacht, die äußere Substanz einer fremd erscheinenden Sinnlichkeit, die in ihrer Negativität die Gemeinschaft bestärkt, die sich von ihr bedroht fühlt. Sie begründet einen Lebenswillen, der in dieser Gemeinde ohne sie nicht möglich wäre. Je entleerter eine Kultur in diesem Lebensraum ist, desto notwendiger wird der Fremdenhass. Das Fremde wird zum Suchtmittel einer Selbstbeziehung, das sich im Hass nur zu veredeln versteht. Es ist der Edelmut, der schließlich zum Rassismus wird, sobald er die Masse beflügelt, ihre leere Gemeinschaft stiftet, letztlich zum Inhalt eriner Volksgemeinschaft wird.

33

323.3 Die Kultur der Überwältigung (Die Gesinnung der übermenschlichen Persönlichkeit)

Eine Gesinnung entsteht in der Abwesenheit von Sinn. Wenn der gesellschaftliche Zusammenhang politisch nicht mehr darstellbar ist reiben sich die Meinungen darüber in unauflösbaren sozialen Widersprüchen auf, sodass sie jeden Sinn verlieren, eine ohnmächtige Wahrnehmung erzeugen, die schließlich auf einen Verstand zurückgreift, der ihrem Ressentiment  gegen alles andere entspricht, um ihrer Selbstgerechtigkeit zu genügen. Was im Ressentiment noch im Besonderen negativ wirkt, verallgemeinert sich nun positiv zu einer Persönlichkeit, die sich aus der Masse verselbständigter Selbstgefühle speist - vornehmlich mit einer autoritären Substanz ihres ästhetischen Willens (siehe autoritärer Charakter). Diese ersucht politische Macht. Von daher vermengen sich in ihrer Masse Selbstgefühle mit dem bürgerlichen Selbstverständnis, das sich in Massengefühlen zur Gefühlsmasse eines verkehrten politischen Verstandes zusammenfassen lässt und darin ihren Sinn als Gesinnung findet, der sich in dieser Gemeinschaft der Massen empfinden lässt. Was im Zweifel des Dafürhaltens noch relativ war, wird darin absolut.

Der ästhetische Wille hat auf diese Weise eine Übersinnlichkeit hervorgebracht, für welche die Menschen ihre Beiträge zu leisten hatten, um sich in den Widersprüchen ihrer Kultur heil zu halten, um ihre Kultur in einem fortwährenden, also unendlichen Heilungsprozess für sich zu erhalten. Es sind hierbei Unmengen von Kulturleistungen in einer anschaulichen Welt aufgehäuft, die zwar keinen Sinn mehr durch sich haben, wohl aber einen Sinn für alle darstellen, die sich diesen "Leistungen" zuordnen können, sei es aus politischen oder auch ökonomischen Formbestimmungen heraus, jedenfalls immer als Teil einer fomell bestimmten Ganzheit. Es genügt alleine die so bestimmte Form, um sich an der aufgehäuften Selbstveredelung beiteiligt zu sehen, sich als Teil eines ganz allgemeinen Edelmuts zu begreifen. Als fremd bestimmte Form ist dieser Edelmut tückisch, wer ihn teilen will, erliegt der Heimtücke seiner Fremdbestimmung, der abstrakten Allgemeinheit seiner entäußerten Substanz, der allgemeinen Egozentrik, die jetzt über sich, über ihre Selbstgerechtigkeit verfügt und ihren Narzissmus als Macht für sich und durch sich verwirklicht.

Der Edelmut verschafft sich daher jetzt sein Recht, ein Persönlichkeitsrecht, das sich aus der Vorbeugung gegen das Böse, das Übel, das Unheil wendet. Es ist das Präventivrecht eines politischen Übermuts, der sich anmaßt, die vorherrschenden Äußerungen zu bestimmen, eine Güte zu ihrer Bewertung herzunehmen, die sich in der Maßlosigkeit einer Vernunft verwirklicht, die nur aus Willkür sich ergeben kann, die das Einzelne wirklich praktisch als Einzigartigkleit disponiert und das Allgemeine als blinde Gewalt der Zensur verfolgt, betreibt und bestärkt.

"Das Präventivgesetz hat daher kein Maß in sich, keine vernünftige Regel, denn die vernünftige Regel kann nur aus der Natur der Sache, hier der Freiheit, genommen sein. Es ist maßlos, denn wenn die Prävention der Freiheit sich durchsetzen will, so muß sie so groß sein wie ihr Gegenstand, d.h. unbeschränkt. Das Präventivgesetz ist also der Widerspruch einer unbeschränkten Beschränkung, und wo es aufhört, ist nicht durch die Notwendigkeit, sondern durch den Zufall der Willkür die Grenze gesetzt, wie die Zensur täglich ad oculos demonstriert.

Der menschliche Leib ist von Natur sterblich. Krankheiten können daher nicht ausbleiben. Warum wird der Mensch erst dem Arzte unterworfen, wenn er erkrankt, und nicht, wenn er gesund ist? Weil nicht nur die Krankheit, weil schon der Arzt ein Übel ist. Durch eine ärztliche Kuratel wäre das Leben als ein Übel und der menschliche Leib als Objekt der Behandlung für Medizinalkollegien anerkannt. Ist der Tod nicht wünschenswerter als ein Leben, das bloße Präventivmaßregel gegen den Tod? Gehört freie Bewegung nicht auch zum Leben? Was ist jede Krankheit als in seiner Freiheit gehemmtes Leben? Ein perpetuierlicher Arzt wäre eine Krankheit, an der man nicht einmal die Aussicht hätte, zu sterben, sondern zu leben. Mag das Leben sterben: der Tod darf nicht leben. Die Zensur geht davon aus, die Krankheit als den normalen Zustand, oder den normalen Zustand, die Freiheit, als eine Krankheit zu betrachten." (MEW 1, S. 59)>

Die Masse aller Kulturarbeiten hat nun auf diese Weise einen allgemein besonderten Sinn, der ohne Anschauung nur Unsinn wäre, weil er den Menschen äußerlich bestimmt ist. Er kann aber nicht ohne Gefühl sein. Für sich ist dieses daher jetzt von der Macht der Gemeingefühle beherrscht und von daher - eben weil das Gefühl immer auch ein Gefühl für andere ist - nicht nur gleichgültig, sondern gegen sich selbst bestimmt ist. Die Masse des Willens kehrt sich gegen ihren Grund, wird im Grunde zu einem massenhaften Selbsthass, zu einer Selbstverachtung, die nur durch eine Massenbewegung ihre Erregung auflösen kann.

Das Mittel gegen diese Selbstverachtung ist aber in ihrer entäußerten Form kein Mittel der Selbstachtung. Ihr Mittel ist leer und zugleich gegen alles bestimmt, was nicht Selbst ist, Verachtung individueller Selbstlosigkeit in der Bestimmung der Masse, also der allgemeinen Selbstlosigkeit. Mittel hierfür sind alle fremdbestimmte Kultursubstanzen, Äußerungen also, die das verachten, was man selbst nicht ist, was aber im Zweck einer absoluten Selbsterhöhung steht.

Dieses Mittel ergibt sich aus der Gefühlssubstanz der Masse, aus menschlicher Dichte und der Verdichtung ihrer Gefühle. Das Gefühl identifiziert sich im Allgemeinen sinnlichen Sein als Gefühlsform an sich, als reiner Sinn, reiner Ton, reine Empfindung oder kurz: Als Gefühlsform des sinnlich Ganzen, des Kosmos der eigenen Natur.

Rassismus hat darin seinen Grund, dass er absondert, was nicht von eigener Art erscheint und als Anderes eigenartig gemacht wird. Das Bedrohliche der Eigenartigkeiten ersetzt hiermit den Selbsthass, der die eigene Identitätslosigkeit ausmacht.

Das entäußerte Selbstgefühl braucht nun eine wirkliche Persönlichkeit, an der es überhaupt zu sich kommen kann, in der sich die Masse der Selbstgefühle treffen. Es ist eine Persönlichkeit, welche zunächst rein theoretisch der Masse zukommt als Form ihrer Sittlichkeit, Gestalt der in ihr geborenen Ethik. Ob dies ein Papst oder ein Führer der öffentlichen Moral, ist eigentlich gleichgülten, wenn und sofern sie sich als Medium des ästhetischen Willens, als Theorema geben kann und will. Sie wird zur Seelengestalt eines Volks, dass darin endlich seinen Kult hat, seine kultivierte Seele, die Persönlichkeit des Volkes. Darin wird der Wille selbst zum Inhalt einer Rückbindung der Bevölkerung an ihre Sitte und Kultur, zur Religion der Kultivierung, zur Volksbewegung. Es kommt für diese Persönlichlkeit allerdings nicht jeder Mensch in Frage. Es ist die Ausrichtung des autoritären Charakters, der hierfür am besten taugt.

Der autoritäre Charakter verfolgt ein Kontrollbedürfnis, das sich aus einem Nützlichkeitsprinzip heraus entwickelt hat. Was ihm nicht nützt ist schädlich und muss abgewehrt werden. Er betreibt die Abwehr aber ausschließlich objektiv funktional und subjektiv diffamierend, um selbst nicht in Erscheinung zu treten. Er verbirgt seine Absichten durch objektiv strukturelle Handhabe mit allem, was ihm nicht dient. Hierdurch borniert er sich selbst und verhält sich in einer Spirale der Selbstverdummung, die nur durch zwischenmenschliche oder politische Machtpositionen gehalten werden kann. Deshalb strebt er auch nach Ämtern, die ihn einerseits "heimlich" weiterbringen, in denen er aber den Verlauf bestimmt, was Fortgang und Resultate betrifft.

Dieser Charakter "riecht" jede Unangepasstheit und ist von daher der beste Funktionär des ästhetischen Willens. Er ist ja vor allem durch seine Funktionalität für die Macht und die Machterhaltung erst wirklich tätig und bildet sich als politischer Funktionär einer allzeit reagierenden Persönlichkeit aus, die sich überhaupt nur in hohen und umfangreichen Sphären der Politik wirklich begründet und bestätigt weiß.

Er ist der objektive Egoist, in dieser Selbstbeziehung aber absolut selbstlos. Selbst unterwirft er sich wesentlich der Funktion, indem er die Menschen zu bestimmen sich. Auch Menschen gegenüber unterwirft er sich nicht ihnen, sondern ihrer objektiven Rolle. Was ihn subjektiv abhängig macht ist allerdings der Mensch, der eine kulturell tragende Rolle hat. Von daher versammeln sich jetzt solche Charaktere in einer politischen Szenerie, welche die Kultur zu bestimmen sucht.

 



331

323.3.1 Die Natur der kosmopolitischen Persönlichkeit
und der Untermensch der Kultur



Die Kultur, welche nurmehr aus fremdbestimmten Kultursubstanzen besteht und also keinen wirklichen Sinn für die Menschen mehr hat, erscheint nun als eine unendliche Bestimmung, als ein Wesen höherer Art, worin reine Natur herrscht, reines Menschsein und reiner Sinn für alles und jedes. Die Menschen sind in der Masse einerseits in sinnloser Selbstlosigkeit bestimmt, andererseits besteht aber solche Masse auch nur durch sie. Die Kultur wird nun selbst massenhaft erfahren und von daher nur in der Bestimmtheit ihrer Dichte. Die Menschen erscheinen sich wie Naturalisierungen einer kosmischen Masse der Kultur, die sich in allerlei Kulte äußert: Sie zelebrieren ihr Leben selbst als Massenkult. Die Masse bekommt damit eine höhere Wesenheit, das Wesen einer jenseitigen Selbstachtung, welche durch das Menschsein im menschlichen Kosmos begründet scheint und sich von daher aus der Natur schlechthin einen Begriff von sich macht. Dieser vermittelt das Selbstgefühl einer Übermenschlichen Ganzheit, wogegen jedes einzelne Leben nur untermenschlich bestimmt sein kann. Der ästhetische Wille hat damit seinen innersten Trieb verwirklicht, nämlich selbst als veräußerte Vollendung, als absolute Formvollendung sich zu verwirklichen. Er ist nicht mehr nur Sinnbild, sondern Inbegriff des Heils, den die Menschen in der ästhetischen Macht ihrer Kultur suchen.

Darin hat alles seinen Zusammenhang und seine Art als allgemeine Art. Die Natur erscheint nicht mehr einfach nur als das, was sie ist, als Materie und Leben, sondern als ein Kosmos, der über all dieses hinausgeht und also auch einen höheren Sinn erfüllt, nicht unbedingt religiös, nicht unbedingt kulturell, aber auf jeden Fall als Persönlichkeit einer Macht, die über allem Persönlichen steht. Es schält sich ein Sinn heraus, der über all diese Rückbindungen an wirkliche Natur und Menschlichkeit hinausgreift: Das Ganze als Menschsein schlechthin, das sich nicht mehr wirklich besondert und also auch gänzlich unwirklich ist. Aber in solcher Allgemeinheit würde sich Menschlichkeit selbst aufheben, wäre nicht auch sie aus einem Menschsein jenseits wirklicher Menschen begründet, so dass die eigene Art nur in einem Mensch der höheren, der reinen Art begründet sein kann.

Dem gegenüber ist alle Wirklichkeit unrein, und das heißt jetzt: Wesensfremd. Die eigene Art, was immer das auch ist, kann daher nur durch Ausgrenzung fremder Eigenarten überhaupt gewonnen werden, wie immer die sich auch begründen lassen. Die Masse des Selbsthasses wird somit zu einer Masse des Willens, eine allen gemeine Art als Wesen der eigenen Natur, wie sie außer sich ist, zu entdecken und diese als eine abstrakte Gemeinschaft zu kultivieren.

Von daher erscheint jetzt Natur als eine Ganzheit für sich, der Mensch selbst nur als Moment einer kosmischen Persönlichkeit, in welcher sich nun der ästhetische Wille allgemein veräußert und veredelt. Rassismus ist das Resultat und der Antrieb solcher Selbstveredelung.





323.3.2 Der Rassismus (Die persönliche Wahrnehmungsdichte des ästhetischen Willens)



Rassismus ist eine hoch aufgeladene Fremdenfeindlichkeit, die in den symbiotischen Lebensverhältnissen eines ästhetischen Willens (siehe auch heile Welt) als Bedrohungsgefühl entsteht, als Angst um die Selbstbeziehung, die darin gefestigt sein soll (siehe auch symbiotische Selbstbehauptung). Das in der Symbiose veräußerte, das für sie ausgeschlossene Sein wird zur Gefahr für die Selbstgefühle, die als Infiltration oder Penetration empfunden wird. Deren Wahrnehmung kann sich im Maß ihrer Ausschließlichkeit als negative Erregung, als femde Kraft einer empfundenen Negation mit Hass aufladen und sich im Prozess ihrer Nichtung vom Fremdenhass zum Rassismus entwickeln. Die Bedingung hierfür ist die Isolation der Selbstwahrnehmung, die allgemeine Bedrohlichkeit gegen ihr Vermögen, sich durch sich selbst zu bestimmen, durch die Dichte der fremden Eindrücke sich von sich selbst zu entfremden (siehe auch Selbstentfremdung).

Rassismus ist die Projektion einer Selbstverachtung gegen Menschen anderer Erscheinung, die dem Geltungsstreben eines verselbständigten Selbstwerts folgend als Fremdartigkeit ausgegrenzt und als Ausdruck einer fremden Art, als Abart herabgesetzt werden. Es ist die Grundform einer abgetöteten Wahrnehmung, die ihre eigene Wahrheit zu nichten sucht (siehe auch Fanatismus). Sie ist das Resultat eines Selbstverlustes, der sich im Massengefühl aus massenhaften persönlichen Krisen heraus in sozialen und zwischenmenschlichen Verhältnissen vergemeinschaftet, in denen sich die darin notwendige Selbstbehauptung zwischenmenschlich aufgelöst hat, besonders wenn und wo es um symbiotische Selbstbehauptungen gegangen war. Was in diesen Verhälnissen an Selbstwert nötig ist, macht sich dann im Verlust der Selbstachtung als Minderwertigkeitsgefühl einer verlorenen Sinnlichkeit geltend. Im Selbstgefühl einer übermenschlichen Natutanschauung macht sich aus den Trümmern einer aufgelösten Selbstbeziehung der Selbstwert einer toten Wahrnehmung geltend, die durch Selbstveredelung sich in einem persönlichen Hintersinn einer Selbstermächtigung als entleerte Selbstbehauptung bewahrt hatte und sich mit ihrem Niedergang als Nichtung der Selbstbeziehung bewahrheitet.

Rassismus gründet auf einer substanziellen Fremdenfeindlichkeit, auf einer Selbstbehauptung, die in sozialen Krisen und den darin auftretenden Lebensängsten Selbstsicherheit aus einer kollektiven Selbstgerechtigkeit beziehen will. Darin entsteht eine Selbstversicherung (siehe auch Sicherheitsbedürfnis) durch die Behauptung einer normativen Substanz der Selbstwahrnehmung, die als Rechtswesen von eigener Art hergenommen wird, das aus den Konkurrenzen seiner Wirklichkeit enthoben ist.

Das Konkurrenzverhältnis ist das Prinzip der Verwertung menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften. Konkurrenz ist die Wirklichkeit des Wertverhältnisses, die Gewalt des Vergleichs im Warentausch und der kulturellen Gleichschaltung von allem, was auf den Markt kommt. Wer sich selbst veräußern muss, wer nur seine Arbeitskraft verkaufen kann, um an seine Lebensmittel zu gelangen, um sich zu reproduzieren, der muss hierbei von sich selbst absehen und alles geben, um Arbeit zu bekommen, um "arbeiten zu dürfen" und seinen "Arbeitsplatz" auch zu behalten. Und indem er von sich selbst absieht, sieht er auch von allem ab, was er wirklich ist, reduziert er sich selbst auf das, worauf sich seine Tätigkeit körperlich und geistig abstrahieren lässt.

Wo ein Mensch von sich selbst absieht, unterliegt er allerdings freiwillig der Substanz der Abstraktion einer gesellschaftlichen Macht, der Ausschließlichkeit des Gemachten, und bestärkt die Isolation der Menschen und Produkte durch deren Abtrennung von ihrer Lebenstätigkeit (siehe Teilung der Arbeit), also auch der Trennung des Produkts von seiner Herstellung, den Lebenssubstanzen, die darin vergegenständlicht sind. Mit der Verwirklichung des Einen wird die Entwirklichung des anderen betrieben, denn einfache Ausschließlichkeit, die Abstraktion des Einen verwirklicht nur seine Einseitigkeit und spielt das Getrennte gegeneinander aus und macht es für einander fremd. Durch die Konkurrenz wird jeder dem Anderen fremd und zugleich zu seinem Gegner. Jeder ist durch sie der Fremde als Feind des anderen (siehe auch Fremdenfeindlichkeit).

Fatal ist, dass das Konkurrenzprinzip oft gerade von den Menschen am stärksten verinnerlicht wird, die nur ihre Arbeitskraft veräußern können oder selbst schon sozial exkommuniziert sind und sich in der Spirale einer Selbstentwertung sehen, verstehen und empfinden. Wo sie ökonomisch unterliegen, suchen sie einen Ausweg durch eine Selbstbewertung, die zwangsläufig in Selbstverwertung mündet, durch die sie sich um so selbstloser machen, wie sie sich wertlos fühlen. Und wo sie hierüber kein Bewusstsein erlangen, können sie sich hiergegen auch nur noch persönlich als Bürger einer Nation behaupten, durch die sie sich letztlich noch politisch bestimmen (siehe auch Nationalismus) und sich darin selbstlos, sich selbst zum Kollektiv vereinigter Bürger, zum Volk machen.

Darin verschmelzen völlig gegensinnige Existenzen in einem Kult des abstrakt Eigenen, der Selbstbehauptung schechthin. Die politische Klasse der Bürger und die der Arbeitsleute lässt sich darin nicht mehr unterscheiden (siehe zierzu auch Klassenbewusstsein). Und damit werden die Bilder einer abstrakten Bedrohungslage in den Kreislauf einer Selbstbestärkung einbezogen und hierbei zusammengemengt und zu einer Symbolkonstruktion, worin Gefühle der Selbstentfremdung zur Form eines feindlichen Unwesens konzentriert werden, das schon durch seine fremde Art zur Aufwertung der Selbstwahrnehmung, zur Begründung einer hochwertigen Eigenart dienen. Eigenarten werden auf diese Weise zu Symbolen einer Ausgrenzung, die sich in der Selbstgerechtigkeit der eigenen Lebensart gegen eine Wesensfremdheit veredelt. Mit der Projektion von Symbolen artfremder Eindrücke, wird die Mythologie einer Unart zu einer Wesensfremdheit verschmolzen, gegen welche die artgerechte Selbstwahrnehmung veredelt (siehe auch Selbstveredelung) und die Selbstbehauptung mit Edelmut verfüllt wird.

Die Masse der Menschen hat sich in ihrer Selbstlosigkeit nun eine Persönlichkeit geschaffen, die nichts anderes als die von jeder persönlichen Eigenschaft absehende Naturperson sein kann, der Naturmensch, der zum Übermenschen geworden ist, wo und weil wirkliche Menschen gegenüber ihrer Kultur ohnmächtig sind. Als diese "kosmische Persönlichkeit" stellt sich der sinnliche Mensch selbst zu einem rein abstrakten Menschen her, einem Menschen, der überhaupt nur rein sein kann und nichts sein darf, was ihn verunreinigt. Das verlangt Erziehung, Zucht und Ordnung.

Das Prinzip der Reinheit resultiert aus der Verdichtung seiner Art, ist seine Höchstform an Selbstveredelung, die es allerdings nicht wirklich, sondern nur noch in der Verselbständigung von menschlichen Eigenschaften gibt. In ihnen ist die heile Welt mit sich zusamengeschlossen und es hindert nichts mehr daran, sie auch zum Heil der Welt zu erklären. Als dieses Abbild des Übermenschlichen veredelt sie jedes Gefühl zu einem allgemeinen Selbstgefühl, das sich lediglich noch Persönlichkeiten suchen muss, die dem nahe kommen, um sich an ihnen seiner selbst zu versichern und einer eigenen mächtigen Wahrheit gewahr zu werden.

Mit dem Verschwinden wirklicher menschlicher Verhältnisse hat sich der Übermensch nun tatsächlich durch ein allgemeines Verlangen zur Wirklichkeit gebracht, indem er die eigene Bewegung in der Ohnmacht eines Allgemeingefühls ihrer Überwundenheit zur Vollendung bringt, sie in seine Machtvorstellung zu einem Willen der eigenen Art verkehrt, die alles für abartig halten muss, das sich nicht in ihr identifiziert und das daher unterhalb ihres Menschseins bestimmt sein soll.

Es ist dieser Rassismus die Hochform der Egozentrik der bürgerlichen Persönlichkeit, die ihre Selbstgerechtigkeit zu einem allgemeinen Naturwesen gemacht hat, eben so, wie es sich aus der Selbstaufgabe der Menschen notwendig ergeben hat, damit der "Menschenwolf" (Thomas Hobbes) auch überleben kann. Sie besteht aber nur unwirklich, rein ästhetsch, und stellt sich von daher nur im Widerspruch des Selbstgefühls heraus, das einerseits aus Vorstellungen vom Heil der Welt besteht, zugleich aber von dieser in Wirklichkeit nur ausgeschlosen sein kann, weil er in Wahrheit das Unheil zugleich bejaht. Der rassist will der besonders Allgemeine sein und kann seine Besonderheit aber erst durch eine abstrakte Allgemeinheit erlangen, die ihn entwertet. Sie Selbstwahrnehmung dreht sich darin im Kreis und sucht ihren Halt in einer Ästhetik des Abartigen. Durch diese Ästhetik ihres widersprüchlichen Selbstgefühls stellt sich die darin erstrebte Selbstveredelung als ein Wille heraus, in welchem schon als wirklich erscheinen soll, was nicht mehr durch sich sein kann, weil es wesentlich sinnlos ist.

In der Masse der hierin gebundenen Verhältnisse ist die Selbstlosigkeit nicht nur bestätigt und bestärkt, sondern zugleich in der Verneinung der allgemeinen Stärke, also nur als negierte Einzelheit wirklich, also als Stärke, die wesentlich nur Schwäche einer Persönlichkeit sein kann, worin sich der Einzelne zwar gewinnt, aber nur indem er seine Selbstwahrnehmung völllig aufgibt. In der vertieften Gemeinschaft solcher Vermassung, die nur unwirklich sein kann, verneint sich zugleich jeder einzelne auf seine besonders aussschließliche Einzelheit der Selbstverwirklichung und kann sich nur im Übermenschlichen bejahen.

Durch ihre doppelte Selbstverneinung, ihrem massenhaften Hass auf die Selbstverworfenheit einer enteigneten Existenz, das abgrundtiefe Selbstgefühl, ein Opfer zu sein, das nur Nichts werden könnte und also der Venichtungslogik unterliegt, wird solche Masse zu einer unendlichen Bindung für jeden, der dies nicht wirklich kritisieren und bekämpfen kann, weil er einfach nur selbst Täter sein will. Dieser erkennt sich nur in der Teilhabe an der Masse. In seiner Teilhabe regt sich daher immer das Ganze, das Heil der Endlösung, und dieses treibt sich in eine Massenerregung der Wahrnehmung fort, die wie eine elektrische Spannung funktioniert. "Elektrizität der Masse" hatte das dereinst auch Göbbels genannt. Er hat damit das Selbstgefühl des Rassismus beschrieben.

Darin werden alle Kulte, besonders die esoterischen, welche der Massenbewegung kosmische Grundlagen verschaffen, zum Klebstoff der Massengefühle. Die Massenverschmolzenheit ist damit selbst als allgemeines Phänomen naturalisiert, als kosmisches Ganzes, als Sinn des Kosmos in jedem ideologisiert. Tatsächllich aber handelt es sich hierbei nicht einfach nur um eine Ideologie. Es entspricht solche Ideologie dem, das die Menschen darin auch wirklich und ausschließlich nur durch sich fühlen, das sie vor allem als allgemein ausgeschlossenes Selbstgefühl unter sich und ihresgleichen unter einer in der wirklichen Masse noch ausgeschlossenen, aber als Masse selbst schon mächtige Selbstbestimmtheit naturalisierter Masse haben: Ihre Natur an sich, ihre Eigenart als Vollkommenheit ihrer Natur, als Rasse. Von sich selbst fühlen sie ja nur, was sie für sich nicht sind und nicht sein können. Ihre Selbstgefühle gehen daher in solchem Kosmos auch wirklich auf, werden wirklich durch einen Kosmos bewegt, den sie nicht mehr beherrschen können, sondern der sie beherrscht.

Die ungemeine ästhetische Dichte vernichtet alle Wirklichkeit der Wahrnehmung, wie sie zugleich die Form einer allgemeinen Selbstermächtigung des Unwirklichen, ein ungemeines Machtgefühl des Ganzen ist, das sich mit der kosmischen Bewegung identifiziert. Die Götter sind nun die Übermenschen, die sich der wilden Horde überstellen und sie zu führen vermögen, weil sie sich selbst als Inbegriff kosmischer Macht verhalten, erleben und fühlen.

Es liegt ganz auch im Zweck einer dem äußerlichen Notwendigkeit: Die Gleichschaltung und Bedrohung der Einzelnen, um im Ganzen eine Not des Ganzen abzuwenden. Der Zweck dieser ästhetischen Verdichtung erweist sich somit auch allgemein als nützlich. Er will die Bildung einer Masse, die das Besondere als Artfremdes abstoßen kann, um jedes Einzelne zu bedrohen, damit es sich ihm auch ganz wirklich unterwerfe. Politisch genommen ist der Wille der Masse die Bindung einer in sich aufgehobenen, entleerten Eigenschaftlichkeit, die bedingungslose Versammlung eigenschaftsloser Menschen.





323.3.3 Der Kulturrassismus (Wille als Masse in der Masse des Willens)



Die Vernichtung des Besonderen kann sich nur als Vernichtung des Absonderlichen herausstellen und legitimieren. Die Masse einer Bevölkerung mit einem hoch verdichteten Willen will dessen Vernichtung, der darin vorgestelllte Grund seiner Bedrohung, um damit auch ihren Selbshass zu vernichten, der ihre allgemeine Besonderheit ausmacht, ihren abgrundtiefen Selbstzweifel, den jeder Mensch darin verspüren muss, dass er nichts mehr bewirken und sein kann. Er will seiner Selbstwahrnehmung Identität verleihen, die diese nicht mehr hat, sich ästhetisch in der Masse aufgehoben wissen, weil er fühlt, dass er in Wahrheit schon aufgehoben ist, bevor er ihr beitritt. Bevor er Massenmensch werden kann, muss er sich als Mensch längst verloren haben. Er ist nichts, und nimmt sich als Nichts wahr, und kann daher nur alles zugleich sein wollen, was für sich nichts ist: Masse.

Was seine Not war, bevor er in sie eingetreten ist, wird nun zur Notwendigkeit: Zur notwendigen Vernichtung des absonderlichen, dem, was seiner kosmischen Natur widerspricht, dem Unheilen und Unartigen: Dem Abartigen. Dessen Vernichtung wird so zu einem allgemeinen Willen der Masse und zur Selbstbegründung eines Volks, das sich selbst dem wirklichen Menschsein entsagt hat.

Doch als dieses nichtssagende Volk kann sich dessen Sittlichkeit nicht mehr aus den unmittebaren zwischenmenschlichen Verhältnissen bilden und bestätigen. Seine Kultur besteht jetzt selbst nur aus Abstraktionen, aus Vorstellungen ihrer Besonderheit, die sich als Masse in ihrer Gleichgültigkeit verallgemeinern muss. Das kann sie nur dann durch nichts, wenn sie anderes als andere Kultur gegen sich konzentriert, die Fragemente des Andersseins gegen die als eigene Sittlichkeit vorgestellte Masse gegen sich verallgemeinert. Diese Fragmente lassen sich aus Eindrücken symbolisch zusammenfassen und verdichten, die sich in den Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche des ganze Anderen einer fremd scheinenden Kultur konzentrieren. Dieses ganz Andere wird zu einem Subjekt der Bedrohung des "eigentlich" Eigenen (siehe hierzu Heideggers Fundamentalontologie). Nicht der bloß auf Natureigenschaften reduzierte und verdichtete Rassismus (z.B. Hautfarbe), die sich durch ihre spezifisch soziale Verteilung zur Begründung von sozialen Zerwürfnissen und Klassenkonflikten hernehmen ließen, kann diese Bedrohung "erklären". Es ist die Sittlichkeit, ganz besonders die Religion, die dazu in der Lage ist. In der Kulturmasse wird Rassismus zu einem Kulturrassismus. Allgemein bekannt sind in diesem Sinne der Antisemitismus und der Antiislamismus.

In dieser Selbstbegründung formiert sich ein Prinzip der Absonderung, in welchem sich Kultur institutionalisiert und hierdurch selbst den Charakter einer Staatsform bekommt. Da repräsentative Demokratie auf der Repräsentanz einer allgemeinen, einer verdurchschnittlichten Meinung beruht, taugt sie durchaus auch dazu, einen Kulturstaat dahin zu befördern, sich als Staatskultur zu etablieren. Dieser ist die institutionalisierte Form der Masse eines Willens, der als ästhetisches Ganzes zu einer fatalen Wirklichkeit gebracht werden kann.

Masse ist die Vermengung von vielem, bestimmungsloses Zusammengehen unterschiedlichster Qualitäten zu einem Gemenge, das nichts Ganzes zum Inhalt hat. Im Unterschied zu einer Menge, worin Einzelheiten zusammenkommen, ohne ihre Form zu ändern, ist die Masse das Volumen einer Dichte (physikalisch: Masse = Dichte mal Volumen), die bestimmungslose Form alles Körperlichen an und für sich, das jede Formbestimmung annehmen kann. Von einer Masse spricht man, wenn keine andere Bestimmung, also keinerlei Qualität erkennbar ist, welche die Besonderheit der Form der Körper bestimmt. Diese Qualitätslosigkeit hat zur einzigen Substanz die Dichte anwesender Körper, ist also die Quantität von körperlicher Anwesenheit als Dichte schlechthin, abstrakte Körperlichkeit als Quantum.

Die Masse ist nichts Eigenes und hat nichts Eigenes. Die Masse ist ein Gemenge des Enteigneten. Sie enthält von daher auch den Trieb, sich in der Masse der Eigentumslosen als reine Körpergestalt zu bereichern, durch sie Körper - und damit auch körperliche Macht - zu erwerben, zumindest als Körpermacht zu erscheinen. Diese bekommt von da her ein geistiges Format und begeistert die Vielen, die darin sich zu finden glauben (siehe auch Körperfetischismus). Es geht hierbei um eine Größe durch sich selbst, die von ihren Gläubigen Demut verlangt, weil sie sich durch eine Masse behaupten kann, die sich nurmehr esoterisch begründet. Es ist daher eine Größe, die sich nicht durch sich bestärkt, sondern durch ihren Widerschein, durch ihre Reflexion in der Masse, in der alle Gründe abwesend sind. Und letztlich ist es auch die Angst vor der Masse, die ehrfürchtig macht, weil darin der absolut abstrakte Grund sich durch sie hindurch verhält.

Überhaupt ist Masse die Aufhäufung von Raum ohne bestimmten Inhalt und Sinn, aber doch voll anwesender Körper, reines Sein abtrakter Körperlichkeit, Form abstrakter Sinnlichkeit. Masse ist das Quantum, welches die Sinne in ihrem Raum haben. Und weil Raum als abstrakter Körper begriffen die Begriffssubstanz von abstrakt menschlicher Sinnlichkeit ausmacht, ist die Masse deren Größe als Quantum von anwesender Körperdichte, von identitätsloser Körperlichkeit. In zwischenmenschlichen Beziehungen ist Masse die Quantität des abstrakt menschlichen Sinnes. Masse ist also der Begriff für menschliche Identitätslosigkeit. Sie kann von da her auch magische Qualität bekommen.

In der Masse bestehen alle Beziehungen nur durch Volumen, durch eine räumlich bestimmte Menge, deren Sinn allein auf der Dichte, der Anziehung gleichgeltender Körper beruht, - das sind Körper, die in ihrem Sein, ihrer Geschichte und Bildung gleichgültig füreinander sind und also hiervon absehen und als das gelten, was sie für die Wahrnehmung sind. Allein in der Form der Anwesenheit, in der Nähe und Ferne, insgesamt also in der Dichte der Körper haben sich unter dieser Bestimmung die Menschen wahr, nehmen sie die Wahrnehmung ein, die sie als Wahrheit füreinander haben (siehe Wahrhaben).

Der Wille der Masse ist die Vernichtung aller Eigentümlichkeiten, die totale Aufhebung jeder eigenen Wirklichkeit - sowohl der einzelnen Menschen, als auch des Menschseins schlechthin. Es ist der Wille des Übermenschen, der hier zur tragenden Figur wird, zum Übermenschen als Herrenmensch, der als Heilsprinzip zu jedem Moment des Unheils emporgehalten wird - oder als Institution, die dieses verkörpern soll.

Das ist die Grundlage einer Verfassung, die sich aus der politischen Kultur begründet und die Nation als Kulturnation bestimmt sieht und ist von daher die Grundlage des Kulturstaats.





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