I. Band
[Kritik der neuesten
deutschen Philosophie
in ihren Repräsentanten Feuerbach,
B. Bauer und Stirner]

Vorrede

<13> Die Menschen haben sich bisher stets falsche Vorstellungen über sich selbst gemacht, von dem, was sie sind oder sein sollen. Nach ihren Vorstellungen von Gott, von dem Normalmenschen usw. haben sie ihre Verhältnisse eingerichtet. Die Ausgeburten ihres Kopfes sind ihnen über den Kopf gewachsen. Vor ihren Geschöpfen haben sie, die Schöpfer, sich gebeugt. Befreien wir sie von den Hirngespinsten, den Ideen, den Dogmen, den eingebildeten Wesen, unter deren Joch sie verkümmern. Rebellieren wir gegen diese Herrschaft der Gedanken. Lehren wir sie, diese Einbildungen mit Gedanken vertauschen, die dem Wesen des Menschen entsprechen, sagt der Eine, sich kritisch zu ihnen verhalten, sagt der Andere, sie sich aus dem Kopf schlagen, sagt der Dritte, und - die bestehende Wirklichkeit wird zusammenbrechen.

Diese unschuldigen und kindlichen Phantasien bilden den Kern der neuern junghegelschen Philosophie, die in Deutschland nicht nur von dem Publikum mit Entsetzen und Ehrfurcht empfangen, sondern auch von den philosophischen Heroen selbst mit dem feierlichen Bewußtsein der weltumstürzenden Gefährlichkeit und der verbrecherischen Rücksichtslosigkeit ausgegeben wird. Der erste Band dieser Publikation hat den Zweck, diese Schafe, die sich für Wölfe halten und dafür gehalten werden, zu entlarven, zu zeigen, wie sie die Vorstellungen der deutschen Bürger nur philosophisch nachblöken, wie die Prahlereien dieser philosophischen Ausleger nur die Erbärmlichkeit der wirklichen deutschen Zustände widerspiegeln. Sie hat den Zweck, den philosophischen Kampf mit den Schatten der Wirklichkeit, der dem träumerischen und duseligen deutschen Volk zusagt, zu blamieren und um den Kredit zu bringen.

Ein wackrer Mann bildete sich einmal ein, die Menschen ertränken nur im Wasser, weil sie vom Gedanken der Schwere besessen wären. Schlügen sie sich diese Vorstellung aus dem Kopfe, etwa indem sie dieselbe für eine aber- <14> gläubige, für eine religiöse Vorstellung erklärten, so seien sie über alle Wassersgefahr erhaben. Sein Leben lang bekämpfte er die Illusion der Schwere, von deren schädlichen Folgen jede Statistik ihm neue und zahlreiche Beweise lieferte. Der wackre Mann war der Typus der neuen deutschen revolutionären Philosophen*.

* [Im Manuskript gestrichen:] Der deutsche Idealismus sondert sich durch keinen spezifischen Unterschied von der Ideologie al- ler ändern Völker ab. Auch diese betrachtet die Welt als durch Ideen beherrscht, die Ideen u[nd] Begriffe als bestimmende Prin- zipien, bestimmte Gedanken als das den Philosophen zugängliche Mysterium der materiellen Welt.

Hegel hatte den positiven Idealismus vollendet. Nicht nur hatte sich ihm d[ie] ganze materielle Welt in eine Gedankenwelt u[nd] d[ie] ganze Geschichte in eine Geschichte von Gedanken verwan- delt. Er begnügt sich nicht, die Gedankendinge einzuregistrieren, er sucht auch den Produktionsakt darzustellen.

Die deutschen Philosophen, aus ihrer Traumwelt aufgerüttelt, pro- testieren gegen d[ie] Gedankenwelt, der sie die Vorstellung der wirklichen, leib[haftigen ...]

Die deutschen philosophischen Kritiker behaupten sämtlich, daß Ideen, Vorstellungen, Begriffe bisher d[ie] wirklichen Menschen beherrscht u[nd] bestimmt haben, daß d[ie] wirkliche Welt ein Produkt d[er] ideellen Welt ist. Das findet bis auf diesen Augen- blick statt, das soll aber anders werden. Sie unterscheiden sich in der Art, wie sie die nach ihrer Ansicht so unter d[er] Macht ihrer eignen fixen Gedanken seufzende Menschenwelt erlösen wol- len; sie unterscheiden sich in dem, was sie für fixe Gedanken er- klären; sie stimmen überein in d[em] Glauben dieser Gedankenherr- schaft, sie stimmen überein in dem Glauben, daß ihr kritischer Denkakt d[en] Untergang d[es] Bestehenden herbeiführen müsse, sei es nun, daß sie ihre isolierte Denktätigkeit für zureichender halten od[er] das allgemeine Bewußtsein erobern wollen.

Der Glaube, daß die reelle Welt d[as] Produkt der ideellen Welt sei, daß die Welt der Ideen [...]

An ihrer Hegelschen Gedankenwelt irre geworden, protestieren d[ie] deutschen Philosophen gegen d[ie] Herrschaft d[er] Gedan- ken, Ideen, Vorstellungen, die bisher nach ihrer Ansicht, d.h. nach der I l l u s i o n H e g e l s, die wirkliche Welt pro- duzierten, bestimmten, beherrschten. Sie legen Protest ein u[nd] verenden [...]

Nach dem Hegelschen System hatten Ideen, Gedanken, Begriffe das wirkliche Leben d[er] Menschen, ihre materielle Welt, ihre reel- len Verhältnisse produziert, bestimmt, beherrscht. Seine rebelli- schen Schüler nehmen dies von ihm [...]

Anmerkung (1)


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