5. Die Gesellschaft als bürgerliche Gesellschaft

<331> Wir werden uns bei diesem Kapitel etwas länger aufhalten, weil es, nicht ohne Absicht, das konfuseste aller "im Buche" enthaltenen konfusen Kapitel

<332>

ist, und weil es zugleich am glänzendsten beweist, wie wenig es unsrem Heiligen gelingt, die Dinge in ihrer profanen Gestalt kennenzulernen. Statt sie zu profanieren, heiligt er sie, indem er nur seine eigne heilige Vorstellung dem Leser "zugute kommen läßt". Ehe wir auf die eigentliche bürgerliche Gesellschaft kommen, werden wir noch über das Eigentum überhaupt und in seinem Verhältnis zum Staat einige neue Aufschlüsse vernehmen. Diese Aufschlüsse erscheinen um so neuer, als sie Sankt Sancho Gelegenheit geben, seine beliebtesten Gleichungen über Recht und Staat wieder anzubringen und dadurch seiner "Abhandlung" "mannigfaltigere Wandlungen" und "Brechungen zu geben. Wir brauchen natürlich bloß die letzten Glieder dieser schon dagewesenen Gleichungen zu zitieren, da der Leser sich aus dem Kapitel "Meine Macht" ihres Zusammenhanges noch erinnern wird.

Privateigentum oder

bürgerliches Eigentum

=

nicht Mein Eigentum,
 

=

Heiliges Eigentum
 

=

Fremdes Eigentum
 

=

Respektiertes Eigentum oder Respekt vor dem Fremden Eigentum
 

=

Eigentum des Menschen (p. 327, 369).
Aus diesen Gleichungen ergeben sich zugleich folgende Antithesen:

Eigentum im bürgerlichen Sinne

-

Eigentum im egoistischen Sinne. (p. 327)

Eigentum des Menschen

-

"Eigentum Meiner".

("Menschliche Habe"

-

Meine Habe) p. 324.

Gleichungen: der Mensch

=

Recht
 

=

Staatsgewalt.

Privateigentum oder bürgerliches Eigentum

}

=

Rechtliches Eigentum (p. 324),
 

=

Mein durch das Recht (p. 332),
 

=

garantiertes Eigentum,
 

=

Eigentum von Fremden,
 

=

dem Fremden angehöriges Eigentum,
 

=

Rechtseigentum (p. 367, 332),
 

=

ein Rechtsbegriff,
 

=

Etwas Geistiges,
 

=

Allgemeines,

<333>

=

Fiktion,
 

=

reiner Gedanke,
 

=

fixe Idee,
 

=

Gespenst,
 

=

Eigentum des Gespenstes (p. 368, 324, 332, 367, 369).

Privateigentum

=

Eigentum des Rechts.

Recht

=

Gewalt des Staats.

Privateigentum

=

Eigentum in der Gewalt des Staats
 

=

Staatseigentum, oder auch

Eigentum

=

Staatseigentum.

Staatseigentum

=

Nichteigentum Meiner.

Staat

=

der allgemeine Eigentümer (p. 339, 334).
Wir kommen jetzt zu den Antithesen.

Privateigentum

-

Egoistisches Eigentum

Vom Recht (Staat, dem Menschen) zum Eigentum berechtigt

}

-

{

Von Mir zum Eigentum ermächtigt. p. 339.

Mein durch das Recht

=

Mein durch meine Macht oder Gewalt (p. 332).

Vom Fremden gegebenes Eigentum

}

-

{

Von Mir genommenes Eigentum (p. 339).

Rechtliches Eigentum Anderer

-

Rechtliches Eigentum des Andern ist, was Mir Recht ist (p. 339),
was in hundert andern Formeln, wenn man z.B. Vollmacht statt Macht setzt oder schon dagewesene Formeln anwendet, wiederholt werden kann.

Privateigentum = Fremdheit am Eigentum aller Andern

}

-

{

Mein Eigentum = Eigentum am Eigentum aller Andern
 

oder auch:

 

Eigentum an Einigem

=

Eigentum an Allem (p. 343).
Die Entfremdung als Beziehung oder Kopula in den obigen Gleichungen kann auch in folgenden Anthithesen ausgedrückt werden:

<334>

Privateigentum

-

egoistisches Eigentum

"Sich auf das Eigentum als Heiliges, Gespenst, beziehen", "es respektieren",

"Respekt vor dem Eigentum haben"
(p. 324).

}

-

{

"Die heilige Beziehung zum Eigentum aufgeben",

es nicht mehr als fremd betrachten,

vor dem Gespenst sich nicht mehr fürchten,

keinen Respekt vor dem Eigentum haben,

Das Eigentum der Respektlosigkeit haben (p. 368, 340, 343).

Die in obigen Gleichungen und Antithesen enthaltenen Modi der Aneignung werden erst beim "Verein" ihre Erledigung finden; da wir uns einstweilen noch in der "heiligen Gesellschaft" befinden, so geht uns hier nur die Kanonisation an.

Note. Warum die Ideologen das Eigentumsverhältnis als ein Verhältnis "des Menschen" fassen können, dessen verschiedene Form in verschiedenen Epochen sich danach bestimmt, wie die Individuen sich "den Menschen" vorstellen, das ist schon bei der "Hierarchie" behandelt worden. Wir brauchen hier nur darauf zurückzuverweisen.

Abhandlung I: Über Parzellierung des Grundbesitzes, Ablösung der Servituten und Verschlingung des kleinen Grundeigentums durch das große.

Diese Sachen werden Alle aus dem heiligen Eigentum und der Gleichung bürgerliches Eigentum = Respekt vor dem Heiligen entwickelt.

1. "Eigentum im bürgerlichen Sinn bedeutet heiliges Eigentum, derart, daß Ich Dein Eigentum respektieren muß. 'Respekt vor dem Eigentum!' Daher möchten die Politiker, daß Jeder sein Stückchen Eigentum besäße, und haben durch dies Bestreben zum Teil eine unglaubliche Parzellierung herbeigeführt." p. 327, 328. - 2. "Die politischen Liberalen tragen Sorge, daß womöglich alle Servituten abgelöst werden und Jeder freier Herr auf seinem Grunde sei, wenn dieser Grund auch nur soviel Bodengehalt hat" (der Grund hat Bodengehalt!), "als von dem Dünger Eines Menschen sich hinlänglich düngen läßt ... Sei es auch noch so klein, wenn man nur Eigenes, nämlich ein respektiertes Eigentum hat. Je mehr solcher Eigner, desto mehr freie Leute und gute Patrioten hat der Staat." p. 328. - 3. "Es rechnet der politische Liberalismus, wie alles Religiöse, auf den Respekt, die Humanität, die Liebestugenden. Darum lebt er auch in unaufhörlichem Ärger. Denn in der Praxis respektieren die Leute Nichts, und alle Tage werden die kleinen Besitzungen wieder von größeren Eigentümern aufgekauft, und aus den 'freien Leuten' werden Tagelöhner. Hätten dagegen die 'kleinen Eigentümer'

<335>

bedacht, daß auch das große Eigentum das Ihrige sei, so hätten sie sich nicht selber respektvoll davon ausgeschlossen und würden nicht ausgeschlossen worden sein." p. 328.

1. Zuerst wird hier also die ganze Bewegung der Parzellierung, von der Sankt Sancho nur weiß, daß sie das Heilige ist, aus einer bloßen Einbildung erklärt, die "die Politiker" "sich in den Kopf gesetzt haben". Weil "die Politiker" "Respekt vor dem Eigentum" verlangen, daher "möchten" sie die Parzellierung, die noch dazu überall durch das Nichtrespektieren des fremden Eigentums durchgesetzt worden ist! "Die Politiker" haben "zum Teil eine unglaubliche Parzellierung" wirklich "herbeigeführt". Es war also die Tat der "Politiker", daß in Frankreich schon vor der Revolution, wie noch heutzutage in Irland und teilweise in Wales, die Parzellierung in Beziehung auf die Kultur des Bodens längst bestand und zur Einführung der großen Kultur die Kapitalien und alle übrigen Bedingungen mangelten. Wie sehr übrigens "die Politiker" die Parzellierung heutzutage durchführen "möchten", kann Sankt Sancho daraus ersehen, daß sämtliche französische Bourgeois mit der Parzellierung, sowohl weil sie die Konkurrenz der Arbeiter unter sich verringert, wie aus politischen Gründen, unzufrieden sind; ferner daraus, daß sämtliche Reaktionäre (was Sancho schon aus des alten Arndt "Erinnerungen" ersehen konnte) in der Parzellierung weiter nichts sahen als die Verwandlung des Grundeigentums in modernes, industrielles, verschacherbares, entheiligtes Eigentum. Aus welchen ökonomischen Gründen die Bourgeois diese Verwandlung durchführen müssen, sobald sie zur Herrschaft kommen - eine Verwandlung, die ebensogut durch die Aufhebung der über den Profit überschießenden Grundrente wie durch die Parzellierung geschehen kann -, das ist unsrem Heiligen hier nicht weiter auseinanderzusetzen. Ebensowenig ist ihm auseinanderzusetzen, wie die Form, in der diese Verwandlung geschieht, von der Stufe abhängt, worauf die Industrie, der Handel, die Schiffahrt pp. eines Landes stehen. Die obigen Sätze über Parzellierung sind weiter nichts als eine bombastische Umschreibung des einfachen Faktums, daß an verschiedenen Orten, "hie und da", eine große Parzellierung existiert - ausgedrückt in der kanonisierenden Redeweise unsres Sancho, die auf Alles und Nichts paßt. Im übrigen enthalten Sanchos obige Sätze nur die Phantasien des deutschen Kleinbürgers über die Parzellierung, die für ihn allerdings das Fremde, "das Heilige" ist. Vgl. polit[ischen] Liberalismus.

2. Die Ablösung der Servituten, eine Misère, die nur in Deutschland vorkommt, wo die Regierungen nur durch den fortgeschrittenen Zustand der Nachbarländer und durch Finanzverlegenheiten dazu gezwungen wurden, gilt hier unserm Heiligen für Etwas, das "die politischen Liberalen" wollen,

<336>

um "freie Leute und gute Bürger" zu erzeugen. Sanchos Horizont reicht wieder nicht über den pommerschen Landtag und die sächsische Abgeordnetenkammer hinaus. Diese deutsche Servituten-Ablösung hat nie zu irgendeinem politischen oder ökonomischen Resultat geführt und blieb als halbe Maßregel überhaupt ohne alle Wirkung. Von der historisch wichtigen Ablösung der Servituten im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert, die aus der beginnenden Entwicklung des Handels, der Industrie und dem Geldbedürfnis der Grundbesitzer hervorging, weiß Sancho natürlich wieder Nichts. - Dieselben Leute, die in Deutschland die Servituten ablösen wollten, um, wie Sancho glaubt, gute Bürger und freie Leute zu machen, wie z.B. Stein und Vincke, fanden nachher, daß, um "gute Bürger und freie Leute" zu erzeugen, die Servitute wieder hergestellt werden müßten, wie dies eben jetzt in Westfalen versucht wird. Woraus folgt, daß der "Respekt" wie die Furcht Gottes zu allen Dingen nütze ist.

3. Das "Aufkaufen" des kleinen Grundbesitzes durch die "großen Eigentümer" findet nach Sancho statt, weil der "Respekt vor dem Eigentum" in der Praxis nicht stattfindet. Zwei der alltäglichsten Folgen der Konkurrenz, Konzentration und Akkaparement, überhaupt die Konkurrenz, die ohne Konzentration nicht existiert, erscheinen hier unsrem Sancho als Verletzungen des bürgerlichen, in der Konkurrenz sich bewegenden Eigentums. Das bürgerliche Eigentum wird dadurch schon verletzt, daß es existiert. Man darf nach Sancho Nichts kaufen, ohne das Eigentum anzugreifen (66). Wie tief Sankt Sancho die Konzentration des Grundbesitzes durchschaut hat, geht schon daraus hervor, daß er nur den augenscheinlichsten Akt der Konzentration, das bloße "Aufkaufen" darin sieht. Inwiefern übrigens die kleinen Eigentümer dadurch aufhören, Eigentümer zu sein, daß sie Taglöhner werden, ist nach Sancho nicht abzusehen. Sancho entwickelt ja selbst auf der nächsten Seite (p. 329) höchst feierlich gegen Proudhon, daß sie "Eigentümer des ihnen verbleibenden Anteils am Nutzen des Ackers", nämlich des Arbeitslohns, bleiben. "Es will mitunter etwa in der Geschichte gefunden werden", daß abwechselnd der große Grundbesitz den kleinen und der kleine den großen verschlingt, zwei Erscheinungen, die sich für Sankt Sancho friedfertig in den zureichenden Grund auflösen, daß "in der Praxis die Leute Nichts respektieren". Dasselbe gilt von den übrigen vielfachen Gestalten des Grundeigentums. Und dann

<337>

das weise "hätten die kleinen Eigentümer" usw.! Im "Alten Testament" sahen wir, wie Sankt Sancho nach spekulativer Manier die Früheren die Erfahrungen der Späteren bedenken ließ; jetzt sehen wir, wie er sich nach Kannegießer-Manier darüber beklagt, daß die Früheren nicht nur die Gedanken der Späteren über sie, sondern auch seinen eignen Unsinn nicht bedachten. Welche Schulmeister-"Jescheitheit"! Hätten die Terroristen bedacht, daß sie Napoleon auf den Thron bringen würden - hätten die englischen Barone von Runnymede und der Magna Charta bedacht, daß 1849 die Korngesetze abgeschafft werden würden - hätte Krösus bedacht, daß Rothschild ihn an Reichtum übertreffen würde - hätte Alexander der Große bedacht, daß Rotteck ihn beurteilen und sein Reich den Türken in die Hände fallen würde - hätte Themistokles bedacht, daß er die Perser im Interesse Ottos des Kindes schlagen würde - hätte Hegel bedacht, daß er auf eine so "kommune" Weise von Sankt Sancho exploitiert werden würde - hätte, hätte, hätte! Von welchen "kleinen Eigentümern" bildet sich Sankt Sancho denn ein zu sprechen? Von den eigentumslosen Bauern, welche durch Zerschlagen des großen Grundbesitzes erst zu "kleinen Eigentümern" wurden, oder von denen, die heutzutage von der Konzentration ruiniert werden? In beiden Fällen sieht Sankt Sancho sich so ähnlich wie ein Ei dem andern. Im ersten Falle schlossen sie sich ganz und gar nicht vom "großen Eigentum" aus, sondern nahmen es Jeder so weit in Besitz, als er von den Andern nicht ausgeschlossen wurde und Vermögen hatte. Dies Vermögen war aber nicht das Stirnersche renommistische Vermögen, sondern ein durch ganz empirische Verhältnisse bedingtes, z.B. durch ihre und die ganze bisherige Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, die Lokalität und ihren größeren oder geringeren Zusammenhang mit der Nachbarschaft, die Größe des in Besitz genommenen Grundstücks und die Zahl derer, die es sich aneigneten, die Verhältnisse der Industrie, des Verkehrs, die Kommunikationsmittel und Produktionsinstrumente ppp. Wie wenig sie sich ausschließend gegen das große Grundeigentum verhielten, geht schon daraus hervor, daß viele unter ihnen selbst große Grundbesitzer wurden. Sancho macht sich selbst vor Deutschland lächerlich mit seiner Zumutung, diese Bauern hätten damals die Parzellierung, die noch gar nicht existierte und die damals die einzig revolutionäre Form für sie war, überspringen und mit einem Satze in seinen mit sich einigen Egoismus sich lancieren sollen. Von seinem Unsinn gar nicht zusprechen, war es ihnen nicht möglich, sich kommunistisch zu organisieren, da ihnen alle Mittel abgingen, die erste Bedingung einer kommunistischen Assoziation, die gemeinsame Bewirtschaftung, durchzuführen, und da die Parzellierung vielmehr nur Eine der Bedingungen war, welche das Bedürfnis für eine solche

<338>

Assoziation später hervorriefen. Überhaupt kann eine kommunistische Bewegung nie vom Lande, sondern immer nur von den Städten ausgehen

Im zweiten Falle, wenn Sankt Sancho von den ruinierten kleinen Eigentümern spricht - haben diese immer noch ein gemeinsames Interesse mit den großen Grundeigentümern gegenüber der ganz besitzlosen Klasse und gegenüber der industriellen Bourgeoisie. Und falls dies gemeinsame Interesse nicht stattfindet, fehlt ihnen die Macht, sich das große Grundeigentum anzueignen, weil sie zerstreut wohnen und ihre ganze Tätigkeit und Lebenslage ihnen eine Vereinigung, die erste Bedingung einer solchen Aneignung, unmöglich macht und eine solche Bewegung wieder eine viel allgemeinere voraussetzt, die gar nicht von ihnen abhängt. - Schließlich kommt Sanchos ganze Tirade darauf hinaus, daß sie sich bloß den Respekt vor dem Eigentum Andrer aus dem Kopf schlagen sollen. Hiervon werden wir weiter unten noch ein geringes Wörtlein vernehmen.

Nehmen wir schließlich noch den Einen Satz ad acta <zu den Akten>: "in der Praxis respektieren die Leute eben Nichts"; so daß es doch am "Respekt" "eben" nicht zu liegen scheint.

Abhandlung Nr. 2: Privateigentum, Staat und Recht.

"Hätte, hätte, hätte!"

"Hätte" Sankt Sancho für einen Augenblick die kursierenden Gedanken der Juristen und Politiker über das Privateigentum, wie die Polemik dagegen, beiseite liegenlassen, hätte er dies Privateigentum einmal in seiner empirischen Existenz, in seinem Zusammenhange mit den Produktivkräften der Individuen gefaßt, so würde seine ganze Weisheit Salomonis, mit der er uns jetzt unterhalten wird, sich in Nichts aufgelöst haben. Es "hätte" ihm dann schwerlich entgehen können (obwohl er, wie Habakuk capable de tout <zu allem fähig> ist), daß das Privateigentum eine für gewisse Entwicklungsstufen der Produktivkräfte notwendige Verkehrsform ist, eine Verkehrsform, die nicht eher abgeschüttelt, nicht eher zur Produktion des unmittelbaren materiellen Lebens entbehrt werden kann, bis Produktivkräfte geschaffen sind, für die das Privateigentum eine hemmende Fessel wird. Es "hätte" dann auch dem Leser nicht entgehen können, daß Sancho sich auf materielle Verhältnisse einlassen mußte, statt die ganze Welt in ein System der theologischen Moral aufzulösen, um diesem ein neues System egoistisch sein sollender Moral entgegenzustellen. Es "hätte" ihm nicht entgehen können, daß es sich um ganz andre Dinge als den "Respekt" und Despekt handelte. "Hätte, hätte, hätte!"

Dies "hätte" ist übrigens nur ein Nachklang des obigen Sanchoschen

<339>

Satzes; denn "hätte" Sancho dies Alles getan, so hätte er allerdings sein Buch nicht schreiben können.

Indem Sankt Sancho die Illusion der Politiker, Juristen und sonstigen Ideologen, die alle empirischen Verhältnisse auf den Kopf stellt, auf Treu und Glauben akzeptiert und noch in deutscher Weise von dem Seinigen hinzutut, verwandelt sich ihm das Privateigentum in Staatseigentum, resp. Rechtseigentum, an dem er nun ein Experiment zur Rechtfertigung seiner obigen Gleichungen machen kann. Sehen wir uns zuerst die Verwandlung des Privateigentums in Staatseigentum an.

"Über das Eigentum entscheidet nur die Gewalt" (über die Gewalt entscheidet einstweilen vielmehr das Eigentum), "und da der Staat, gleichviel ob Staat der Bürger, Staat der Lumpe" (Stirnerscher "Verein") "oder Staat der Menschen schlechthin der allein Gewaltige ist, so ist er allein Eigentümer." p. 333.

Neben der Tatsache des deutschen "Staats der Bürger" figurieren hier wieder Sanchosche und Bauersche Hirngespinste in gleicher Ordnung, während die historisch bedeutenden Staatsbildungen nirgends zu finden sind. Er verwandelt den Staat zunächst in eine Person, "den Gewaltigen". Das Faktum, daß die herrschende Klasse ihre gemeinschaftliche Herrschaft zur öffentlichen Gewalt, zum Staat konstituiert, versteht und verdreht er in deutsch-kleinbürgerlicher Weise dahin, daß "der Staat" sich als eine dritte Macht gegen diese herrschende Klasse konstituiert und alle Gewalt ihr gegenüber in sich absorbiert. Er wird jetzt seinen Glauben an einer Reihe von Exempeln bewähren.

Wenn das Eigentum unter der Herrschaft der Bourgeoisie wie zu allen Zeiten an gewisse, zunächst ökonomische, von der Entwicklungsstufe der Produktivkräfte und des Verkehrs abhängige Bedingungen geknüpft ist, Bedingungen, die notwendig einen juristischen und politischen Ausdruck erhalten - so glaubt Sankt Sancho in seiner Einfalt, "der Staat knüpfe den Besitz des Eigentums" (car tel est son bon plaisir <denn so beliebt es ihm>) "an Bedingen, wie er Alles daran knüpft, z.B. die Ehe". p. 335.

Weil die Bourgeois dem Staat nicht erlauben, sich in ihre Privatinteressen einzumischen, und ihm nur soviel Macht geben, als zu ihrer eignen Sicherheit und der Aufrechthaltung der Konkurrenz nötig ist, weil die Bourgeois überhaupt nur insofern als Staatsbürger auftreten, als ihre Privatverhältnisse gebieten, glaubt Jacques le bonhomme, daß sie vor dem Staate "Nichts sind".

<340>

"Der Staat hat nur ein Interesse daran, selbst reich zu sein; ob Michel reich und Peter arm ist, gilt ihm gleich - - sie sind Beide vor ihm Nichts." p. 334.

Dieselbe Weisheit schöpft er p. 345 aus der Duldung der Konkurrenz im Staat.

Wenn eine Eisenbahndirektion sich bloß um die Aktionäre zu kümmern hat, insofern sie ihre Einzahlungen leisten und ihre Dividenden empfangen, so schließt der Berliner Schulmeister in seiner Unschuld, daß die Aktionäre "vor ihr Nichts sind, wie wir vor Gott allzumal Sünder sind". Aus der Ohnmacht des Staats dem Treiben der Privateigentümer gegenüber beweist Sancho die Ohnmacht der Privateigentümer gegenüber dem Staat und seine eigne Ohnmacht gegenüber Beiden.

Ferner. Weil die Bourgeois die Verteidigung ihres Eigentums im Staat organisiert haben und "Ich" daher "jenem Fabrikanten" seine Fabrik nicht abnehmen kann, außer innerhalb der Bedingungen der Bourgeoisie, d.h. der Konkurrenz - glaubt Jacques le bonhomme:

"Der Staat hat die Fabrik als Eigentum, der Fabrikant nur als Lehen, als Besitztum." p.347.

Ebenso "hat" der Hund, der mein Haus bewacht, das Haus "als Eigentum", und Ich habe es nur "als Lehen, als Besitztum" vom Hunde.

Weil die verdeckten materiellen Bedingungen des Privateigentums häufig in Widerspruch treten müssen mit der juristischen Illusion über das Privateigentum, wie sich z.B. bei Expropriationen zeigt, so schließt Jacques le bonhomme daraus, daß

"hier das sonst verdeckte Prinzip, daß nur der Staat Eigentümer sei, der Einzelne hingegen Lehnsträger, deutlich in die Augen springt". p. 335.

Es "springt hier nur in die Augen", daß unserm wackern Bürger die profanen Eigentumsverhältnisse hinter der Decke "des Heiligen" aus den Augen gesprungen sind und daß er sich noch immer aus China eine "Himmelsleiter" borgen muß, um eine "Sprosse der Kultur" zu "erklimmen", auf der in zivilisierten Ländern sogar die Schulmeister stehen. Wie hier Sancho die zur Existenz des Privateigentums gehörigen Widersprüche zur Negation des Privateigentums macht, so verfuhr er, wie wir oben sahen, mit den Widersprüchen innerhalb der bürgerlichen Familie.

Wenn die Bourgeois, überhaupt alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft, genötigt sind, sich als Wir, als moralische Person, als Staat zu konstituieren, um ihre gemeinschaftlichen Interessen zu sichern, und ihre dadurch hervorgebrachte Kollektivgewalt schon um der Teilung der Arbeit willen an Wenige delegieren, so bildet sich Jacques le bonhomme ein, daß

<341>

"Jeder nur so lange den Nießbrauch des Eigentums hat, als er das Ich des Staats in sich trägt oder ein loyales Glied der Gesellschaft ist ... Wer ein Staats-Ich, d.h. ein guter Bürger oder Untertan ist, der trägt als solches Ich, nicht als eignes, das Lehen ungestört." p. 334. 335.

Auf diese Weise hat Jeder nur so lange den Besitz einer Eisenbahnaktie, als er "das Ich" der Direktion "in sich trägt", wonach man also nur als Heiliger eine Eisenbahnaktie besitzen kann.

Nachdem Sankt Sancho auf diese Weise die Identität des Privat- und Staatseigentums sich weisgemacht hat, kann er fortfahren:

"Daß der Staat nicht willkürlich dem Einzelnen entzieht, was er vom Staate hat, ist nur dasselbe wie dies, daß der Staat sich selbst nicht beraubt." p. 334, 335.

Daß Sankt Sancho nicht willkürlich Anderen ihr Eigentum raubt, ist nur dasselbe wie dies, daß Sankt Sancho sich selbst nicht beraubt, da er ja alles Eigentum als das seinige "ansieht".

Auf Sankt Sanchos übrige Phantasien über Staat und Eigentum, z.B. daß der Staat die Einzelnen durch Eigentum "kirrt" und "belohnt", daß er aus besonderer Malice die hohe Sporteltaxe erfunden habe, um die Bürger zu ruinieren, wenn sie nicht loyal seien etc. etc., überhaupt auf die kleinbürgerlich-deutsche Vorstellung von der Allmacht des Staats, eine Vorstellung, die bereits bei den alten deutschen Juristen durchläuft und hier in hochtrabenden Beteuerungen sich aufspreizt, kann man uns nicht zumuten, weiter einzugehn.

Seine hinreichend nachgewiesene Identität von Staats- und Privateigentum sucht er schließlich noch durch etymologische Synonymik darzutun, wobei er seiner Gelehrsamkeit indes en ambas posaderas schlägt.

"Mein Privateigentum ist nur Dasjenige, was der Staat Mir von dem Seinigen überläßt, indem er andere Staatsglieder darum verkürzt (priviert): es ist Staatseigentum." p. 339.

Zufällig verhält sich die Sache gerade umgekehrt. Das Privateigentum in Rom, worauf sich der etymologische Witz allein beziehen kann, stand im direktesten Gegensatz zum Staatseigentum. Der Staat gab allerdings den Plebejern Privateigentum, verkürzte dagegen nicht "Andre" um ihr Privateigentum, sondern diese Plebejer selbst um ihr Staatseigentum (ager publicus <Land, das sich in öffentlichem Besitz befand>) und ihre politischen Rechte, und deshalb hießen sie selbst privati, Beraubte, nicht aber jene phantastischen "andern Staatsglieder", von denen Sankt Sancho träumt. Jacques le bonhomme blamiert sich in allen Ländern,

<342>

allen Sprachen und allen Epochen, sobald er auf positive Fakta zu sprechen kommt, von denen "das Heilige" keine aprioristische Kenntnis haben kann.

Die Verzweiflung darüber, daß der Staat alles Eigentum absorbiert, treibt ihn in sein innerstes "empörtes" Selbstbewußtsein zurück, wo er durch die Entdeckung überrascht wird, daß er Literat ist. Er drückt diese Verwunderung in folgenden merkwürdigen Worten aus:

"Im Gegensatz zum Staat fühle Ich immer deutlicher, daß Mir noch eine große Gewalt übrig bleibt, die Gewalt über Mich selbst";

was weiter dahin ausgeführt wird:

"An Meinen Gedanken habe Ich ein wirkliches Eigentum, womit Ich Handel treiben kann." p. 339.

Der "Lump" Stirner, der "Mensch von nur ideellem Reichtum", kommt also auf den verzweifelten Entschluß, mit der geronnenen, sauer gewordenen Milch seiner Gedanken Handel zu treiben. Und wie schlau fängt er es an, wenn der Staat seine Gedanken für Contrebande erklärt? Horcht:

"Ich gebe sie auf" (allerdings sehr weise) "und tausche Andere für sie ein" (d.h. falls Jemand ein so schlechter Geschäftsmann sein sollte, seine Gedankenwechsel anzunehmen), "die dann Mein neues, erkauftes Eigentum sind." p. 339.

Der ehrliche Bürger beruhigt sich nicht eher, als bis er es schwarz auf weiß besitzt, daß er sein Eigentum redlich erkauft hat. Siehe da den Trost des Berliner Bürgers in allen seinen Staatsnöten und Polizeitrübsalen: "Gedanken sind zollfrei!"

Die Verwandlung des Privateigentums in Staatseigentum reduziert sich schließlich auf die Vorstellung, daß der Bourgeois nur besitzt als Exemplar der Bourgeoisgattung, die in ihrer Zusammenfassung Staat heißt und den Einzelnen mit Eigentum belehnt. Hier steht die Sache wieder auf dem Kopf. In der Bourgeoisklasse, wie in jeder anderen Klasse, sind nur die persönlichen Bedingungen zu gemeinschaftlichen und allgemeinen entwickelt, unter denen die einzelnen Mitglieder der Klasse besitzen und leben. Wenn auch früher dergleichen philosophische Illusionen in Deutschland kursieren konnten, so sind sie doch jetzt vollständig lächerlich geworden, seitdem der Welthandel hinlänglich bewiesen hat, daß der bürgerliche Erwerb ganz unabhängig von der Politik, die Politik dagegen gänzlich abhängig vom bürgerlichen Erwerb ist. Schon im achtzehnten Jahrhundert war die Politik so sehr vorn Handel abhängig, daß z.B., als der französische Staat eine Anleihe machen wollte, ein Privatmann für den Staat den Holländern gutsagen mußte.

<343>

Daß die "Wertlosigkeit Meiner" oder "der Pauperismus" die "Verwertung" oder das "Bestehen" des "Staats" ist (p. 336), ist eine der 1001 Stirnerschen Gleichungen, die wir hier bloß deshalb erwähnen, weil wir bei dieser Gelegenheit einige Neuigkeiten über den Pauperismus hören.

"Der Pauperismus ist die Wertlosigkeit Meiner, die Erscheinung, daß ich Mich nicht verwerten kann. Deshalb ist Staat und Pauperismus Ein und Dasselbe ... Der Staat geht allezeit darauf aus, von Mir Nutzen zu ziehen, d.h. Mich zu exploitieren, auszubeuten, zu verbrauchen, bestände diese Versuch auch nur darin, daß Ich für eine Proles <Nachkommenschaft> sorge (Proletariat). Er will, ich soll seine Kreatur sein." p. 336.

Abgesehen davon, daß sich hier zeigt, wie wenig es von ihm abhängt, sich zu verwerten. obgleich er seine Eigenheit überall und immer durchsetzen kann, daß hier abermals Wesen und Erscheinung im Gegensatz zu den früheren Behauptungen ganz voneinander getrennt werden, kommt die obige kleinbürgerliche Ansicht unsres Bonhomme wieder zutage, daß "der Staat" ihn exploitieren will. Uns interessiert nur noch die altrömische etymologische Abstammung des Proletariats, die hier naiverweise in den modernen Staat eingeschmuggelt wird. Sollte Sankt Sancho wirklich nicht Wissen, daß überall wo der moderne Staat sich entwickelt hat, das "Sorgen für eine Proles" dem Staat d.h. den offiziellen Bourgeois, gerade die unangenehmst Tätigkeit des Proletariats ist? Sollte er nicht etwa zu seinem eignen Besten auch Malthus und den Minister Duchâtel ins Deutsche übersetzen? Sankt Sancho "fühlte" vorhin "immer deutlicher", als deutscher Kleinbürger, daß ihm "im Gegensatz zum Staat noch eine große Macht blieb", nämlich dem Staat zum Trotz sich Gedanken zu machen. Wäre er ein englischer Proletarier, so würde er gefühlt haben, daß ihm "die Macht blieb", dem Staat zum Trotz Kinder zu machen.

Weitere Jeremiade gegen den Staat! Weitere Theorie des Pauperismus! Er "schafft" zunächst als "Ich" "Mehl, Leinwand oder Eisen und Kohlen", womit er die Teilung der Arbeit von vornherein aufhebt. Dann fängt er an, "lange" zu "klagen", daß seine Arbeit nicht nach ihrem Wert bezahlt wird, und gerät zunächst in Konflikt mit den Bezahlenden. Der Staat tritt dann "beschwichtigend" dazwischen.

"Lasse Ich Mir nicht genügen an dem Preise, den er" (nämlich der Staat) "für eine Ware und Arbeit festsetzt, trachte Ich vielmehr, den Preis Meiner Ware selbst bestimmen, d.h. Mich bezahlt zu machen, so gerate Ich zunächst" (großes "Zunchächst" - nicht mit dem Staat, sondern) "mit den Abnehmern der Ware in Konflikt." p. 337.

<344>

Will er nun in ein "direktes Verhältnis" mit diesen Abnehmern treten, d.h. "sie bei den Köpfen fassen", so "interveniert" der Staat, "reißt den Menschen vom Menschen" (obgleich es sich nicht vom "Menschen", sondern vom Arbeiter und Arbeitgeber oder, was er durcheinanderwirft, vom Verkäufer und Käufer der Ware handelte), und zwar tut der Staat dies in der böswilligen Absicht, "um sich als Geist" (jedenfalls heiliger Geist)

"in die Mitte zu stellen. Die Arbeiter, welche höheren Lohn verlangen, werden als Verbrecher behandelt, sobald sie ihn erzwingen wollen." p. 337.

Hier haben wir wieder einmal eine Blütenlese des Unsinns. Herr Senior hätte seine Briefe über den Arbeitslohn sparen können, wenn er sich vorher in ein "direktes Verhältnis" zu Stirner gesetzt hätte; besonders da in diesem Falle der Staat wohl nicht "den Menschen vom Menschen gerissen" haben würde. Sancho läßt hier den Staat dreimal auftreten. Zuerst "beschwichtigend", dann preisbestimmend, zuletzt als "Geist", als das Heilige. Daß Sankt Sancho nach der glorreichen Identifikation des Privat- und Staatseigentums den Staat auch den Arbeitslohn bestimmen läßt, zeugt von gleich großer Konsequenz und Unbekanntschaft mit den Dingen dieser Welt. Daß "die Arbeiter, welche höheren Lohn erzwingen wollen", in England, Amerika und Belgien keineswegs sogleich als "Verbrecher" behandelt werden, sondern im Gegenteil oft genug diesen Lohn wirklich erzwingen, ist ebenfalls ein unsrem Heiligen unbekanntes Faktum und zieht durch seine Legende vom Arbeitslohn einen großen Strich. Daß die Arbeiter, selbst wenn der Staat nicht "in die Mitte träte", wenn sie ihre Arbeitgeber "bei den Köpfen fassen", damit noch gar nichts gewinnen, noch viel weniger als durch Assoziationen und Arbeitseinstellungen, solange sie nämlich Arbeiter und ihre Gegner Kapitalisten bleiben - das ist ebenfalls ein Faktum, das selbst in Berlin einzusehen wäre. Daß die bürgerliche Gesellschaft, die auf der Konkurrenz beruht, und ihr Bourgeoisstaat ihrer ganzen materiellen Grundlage nach keinen andern als einen Konkurrenzkampf unter den Bürgern zulassen können und nicht als "Geist", sondern mit Bajonetten dazwischentreten müssen, wenn die Leute sich "an den Köpfen fassen", braucht ebenfalls nicht auseinandergesetzt zu werden.

Übrigens stellt Stirners Einfall, daß nur der Staat reicher werde, wenn die Individuen auf der Basis des bürgerlichen Eigentums reicher werden, oder daß bisher alles Privateigentum Staatseigentum gewesen sei, das historische Verhältnis wieder auf den Kopf. Mit der Entwicklung und Akkumulation des bürgerlichen Eigentums, d.h. mit der Entwicklung des Handels und der Industrie wurden die Individuen immer reicher, während der Staat immer verschuldeter ward. Dies Faktum trat schon hervor in den ersten italie-

<345>

nischen Handelsrepubliken, zeigte sich später in seiner Spitze in Holland seit dem vorigen Jahrhundert, wo der Fondsspekulant Pinto schon 1750 darauf aufmerksam machte, und findet jetzt wieder statt in England. Es zeigt sich daher auch, daß, sobald die Bourgeoisie Geld gesammelt hat, der Staat bei ihr betteln gehen muß und endlich von ihr geradezu an sich gekauft wird. Dies findet in einer Periode statt, in welcher die Bourgeoisie noch eine andre Klasse sich gegenüberstehen hat, wo also der Staat zwischen Beiden den Schein einer gewissen Selbständigkeit behalten kann. Der Staat bleibt selbst nach diesem Ankauf immer noch geldbedürftig und dadurch von den Bourgeois abhängig, kann aber dennoch, wenn es das Interesse der Bourgeois erfordert, immer über mehr Mittel verfügen als andre, weniger entwickelte und daher weniger verschuldete Staaten. Aber selbst die unentwickeltsten Staaten Europas, die der Heiligen Allianz, gehen diesem Schicksal unaufhaltsam entgegen und werden von den Bourgeois angesteigert werden; wo sie sich dann von Stirner mit der Identität von Privateigentum und Staatseigentum vertrösten lassen können, namentlich sein eigner Souverän, der vergebens die Stunde des Verschacherns der Staatsmacht an die "böse" gewordnen "Bürger hinzuhalten strebt.

Wir kommen jetzt zu dem Verhältnis von Privateigentum und Recht, wo wir dieselben Siebensachen in anderer Form wieder hören. Die Identität von Staats- und Privateigentum erhält eine scheinbar neue Wendung. Die politische Anerkennung des Privateigentums im Recht wird als Basis des Privateigentums ausgesprochen.

"Das Privateigentum lebt von der Gnade des Rechts. Nur im Rechte hat es seine Gewähr - Besitz ist ja noch nicht Eigentum, es wird erst das Meinige durch Zustimmung des Rechts -; es ist keine Tatsache, sondern eine Fiktion, ein Gedanke. Das ist das Rechtseigentum, rechtliches Eigentum, garantiertes Eigentum; nicht durch Mich Ist es Mein, sondern durchs - Recht." p. 332.

Dieser Satz treibt nur den schon dagewesenen Unsinn vom Staatseigentum auf eine noch komischere Höhe. Wir gehen daher gleich auf Sanchos Exploitation des fiktiven jus utendi et abutendi <das Recht, das Seinige zu gebrauchen und zu verbrauchen (auch: zu mißbrauchen)> über.

p. 332 erfahren wir außer der obigen schönen Sentenz, daß das Eigentum "die unumschränkte Gewalt über etwas ist, womit Ich schalten und walten kann nach Gutdünken". "Die Gewalt ist aber "nicht ein für sich Existierendes, sondern lediglich im gewaltigen Ich, in Mir, dem Gewaltigen". p. 366. Das Eigentum ist daher kein "Ding", "nicht dieser Baum, sondern Meine Gewalt, Verfügung über ihn ist die

<346>

Meinige". p. 366. Er kennt bloß "Dinge" oder "Iche". Die "vom Ich getrennte", gegen es verselbständigte, in ein "Gespenst" verwandelte "Gewalt ist das Recht". "Diese verewigte Gewalt" (Abhandlung über das Erbrecht) "erlischt selbst mit Meinem Tode nicht, sondern wird übertragen oder vererbt. Die Dinge gehören nun wirklich nicht Mir, sondern dem Rechte. Andererseits ist dies weiter Nichts als eine Verblendung, denn die Gewalt des Einzelnen wird allein dadurch permanent und ein Recht, daß Andre ihre Gewalt mit der seinigen verbinden. Der Wahn besteht darin, daß sie ihre Gewalt nicht wieder zurückziehen zu können glauben." p. 366, 367. "Ein Hund sieht den Knochen in eines andern Gewalt und steht nur ab, wenn er sich zu schwach fühlt. Der Mensch aber respektiert das Recht des Andern an seinen Knochen ... Und wie hier, so heißt überhaupt dies 'menschlich', wenn man in Allem etwas Geistiges sieht, hier das Recht, d.h. Alles zu einem Gespenste macht und sich dazu als zu einem Gespenste verhält ... Menschlich ist es, das Einzelne nicht als Einzelnes, sondern als ein Allgemeines anzuschauen." p. 368, 369.

Das ganze Unheil entspringt also wieder aus dem Glauben der Individuen an den Rechtsbegriff, den sie sich aus dem Kopfe schlagen sollen. Sankt Sancho kennt nur "Dinge" und "Iche", und von Allem, was nicht unter diese Rubriken paßt, von allen Verhältnissen kennt er nur die abstrakten Begriffe, die sich ihm daher auch in "Gespenster" verwandeln. "Andererseits" dämmert ihm freilich zuweilen, daß dies Alles "weiter Nichts ist als eine Verblendung" und daß "die Gewalt des Einzelnen" sehr davon abhängig ist, ob Andre ihre Gewalt mit der seinigen verbinden. Aber in letzter Instanz läuft Alles doch auf "den Wahn" heraus, daß die Einzelnen "ihre Gewalt nicht wieder zurückziehen zu können glauben". Die Eisenbahn gehört wieder "wirklich" nicht den Aktionären, sondern den Statuten. Sancho gibt gleich ein schlagendes Exempel am Erbrecht. Er erklärt es nicht aus der Notwendigkeit der Akkumulation und der vor dem Recht existierenden Familie, sondern aus der juristischen Fiktion von der Verlängerung der Gewalt. über den Tod hinaus. Diese juristische Fiktion selbst wird von allen Gesetzgebungen immer mehr aufgegeben, je mehr die feudale Gesellschaft in die bürgerliche übergeht. (Vergleiche z.B. den Code Napoleon.) Daß die absolute väterliche Gewalt und das Majorat, sowohl das naturwüchsige Lehnsmajorat wie das spätere, auf sehr bestimmten materiellen Verhältnissen beruhten, braucht hier nicht auseinandergesetzt zu werden. Dasselbe findet bei den antiken Völkern statt in der Epoche der Auflösung des Gemeinwesens durch das Privatleben. (Bester Beweis die Geschichte des römischen Erbrechts.) Sancho konnte überhaupt kein unglücklicheres Beispiel wählen als das Erbrecht, das am allerdeutlichsten die Abhängigkeit des Rechts von den Produktionsverhältnissen zeigt. Vergleich zum Beispiel römisches und germanisches Erbrecht. Ein Hund hat freilich noch nie aus einem Knochen Phosphor, Kno-

<347>

chenmehl oder Kalk gemacht, ebensowenig wie er sich je über sein "Recht" an einen Knochen "etwas in den Kopf gesetzt hat"; Sankt Sancho hat sich ebenfalls nie "in den Kopf gesetzt", darüber nachzudenken, ob nicht das Recht, das die Menschen auf einen Knochen sich vindizieren und die Hunde nicht, mit der Art zusammenhängt, wie die Menschen diesen Knochen produktiv behandeln und die Hunde nicht. Überhaupt haben wir hier an einem Beispiel die ganze Manier der Sanchoschen Kritik und seinen unerschütterlichen Glauben an kurante Illusionen vor uns. Die bisherigen Produktionsverhältnisse der Individuen müssen sich ebenfalls als politische und rechtliche Verhältnisse ausdrücken. (Sieh oben.) Innerhalb der Teilung der Arbeit müssen diese Verhältnisse gegenüber den Individuen sich verselbständigen. Alle Verhältnisse können in der Sprache nur als Begriffe ausgedrückt werden Daß diese Allgemeinheiten und Begriffe als mysteriöse Mächte gelten, ist eine notwendige Folge der Verselbständigung der realen Verhältnisse, deren Ausdruck sie sind. Außer dieser Geltung im gewöhnlichen Bewußtsein erhalten diese Allgemeinheiten noch eine besondere Geltung und Ausbildung von den Politikern und Juristen, die durch die Teilung der Arbeit auf den Kultus dieser Begriffe angewiesen sind und in ihnen, nicht in den Produktionsverhältnissen, die wahre Grundlage aller realen Eigentumsverhältnisse sehen. Diese Illusion adoptiert Sankt Sancho unbesehens, hat es damit fertiggebracht, das rechtliche Eigentum für die Basis des Privateigentums und den Rechtsbegriff für die Basis des rechtlichen Eigentums zu erklären, und kann nun seine ganze Kritik darauf beschränken, den Rechtsbegriff für einen Begriff, ein Gespenst zu erklären. Womit Sankt Sancho fertig ist. Zu seiner Beruhigung kann ihm noch gesagt werden, daß das Verfahren der Hunde, wenn ihrer zwei einen Knochen finden, in allen ursprünglichen Gesetzbüchern als Recht anerkannt wird: vim vi repellere licere <Gewalt kann mit Gewalt abgewehrt werden>, sagen die Pandekten; idque jus natura comparatur <und dieses Recht ist von der Natur gesetzt>, worunter verstanden wird jus quod natura omnia animalia - Menschen und Hunden - docuit <ein Recht, das die Natur alle Lebewesen gelehrt hat>; daß aber später die organisierte Repulsion der Gewalt durch die Gewalt "eben" das Recht ist.

Sankt Sancho, der nun im Zuge ist, dokumentiert seine rechtsgeschichtliche Gelehrsamkeit dadurch, daß er Proudhon seinen "Knochen" streitig macht. Proudhon, sagt er,

"schwindelt uns vor, die Sozietät sei die ursprüngliche Besitzerin und die einzige Eigentümerin von unverjährbarem Rechte; an ihr sei der sogenannte Eigentümer zum Diebe geworden; wenn sie nun dem dermaligen Eigentümer sein Eigentum entziehe,

<348>

so raube sie ihm Nichts, da sie nur ihr unverjährbares Recht geltend mache. So weit kommt man mit dem Spuk der Sozietät als einer moralischen Person." p. 330, 331.

Dagegen will Stirner uns "vorschwindeln", p. 340, 367, 420 und anderwärts, wir, nämlich die Besitzlosen, hätten den Eigentümern ihr Eigentum geschenkt, aus Unkunde, Feigheit oder auch Gutmütigkeit usw., und fordert uns auf, unser Geschenk zurückzunehmen. Zwischen den beiden "Schwindeleien" ist der Unterschied, daß Proudhon sich auf ein historisches Faktum stützt, während Sankt Sancho sich nur etwas "in den Kopf gesetzt" hat, um der Sache eine "neue Wendung" zu geben. Die neueren rechtsgeschichtlichen Forschungen haben nämlich herausgestellt, daß sowohl in Rom wie bei den germanischen, keltischen und slawischen Völkern die Eigentumsentwicklung vom Gemeindeeigentum oder Stammeigentum ausging und das eigentliche Privateigentum überall durch Usurpation entstand, was Sankt Sancho freilich nicht aus der tiefen Einsicht herausklauben konnte, daß der Rechtsbegriff ein Begriff ist. Den juristischen Dogmatikern gegenüber war Proudhon vollständig berechtigt, dies Faktum geltend zu machen und überhaupt sie mit ihren eignen Voraussetzungen zu bekämpfen. "So weit kommt man mit dem Spuk" des Rechtsbegriffs als eines Begriffs. Proudhon könnte nur dann wegen seines obigen Satzes angegriffen werden, wenn er dem über dies ursprüngliche Gemeinwesen hinausgegangenen Privateigentum gegenüber die frühere und rohere Form verteidigt hätte. Sancho resümiert seine Kritik Proudhons in der stolzen Frage:

"Warum so sentimental, als ein armer Beraubter, das Mitleid anrufen?" p. 420.

Die Sentimentalität, die übrigens bei Proudhon nirgends zu finden ist, ist nur der Maritornes gegenüber erlaubt. Sancho bildet sich wirklich ein, ein "ganzer Kerl" zu sein gegenüber einem Gespenstergläubigen wie Proudhon. Er hält seinen aufgedunsenen Kanzleistil, dessen sich Friedrich Wilhelm IV. zu schämen hätte, für revolutionär. "Der Glaube macht selig!"

 p. 340 erfahren wir: "Alle Versuche, über das Eigentum vernünftige Gesetze zu geben, liefen vom Busen der Liebe in ein wüstes Meer von Bestimmungen aus."

Hierzu paßt der gleich abenteuerliche Satz:

"Der bisherige Verkehr beruhte auf der Liebe, dem rücksichtsvollen Benehmen, dem Füreinander-Tun," p. 385.

Sankt Sancho überrascht sich hier selbst mit einem frappanten Paradoxon über das Recht und den Verkehr. Wenn wir uns indes erinnern, daß er unter "der Liebe" die Liebe zu "dem Menschen", überhaupt einem An-und-für-

<349>

sich-Seienden, Allgemeinen, das Verhältnis zu einem Individuum oder Ding als zum Wesen, zu dem Heiligen versteht, so fällt dieser glänzende Schein zusammen. Die obigen Orakelsprüche lösen sich dann in die alten, durch das ganze "Buch" uns ennuyierenden Trivialitäten auf, daß zwei Dinge, von denen Sancho Nichts weiß, nämlich hier das bisherige Recht und der bisherige Verkehr - "das Heilige" sind, und daß überhaupt bisher nur "Begriffe die Welt beherrscht" haben. Das Verhältnis zum Heiligen, sonst "Respekt" genannt, kann auch gelegentlich "Liebe" tituliert werden. (Siehe Logik".)

Nur ein Beispiel, wie Sankt Sancho die Gesetzgebung in ein Liebesverhältnis und den Handel in einen Liebeshandel verwandelt.

"In einer Registrationsbill für Irland stellte die Regierung den Antrag, Wähler diejenigen sein zu lassen, welche fünf Pfund Sterling Armensteuer entrichten. Also wer Almosen gibt, der erwirbt politische Rechte oder wird anderwärts Schwanenritter." p.344.

Zuerst ist hier zu bemerken, daß diese "Registrationshill", die "politische Rechte" verleiht, eine Munizipal- oder Korporationsbill war, oder, um für Sancho verständlich zu sprechen, eine "Städteordnung", die keine "politischen Rechte", sondern städtische Rechte, Wahlrecht für Lokalbeamte, verleihen sollte. Zweitens sollte Sancho, der den MacCulloch übersetzt, doch wohl wissen, was das heißt, "to be assessed to the poor-rates at five pounds". Es heißt nicht "fünf Pfund Armensteuer zahlen", sondern in den Armensteuerrollen als Bewohner eines Hauses eingetragen sein, dessen jährliche Miete fünf Pfund beträgt. Der Berliner Bonhomme weiß nicht, daß die Armensteuer in England und Irland eine lokale Steuer ist, die in jeder Stadt und in jedem Jahre verschieden ist, so daß es eine reine Unmöglichkeit wäre, irgendein Recht an einen bestimmten Steuerbetrag knüpfen zu wollen. Endlich glaubt Sancho, daß die englische und irische Armensteuer ein "Almosen" sei, während sie nur die Geldmittel zu einem offenen und direkten Angriffskrieg der herrschenden Bourgeoisie gegen das Proletariat aufbringt. Sie deckt die Kosten der Arbeitshäuser, die bekanntlich ein Malthusianisches Abschreckungsmittel gegen den Pauperismus sind. Man sieht, wie Sancho "vom Busen der Liebe in ein wüstes Meer von Bestimmungen ausläuft".

Beiläufig bemerkt, mußte die deutsche Philosophie, weil sie nur vom Bewußtsein ausging, in Moralphilosophie verenden, wo dann die verschiedenen Heroen einen Hader um die wahre Moral führen. Feuerbach liebt den Menschen um des Menschen willen, Sankt Bruno liebt ihn, weil er es "verdient" (Wig[and,] p. 137), und Sankt Sancho liebt "Jeden", weil es ihm gefällt, mit dem Bewußtsein des Egoismus ("das Buch", p. 387).

<350>

Wir haben schon oben, in der ersten Abhandlung, gehört, wie die kleinen Grundeigentümer sich respektvoll vom großen Grundeigentum ausschlossen. Dies Sich-Ausschließen vom fremden Eigentum aus Respekt wird überhaupt als Charakter des bürgerlichen Eigentums dargestellt. Aus diesem Charakter weiß Stirner sich zu erklären, warum "innerhalb des Bürgertums trotz seines Sinnes, daß Jeder Eigentümer sei, die Meisten soviel wie Nichts haben". p. 348. Dies "kommt daher, weil die Meisten sich schon darüber freuen, nur überhaupt Inhaber, sei es auch von einigen Lappen, zu sein p. 349.

Daß "die Meisten" nur "einige Lappen" besitzen, erklärt sich Szeliga ganz natürlich aus ihrer Freude an den Lappen.

p. 343: "Ich wäre bloß Besitzer? Nein, bisher war man nur Besitzer, gesichert im Besitze einer Parzelle, dadurch, daß man Andere auch im Besitze einer Parzelle ließ; jetzt aber gehört Alles Mir. Ich bin Eigentümer von Allem, dessen Ich brauche und habhaft werden kann."

Wie Sancho vorhin die kleinen Grundbesitzer sich respektvoll vom großen Grundeigentum ausschließen ließ, jetzt die kleinen Grundbesitzer sich voneinander, so konnte er weiter ins Detail gehen, die Ausschließung des kommerziellen Eigentums vom Grundeigentum, des Fabrikeigentums vom eigentlich kommerziellen usw. durch den Respekt bewerkstelligen lassen und es so zu einer ganz neuen Ökonomie auf der Basis des Heiligen bringen. Er hat sich dann nur den Respekt aus dem Kopf zu schlagen, um die Teilung der Arbeit und die daraus hervorgehende Gestaltung des Eigentums mit Einem Schlage aufzuheben. Zu dieser neuen Ökonomie gibt Sancho p. 128 "des Buchs" einen Beleg, wo er die Nadel nicht vom shopkeeper <Krämer>, sondern vom Respekt kauft, und nicht mit Geld von dem shopkeeper, sondern mit Respekt von der Nadel. Übrigens ist die von Sancho angefeindete dogmatische Selbstausschließung eines Jeden vom fremden Eigentum eine rein juristische Illusion. In der heutigen Produktions- und Verkehrsweise schlägt Jeder ihr ins Gesicht und trachtet gerade danach, alle Andern von ihrem einstweiligen Eigentum auszuschließen. Wie es mit Sanchos "Eigentum an Allem" aussieht, geht schon aus dem ergänzenden Nachsatz hervor: "dessen Ich brauche und habhaft werden kann". Er erörtert dies selbst näher p. 353: "Sage Ich: Mir gehört die Welt, so ist das eigentlich auch leeres Gerede, das nur insofern Sinn hat, als Ich kein fremdes Eigentum respektiere." Also insofern der Nichtrespekt vor dem fremden Eigentum sein Eigentum ist.

Was Sancho an seinem geliebten Privateigentum kränkt, ist eben die Aus-

<351>

schließlichkeit, ohne die es Unsinn wäre, das Faktum, daß es außer ihm noch andre Privateigentümer gibt. Fremdes Privateigentum ist nämlich heiliges. Wir werden sehen, wie er in seinem "Vereine" diesem Übelstand abhilft. Wir werden nämlich finden, daß sein egoistisches Eigentum, das Eigentum im außergewöhnlichen Verstande, weiter nichts ist als das durch seine heiligende Phantasie verklärte, gewöhnliche oder bürgerliche Eigentum.

Schließen wir mit dem Spruch Salomonis:

"Gelangen die Menschen dahin, daß sie den Respekt vor dem Eigentum verlieren, so wird Jeder Eigentum haben ... dann [werden Vereine auch in dieser Sache die Mittel des Einzelnen multiplizieren und sein angefochtenes Eigentum sicherstellen." p. 342] <Hier fehlen im Manuskript 4 Seiten>

[Abhandlung 3: Über die Konkurrenz im gewöhnlichen und außergewöhnlichen Verstande.]

Schreiber dieses begab sich eines Morgens im gebührlichen Kostüm zum Herrn Minister Eichhorn:

"Weil es mit dem Fabrikanten nicht geht" (der Herr Finanzminister hatte ihm nämlich weder Raum noch Geld zur Errichtung einer eigenen Fabrik gegeben, noch der Herr Justizminister ihm erlaubt, dem Fabrikanten die Fabrik zu nehmen - siehe oben bürgerliches Eigentum), "so will Ich mit jenem Professor der Rechte konkurrieren; der Mann ist ein Gimpel, und Ich, der Ich hundertmal mehr weiß als er, werde sein Auditorium leer machen." - "Hast Du studiert und promoviert, Freund?" - "Nein, aber was tut das? Ich verstehe, was zu dem Lehrfache nötig ist, reichlich." - "Tut mir leid, aber die Konkurrenz ist hier nicht frei. Gegen Deine Person ist nichts zu sagen, aber die Sache fehlt, das Doktordiplom. Und dies verlange Ich, der Staat." - "Dies also ist die Freiheit der Konkurrenz", seufzte Schreiber dieses, "der Staat, Mein Herr, befähigt mich erst zum Konkurrieren." Worauf er niedergeschlagen in seine Behausung zurückkehrte. p. 347.

In entwickelten Ländern wäre es ihm nicht vorgekommen, den Staat um die Erlaubnis fragen zu müssen, ob er mit einem Professor der Rechte konkurrieren dürfe. Wenn er sich aber an den Staat als einen Arbeitgeber wendet und Besoldung, d.h. Arbeitslohn verlangt, also sich selbst in das Konkurrenzverhältnis stellt, so ist allerdings nach seinen schon dagewesenen Abhandlungen über Privateigentum und privati <Beraubte>, Gemeinde-Eigentum, Proletariat, lettres patentes <verbriefte Rechte>, Staat und status usw. nicht zu vermuten, daß er "glücklich werben" wird. Der Staat kann ihn nach seinen bisherigen Leistungen höchstens als Küster (custos) "des Heiligen" auf einer hinterpommerschen Domäne anstellen.

<352>

Zur Erheiterung können wir hier "episodisch die große Entdeckung Sanchos "einlegen", daß zwischen "Armen" und "Reichen" kein "anderer Unterschied" existiert - "als der der Vermögenden und Unvermögenden". p.354.

Stürzen wir uns jetzt wieder in das "wüste Meer" der Stirnerschen "Bestimmungen" über die Konkurrenz:

"Mit der Konkurrenz ist weniger" (o "Weniger"!) "die Absicht verbunden, die Sache am besten zu machen, als die andre, sie möglichst einträglich, ergiebig zu machen. Man studiert daher auf ein Amt los (Brotstudium), studiert Katzenbuckel und Schmeicheleien, Routine und Geschäftskenntnis, man arbeitet auf den Schein. Während es daher scheinbar um eine gute Leistung zu tun ist, wird in Wahrheit nur auf ein gutes Geschäft und Geldverdienst gesehen. Man möchte zwar nicht gerne Zensor sein, aber man will befördert sein ... man fürchtet Versetzung oder gar Absetzung." p. 354, 355.

Unser Bonhomme möge ein ökonomisches Handbuch aufspüren. worin selbst die Theoretiker behaupten, es sei in der Konkurrenz um "eine gute Leistung" oder darum zu tun, "die Sache am besten zu machen", und nicht, "sie möglichst einträglich zu machen". Er kann übrigens in jedem derartigen Buche finden, daß innerhalb des Privateigentums die ausgebildetste Konkurrenz, wie z.B. in England, die "Sache" allerdings "am besten macht". Der kleine kommerzielle und industrielle Betrug wuchert nur unter bornierten Konkurrenzverhältnissen, unter den Chinesen, Deutschen und Juden, überhaupt unter den Hausierern und Kleinkrämern. Aber selbst den Hausierhandel erwähnt unser Heiliger nicht; er kennt nur die Konkurrenz der Supernumerarien und Referendarien, er beweist sich hier als vollständigen k[öniglich] preuß[ischen] Subalternbeamten. Er hätte ebensogut die Bewerbung der Hofleute aller Zeiten um die Gunst ihres Fürsten als Beispiel der Konkurrenz anführen können, aber das lag seinem kleinbürgerlichen Gesichtskreis viel zu fern.

Nach diesen gewaltigen Abenteuern mit den Supernumerarien, Salarien-Kassen-Rendanten und Registratoren besteht Sankt Sancho das große Abenteuer mit dem famosen Roß Clavileno, davon der Prophet Cervantes zuvor geredet hat im Neuen Testament am Einundvierzigsten. Sancho setzt sich nämlich aufs hohe ökonomische Pferd und bestimmt das Minimum des Arbeitslohnes vermittelst "des Heiligen". Allerdings zeigt er hier wieder einmal seine angeborne Furchtsamkeit und weigert sich anfangs, das fliegende Roß zu besteigen, das ihn in die Region trägt, "wo der Hagel, der Schnee, der Donner, Blitz und Wetterstrahl erzeugt werden", weit über die Wolken hinaus. Aber "der Herzog", das ist "der Staat", ermuntert ihn, und nachdem der kühnere und erfahrnere Szeliga-Don Quijote sich einmal in den Sattel

<353>

geschwungen hat, klettert unser wackerer Sancho ihm nach auf die Kruppe. Und als die Hand Szeligas die Schraube am Kopfe des Pferdes gedreht hatte, erhob es sich hoch in die Lüfte, und alle Damen, vornehmlich Maritornes, riefen ihnen nach: "Der mit sich einige Egoismus geleite Dich, tapferer Ritter, und noch tapfrerer Schildknapp, und möge es Euch gelingen, uns von dem Spuk des Malambruno <Gestalt aus "Don Quijote" von Cervantes>, 'des Heiligen', zu befreien. Halte Dich nur in der Balance, tapferer Sancho, damit Du nicht fallest und es Dir nicht ergehe wie Phaeton, da er den Sonnenwagen lenken wollte!"

"Nehmen wir an" (er schwankt schon hypothetisch), "daß, wie die Ordnung zum Wesen des Staats gehört, so auch die Unterordnung in seiner Natur" (angenehme Modulation zwischen "Wesen" und "Natur" - den "Ziegen", die Sancho auf seinem Fluge beobachtet) "gegründet ist, so sehen wir, daß von den Untergeordneten" (soll wohl heißen übergeordneten) "oder Bevorzugten die Zurückgesetzten unverhältnismäßig überteuert und übervorteilt werden." p. 357.

"Nehmen wir an ... so sehen wir." Soll heißen: so nehmen wir an. Nehmen wir an, daß "Übergeordnete" und "Untergeordnete" im Staat existieren, so "nehmen wir" ebenfalls "an", daß erstere vor den letzteren "bevorzugt" werden. Doch die stilistische Schönheit dieses Satzes sowie die plötzliche Anerkennung des "Wesens" und der "Natur" eines Dings schieben wir auf die Furchtsamkeit und Verwirrung unsres ängstlich balancierenden Sancho während seiner Luftfahrt sowie auf die unter seiner Nase abgebrannten Raketen. Wir bewundern selbst nicht, daß Sankt Sancho sich die Folgen der Konkurrenz nicht aus der Konkurrenz, sondern aus der Bürokratie erklärt und den Staat hier wiederum den Arbeitslohn bestimmen läßt (67).

Er bedenkt nicht, daß die fortwährenden Schwankungen des Arbeitslohns seiner ganzen schönen Theorie ins Gesicht schlagen und ein näheres Eingehen auf industrielle Verhältnisse ihm allerdings Exempel zeigen würde, wo ein Fabrikant von seinen Arbeitern nach allgemeinen Konkurrenzgesetzen 'übervorteilt" und "überteuert" würde, wenn nicht diese juristischen und moralischen Ausdrücke innerhalb der Konkurrenz allen Sinn verloren hätten.

<354>

Wie einfältiglich und kleinbürgerlich sich in dem einzigen Schädel Sanchos die weltumfassendsten Verhältnisse abspiegeln, wie sehr er als Schulmeister daran gebunden ist, aus allen diesen Verhältnissen sich moralische Nutzanwendungen zu abstrahieren und sie mit moralischen Postulaten zu widerlegen, das zeigt wieder deutlich die Zwerggestalt, zu der für ihn die Konkurrenz zusammenschrumpft. Wir müssen diese kostbare Stelle in extenso <ausführlich> mitteilen, "auf daß Nichts verlorengehe".

"Was noch einmal die Konkurrenz betrifft, so hat sie gerade dadurch Bestand, daß nicht Alle sich ihrer Sache annehmen und sich über sie miteinander verständigen. Brot ist z.B. das Bedürfnis aller Einwohner einer Stadt, deshalb könnten sie leicht übereinkommen, eine öffentliche Bäckerei einzurichten. Statt dessen überlassen sie die Lieferung des Bedarfs den konkurrierenden Bäckern. Ebenso Fleisch den Fleischern, Wein den Weinhändlern usw. ... Wenn Ich Mich nicht um Meine Sache bekümmere, so muß Ich mit dem vorliebnehmen, was anderen Mir zu gewähren beliebt. Brot zu haben ist Meine Sache, Mein Wunsch und Begehren, und doch überläßt man es den Bäckern und hofft höchstens, durch ihren Hader, ihr Rangablaufen, ihren Wetteifer, kurz, ihre Konkurrenz, einen Vorteil zu erlangen, auf welchen man bei den Zünftigen, die gänzlich und allein im Eigentum der Backgerechtigkeit saßen, nicht rechnen konnte. p. 365.

Charakteristisch für unsern Kleinbürger ist es, daß er hier eine Anstalt wie die öffentliche Bäckerei, die unter dem Zunftwesen vielfach existierte und durch die wohlfeilere Produktionsweise der Konkurrenz gestürzt wurde, eine lokale Anstalt, die sich nur unter beschränkten Verhältnissen halten konnte und mit dem Eintreten der Konkurrenz, welche die lokale Borniertheit aufhob, notwendig untergehen mußte - daß Sankt Sancho eine solche Anstalt der Konkurrenz gegenüber seinen Mitspießbürgern empfiehlt. Er hat nicht einmal das aus der Konkurrenz gelernt, daß "der Bedarf", z.B. an Brot, jeden Tag ein anderer ist, daß es keineswegs von ihm abhängt, ob morgen noch das Brot "seine Sache" ist oder ob sein Bedürfnis den Andern noch für eine Sache gilt, und daß innerhalb der Konkurrenz der Brotpreis durch die Produktionskosten und nicht durch das Belieben der Bäcker bestimmt wird. Er ignoriert sämtliche von der Konkurrenz erst geschaffenen Verhältnisse, Aufhebung der Lokalbeschränkung, Herstellung von Kommunikationen, ausgebildete Teilung der Arbeit, Weltverkehr, Proletariat, Maschinen pp., um einen wehmütigen Blick auf die mittelalterliche Spießbürgerei zurückzuwerfen. Von der Konkurrenz weiß er soviel, daß sie "Hader, Rangablaufen und Wetteifer" ist; um ihren sonstigen Zusammenhang mit der Teilung der Arbeit, dem Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr etc. kümmert

<355>

er sich nicht (68). Daß die Bourgeois sich allerdings überall, wo es ihr Interesse erheischte (und darüber wissen sie besser zu urteilen als Sankt Sancho), jedesmal "verständigten", soweit sie innerhalb der Konkurrenz und des Privateigentums dies konnten, zeigen die Aktiengesellschaften, die mit dem Aufkommen des Seehandels und der Manufaktur begannen und alle ihnen zugänglichen Zweige der Industrie und des Handels an sich rissen. Solche "Verständigungen", die u.a. zur Eroberung eines Reiches in Ostindien führten, sind freilich kleinlich gegenüber der wohlmeinenden Phantasie einer öffentlichen Bäckerei, die in der "Vossischen Zeitung" besprochen zu werden verdiente. - Was die Proletarier betrifft, so sind diese, wenigstens in ihrer modernen Gestalt, erst aus der Konkurrenz entstanden und haben bereits vielfach gemeinschaftliche Anstalten errichtet, die aber jedesmal untergingen, weil sie nicht mit den "hadernden" Privatbäckern, Fleischern pp. konkurrieren konnten und weil für die Proletarier wegen ihrer durch die Teilung der Arbeit selbst vielfach entgegengesetzten Interessen eine andere als politische, gegen den ganzen jetzigen Zustand gerichtete "Verständigung" unmöglich ist. Wo die Entwicklung der Konkurrenz die Proletarier befähigt, sich zu "verständigen", da "verständigen" sie sich über ganz andre Dinge als über öffentliche Bäckereien (69). Der Mangel an "Verständigung", den Sancho hier unter den konkurrierenden Individuen bemerkt, entspricht und widerspricht vollständig seiner weiteren Ausführung über die Konkurrenz, die Wir im Kommentar, Wigand, p. 173, genießen.

"Man führte die Konkurrenz ein, weil man ein Heil für Alle darin sah, man einigte sich über sie, man versuchte es gemeinschaftlich mit ihr ... man stimmte in ihr etwa so

<356>

überein, wie sämtliche Jäger bei einer Jagd für ... ihre Zwecke es zuträglich finden können, sich im Walde zu zerstreuen und 'vereinzelt' zu jagen ... Jetzt freilich stellt es sich heraus ... daß bei der Konkurrenz nicht Jeder seinen Gewinn ... findet."

"Es stellt sich hier heraus", daß Sancho von der Jagd geradesoviel weiß wie von der Konkurrenz. Er spricht nicht von einer Treibjagd, auch nicht von einer Hetzjagd, sondern von der Jagd im außergewöhnlichen Verstande. Es bleibt ihm nur noch übrig, nach den obigen Prinzipien eine neue Geschichte der Industrie und des Handels zu schreiben und einen "Verein" zu einer derartigen außergewöhnlichen Jagd zustande zu bringen.

Ganz in demselben stillen, gemütlichen und dorfzeitungsmäßigen Geleise spricht er sich über die Stellung der Konkurrenz zu den sittlichen Verhältnissen aus.

"Was der Mensch als solcher"(!) "an körperlichen Gütern nicht behaupten kann, dürfen wir ihm nehmen: dies der Sinn der Konkurrenz, der Gewerbefreiheit. Was er an geistigen Gütern nicht behaupten kann, verfällt uns gleichfalls. Aber unantastbar sind die geheiligten Güter. Geheiligt und garantiert durch wen? ... Durch den Menschen oder den Begriff, den Begriff der Sache." Als solche geheiligte Güter führt er an "das Leben", "Freiheit der Person", "Religion", "Ehre", "Anstands-, Schamgefühl" usw. p. 325.

Alle diese "geheiligten Güter" "darf" Stirner in entwickelten Ländern zwar nicht "dem Menschen als solchen", aber doch den wirklichen Menschen nehmen, natürlich auf dem Wege und innerhalb der Bedingungen der Konkurrenz. Die große Umwälzung der Gesellschaft durch die Konkurrenz, die die Verhältnisse der Bourgeois untereinander und zu den Proletariern in reine Geldverhältnisse auflöste, sämtliche obengenannte "geheiligte Güter" in Handelsartikel verwandelte und für die Proletarier alle naturwüchsigen und überkommenen, z.B. Familien- und politische Verhältnisse nebst ihrem ganzen ideologischen Überbau zerstörte - diese gewaltige Revolution ging allerdings nicht von Deutschland aus; Deutschland spielte in ihr nur eine passive Rolle, es ließ sich seine geheiligten Güter nehmen und bekam nicht einmal den kuranten Preis dafür. Unser deutscher Kleinbürger kennt daher nur die heuchlerischen Beteuerungen der Bourgeois über die moralischen Grenzen der Konkurrenz der Bourgeois, die die "geheiligten Güter" der Proletarier, ihre "Ehre", "Schamgefühl", "Freiheit der Person" täglich mit Füßen treten und ihnen selbst den Religionsunterricht entziehen. Diese vorgeschützten "moralischen Grenzen" gelten ihm für den wahren "Sinn" der Konkurrenz, und ihre Wirklichkeit existiert nicht für ihren Sinn.

Sancho resümiert die Resultate seiner Forschungen über die Konkurrenz in folgendem Satze:

<357>

"Ist eine Konkurrenz frei, die der Staat, dieser Herrscher im bürgerlichen Prinzip, in tausend Schranken einengt?" p. 347.

Das "bürgerliche Prinzip" Sanchos, "den Staat" überall zum "Herrscher" zu machen und die aus der Produktions- und Verkehrsweise hervorgehenden Schranken der Konkurrenz für Schranken zu halten, in die "der Staat" die Konkurrenz "einengt", spricht sich hier noch einmal mit gebührender "Empörung" aus.

Sankt Sancho hat "in jüngster Zeit" "aus Frankreich" herüber (vgl. Wigand, p. 190) allerlei Neuigkeiten läuten gehört, und unter Andern über die Versachlichung der Personen in der Konkurrenz und über den Unterschied zwischen Konkurrenz und Wetteifer. Aber der "arme Berliner" hat "aus Dummheit die schönen Sachen verdorben". (Wig[and] ibidem, wo sein böses Gewissen aus ihm redet.) "So sagt er z.B." p. 346 "des Buchs":

"Ist die freie Konkurrenz denn wirklich frei? Ja, ist sie wirklich eine Konkurrenz, nämlich der Personen, wofür sie sich ausgibt, weil sie auf diesen Titel ihr Recht gründet?"

Die Dame Konkurrenz gibt sich für etwas aus, weil sie (d.h. einige Juristen, Politiker und schwärmerische Kleinbürger, die letzten Nachzügler in ihrem Gefolge) auf diesen Titel ihr Recht gründet. Mit dieser Allegorie beginnt Sancho die "schönen Sachen" "aus Frankreich" für den Meridian von Berlin zurechtzustutzen. Wir übergehen die schon oben abgemachte absurde Vorstellung, daß "der Staat gegen Meine Person nichts einzuwenden hat" und mir so zu konkurrieren erlaubt, mir aber "die Sache" nicht gibt (p. 347), und gehen gleich auf seinen Beweis über, daß die Konkurrenz keine Konkurrenz der Personen ist.

"Konkurrieren aber wirklich die Personen? Nein, wiederum nur die Sachen! Die Gelder in erster Reihe, usw.; in dem Wetteifer wird immer Einer hinter dem Andern zurückbleiben. Allein es macht einen Unterschied, ob die fehlenden Mittel durch persönliche Kraft gewonnen werden können oder nur durch Gnade zu erhalten sind, nur als Geschenk, und zwar indem z.B. der Ärmere dem Reicheren seinen Reichtum lassen, d.h. schenken muß." p. 348.

Die Schenkungstheorie "schenken wir ihm" (Wig[and,] p. 190). Er möge sich im ersten besten juristischen Handbuch, Kapitel "Vertrag", unterrichten, ob ein "Geschenk", das er "schenken muß", noch ein Geschenk ist. In dieser Weise "schenkt" uns Stirner unsre Kritik seines Buchs, weil er sie uns "lassen, d h. schenken muß".

Die Tatsache, daß von zwei Konkurrenten, deren "Sachen" gleich sind, der eine den andern ruiniert, besteht für Sancho nicht. Daß die Arbeiter untereinander konkurrieren, obgleich sie keine "Sachen" (im Stirnerschen

<358>

Verstande) besitzen, existiert desgleichen nicht für ihn. Indem er die Konkurrenz der Arbeiter untereinander aufhebt, erfüllt er einen der frommsten Wünsche unsrer "wahren Sozialisten", deren wärmster Dank ihm nicht entgehen wird. "Nur die Sachen", nicht "die Personen" konkurrieren. Nur die Waffen kämpfen, nicht die Leute, die sie führen und zu führen gelernt haben. Diese sind bloß zum Totgeschossenwerden da. So spiegelt sich der Konkurrenzkampf in den Köpfen kleinbürgerlicher Schulmeister ab, die sich den modernen Börsenbaronen und Cotton-Lords gegenüber mit dem Bewußtsein trösten, daß ihnen nur "die Sache" fehle, um ihre "persönliche Kraft" gegen sie geltend zu machen. Noch komischer wird diese bornierte Vorstellung, wenn man auf die "Sachen" etwas näher eingeht, statt sich auf das Allergemeinste und Populärste, z.B. "das Geld" (das indes nicht so populär ist, wie es scheint), zu beschränken. Unter diese "Sachen" gehört u.a., daß der Konkurrent in einem Lande und in einer Stadt lebt, wo er dieselben Vorteile hat wie seine von ihm vorgefundenen Konkurrenten; daß das Verhältnis von Stadt und Land eine fortgeschrittene Entwicklungsstufe erlangt hat; daß er in einer günstigen geographischen, geologischen und hydrographischen Lage konkurriert; daß er als Seidenfabrikant in Lyon, als Baumwollfabrikant in Manchester fabriziert oder in einer früheren Epoche als Reeder in Holland sein Geschäft betrieb; daß die Teilung der Arbeit in seinem wie in andern, von ihm keineswegs abhängigen Produktionszweigen eine hohe Ausbildung erlangt hat, daß die Kommunikationen ihm denselben wohlfeilen Transport sichern wie seinen Konkurrenten, daß er geschickte Arbeiter und ausgebildete Aufseher vorfindet. Alle diese "Sachen", die zum Konkurrieren nötig sind, überhaupt die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkte (den er nicht kennt und nicht kennen darf, um seiner Staatstheorie und öffentlichen Bäckerei willen, der aber leider die Konkurrenz und Konkurrenzfähigkeit bestimmt), kann er sich weder durch "persönliche Kraft" gewinnen noch durch "die Gnade" "des Staats" "schenken" "lassen" (vgl. p. 348). Der preußische Staat, der es versuchte, der Seehandlung alles dies zu "schenken", kann ihm darüber am besten Belehrung geben. Sancho erweist sich hier als k[öniglich] preuß[ischer] Seehandlungsphilosoph, indem er die Illusion des preußischen Staats über seine Allmacht und die Illusion der Seehandlung über ihre Konkurrenzfähigkeit eines Breiteren glossiert. Übrigens hat die Konkurrenz allerdings als eine "Konkurrenz der Personen" mit "persönlichen Mitteln" angefangen. Die Befreiung der Leibeigenen, die erste Bedingung der Konkurrenz, die erste Akkumulation von "Sachen", waren rein "persönliche" Akte. Wenn Sancho also die Konkurrenz der Personen an die

<359>

Stelle der Konkurrenz der Sachen setzen will, so heißt das: er will in den Anfang der Konkurrenz zurückgehen, und zwar mit der Einbildung, durch seinen guten Willen und sein außergewöhnlich-egoistisches Bewußtsein der Entwicklung der Konkurrenz eine andre Richtung geben zu können.

Dieser große Mann, dem Nichts heilig ist und der nach der "Natur der Sache" und dem "Begriff des Verhältnisses" Nichts fragt, muß dennoch zuletzt die "Natur" des Unterschiedes zwischen persönlich und sachlich und den "Begriff des Verhältnisses" dieser beiden Qualitäten für heilig erklären und damit darauf verzichten, sich als "Schöpfer" dazu zu verhalten. Man kann diesen ihm heiligen Unterschied, wie er ihn im zitierten Passus macht, indes aufheben, ohne darum "die maßloseste Entheiligung" zu begehen. Zunächst hebt er ihn selbst auf, indem er durch persönliche Kraft sachliche Mittel erwerben läßt und so die persönliche Kraft in eine sachliche Macht verwandelt. Er kann dann ruhig an die Andern das moralische Postulat stellen, sich persönlich zu ihm zu verhalten. Geradeso hätten die Mexikaner von den Spaniern verlangen können, sie nicht mit Flinten zu erschießen, so sondern mit den Fäusten auf sie dreinzuschlagen oder mit Sankt Sancho "sie bei den Köpfen zu fassen", um sich "persönlich" bei ihnen zu verhalten. - Wenn der Eine durch gute Nahrung, sorgfältige Erziehung und körperliche Übung eine ausgebildete Körperkraft und Gewandtheit erlangt hat, während der Andre durch schmale und ungesunde Kost und davon geschwächte Verdauung, durch Vernachlässigung in der Kindheit und durch übermäßige Anstrengung nie Sachen" gewinnen konnte, um Muskel anzusetzen, geschweige eine Herrschaft über sie zu erhalten, so ist die "persönliche Kraft" des Einen dem Andern gegenüber eine rein sachliche. Er hat sich nicht "die fehlenden Mittel durch persönliche Kraft" gewonnen, sondern im Gegenteil, er verdankt seine "persönliche Kraft" den vorhandenen sachlichen Mitteln. Übrigens ist die Verwandlung der persönlichen Mittel in sachliche und der sachlichen in persönliche nur eine Seite der Konkurrenz, die von ihr gar nicht zu trennen ist. Die Forderung, daß man nicht mit sachlichen, sondern mit persönlichen Mitteln konkurrieren soll, kommt auf das moralische Postulat heraus, daß die Konkurrenz und die Verhältnisse, von denen sie bedingt ist, andre als ihre unvermeidlichen Wirkungen haben sollen.

Abermalige und diesmal schließliche Zusammenfassung der Philosophie der Konkurrenz.

"Die Konkurrenz leidet an dem Übelstande, daß nicht Jedem die Mittel zum Konkurrieren zu Gebote stehen, weil sie nicht aus der Persönlichkeit entnommen sind, sondern aus der Zufälligkeit. Die Meisten sind unbemittelt und deshalb" (o Deshalb!) "unbegütert". p. 349,

<360>

Es ist ihm schon oben bemerkt worden, daß in der Konkurrenz die Persönlichkeit selbst eine Zufälligkeit und die Zufälligkeit eine Persönlichkeit ist. Die von der Persönlichkeit unabhängigen "Mittel" zur Konkurrenz sind die Produktions- und Verkehrsbedingungen der Personen selbst, die innerhalb der Konkurrenz den Personen gegenüber als eine unabhängige Macht erscheinen, als den Personen zufällige Mittel. Die Befreiung der Menschen von diesen Mächten wird nach Sancho dadurch bewerkstelligt, daß man sich die Vorstellungen von diesen Mächten oder vielmehr die philosophischen und religiösen Verdrehungen dieser Vorstellungen aus dem Kopfe schlägt, sei es durch etymologische Synonymik ("Vermögen" und "vermögen"), moralische Postulate (z.B. Jeder sei ein allmächtiges Ich) oder durch affenartige Grimassen und gemütlich-burleske Renommagen gegen "das Heilige".

Schon früher hörten wir die Klage, daß in der jetzigen bürgerlichen Gesellschaft, namentlich des Staats wegen, das "Ich" sich nicht verwerten, id est seine "Vermögen" nicht wirken lassen könne. Jetzt erfahren wir noch, daß die "Eigenheit" ihm nicht die Mittel zum Konkurrieren gibt, daß "seine Macht" keine Macht ist und daß er "unbegütert" bleibt, wenn auch jeder Gegenstand, "weil sein Gegenstand, auch sein Eigentum ist" (70). Das Dementi des mit sich einigen Egoismus ist vollständig. Aber alle diese "Übelstände" der Konkurrenz werden schwinden, sobald "das Buch" in das allgemeine Bewußtsein übergegangen ist. Bis dahin beharrt Sancho bei seinem Gedankenhandel, ohne es indes zu einer "guten Leistung" zu bringen oder "die Sache am besten zu machen."

II. Die Empörung

Mit der Kritik der Gesellschaft ist die Kritik der alten, heiligen Welt beschlossen. Vermittelst der Empörung springen wir herüber in die neue egoistische Welt.

Was die Empörung überhaupt ist, haben wir bereits in der Logik gesehen; die Aufkündigung des Respekts gegen das Heilige. Hier indes nimmt sie außerdem noch einen besondern praktischen Charakter an.

Revolution

= heilige Empörung.

Empörung

= egoistische oder profane Revolution.

Revolution

= Umwälzung der Zustände.

<361>

Empörung

= Umwälzung Meiner.

Revolution

= politische oder soziale Tat.

Empörung

= Meine egoistische Tat.

Revolution

= Umsturz des Bestehenden,

Empörung

= Bestehen des Umsturzes,

etc. etc., p. 422 usf. Die bisherige Weise der Menschen, ihre vorgefundene Welt umzustürzen, mußte natürlich auch für heilig erklärt und eine "eigne" Art des Bruchs der vorhandenen Welt dagegen geltend gemacht werden.

Die Revolution "besteht in einer Umwälzung des bestehenden Zustandes oder status, des Staats oder der Gesellschaft, ist mithin eine politische oder soziale Tat". Die Empörung hat zwar eine Umwandlung der Zustände zur unvermeidlichen Folge geht aber nicht von ihr, sondern von der Unzufriedenheit der Menschen mit sich aus". Sie ist eine Erhebung der Einzelnen, ein Emporkommen, ohne Rücksicht auf die Einrichtungen, welche daraus entsprießen. Die Revolution zielte auf neue Einrichtungen: die Empörung führt dahin, Uns nicht mehr einrichten zu lassen, sondern Uns selbst einzurichten. Sie ist kein Kampf gegen das Bestehende, da, wenn sie gedeiht, das Bestehende von selbst zusammenstürzt, sie ist nur ein herausarbeiten Meiner aus dem Bestehenden. Verlasse Ich das Bestehende, so ist es tot und geht in Fäulnis über. Da nun nicht der Umsturz eines Bestehenden Mein Zweck ist, sondern Meine Erhebung darüber, so ist Meine Absicht und Tat keine politische oder soziale, sondern, als allein auf Mich sind Meine Eigenheit gerichtet, eine egoistische." p. 421, 422.

Les beaux esprits se rencontrent <Die schönen Geister finden sich zusammen>. Was die Stimme des Predigers in der Wüste verkündete, ist in Erfüllung gegangen. Der heillose Johannes Baptista "Stirner" hat im "Dr. Kuhlmann aus Holstein" seinen heiligen Messias gefunden. Man höre:

"Ihr solltet nicht niederreißen und zerstören, was Euch da im Wege stehet, sondern es umgehen und verlassen. Und wenn Ihr es umgangen und verlassen habt, dann höret es von selber auf, denn es findet keine Nahrung mehr. ("Das Reich des Geistes etc.", Genf 1845, p. 116.)

Die Revolution und die Stirnersche Empörung unterscheiden sich nicht, wie Stirner meint, dadurch, daß die Eine eine politische oder soziale Tat, die Andre eine egoistische Tat ist, sondern dadurch, daß die Eine eine Tat ist und die Andre keine. Der Unsinn seines ganzen Gegensatzes zeigt sich sogleich darin, daß er von "der Revolution" spricht, einer moralischen Person, die mit "dem Bestehenden", einer zweiten moralischen Person, zu kämpfen hat. Hätte Sankt Sancho die verschiedenen wirklichen Revolutionen und revolutionären Versuche durchgegangen, so hätte er vielleicht in ihnen selbst diejenigen Formen gefunden, die er bei der Erzeugung seiner ideologischen "Empö-

<362>

rung" dunkel ahnte; Z.B bei den Korsikanern, Irländern, russischen Leibeigenen und überhaupt bei unzivilisierten Völkern. Hätte er sich ferner um die wirklichen, bei jeder Revolution "bestehenden" Individuen und ihre Verhältnisse gekümmert, statt sich mit dem reinen Ich und "dem Bestehenden", d.i. der Substanz, zu begnügen ( eine Phrase, zu deren Sturz keine Revolution, sondern nur ein fahrender Ritter wie Sankt Bruno nötig ist), so wäre er vielleicht zu der Einsicht gekommen, daß jede Revolution und ihre Resultate durch diese Verhältnisse, durch die Bedürfnisse, bedingt war und daß "die politische oder soziale Tat" keineswegs zu "der egoistischen Tat" im Gegensatz stand.

Welche tiefe Einsicht Sankt Sancho in "die Revolution" hat, zeigt sich in dem Ausspruch: "Die Empörung hat zwar eine Umwandlung der Zustände zur Folge, geht aber nicht von ihr aus." Dies, in der Antithese gesagt, impliziert, daß die Revolution "von einer Umwandlung der Zustände" ausgeht, d.h., daß die Revolution von der Revolution ausgeht. Dagegen "geht" die Empörung "von der Unzufriedenheit der Menschen mit sich aus". Diese "Unzufriedenheit mit sich" paßt vortrefflich zu den früheren Phrasen über die Eigenheit und den "mit sich einigen Egoisten", der stets "seinen eignen Weg" gehen kann, der stets Freude an sich erlebt und in jedem Augenblick das ist, was er sein kann. Die Unzufriedenheit mit sich ist entweder die Unzufriedenheit mit sich innerhalb eines gewissen Zustandes; durch den die ganze Persönlichkeit bedingt ist, z.B. die Unzufriedenheit mit sich als Arbeiter - oder die moralische Unzufriedenheit. Im ersten Falle also Unzufriedenheit zugleich und hauptsächlich mit den bestehenden Verhältnissen; im zweiten Falle ein ideologischer Ausdruck dieser Verhältnisse selbst, der keineswegs über sie herausgeht, sondern ganz zu ihnen gehört. Der erste Fall führt, wie Sancho glaubt, zur Revolution; es bleibt also nur der zweite, die moralische Unzufriedenheit mit sich, für die Empörung. "Das Bestehende" ist, wie wir wissen, "das Heilige"; die "Unzufriedenheit mit sich" reduziert sich also auf die moralische Unzufriedenheit mit sich als einem Heiligen, d.h. einem Gläubigen an das Heilige, das Bestehende. Es konnte nur einem malkontenten Schulmeister einfallen, sein Räsonnement über Revolution und Empörung auf Zufriedenheit und Unzufriedenheit zu basieren. Stimmungen, die ganz dem kleinbürgerlichen Kreise angehören, aus welchem Sankt Sancho, wie wir fortwährend sehen, seine Inspirationen schöpft.

Was das "Heraustreten aus dem Bestehenden" für einen Sinn hat, wissen wir schon. Es ist die alte Einbildung, daß der Staat von selbst zusammenfällt, sobald alle Mitglieder aus ihm heraustreten, und daß das Geld seine Geltung verliert, wenn sämtliche Arbeiter es anzunehmen verweigern. Schon in

<363>

der hypothetischen Form dieses Satzes spricht sich die Phantasterei und Ohnmacht des frommen Wunsches aus. Es ist die alte Illusion, daß es nur vom guten Willen der Leute abhängt, die bestehenden Verhältnisse zu ändern, und daß die bestehenden Verhältnisse Ideen sind. Die Veränderung des Bewußtseins, abgetrennt von den Verhältnissen, wie sie von den Philosophen als Beruf, d.h. als Geschäft, betrieben wird, ist selbst ein Produkt der bestehenden Verhältnisse und gehört mit zu ihnen. Diese ideelle Erhebung über die Welt ist der ideologische Ausdruck der Ohnmacht der Philosophen gegenüber der Welt Ihre ideologischen Prahlereien werden jeden Tag durch die Praxis Lügen gestraft.

Jedenfalls hat Sancho sich nicht gegen seinen Zustand der Konfusion "empört", als er diese Zeilen schrieb. Ihm steht die "Umwandlung der Zustände" auf der einen und die "Menschen" auf der andern Seite, und beide Seiten sind ganz voneinander getrennt. Sancho denkt nicht im Entferntesten daran daß die "Zustände" von jeher die Zustände dieser Menschen waren und nie umgewandelt werden konnten, ohne daß die Menschen sich umwandeln, und wenn es einmal so sein soll, "mit sich" in den alten Zuständen unzufrieden" wurden. Er glaubt der Revolution den Todesstreich zu versetzen, wenn er sie auf neue Einrichtungen zielen läßt, während die Empörung dahin führt, uns nicht mehr einrichten zu lassen, sondern Uns selbst einzurichten. Aber schon darin, daß "Wir" "Uns" einrichten, schon darin, daß die Empörer "Wir" sind, liegt, daß der Einzelne sich trotz alles Sanchoschen Widerwillens" von den "Wir" "einrichten lassen" muß und so Revolution und Empörung sich nur dadurch unterscheiden, daß man in der einen dies weiß und in der andern sich Illusionen macht. Dann läßt Sancho es hypothetisch, ob die Empörung "gedeiht" oder nicht. Wie sie nicht "gedeihen" soll, ist nicht abzusehen, und wie sie gedeihen soll, noch viel weniger, da jeder der Empörer nur seinen eignen Weg geht; es müßten denn profane Verhältnisse dazwischentreten, die den Empörern die Notwendigkeit einer gemeinsamen Tat zeigten, einer Tat, die "eine politische oder soziale" wäre, gleichviel, ob sie von egoistischen Motiven ausginge oder nicht. Eine fernere "lumpige Distinktion", die wieder auf der Konfusion beruht, macht Sancho zwischen "Umstürzen" des Bestehenden und "Erhebung" darüber, als ob er nicht im Umstürzen sich darüber erhebe und im Erheben darüber es umstürze, sei es auch nur insoweit, als es an ihm selbst Bestand hat. Übrigens ist weder mit dem "Umstürzen" schlechthin noch mit dem "Sich-Erheben" schlechthin etwas gesagt; daß das Sich-Erheben ebenfalls in der Revolution vorkommt, kann Sancho daraus abnehmen, daß das "Levons-nous !" in der französischen Revolution ein bekanntes Stichwort war.

<364>

"Einrichtungen zu machen, gebietet (!) "die Revolution, sich auf- oder emporzurichten, heischt die Empörung. Welche Verfassung zu wählen sei, beschäftigte die revolutionären Köpfe, und von Verfassungskämpfen und Verfassungsfragen sprudelt die ganze politische Periode, wie auch die sozialen Talente an gesellschaftlichen Einrichtungen (Phalansterien u. dergl.) ungemein erfinderisch waren. Verfassungslos zu werden, bestrebt sich der Empörer." p. 422.

Daß die französische Revolution Einrichtungen zur Folge hatte, ist ein Faktum; daß Empörung von empor herkommt, ist auch ein Faktum; daß man in der Revolution und später um Verfassungen gekämpft hat, desgleichen; daß verschiedene soziale Systeme entworfen worden sind, ebenfalls; nicht minder, daß Proudhon von Anarchie gesprochen hat. Aus diesen fünf Fakten braut sich Sancho seinen obigen Satz zusammen.

Aus dem Faktum, daß die französische Revolution zu "Einrichtungen" geführt hat, schließt Sancho, daß die Revolution dies "gebiete". Daraus, daß die politische Revolution eine politische war, in der die soziale Umwälzung zugleich einen offiziellen Ausdruck als Verfassungskämpfe erhielt, entnimmt Sancho, getreu seinem Geschichtsmakler, daß man sich in ihr um die beste Verfassung gestritten habe. An diese Entdeckung knüpft er durch ein "Wie auch" eine Erwähnung der sozialen Systeme. In der Epoche der Bourgeoisie beschäftigte man sich mit Verfassungsfragen, "wie auch" verschiedene soziale Systeme neuerdings gemacht worden sind. Dies ist der Zusammenhang des obigen Satzes.

Daß die bisherigen Revolutionen innerhalb der Teilung der Arbeit zu neuen politischen Einrichtungen führen mußten, geht aus dem oben gegen Feuerbach Gesagten hervor; daß die kommunistische Revolution, die die Teilung der Arbeit aufhebt, die politischen Einrichtungen schließlich beseitigt, geht ebenfalls daraus hervor; und daß die kommunistische Revolution sich nicht nach den "gesellschaftlichen Einrichtungen erfinderischer sozialer Talente" richten wird, sondern nach den Produktivkräften, geht endlich auch daraus hervor.

Aber "verfassungslos zu werden, bestrebt sich der Empörer"! Er, der "geborne Freie", der von vornherein Alles los ist, bestrebt sich am Ende der Tage, die Verfassung loszuwerden.

Es ist noch zu bemerken, daß zur Entstehung der Sanchoschen "Empörung allerlei frühere Illusionen unsres Bonhomme beigetragen haben. So u.a. der Glaube, die Individuen, die eine Revolution machen, seien durch ein ideelles Band zusammengehalten, und ihre "Schilderhebung" beschränke sich darauf, einen neuen Begriff, fixe Idee, Spuk, Gespenst - das Heilige auf den Schild zu heben. Sancho läßt sie sich dies ideelle Band

<365>

aus dem Kopfe schlagen, wodurch sie in seiner Vorstellung zu einer regellosen Rotte werden, die sich nur noch "empören" kann. Zudem hat er gehört, daß die Konkurrenz der Krieg Aller gegen Alle ist, und dieser Satz, vermengt mit seiner entheiligten Revolution, bildet den Hauptfaktor seiner "Empörung".

"Indem Ich zu größerer Verdeutlichung auf einen Vergleich sinne, fällt Mir wider Erwarten die Stiftung des Christentums ein." p. 423. "Christus", erfahren wir hier, "war kein Revolutionär, sondern ein Empörer, der sich emporrichtete. Darum galt es ihm auch allein um ein: 'Seid klug wie die Schlangen.'" (ibid.)

Um dem "Erwarten" und dem "Allein" Sanchos zu entsprechen, muß die letzte Hälfte des eben zitierten Bibelspruchs (Matth[äi] 10, 16): "und ohne Falsch wie die Tauben" nicht existieren. Christus muß hier zum zweiten Male als historische Person figurieren, um dieselbe Rolle zu spielen wie oben die Mongolen und Neger. Man weiß wieder nicht, soll Christus die Empörung oder soll die Empörung Christus verdeutlichen. Die christlich-germanische Leichtgläubigkeit unsres Heiligen konzentriert sich in dem Satze, daß Christus "die Lebensquellen der ganzen heidnischen Welt abgrub, mit welchen der bestehende Staat ohnehin" (soll heißen: ohne ihn) "verwelken mußte". p. 424. Welke Kanzelblume! Siehe oben "die Alten". Im übrigen credo ut intelligam <ich glaube, damit ich verstehe>, oder damit Ich "einen Vergleich zur Verdeutlichung" finde.

Wir haben an zahllosen Exempeln gesehen, wie unsrem Heiligen überall nichts als die heilige Geschichte einfällt, und zwar an solchen Stellen, wo sie nur dem Leser "wider Erwarten" kommt, "Wider Erwarten" fällt sie ihm sogar im Kommentar wieder ein, wo Sancho p. 154 "die jüdischen Rezensenten" im alten Jerusalem der christlichen Definition "Gott ist die Liebe" gegenüber ausrufen läßt: "Da seht Ihr, daß es ein heidnischer Gott ist, der von den Christen verkündet wird; denn ist Gott die Liebe, so ist er der Gott Amor, der Liebesgott! - "Wider Erwarten" ist aber das Neue Testament griechisch geschrieben, und die christliche "Definition" lautet: o deoz agaph estin <Gott ist die Liebe>1. Joh[annis] 4, 16; während "der Gott Amor, der Liebesgott" Erox heißt. Wie also die "jüdischen Rezensenten" die Verwandlung von agaph <(christliche) Liebe> in etox <(geschlechtliche) Liebe> zustande brachten, darüber wird Sancho noch Aufschluß zu geben haben. An dieser Stelle des Kommentars wird nämlich Christus, ebenfalls "zur Verdeutlichung", mit Sancho verglichen; wobei allerdings zugegeben werden muß, daß Beide die frappanteste Ähnlichkeit miteinander haben,

<366>

Beide "beleibte Wesen" sind und wenigstens der lachende Erbe an ihre wechselseitige Existenz resp. Einzigkeit glaubt. Daß Sancho der moderne Christus ist, auf diese seine "fixe Idee" "zielt" bereits die ganze Geschichtskonstruktion.

Die Philosophie der Empörung, die uns soeben in schlechten Antithesen und welken Redeblumen vorgetragen wurde, ist in letzter Instanz nichts als eine bramarbasierende Apologie der Parvenuwirtschaft (Parvenu, Emporkömmling, Emporgekommener, Empörer). Jeder Empörer hat bei seiner ",egoistischen Tat" ein spezielles Bestehende sich gegenüber, worüber er sich zu erheben strebt, unbekümmert um die allgemeinen Verhältnisse. Er sucht das Bestehende nur, insoweit es eine Fessel ist, loszuwerden, im Übrigen dagegen sucht er es sich vielmehr anzueignen. Der Weber, der zum Fabrikanten "emporkommt", wird dadurch seinen Webstuhl los und verläßt ihn; im übrigen geht die Welt ihren Gang fort, und unser "gedeihender" Empörer stellt an die Andern nur die heuchlerische moralische Forderung, auch Parvenus zu werden wie er (71). So verlaufen sich alle kriegerischen Rodomontaden Stirners in moralische Schlußfolgerungen aus Gellerts Fabeln und spekulative Interpretationen der bürgerlichen Misere.

Wir haben bisher gesehen, daß die Empörung Alles, nur keine Tat ist. p. 342 erfahren wir, daß das Verfahren des Zugreifens nicht verächtlich sei, sondern die reine Tal des mit sich einigen Egoisten bekunde". Soll wohl heißen: der miteinander einigen Egoisten, da sonst das Zugreifen auf das unzivilisierte "Verfahren" der Diebe oder das zivilisierte der Bourgeois hinausläuft und im ersten Falle nicht gedeiht, im zweiten Falle keine "Empörung" ist. Zu bemerken ist, daß dem mit sich einigen Egoisten, der Nichts tut, hier die "reine" Tat entspricht, eine Tat, die allerdings von einem so tatlosen Individuum allein zu erwarten stand.

Nebenbei erfahren wir, was den Pöbel geschaffen hat, und wir können im Voraus wissen, daß es wieder eine "Satzung" und der Glaube an diese Satzung, an das Heilige, ist, der hier zur Abwechslung als Sündenbewußtsein auftritt:

"Nur daß das Zugreifen Sünde, Verbrechen ist, nur diese Satzung schafft einen Pöbel ... das alte Sündenbewußtsein trägt allein die Schuld." p. 342.

Der Glaube, daß das Bewußtsein an Allem schuld ist, ist seine Satzung, die ihn zum Empörer und den Pöbel zum Sünder macht.

<367>

Im Gegensatz zu diesem Sündenbewußtsein feuert der Egoist sich, resp. den Pöbel, zum Zugreifen an wie folgt:

"Sage ich Mir: wohin Meine Gewalt langt, das ist Mein Eigentum, und nehme Ich Alles als Eigentum in Anspruch, was zu erreichen Ich Mich stark genug fühle etc." p. 340.

Sankt Sancho sagt sich also, daß er sich etwas sagen will, fordert sich auf, zu haben, was er hat, und drückt sein wirkliches Verhältnis als ein Verhältnis der Gewalt aus, eine Paraphrase, die überhaupt das Geheimnis aller seiner Renommagen ist. (Siehe Logik.) Dann unterscheidet er, der jeden Augenblick ist, was er sein kann, also auch hat, was er haben kann, sein realisiertes, wirkliches Eigentum, das er auf Kapitalkonto genießt, von seinem möglichen Eigentum, seinem unrealisierten "Gefühl der Stärke", das er sich auf Gewinn- und Verlustkonto gutschreibt. Beitrag zur Buchführung über das Eigentum im außergewöhnlichen Verstande.

Was das feierliche "Sagen" zu bedeuten hat, verrät Sancho an einer bereits angeführten Stelle:

"Sage Ich Mir ... so ist das eigentlich auch leeres Gerede."

Er fährt darin fort: "Der Egoismus" sagt "dem besitzlosen Pöbel", um ihn "auszurotten": "Greife zu und nimm, was Du brauchst!" p. 341.

Wie "leer" dies "Gerede" ist, sieht man gleich an dem folgenden Beispiel.

"In dem Vermögen des Bankiers sehe Ich so wenig etwas Fremdes als Napoleon in Ländern der Könige: Wir" (das - "Ich" verwandelt sich plötzlich in "Wir") "tragen keine Scheu, es zu erobern, und sehen Uns auch nach den Mitteln dazu um. Wir streifen ihm also den Geist der Fremdheit ab, vor dem Wir Uns gefürchtet hatten." p. 369.

Wie wenig Sancho dem Vermögen des Bankiers "den Geist der Fremdheit abgestreift" hat, beweist er sogleich mit seinem wohlmeinenden Vorschlag an den Pöbel, es durch Zugreifen zu "erobern". "Er greife zu und sehe, was er in der Hand behält!" Nicht das Vermögen des Bankiers, sondern nutzloses Papier, den "Leichnam" dieses Vermögens, der ebensowenig ein Vermögen ist, "als ein toter Hund noch ein Hund ist". Das Vermögen des Bankiers ist nur innerhalb der bestehenden Produktions- und Verkehrsverhältnisse ein Vermögen und kann nur innerhalb der Bedingungen dieser Verhältnisse und mit den Mitteln, die ihnen gelten, "erobert" werden. Und wenn etwa Sancho sich zu anderm Vermögen wenden sollte, so dürfte er finden, daß es damit nicht besser aussieht. So daß die "reine Tat des mit sich einigen Egoisten" schließlich auf ein höchst schmutziges Mißverständnis hinausläuft. "So weit kommt man mit dem Spuk" des Heiligen.

<368>

Nachdem nun Sancho sich gesagt hat, was er sich sagen wollte, läßt er den empörten Pöbel sagen, was er ihm vorgesagt hat. Er hat nämlich für den Fall einer Empörung eine Proklamation nebst Gebrauchsanweisung verfertigt, die in allen Dorfkneipen aufgelegt und auf dem Lande verteilt werden soll. Sie macht Anspruch auf Insertion in den "Hinkenden Botten" und den herzoglich nassauischen Landeskalender. Einstweilen beschränken sich Sanchos tendances incendiaires <aufrührerische Bestrebungen> auf das platte Land, auf die Propaganda unter den Ackerknechten und Viehmägden mit Ausschluß der Städte, was ein neuer Beweis ist, wie sehr er der großen Industrie "den Geist der Fremdheit abgestreift hat". Inzwischen wollen wir das vorliegende wertvolle Dokument, das nicht verlorengehen darf, möglichst ausführlich mitteilen, um "soviel an Uns ist, zur Verbreitung eines wohlverdienten Ruhmes beizutragen". (Wig[and,] p. 191.)

Die Proklamation steht Seite 358 u.f. und beginnt wie folgt:

"Wodurch ist denn Euer Eigentum sicher, Ihr Bevorzugten? ... Dadurch, daß Wir Uns des Eingriffs enthalten, mithin durch Unsern Schutz ... Dadurch, daß Ihr Uns Gewalt antut."

Erst dadurch, daß wir uns des Eingriffs enthalten, d.h. dadurch, daß wir uns selbst Gewalt antun, dann dadurch, daß Ihr uns Gewalt antut. Cela va à merveille <Das geht wunderschön>. Weiter.

"Wollt Ihr unsren Respekt, so kauft ihn für den Uns genehmen Preis ... Wir wollen nur Preiswürdigkeit."

Erst wollen die "Empörer" ihren Respekt um den ihnen "genehmen Preis" verschachern, nachher machen sie die "Preiswürdigkeit" zum Kriterium des Preises. Erst ein willkürlicher, dann ein durch kommerzielle Gesetze, durch die Produktionskosten und das Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr, unabhängig von der Willkür, bestimmter Preis.

"Wir wollen Euer Eigentum Euch lassen, wenn Ihr dies Lassen gehörig aufwiegt ... Ihr werdet über Gewalt schreien, wenn Wir zulangen ... ohne Gewalt bekommen Wir sie nicht" (nämlich die Austern der Bevorzugten) ... "Wir wollen Euch Nichts, gar Nichts nehmen."

Erst "lassen" wir's Euch, dann nehmen wir's Euch und müssen "Gewalt" anwenden, und endlich wollen wir Euch doch lieber Nichts nehmen. Wir lassen es Euch in dem Falle, wo Ihr selbst davon ablaßt; in einem lichten Augenblick, dem einzigen, den Wir haben, sehen wir allerdings ein, daß dies "Lassen ein "Zulangen" und "Gewalt"-Anwenden ist, aber man kann uns dennoch

<369>

schließlich nicht vorwerfen, daß wir Euch irgend etwas "nehmen". Wobei es sein Bewenden hat.

"Wir plagen Uns zwölf Stunden im Schweiße Unsres Angesichts, und Ihr bietet Uns dafür ein paar Groschen. So nehmt denn auch für Eure Arbeit ein Gleiches ... Nichts von Gleichheit!"

Die "empörten" Ackerknechte beweisen sich als echte Stirnersche "Geschöpfe".

"Mögt Ihr das nicht? Ihr wähnt, Unsre Arbeit sei reichlich mit jenem Lohne bezahlt, die Eure dagegen eines Lohnes von vielen Tausenden wert. Schlüget Ihr aber die Eurige nicht so hoch an und ließet Uns die Unsrige besser verwerten, so würden Wir erforderlichenfalls wohl noch wichtigere zustande bringen, als Ihr für die vielen tausend Taler, und bekämet Ihr nur einen Lohn wie Wir, Ihr würdet bald fleißiger werden, um mehr zu erhalten. Leistet Ihr etwas, was Uns zehn- und hundertmal mehr wert scheint als Unsre eigne Arbeit, ei" (ei du frommer und getreuer Knecht!), "so sollt Ihr auch hundertmal mehr dafür bekommen; Wir denken Euch dagegen auch Dinge herzustellen, die Ihr Uns höher als mit dem gewöhnlichen Taglohn verwerten werdet."

Zuerst klagen die Empörer, ihre Arbeit werde zu niedrig bezahlt. Am Ende versprechen sie aber, erst bei höherem Taglohn Arbeit zu liefern, die "höher als mit dem gewöhnlichen Taglohn" zu verwerten ist. Dann glauben sie, sie würden außerordentliche Dinge leisten, wenn sie nur erst besseren Lohn bekämen, während sie zu gleicher Zeit vom Kapitalisten erst dann außerordentliche Leistungen erwarten, wenn sein "Lohn" auf das Niveau des ihrigen herabgedrückt ist. Endlich, nachdem sie das ökonomische Kunststück fertiggebracht haben, den Profit, diese notwendige Form des Kapitals, ohne welchen sie sowohl wie der Kapitalist zugrunde gehen würden - den Profit in Arbeitslohn zu verwandeln, vollbringen sie das Wunder, "hundertmal mehr" zu zahlen "als ihre eigne Arbeit", d.h. hundertmal mehr als sie verdienen. "Dies ist der Sinn" des obigen Satzes, wenn Stirner "meint, was er sagt . Hat er aber nur einen stilistischen Fehler begangen, hat er die Empörer als Gesamtheit hundertmal mehr offrieren lassen wollen, als Jeder von ihnen verdient, so läßt er sie dem Kapitalisten nur Das anbieten, was jeder Kapitalist heutzutage bereits hat. Daß die Arbeit des Kapitalisten in Verbindung mit seinem Kapital zehn- resp. hundertmal mehr wert ist als die eines einzelnen bloßen Arbeiters, ist klar. Sancho läßt also in diesem Falle, wie immer, Alles beim Alten.

"Wir wollen schon miteinander fertig werden, wenn Wir nur erst dahin übereingekommen sind, daß Keiner mehr dem Andern etwas zu schenken braucht. Dann gehn Wir wohl gar selbst so weit, daß Wir selbst den Krüppeln und Greisen und Kranken einen angemessenen Preis dafür bezahlen, daß sie nicht aus Hunger und Not von Uns

<370>

scheiden; denn wollen Wir, daß sie leben, so geziemt sich's auch, daß Wir die Erfüllung unseres Willens erkaufen. Ich sage erkaufen, meine also kein elendes Almosen."

Diese sentimentale Episode von den Krüppeln etc. soll beweisen, daß Sanchos empörte Ackerknechte bereits zu jener Höhe des bürgerlichen Bewußtseins "emporgekommen" sind, auf der sie nichts schenken und nichts geschenkt haben wollen und auf der sie glauben, in einem Verhältnis sei die Würde und das Interesse beider Teile gesichert, sobald es in einen Kauf verwandelt sei. - Auf diese donnernde Proklamation des in Sanchos Einbildung empörten Volks folgt die Gebrauchsanweisung in Form eines Dialogs zwischen dem Gutsbesitzer und seinen Ackerknechten, wobei sich diesmal der Herr wie Szeliga und die Knechte wie Stirner gebärden. In dieser Gebrauchsanweisung werden die englischen Strikes und französischen Arbeiterkoalitionen a priori berlinisch konstruiert.

Der Wortführer der Ackerknechte. "Was hast Du denn?"

Der Gutsbesitzer. "Ich habe ein Gut von tausend Morgen."

Der Wortführer. "Und Ich bin Dein Ackerknecht und werde Dir Deinen Acker hinfort nur für einen Taler Taglohn bestellen."

Der Gutsbesitzer. "Dann nehme Ich einen Andern."

Der Wortführer. "Du findest keinen, denn Wir Ackersknechte tun's nicht mehr anders, und wenn Einer sich meldet, der weniger nimmt, so hüte er sich vor Uns. Da ist die Hausmagd, die fordert jetzt auch so viel, und Du findest keine mehr unter diesem Preise."

Der Gutsbesitzer. "Ei, so muß ich zugrunde gehen!"

Die Ackerknechte im Chorus. "Nicht so hastig! Soviel wie Wir wirst Du wohl einnehmen. Und wäre es nicht so, so lassen Wir so viel ab, daß Du wie Wir zu leben hast - Nichts von Gleichheit!"

Der Gutsbesitzer. "Ich bin aber besser zu leben gewohnt!"

Die Ackerknechte. "Dagegen haben Wir nichts, aber es ist nicht Unsre Sorge; kannst Du mehr erübrigen, immerhin. Sollen Wir Uns unterm Preise vermieten, damit Du wohlleben kannst?"

Der Gutsbesitzer. "Aber Ihr ungebildeten Leute braucht doch nicht so viel!"

Die Ackerknechte. "Nun, Wir nehmen etwas mehr, damit Wir damit die Bildung, die Wir etwa brauchen, Uns verschaffen können."

Der Gutsbesitzer. "Aber wenn Ihr so die Reichen herunterbringt, wer soll dann noch die Künste und Wissenschaften unterstützen?"

Die Ackerknechte. "I nun, die Menge muß es bringen; Wir schießen zusammen, das gibt ein artiges Sümmchen, Ihr Reichen kauft ohnehin jetzt nur die abgeschmacktesten Bücher und die weinerlichen Muttergottesbilder oder ein Paar flinke Tänzerbeine."

Der Gutsbesitzer. "O die unselige Gleichheit!"

<371>

Die Ackerknechte: "Nein, mein bester alter Herr, Nichts von Gleichheit. Wir wollen nur gelten, was Wir wert sind, und wenn Ihr mehr seid, da sollt Ihr immerhin auch mehr gelten. Wir wollen nur Preiswürdigkeit und denken des Preises, den Ihr zahlen werdet, Uns würdig zu zeigen."

Am Schlusse dieses dramatischen Meisterwerks gesteht Sancho, daß "die Einmütigkeit der Ackerknechte" allerdings "erfordert" werde. Wie diese zustande kommt, erfahren wir nicht. Was wir erfahren, ist, daß die Ackerknechte nicht beabsichtigen, die bestehenden Verhältnisse der Produktion und des Verkehrs irgendwie zu ändern, sondern bloß dem Gutsbesitzer soviel abzuzwingen, als er mehr ausgibt als sie. Daß diese Differenz der Dépensen <Ausgaben>, auf die Masse der Proletarier verteilt, jedem Einzelnen nur eine Bagatelle abwerfen und seine Lage nicht im Mindesten verbessern würde, das ist unsrem wohlmeinenden Bonhomme gleichgültig. Welcher Stufe der Agrikultur diese heroischen Ackerknechte angehören, zeigt sich gleich nach dem Schlusse des Dramas, wo sie sich in "Hausknechte" verwandeln. Sie leben also unter einem Patriarchat, in dem die Teilung der Arbeit noch sehr unentwickelt ist, in dem übrigens die ganze Verschwörung dadurch "ihr letztes Absehen erreichen" muß, daß der Gutsherr den Wortführer in die Scheune führt und ihm einige Hiebe aufzählt, während in zivilisierteren Ländern der Kapitalist die Sache dadurch beendigt, daß er die Arbeit einige Zeit einstellt und die Arbeiter "spielen gehen" läßt. Wie praktisch überhaupt Sancho bei der ganzen Anlage seines Kunstwerks zu Werke geht, wie sehr er sich innerhalb der Grenzen der Wahrscheinlichkeit hält, geht außer dem sonderbaren Einfall, einen Turnout <Arbeitseinstellung> von Ackerknechten zustande bringen zu wollen, namentlich aus der Koalition der "Hausmägde" hervor. Und welch eine Gemütlichkeit, zu glauben, der Kornpreis auf dem Weltmarkte werde sich nach den Lohnforderungen dieser hinterpommerschen Ackerknechte richten! statt nach dem Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr! Einen wahren Knalleffekt macht der überraschende Exkurs der Ackerknechte über die Literatur, die letzte Gemäldeausstellung und die renommierte Tänzerin des Tages, überraschend selbst noch nach der unerwarteten Frage des Gutsherrn wegen Kunst und Wissenschaft. Die Leute werden ganz freundschaftlich, sowie sie auf dies literarische Thema kommen, und der bedrängte Gutsherr vergißt selbst für einen Augenblick seinen drohenden Ruin, um sein Dévoûment <Aufopferung, Hingabe> für Kunst und Wissenschaft an den Tag zu legen. Schließlich versichern ihn dann auch die Empörer ihrer Biederkeit und geben ihm die beruhigende Erklärung, daß sie weder vom leidigen Interesse noch von subversiven Tendenzen getrieben

<372>

werden, sondern von den reinsten moralischen Motiven. Sie wollen nur Preiswürdigkeit und versprechen auf Ehre und Gewissen, sich des höheren Preises würdig zu machen. Die ganze Sache hat nur den Zweck, Jedem das Seine, seinen redlichen und billigen Verdienst, "redlich erarbeiteten Genuß" zu sichern. Daß dieser Preis von der Stellung des Arbeitsmarkts abhängt und nicht von der sittlichen Empörung einiger literarisch gebildeten Ackerknechte, die Kenntnis dieses Faktums war allerdings von unsren Biedermännern nicht zu verlangen.

Diese hinterpommerschen Empörer sind so bescheiden, daß sie, trotz ihrer "Einmütigkeit", die ihnen zu ganz andern Dingen Macht gibt, Knechte nach wie vor bleiben wollen und "ein Taler Taglohn" der höchste Wunsch ihres Herzens ist. Ganz konsequent katechisieren sie daher nicht den Gutsherrn, der in ihrer Gewalt ist, sondern der Gutsherr katechisiert sie.

Der "sichere Mut" und das "kräftige Selbstgefühl des Hausknechts" äußert sich auch in der "sichern" und "kräftigen" Sprache, die er und seine Genossen verführen. "Etwa - I nun - die Menge muß es bringen - artiges Sümmchen - mein bester alter Herr - immerhin." Schon vorher in der Proklamation hieß es: "erforderlichenfalls wohl ei - Wir denken herzustellen - wohl - vielleicht, etwa usw." Man meint, die Ackerknechte hätten ebenfalls das famose Roß Clavileno besiegen (72).

Die ganze lärmende "Empörung" unsres Sancho reduziert sich also in letzter Instanz auf einen Turnout, aber einen Turnout im außergewöhnlichen Verstande, nämlich einen berlinisierten Turnout. Während die wirklichen Turnouts in zivilisierten Ländern einen immer untergeordneteren Teil der Arbeiterbewegung bilden, weil die allgemeinere Verbindung der Arbeiter untereinander zu andern Bewegungsformen führt, versucht Sancho, den kleinbürgerlich karikierten Turnout als letzte und höchste Form des welthistorischen Kampfs darzustellen.

Die Wogen der Empörung werfen uns jetzt an die Küste des gelobten Landes, da Milch und Honig fließt, wo jeder echte Israelit unter seinem Feigenbaum sitzt und das Millennium <Tausendjährige Reich> der "Verständigung" angebrochen ist.

III. Der Verein

<373>

Wir haben bei der Empörung zuerst die Prahlereien Sanchos zusammengestellt und dann den praktischen Verlauf der "reinen Tat des mit sich einigen Egoisten" verfolgt. Wir werden beim "Verein" den umgekehrten Weg einschlagen; zuerst die positiven Institutionen prüfen und dann die Illusionen unseres Heiligen über diese Institutionen danebenhalten.

1. Grundeigentum

"Wenn Wir den Grundeigentümern den Grund nicht länger lassen, sondern Uns zueignen wollen, so vereinigen Wir Uns zu diesem Zwecke, bilden einen Verein, eine sociéte"' (Gesellschaft), "die sich zur Eigentümerin macht; glückt es Uns, so hören Jene auf, Grundeigentümer zu sein. Der "Grund und Boden" wird dann "zum Eigentum der Erobernden ... Und diese Einzelnen werden als eine Gesamtmasse nicht weniger willkürlich mit Grund und Boden umgehen als ein vereinzelter Einzelner oder sogenannter propriétaire. Auch so bleibt also das Eigentum bestehen, und zwar auch als 'ausschließlich', indem die Menschheit, diese große Sozietät, den Einzelnen von ihrem Eigentum ausschließt, ihm vielleicht nur ein Stück davon verpachtet, zu Lohn gibt ... So wird's auch bleiben und werden. Dasjenige, woran Alle Anteil haben wollen, wird demjenigen Einzelnen entzogen werden, der es für sich allein haben will, es wird zu einem Gemeingut gemacht. Als an einem Gemeingut hat Jeder daran seinen Anteil, und dieser Anteil ist sein Eigentum. So ist ja auch in unsren alten Verhältnissen ein Haus, welches fünf Erben gehört, ihr Gemeingut; der fünfte Teil des Ertrags aber ist eines Jeden Eigentum." p. 329, 330.

Nachdem unsre tapfern Empörer sich zu einem Verein, einer Sozietät, formiert und in dieser Gestalt sich ein Stück Land erobert haben, "macht sich" diese "sociéte", diese moralische Person, "zur Eigentümerin". Damit man dies ja nicht mißverstehe, wird gleich darauf gesagt, daß "diese Sozietät den Einzelnen vom Eigentum ausschließt, ihm vielleicht nur ein Stück davon verpachtet, zu Lohn gibt". Auf diese Weise eignet Sankt Sancho sich und seinem "Verein" seine Vorstellung vom Kommunismus an. Der Leser wird sich erinnern, daß Sancho in seiner Ignoranz den Kommunisten vorwarf, sie wollten die Gesellschaft zur höchsten Eigentümerin machen, die dem Einzelnen seine "Habe" zu Lehen gebe.

Ferner die Aussicht, die Sancho seinen Mannschaften auf einen "Anteil am Gemeingut" eröffnet. Bei einer späteren Gelegenheit sagt derselbe Sancho ebenfalls gegen die Kommunisten: "Ob das Vermögen der Gesamtheit gehört,

<374>

die Mir davon einen Teil zufließen läßt, oder einzelnen Besitzern, ist für Mich derselbe Zwang, da Ich über keins von Beiden bestimmen kann (weswegen ihm auch seine "Gesamtmasse" dasjenige "entzieht", von dem sie nicht will, daß es ihm allein gehöre, und ihm so die Macht des Gesamtwillens fühlbar macht).

Drittens finden wir hier wieder die "Ausschließlichkeit", die er dem bürgerlichen Eigentum so oft vorgeworfen hat, so daß "ihm nicht einmal der armselige Punkt gehört, auf dem er sich herumdreht". Er hat vielmehr nur das Recht und die Macht, als armseliger und gedrückter Fronbauer darauf herumzuhocken.

Viertens eignet sich hier Sancho das Lehnswesen an, das er zu seinem großen Verdruß in allen bisher existierenden und projektierten Gesellschaftsformen entdeckte. Die erobernde "Sozietät" benimmt sich ungefähr wie die "Vereine" von halbwilden Germanen, die die römischen Provinzen eroberten und dort ein noch sehr mit dem alten Stammwesen versetztes, rohes Lehnswesen einrichteten. Sie gibt jedem Einzelnen ein Stückchen Land "zu Lohn". Auf der Stufe, auf welcher Sancho und die Germanen des sechsten Jahrhunderts stehen, fällt das Lehnswesen allerdings noch sehr mit dem "Lohn"-wesen zusammen.

Es versteht sich übrigens, daß das von Sancho hier neuerdings zu Ehren gebrachte Stammeigentum sich binnen kurzem wieder in die jetzigen Verhältnisse auflösen müßte. Sancho fühlt dies selbst, indem er ausruft: "So wird's auch bleiben und" (schönes Und!) "werden", und schließlich durch sein großes Exempel von dem Hause, das fünf Erben gehört, beweist, daß er gar nicht die Absicht hat, über unsre alten Verhältnisse hinauszugehen. Sein ganzer Plan zur Organisation des Grundeigentums hat nur den Zweck, uns auf einem historischen Umwege zu der kleinbürgerlichen Erbpacht und dem Familieneigentum deutscher Reichsstädte zurückzuführen.

Von unsren alten, d.h. den jetzt bestehenden Verhältnissen, hat sich Sancho nur den juristischen Unsinn angeeignet, daß die Einzelnen oder propriétaires "willkürlich" mit dem Grundeigentum umgeben. Im "Verein" soll diese eingebildete "Willkür" von seiten der "Sozietät" fortgesetzt werden. Es ist für den "Verein" so gleichgültig, was mit dem Boden geschieht, daß die "Sozietät" "vielleicht" den Einzelnen Parzellen verpachtet, vielleicht auch nicht. Das ist Alles ganz gleichgültig. - Daß mit einer bestimmten Organisation des Ackerbaus eine bestimmte Form der Tätigkeit, die Subsumtion unter eine bestimmte Stufe der Teilung der Arbeit gegeben ist, kann Sancho freilich nicht wissen. Aber jeder Andere sieht ein, wie wenig die von Sancho hier vorgeschlagenen kleinen Fronbauern in der Lage sind, daß "Jeder von ihnen ein allmächtiges Ich werden" kann, und wie schlecht ihr Eigentum an ihre[r] <375>

lumpige[n] Parzelle zu dem viel gefeierten "Eigentum an Allem" paßt. In der wirklichen Welt hängt der Verkehr der Individuen von ihrer Produktionsweise ab, und daher wirft Sanchos "Vielleicht" vielleicht seinen ganzen Verein über den Haufen. "Vielleicht" aber oder vielmehr unzweifelhaft tritt hier schon die wahre Ansicht Sanchos über den Verkehr im Verein zutage, nämlich die Ansicht, daß der egoistische Verkehr das Heilige zu seiner Grundlage hat.

Sancho tritt hier mit der ersten "Einrichtung" seines zukünftigen Vereins an das Tageslicht. Die Empörer, die "verfassungslos" zu werden sich bestrebten, "richten sich selbst ein", indem sie eine "Verfassung" des Grundeigentums "wählen". Wir sehen, daß Sancho Recht hatte, wenn er sich von neuen "Institutionen" keine glänzenden Hoffnungen machte. Wir sehen aber zugleich, daß er einen hohen Rang unter den "sozialen Talenten" einnimmt und "an gesellschaftlichen Einrichtungen ungemein erfinderisch ist".

2. Organisation der Arbeit

"Die Organisation der Arbeit betrifft nur solche Arbeiten, welche Andre für Uns machen können, z.B. Schlachten, Ackern usw.; die übrigen bleiben egoistisch, weil z.B. Niemand an Deiner Statt Deine musikalischen Kompositionen anfertigen, Deine Malerentwürfe ausführen usw. kann. Raffaels Arbeiten kann Niemand ersetzen. Die letzteren sind Arbeiten eines Einzigen, die nur dieser Einzige zu vollbringen vermag, wahrend Jene menschliche" (p. 356 identisch gesetzt mit den "gemeinnützigen") "genannt zu werden verdienen, da das Eigne daran von geringem Belang ist und so ziemlich jeder Mensch dazu abgerichtet werden kann." p. 355.

"Es ist immer fördersam, daß Wir Uns über die menschlichen Arbeiten einigen, damit sie nicht, wie unter der Konkurrenz, alle unsre Zeit und Mühe in Anspruch nehmen ... Für wen soll aber Zeit gewonnen werden? Wozu braucht der Mensch mehr Zeit als nötig ist, seine abgespannten Arbeitskräfte zu erfrischen? Hier schweigt der Kommunismus. Wozu? Um seiner als des Einzigen froh zu werden, nachdem er als Mensch das Seinige getan hat." p. 356, 357.

"Durch Arbeit kann Ich die Amtsfunktionen eines Präsidenten, Ministers usw. versehen; es erfordern diese Ämter nur eine allgemeine Bildung. nämlich eine solche, die allgemein erreichbar ist ... Kann aber auch Jeder diese Ämter bekleiden, so gibt doch erst die einzige, ihm allein eigne Kraft des Einzelnen ihnen sozusagen Leben und Bedeutung. Daß er sein Amt nicht wie ein gewöhnlicher Mensch führt, sondern das Vermögen seiner Einzigkeit hineinlegt, das bezahlt man ihm noch nicht, wenn man ihn überhaupt nur als Beamten oder Minister bezahlt. Hat er's Euch zu Dank gemacht und wollt Ihr diese dankenswerte Kraft des Einzigen Euch erhalten, so werdet Ihr ihn nicht als einen bloßen Menschen bezahlen dürfen, der nur Menschliches verrichtet, sondern nur als Einen, der Einziges vollbringt." p. 362, 363.

<376>

"Vermagst Du Tausenden Lust zu bereiten, so werden Tausende Dich dafür honorieren, es stände ja in Deiner Gewalt, es zu unterlassen, daher müssen sie Deine Tat erkaufen." p. 351.

"Über Meine Einzigkeit läßt sich keine allgemeine Taxe feststellen, wie für das, was Ich als Mensch tue. Nur über das Letztere kann eine Taxe bestimmt werden. Setzt also immerhin eine allgemeine Taxe für menschliche Arbeiten auf, bringt aber Eure Einzigkeit nicht um ihren Verdienst." p. 363.

Als Beispiel der Organisation der Arbeit im Verein wird p. 365 die schon besprochene öffentliche Bäckerei angeführt. Diese öffentlichen Anstalten müssen wahre Wunder sein unter der oben vorausgesetzten vandalischen Parzellierung.

Zuerst soll die menschliche Arbeit organisiert und dadurch verkürzt werden, damit Bruder Straubinger hinterher, wenn er früh Feierabend gemacht hat, "seiner als des Einzigen froh werden kann" (p. 357); während p. 363 das "Frohwerden" des Einzigen sich in seinen Extraverdienst auflöst. p. 363 kommt die Lebensäußerung des Einzigen nicht hinterdrein nach der menschlichen Arbeit, sondern die menschliche Arbeit kann als einzige betrieben werden und erfordert dann einen Lohnzuschuß. Der Einzige, dem es nicht um seine Einzigkeit, sondern um den höheren Lohn zu tun ist, könnte ja sonst seine Einzigkeit in den Kleiderschrank verschließen und der Gesellschaft zum Trotz sich damit begnügen, den gewöhnlichen Menschen und sich selbst damit einen Possen zu spielen.

Nach p. 356 fällt die menschliche Arbeit mit der gemeinnützigen zusammen, aber nach p. 351 und 363 bewährt sich die einzige Arbeit eben darin, daß sie als gemeinnützige oder wenigstens Vielen nützliche extra honoriert wird.

Die Organisation der Arbeit im Verein besteht also in der Trennung der menschlichen Arbeit von der einzigen, in der Feststellung einer Taxe für die menschliche und in dem Mauscheln um einen Lohnzuschuß für die einzige Arbeit. Dieser Lohnzuschuß ist wieder doppelt, nämlich einer für die einzige Ausführung der menschlichen Arbeit und ein anderer für die einzige Ausführung der einzigen Arbeit, was eine um so verwickeltere Buchführung gibt, als heute Das eine menschliche Arbeit wird, was gestern eine einzige war (z.B. Baumwollengarn Nr. 200 zu spinnen), und als der einzige Betrieb menschlicher Arbeiten eine fortwährende Selbstmoucharderie <Selbstbespitzelung> im eignen und allgemeine Moucharderie im öffentlichen Interesse erfordert. Dieser ganze wichtige Organisationsplan läuft also auf eine ganz kleinbürgerliche Aneignung des Gesetzes von Nachfrage und Zufuhr hinaus, das heute existiert und von allen

<377>

Ökonomen entwickelt worden ist. Sancho kann das Gesetz, wonach der Preis derjenigen Arbeiten sich bestimmt, die er für einzige erklärt, z.B. der einer Tänzerin, eines ausgezeichneten Arztes oder Advokaten, schon bei Adam Smith erklärt und bei dem Amerikaner Cooper taxiert finden. Die neueren Ökonomen haben aus diesem Gesetz das hohe Salär dessen, was sie travail improductif <unproduktive Arbeit> nennen, und das niedrige der Ackerbautaglöhner, überhaupt die Ungleichheiten des Arbeitslohns erklärt. Wir sind so mit Gottes Hülfe wieder bei der Konkurrenz angekommen, aber bei der Konkurrenz in einem gänzlich heruntergekommenen Zustande, so heruntergekommen, daß Sancho eine Taxe, eine Fixierung des Arbeitslohns durch Gesetze, wie weiland im 14. und 15. Jahrhundert, vorschlagen kann.

Es verdient noch erwähnt zu werden, daß die hier von Sancho ans Licht gebrachte Vorstellung sich ebenfalls als etwas ganz Neues bei dem Herrn Messias Dr. Georg Kuhlmann aus Holstein findet.

Was Sancho hier menschliche Arbeiten nennt, ist, mit Ausschluß seiner bürokratischen Phantasien, dasselbe, was man sonst unter Maschinenarbeit versteht und was die Entwicklung der Industrie mehr und mehr den Maschinen anheim gibt. In dem "Verein" sind freilich bei der oben geschilderten Organisation des Grundbesitzes die Maschinen eine Unmöglichkeit, und daher ziehen es die mit sich einigen Fronbauern vor, sich über diese Arbeiten zu verständigen. Über "Präsidenten" und "Minister" urteilt Sancho, this poor localized being <dieses arme, an den Ort gebundene Wesen>, wie Owen sagt, nur nach seiner unmittelbaren Umgehung.

Wie immer hat Sancho hier wieder Unglück mit seinen praktischen Exempeln. Er meint, Niemand könne "an Deiner Stelle Deine musikalischen Kompositionen anfertigen, Deine Malerentwürfe ausführen. Raffaels Arbeiten könne Niemand ersetzen." Sancho könnte doch wohl wissen, daß nicht Mozart selbst, sondern ein Anderer Mozarts Requiem größtenteils angefertigt und ganz ausgefertigt, daß Raffael von seinen Fresken die wenigsten selbst "ausgeführt" hat.

Er bildet sich ein, die sogenannten Organisateure der Arbeit wollten die Gesamttätigkeit jedes Einzelnen organisieren, während gerade bei ihnen zwischen der unmittelbar produktiven Arbeit, die organisiert werden soll, und der nicht unmittelbar produktiven Arbeit unterschieden wird. In diesen Arbeiten aber soll nach ihrer Meinung nicht, wie Sancho sich einbildet, Jeder an Raffaels Statt arbeiten, sondern Jeder, in dem ein Raffel steckt, sich ungehindert ausbilden können. Sancho bildet sich ein, Raffael habe seine

<378>

Gemälde unabhängig von der zu seiner Zeit in Rom bestehenden Teilung der Arbeit hervorgebracht. Wenn er Raffael mit Leonardo da Vinci und Tizian vergleicht, so kann er sehen, wie sehr die Kunstwerke des ersteren von der unter florentinischem Einfluß ausgebildeten damaligen Blüte Roms, die des zweiten von den Zuständen von Florenz, und später die des dritten von der ganz verschiedenen Entwicklung Venedigs bedingt waren. Raffael, so gut wie jeder andre Künstler, war bedingt durch die technischen Fortschritte der Kunst, die vor ihm gemacht waren, durch die Organisation der Gesellschaft und die Teilung der Arbeit in seiner Lokalität und endlich durch die Teilung der Arbeit in allen Ländern, mit denen seine Lokalität im Verkehr stand. Ob ein Individuum wie Raffael sein Talent entwickelt, hängt ganz von der Nachfrage ab, die wieder von der Teilung der Arbeit und den daraus hervorgegangenen Bildungsverhältnissen der Menschen abhängt.

Stirner steht hier noch weit unter der Bourgeoisie, indem er die Einzigkeit der wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeit proklamiert. Man hat es bereits jetzt für nötig gefunden, diese "einzige" Tätigkeit zu organisieren. Horace Vernet hätte nicht Zeit für den zehnten Teil seiner Gemälde gehabt, wenn er sie für Arbeiten angesehen hätte, "die nur dieser Einzige zu vollbringen vermag. Die große Nachfrage nach Vaudevilles und Romanen in Paris hat eine Organisation der Arbeit zur Produktion dieser Artikel hervorgerufen, die noch immer Besseres leistet als ihre "einzigen" Konkurrenten in Deutschland. In der Astronomie haben es Leute wie Arago, Herschel, Encke und Bessel für nötig gefunden, sich zu gemeinsamen Beobachtungen zu organisieren, und sind erst seitdem zu einigen erträglichen Resultaten gekommen. In der Geschichtschreibung ist es für den "Einzigen" absolut unmöglich, etwas zu leisten, und die Franzosen haben auch hier längst durch die Organisation der Arbeit allen andern Nationen den Rang abgelaufen. Es versteht sich übrigens, daß alle diese auf der modernen Teilung der Arbeit beruhenden Organisationen immer noch zu höchst beschränkten Resultaten führen und nur gegenüber der bisherigen bornierten Vereinzelung ein Fortschritt sind.

Es muß noch besonders hervorgehoben werden, daß Sancho die Organisation der Arbeit mit dem Kommunismus verwechselt und sich gar wundert, daß "der Kommunismus" ihm nicht auf seine Bedenken über diese Organisation antwortet. So wundert sich ein Gascogner Bauernjunge, daß Arago ihm nicht zu sagen weiß, auf welchem Stern der liebe Gott seinen Hof aufgeschlagen habe.

Die exklusive Konzentration des künstlerischen Talents in Einzelnen und seine damit zusammenhängende Unterdrückung in der großen Masse ist

<379>

Folge der Teilung der Arbeit. Wenn selbst in gewissen gesellschaftlichen Verhältnissen Jeder ein ausgezeichneter Maler wäre, so schlösse dies noch gar nicht aus, daß Jeder auch ein origineller Maler wäre, so daß auch hier der Unterschied zwischen "menschlicher" und "einziger" Arbeit in bloßen Unsinn sich verläuft. Bei einer kommunistischen Organisation der Gesellschaft fällt jedenfalls fort die Subsumtion des Künstlers unter die lokale und nationale Borniertheit, die rein aus der Teilung der Arbeit hervorgeht, und die Subsumtion des Individuums unter diese bestimmte Kunst, so daß es ausschließlich Maler, Bildhauer usw. ist und schon der Name die Borniertheit seiner geschäftlichen Entwicklung und seine Abhängigkeit von der Teilung der Arbeit hinlänglich ausdrückt. In einer kommunistischen Gesellschaft gibt es keine Maler, sondern höchstens Menschen, die unter Anderm auch malen.

Sanchos Organisation der Arbeit zeigt deutlich, wie sehr alle diese philosophischen Ritter von der Substanz sich bei bloßen Phrasen beruhigen. Die Subsumtion der "Substanz" unter das "Subjekt", wovon sie Alle so hohe Worte machen, die Herabsetzung der "Substanz", die das "Subjekt" beherrscht, zu einem bloßen "Akzidens" dieses Subjekts, zeigt sich als bloßes "leeres Gerede" (73). Sie unterlassen es daher weislich, auf die Teilung der Arbeit, auf die materielle Produktion und den materiellen Verkehr einzugehen, die eben die Individuen unter bestimmte Verhältnisse und Tätigkeitsweisen subsumieren. Es handelt sich bei ihnen überhaupt nur darum, neue Phrasen zur Interpretation der bestehenden Welt zu erfinden, die um so gewisser in burleske Prahlereien auslaufen, je mehr sie sich über diese Welt zu erheben glauben und in Gegensatz zu ihr stellen. Wovon Sancho ein beklagenswertes Beispiel ist.


Hauptseite der Deutschen Ideologie