Wolfram Pfreundschuh (2.7.2007)

Materialien zur Sendeserie in Radio Lora ab 12.7.07

1. Sendung 13.7.07: Gewerkschaftliche Kämpfe und Widerstandskultur Runder Tisch

2. Sendung 10.8.07: Weltwirtschaft, Widerstandskultur und Staatsgewalt Runder Tisch

3. Sendung 14.9.07: Hilft ein bedingunsgloses Grundeinkommen weiter? Runder Tisch

4. Sendung 12.10.07: Kann Arbeitslosigkeit bekämpft werden, wenn man Angst davor hat? Runder Tisch

5. Sendung 09.11.07: Kann Geld gerecht sein? Runder Tisch

Thesen, Themen und Fragen für den
„Runden Tisch einer Widerstandskultur“

Die Globalisierung hat den Kapitalismus auf Höchstform gebracht. Schon lange nicht mehr war so vielen Menschen klar, dass etwas geschehen muss, wenn ihr Leben nicht der absurden Sachlogik der Lebensverwertung erliegen soll. Die Macht, die auf den Finanzmärkten der Welt entscheidet, hat inzwischen auf dem ganzen Globus zur Auszehrung und Ausplünderung von Mensch und Natur geführt. Den Mächtigen muss endlich Einhalt geboten werden, soll das Leben der Menschen überhaupt noch eine Chance zu seiner Entwicklung haben.

Es lässt sich nicht mehr schön reden: Überall sind prinzipielle Gründe erkennbar für die weltweiten und gesellschaftlichen Spaltungsprozesse zwischen Armut und Reichtum, für die Arbeitslosigkeit, für die Anmaßungen der Konzernchefs und der Politiker und Politikerinnen und für den Niedergang einer repräsentativ-demokratischen Politik, die angeblich den Menschen dienen will, aber letzlich nur der Schuldenfalle gehorcht, welche das internationale Kapital den Nationalstaaten aufgestellt hat. In den Gewerkschaften, in der Friedensbewegung und in den ökologischen Bewegungen und sogar in den diversen Medienveranstaltungen und Talks werden grundsätzliche Fragen aufgeworfen, welche über den Fortbestand der Gesellschaft in der bisher gewohnten Form Zweifel aufkommen lassen.

Es regt sich Widerstand in den vielen kulturellen und wirtschaftlichen Bereichen, denen bislang noch die immanente Vernunft einer bürgerlichen Gesellschaft zugerechnet worden war, deren Begründungen und wirkliche Grundlagen in Wahrheit aber immer verkommener sind und deren Verfall hierdurch kenntlich geworden ist. Wo diese noch mit einer sozialen Marktwirtschaft ummandelt war, herrscht heute ein Feudalismus des Grundbesitzes von Gütern, welche die allgemeinen Lebensgrundlagen der Menschen selbst ausmachen, weil sie ihre Natur und Kultur enthalten. Widerstand ist lebensnotwendig und eine Widerstandskultur ist die wesentliche Widerstandsform für eine solche geschichtliche Lage.

Ich habe deshalb die Ansätze von gesellschaftlichen Widerstandsformen zusammengestellt und eine Diskussion unter hieran beteiligten Menschen angezettelt. Mit ihnen will ich reden und herausarbeiten, wie sich im Zusammenhang und Zusammengehen der Vielen nicht nur ein Bewusstsein über diesen Widerstand verstärken, sondern sich auch dessen Richtung konzentrieren lässt. Diese Diskussion soll über mehrere Runden gehen, welche einmal monatlich über Radio Lora (im Internet über http://home.link-m.de/lora/) gesendet werden.

So sitzen wir heute zum ersten Mal hier beisammen. Es ist zwar ein etwas eckiger Tisch – aber nennen wir ihn trotzdem mal rund, einen „runden Tisch zum Thema Widerstandskultur“. Rund, das heißt hier nur, dass keine Ecken und spitze Positionen interessieren, sondern einzig die Frage, was verschiedene Menschen aus verschiedenen Ecken der Gesellschaft zu dieser Diskussion beitragen können.

Thema 1: Gewerkschaftsfragen

Wie fühlt man sich nach 5 Wochen Streik, wenn dabei 6,5% Lohnsenkung und 4 Std. mehr Arbeit herauskommt (wie beim Telecom-Streik)? Sind Kämpfe um Lohnprozente und Arbeitszeit überhaupt noch möglich? Kann man Streik noch als ein Kampfmittel der Gewerkschaften ansehen?

Die Manager bestimmen praktisch bruchlos über die Betriebsentwicklungen, die Rationalisierungen und Ausgrenzungen und Stellenstreichungen. Wie sieht die „betriebliche Mitbestimmung“ der Gewerkschaften heute aus? Welche Funktion hat sie noch? Gibt es für die Gewerkschaften noch wirksame Mitbestimmungs- und Vetorechte über Investitionen oder Kapitaleinlagen?

Die Börsenmärkte regeln die Kapitaleinträge und Insolvenzen durch reine Geldpolitik. Hat das internationale Kapital noch einen Ort der Auseinandersetzung mit der kapitalbildenden Arbeit, wo diese sich zu ihm verhalten kann?

Ist die derzeit von den Politikern favorisierte „Deutschlandaktie“ die Lösung aus dem gewerkschaftlichen Dilemma – die Beschäftigten als Teilhaber fiktiver Kapitalformationen und Risiken (etwa die Gewerkschaft als Broker für Arbeitnehmer)? Ist fiktives Kapital, das diesen Markt zu über 90% bestimmt, überhaupt noch angreifbar? Was ist ein Streik für sich und was wäre er vor dem Hintergrund und im Kontext einer Widerstandskultur, welche die Bedürfnisse weiter Teile der Gesellschaft artikuliert?

 

Thema 2: Billiglöhne, Grundeinkommen

Die Angst vor Arbeitslosigkeit macht jede Forderung in Richtung Verbesserung des Lebensstandards zunichte und reduziert den Preis der Arbeitskraft tendenziell auf Billiglöhne, oft sogar unterhalb des Reproduktionsniveaus. Es gibt immer mehr Menschen, die ihre Existenz auch bei Vollzeit-Beschäftigung nicht mehr hinreichend sichern können. Wenn sich der Preis der Arbeit nicht mehr aus dem Wert ihrer Reproduktion bestimmt, also nicht mehr der Wert der Reproduktionsmittel die untere Grenze ihres Wertes ist, dann kann der Kapitalismus der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr funktionieren, weil für ein Wertwachstum nicht mehr hinreichend viele Produkte verkauft werden können. Ohne die Sicherung der Reproduktion (z.B. durch ein bedingungsloses Grundeinkommen) werden sich die Krisen unbeschränkt steigern und schließlich die Reproduktionsbedingungen des gesamten Systems zerstören. 

Von daher wäre ein Gesetz gegen Billiglöhne und ein bedingungsloses Grundeinkommen allein schon für den Erhalt des bürgerlichen Systems nur vernünftig. Was kann überhaupt dessen Politiker dazu bewegen, dagegen zu sein? Ist der Staat nicht mehr ganz bei Trost oder wird dessen Politik vom Finanzmarkt schon gegen die Selbsterhaltungsinteressen des Kapitalismus bestimmt?

Wie können Auseinandersetzungen um das Verbot von Billiglohn und um ein bedingungsloses Grundeinkommen politisch eingeschätzt werden? Muss man darum kämpfen, um aufzuzeigen, dass die Selbsterhaltung überhaupt bedroht ist? Welche Rolle hat der Kampf um die nackte Selbsterhaltung überhaupt im Widerstand gegen das Kapital?

 

Thema 3: Arbeitslosigkeit

Was ist los mit unserer Gesellschaft? Ist Arbeitslosigkeit überhaupt noch einzuschränken, gibt es überhaupt noch bei dem Ausmaß von Technologie, die heute in der Produktion angewendet wird, genügend Arbeitsplätze? Aber warum trauert man dann um Arbeitsplätze, anstatt die Arbeitsaufwände pro Kopf einfach herunterzufahren? Braucht das Kapital die Angst vor Arbeitslosigkeit inzwischen hauptsächlich als psychologisches Schmiermittel?

Werden wir nur noch als Schuldner des Kapitals einbezogen und vernutzt? Sind wir inzwischen zu Menschen geworden, die für das Kapital wie für eine Feudalmacht gedungen werden und so viel arbeiten müssen, wie es von ihm verlangt wird, weil das Kapital die Krise kriegt, wenn der Wert nicht mehr wächst? Dann wären die Arbeitslosen nicht mehr seine Reservisten, sondern sein wichtigstes psychologisches Kapital, das es nur zu disziplinieren hat. Und das ist ein Kapital, das sich „wie von selbst vermehrt“.

So kommt es einem ja auch vor: die Angst vor Arbeitslosigkeit entlastet das Kapital in seinen Verwertungskrisen, bringt ihm Arbeitskraft ein, deren Reproduktion es nicht mal mehr vollständig finanzieren muss. Sie ist das letztliche Kampfmittel der Kapitalverwertung, erwirtschaftet Geld, dessen Wert nur noch erpresst ist. Aber gerade das verewigt ja dann auch seine Krisenschleife. Wo das Geld nicht zur Reproduktion der Menschen hinreicht, werden von diesen auch nicht genügend Produkte gekauft. Und damit vertiefen sich die Absatzkrisen und die Arbeitslosigkeit wird immer weiter anwachsen.

Was ist das dann für ein Kapitalismus, der die Krise der Arbeit hinnimmt und sogar den Warentausch damit de facto drosselt – ein Erpressungskapitalismus? Gehört man bald zu einer Elite, wenn man Arbeit bekommt? Soll darum gebuhlt werden, arbeiten zu dürfen?

 

Thema 4: Betriebsauflösungen und Outsourcing erzwingen zweifelhafte Bündnisse

Leo Meyer (ISW zum 1. Mai 2007): „Die Beschäftigten werden auf die Streckbank „betrieblicher Bündnisse für Arbeit“ gezwungen. Arbeitsplätze werden vernichtet, Löhne gesenkt, die Arbeitszeit verlängert und flexibilisiert. Die Belegschaften und Standorte, die Betriebsräte und Gewerkschaften werden gegeneinander ausgespielt. Eine Spirale nach unten, die keine Grenze kennt.“

Kann es sein, dass die lohnabhängigen und die arbeitslosen Menschen ihrer existenziellen Grundlagen beraubt werden, nur damit Finanzkapitalisten und Aktionäre ihr Geldvermögen aufstocken können? Die Bedrohung der Beschäftigten geht doch ganz über ihre Existenz, oft auch über die Existenz ihrer Familienmitglieder.

Die „Bündnisse für Arbeit“ nutzen die Erpressbarkeit der Beschäftigten einfach nur aus. Es stehen dem Kapital ja nicht mehr Lohnabhängige gegenüber, sondern Existenzabhängige. Solange die Beschäftigten sich mit ihren Kollegen in den gewerkschaftlichen Kämpfen zusammentaten, war ihre Solidarität letztlich die Vernunft einer Klasse für sich, die durch ihre Einigkeit Widerstand gegen das Kapital darstellen konnte, weil es sie nötig hatte. Heute sind es aber die Menschen anderer Kulturen mit völlig anderem Lebensstandard, die als Konkurrenten auf dem Markt antreten. Oft wird auch mit der Verlegung des Betriebs ins Ausland gedroht oder mit dem Outsourcing in internationale Billiglohnunternehmungen (z.B. Verwaltungsunternehmen in Indien).

Kann sich Widerstand überhaupt noch aus der Solidarität von Lohnabhängigen wirkungsvoll bilden oder muss er seine Wirkung vor allem aus einem ganz anderen gesellschaftlichen Bereich beziehen? Muss die Auseinandersetzung um Existenzerhalt vor allem zu einem Anliegen der Kommunen werden und dort geführt werden? Und wie?

Thema 5: Staatsgewalt und Staatsverschuldung

Die wirtschaftlichen Grundlagen des bürgerlichen Staates und der Länder und Gemeinden sind die Steuereinnahmen und die Abgaben für die Daseinsvorsorge. Damit sollen die gesellschaftlichen Bedingungen für die Arbeits- und Lebensverhältnisse, für die Produktion, die Logistik und die Selbsterhaltung von Menschen und Kultur eines politisch umschriebenen Lebensraums (Nation, Region, Gemeinde) sichergestellt werden.

Die Staatskassen der kapitalistischen Nationen sind seit der Fortbildung kapitalistischer Krisen mit einer Schuldenlast belegt (in Deutschland mit 1,48 Billionen Euro), die sie auch in 100 Jahren nicht begleichen können. Diese Last macht jede politische Entscheidung zu einem Akt der Gläubigerbefriedung und jeden Bürger schon bei seiner Geburt zu einem Schuldner. Es sind zum Großen Teil Schulden, die über Banken sich an das fiktive Kapital der Aktienmärkte gebunden haben, an denen die Staaten selbst teilhaben. Es herrscht dabei nicht nur die Fiktion ihres unentwegten Wachstums. Diese Schulden sind zugleich ein probates Mittel, Inflation durch fiktives Kapital zu bekämpfen, Geld in an sich leeren Geldkreisläufen mächtig zu machen um die Lebensressourcen der Menschen zu plündern.

Doch was sind das eigentlich für Schulden? Sie resultieren aus notwendigen Ausgaben für ein Gemeinwesen, das zur Wertproduktion tauglich sein muss, aber nicht hinreichende Einnahmen daraus bezieht. Die Schulden resultieren aus dem entzogenen Wert, aus dem entweder nicht realisierten Wert der Produktion, aus einer Negativverwertung, welche die kapitalistische Krise mit sich bringt, oder aus dem Wert, den das Kapital für sich behält, um sich zu stabilisieren. Sie werden zum größten Teil aus den Löhnen und Einnahmen der Bevölkerung bezahlt. Das Staatsrecht zwingt diese, Geldmacht zu sichern, die als staatliche Gewalt fixiert wird – als Gewalt nach innen und nach außen.

Die Staatsinteressen gehen immer totaler gegen die der Bevölkerung. Der Staat totalisiert seine Gewalt, während die Bevölkerung zum großen Teil noch an ein bloßes Krisenmanagement glaubt. Der Niedergang des Gemeinwesens findet für aller erkennbar in den Kommunen statt: durch Verkauf von kommunalen Einrichtungen, strikte Kapitalisierung des Wohnungsmarktes und durch die Reduktion der kommunalen Kassen durch Minereinnahmen und Mehrausgaben. Wie kann man die Bevölkerung von ihrer Staatsgläubigkeit abbringen und von der Notwendigkeit einer Widerstandskultur in ihren Kommunen überzeugen? Wie können Politiker dazu gebracht oder in die regionalen und überregionalen Parlamente eingebracht werden, die sich gegen die Staatsräson positionieren können, Geldausgaben für kommunalen Widerstand bestimmen und Gesetze zugunsten einer Widerstandskultur beschließen?

 

Thema 6: Widerstandskultur, Solidarität und das Gemeinwesen des Widerstands

Leo Meyer forderte in seiner Maiansprache 2007 eine neue Solidarität ein: „Wiederherstellung der Solidarität heißt Neubegründung der Arbeiterbewegung als internationalistische Bewegung in der Kooperation mit anderen gesellschaftlichen Bewegungen.“

Conrad Schuhler spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer Widerstandskultur.

Widerstehen kann man doch nur, wo man auch stehen kann. Wie könnte eine Widerstandskultur aussehen, die einen eigenen Boden hat? Auf was müsste eine neue Arbeiterbewegung gründen? Wenn man davon ausgeht, dass Gesellschaft nicht nur aus Arbeitszusammenhängen besteht, sondern z.B. auch aus einem kulturellen Gemeinwesen, kann dann überhaupt noch alleine eine Arbeiterbewegung für gesellschaftlichen Widerstand und gesellschaftliche Entwicklung stehen? Wie kann sie mit anderen gesellschaftlichen Bewegungen zusammenkommen, wie kann sie sich überhaupt auch als Teil einer gesellschaftlichen Widerstandsbewegung verstehen? Und was kann eine gesellschaftliche Widerstandsbewegung sein?

 

Thema 7: Prostestkultur und Demonstrationen

Das Grundrecht auf Demonstration in Hör- und Sichtweite ihrer Adressaten wurde in Heiligendamm zu einer Farce, das Gebot der "Angemessenheit" polizeilicher Aktionen ohne irgendwelche Wirkung. Protestierer galten wohl unter der Hand schon als "Terroristen“. Schon im Vorhinein wurde geschnüffelt und durchsucht, Computer beschlagnahmt, Daten gesammelt und Verdächtige beschattet. Und auch die Demonstrationen selbst sollten ausschließlich die Form haben, welche der Selbstwahrnehmung des Staates entspricht. Nur 2000 durften z.B. am Montag gegen die Migrationspolitik in der Innenstadt von Rostock demonstrieren. Als 8000 kamen, wurde die Demonstration einfach verboten. Das seien „zu viele“. Als ob eine Demonstration eine geringe Anzahl von Teilnehmern bezwecken könnte. Und zur Begrüßung des amerikanischen Präsidenten am Flughafen, wurde eine Kundgebung am Flughafen Rostock-Laage auf 50 Teilnehmer beschränkt – lächerlicher kann eine Demonstrationsauflage nicht sein. Es war die faktische Aufhebung des Demonstrationsrechts – eine essenzielle Bankrotterklärung der gewohnten Bürgerrechte.

Mit der Masse einer Protestbewegung werden auch deren Probleme verdichtet, besonders das Problem mit der Gewalt von Polizei und Demonstranten. Schon in Genua hatte sich gezeigt, dass seitens der Polizei und den Einsatz von Polizeiprovokateueren Gewalt initiiert wird, um fragwürdige Polizeiaktionen nicht als Disziplinierung des Protestes erscheinen zu lassen, sondern als Ordnungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Natürlich sind Provokationen immer Wasser auf die Mühlen der Staatsgewalt.

Doch kann man Provokationen quasi definitorisch schon im vorhinein ausschließen. Kann man sich als Teilnehmer eine Prostestkultur wie ein Polizist gegen die eigenen Reihen stellen, wenn darin Provokationen vorkommen? Was ist Protestkultur überhaupt, wenn sie nicht eine Form findet, sich gegen Staatsgewalt auch dieser entsprechend zu artikulieren? Wie könnte eine Form gefunden werden, in der das Gewaltproblem nieder gehalten werden kann? Was kann Demonstration überhaupt bewirken? Ist sie mehr als die Präsentation eines Anliegens oder eines Protestes? Könnte sie vielleicht die Präsentation eines Rückhalts sein, den eine Widerstandsbewegung überhaupt hat, die auch unabhängig davon eine eigene Wirklichkeit ist?

 

Thema 8: Globalisierung und Krieg

Es ist inzwischen sinnfällig geworden, dass die größeren Kriege nicht durch politische Konflikte oder kulturelle Auseinandersetzungen entstehen, sondern durch Machtbedarf, der in den Verwertungskrisen des Kapitals entsteht und ein fremdes Land für die eigenen Bedürfnisse und Notwendigkeiten niedermacht. Es geht dabei nicht nur um Besitzansprüche, Besetzungen und Eroberungen (z.B. zur Ausbeutung von Erdöl), sondern inzwischen vor allem auch um „produktive Zerstörung“, also um Zerstörung von politischen Strukturen der angegriffenen Länder und Kulturen, um im Machtvakuum der auf diese Weise niedergegangenen gesellschaftlichen Einrichtungen das eigene System als Weltenordnung zu installieren. Dieser Gedanke ist zumindest von den Neocons der USA implizit so formuliert (in „Rebuilding of Americas Defence“). Militärische Gewalt und Herrschaft ersetzt ökonomischen Ausgleich und wertmäßige Ausgewogenheit (siehe z.B. die Abdeckung der Petrodollars, durch welche der nur zur Hälfte gedeckte Dollar durch militärisch erpressten Ölbesitz aufgewertet wird). Zum Teil wird hierüber auch die Inflation der Weltwährung bekämpft.

Die Friedensbewegung greift eines der wichtigsten Themen der Anti-Globalisierungsbewegung auf und organisiert vor allem Demonstrationen gegen weltpolitische Großereignisse. Dabei gelang es schon öfter, die Ruhe der Verhandlungen und Aushandlungen empfindlich zu stören und ihren Charakter bloßzustellen.

Dass Friedensdemonstrationen nicht Rituale bzw. Gewohnheiten pazifistischer Selbstverständlichkeiten  sind, hat auch das Zusammenkommen von Künstlern und engagierten Menschen aus aller Welt in Heiligendamm gezeigt. Kann aus solchen Demonstrationen auch so etwas wie ein weltweiter Widerstand gegen Militarisierung, Wehrdienst und Militärindustrie werden? Wie könnte ein Boykott des Handels mit Waffen aussehen? Ist vermittelst einer öffentlichen Meinungsbildung noch Druck auf Gesetzgebung, Politiker, Waffenhandel usw. möglich? Entsteht hier bereits eine Art Widerstandskultur? Kann die Bedrohung der Menschheit durch Weltkriege zu einer Solidarisierung der Menschen auf diesem Globus führen, wenn sie sich auch kulturell im Widerstand hiergegen austauschen?

 

Thema 9: Gemeinwesen und Reproduktion, Gemeineigentum, Genossenschaft

„Die Privatisierung der staatlichen und kommunalen Versorgung ist deutlicher Ausdruck von Wertverhältnissen, die alles aufzehren, was nicht nur menschliche Arbeitskraft, sondern auch menschliches Gemeinwesen ausmacht.“ (Leo Meyer a.a.O) 

Die Angelegenheiten eines Gemeinwesens dürfen nicht dem Profitstreben untergeordnet werden, „weil sie zur Grundversorgung der Menschen zählen und unter öffentliche Kontrolle gestellt werden müssen. Das ist nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern auch eine Frage der Demokratie.

Denn ganz klar ist, eine Politik, die sich nicht mehr an der Maximalrendite für die Investoren, sondern am Gemeinwohl orientiert, braucht eine ökonomische Struktur, die zumindest in den Schlüsselbereichen auf Gemeineigentum basiert.“ (Leo Meyer a.a.O) 

Eine Orientierung am Gemeinwohl ist heute für viele nur noch ein Märchen aus der „guten alten Zeit“. Die Städte und Gemeinden hängen ja selbst unmittelbar am Tropf der Gewerbesteuer. Das Gemeinwohl sehen sie hauptsächlich durch Geldeinnahmen erfüllbar. Doch auch die werden immer geringer statt größer. Viele städtischen Einrichtungen (z.B. Theater, Schwimmbäder, Museen usw.) wurden geschlossen. Die Stadtregierungen haben längst mit dem Ausverkauf ihrer Besitzstände begonnen. Ganze städtische Wohnanlagen werden an amerikanische Investmentfirmen verkauft und die Miete zum Objekt von Börsenspekulanten

Kann man daran überhaupt etwas ändern? Partiell hat sich bereits Widerstand gezeigt, er z.B. in Duisburg gegen Heuschreckeninvestments im Wohnungsbau usw. Was kann daraus werden? Wie können genossenschaftliche Verbände (z.B. Wohnungsgenossenschaften, Betriebsgenossenschaften) in den Kommunen zu grundlegenden Änderungen der Lebensbedingungen beitragen?

 

Thema 10: Geld, Kredit und Schwundgeld

Geld ist an und für sich nur eine allgemeine Ware, mit welcher wertmäßiger Ausgleich für bestimmte Quanta von Aufwändungen ermöglicht wird, die zwischen Bedürfnissen und Arbeitsleistungen vermitteln. Wo es aber als Maß der Werte und Maßstab der Preise festgehalten wird und dem Markt der Gebrauchsgüter als Geldbesitz gegenübertritt, vermittelt es gesellschaftliche Macht dadurch, dass es das Quantum einer Entwicklung ohne irgendeine Qualifizierung hierzu bestimmt und damit vor allem deren Konzentration, ihre vorwiegende Richtung und ihre Maßgabe für die Lebens-, Reproduktions- und Produktionsbedingungen der Menschen vorgibt. Alle Preise bemessen sich am verfügbaren Geldquantum und auch das Kreditwesen ist vom Privateigentum der Geldbesitzer abhängig, die darüber hinaus ihr Geld auch noch durch das Wertwachstum selbst, wie es im Finanzwesen der Banken vermittelt wird, durch Devisengeschäfte und Geldspekulationen vermehren. Nicht nur in den Betrieben und auf den Börsen ist ersichtlich, dass Geld alles Wachstum beherrscht, sondern auch in den Stadtentwicklungen, den Kommunen und dem sozialen Selbsterhalt aller lokalen Einrichtungen bis auf die Ebene der Kulturanstalten. Nur wo Geld und Kredit von einem durchsichtigen Gemeinwesen bestimmt und verfügt wird und sein Wert von der Existenzeit der Produktion und ihrer Produkte bestimmt ist, die es darstellt, kann der Kapitalbildung, also der Geldverwertung mit Geld, entgegengewirkt werden. Hierdurch kann es schließlich zu sozialen Entwicklungen kommen, die im Sinne der Menschen nötig sind und es können dann die Menschen vor Bedingungen stehen, in denen sie nicht die Wachstumsgier des Privateigentums, sondern ihre eigenen einzelnen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten und Bedürfnisse vollziehen. Wenn eine Produktion aus einer Demokratie der Bedürfnisse sich begründet, wird auch durchsichtig sein, wodurch deren Befiredigung und Entwicklung zu menschlichem Reichtum führt. Dieser wird nicht nur den Geldbesitzern, sondern allen Beitragenden förderlich sein.

Mit der Einrichtung eines kommunalen Geldkreislaufs, der völlig unabhängig von Kapitalinteressen ist, wird auf Dauer sich eine private Machtkonzentration durch Geld ausschließen lassen. Der nächste Schritt in einer Widerstandskultur wäre demzufolge die Herstellung eigener Geldkreisläufe mit einem Geld, das nur als Zahlungsmittel fungieren kann. Und das wäre ein Geld mit Einführungs- und Verfallsdatum, dessen Existenzdauer an die der damit dargestellten Arbeitsprodukte und Produktionsmittel durschnittlich gebunden ist. Das wäre z.B. als Computergeld auf Chipbasis heute leicht zu handhaben, als Schwundgeld, das mit seiner Verweildauer auf dem Markt seinen Wert prozentual verliert (z.B. 1% pro Quartal, wenn dies dem ökonomisch ermittelten Wertschwund der Produkte pro Zeit entspricht).

Wie lassen sich hierfür kommunale Einrichtungen in Gang setzen? Z.B. als lokale Chip-Bank, die ihre Wertgrundlage in der lokalen Subsistenz hat und ermittelt?

 

Thema 11: Solidarische Ökonomie, Vertragswirtschaft und Genossenschaften

Gegen die Folgen des globalisierten Kapitalismus, gegen Ausgrenzung, Marginalisierung, Prekarisierung, Arbeitslosigkeit und Armut schlossen sich viele Menschen bereits kooperativ zusammen, um den Aufbau "einer anderen Ökonomie" z.B. als Genossenschaft zu versuchen. Besonders in den armen Ländern Lateinamerikas hatte dies zunächst nur eine bloße Selbsterhaltungsfunktion, die sich allerdings bald in die Arbeitswelt hinein ausdehnte. In Argentinien z.B. wurden mehrere Hundert Unternehmen von ihren Belegschaften übernommen. In Brasilien richtete die Regierung unter Staatspräsident Lula da Silva ein Staatssekretariat für solidarische Ökonomie ein.

Solidarische Ökonomie ist inzwischen ein Sammelbegriff für Formen des Wirtschaftens und für eine Organisation der Arbeit jenseits von Markt und Staat auf der Ebene von genossenschaftlich organisierter Selbsthilfe, Non-Profit-Logik und lokaler Ökonomie. Vor allem in Europa und Lateinamerika existieren Modelle und Konzepte der Beschäftigung, in denen Arbeit auf der Grundlage von solidarischer Ökonomie organisiert ist. Auch in Deutschland existieren bereits einige Projekte, die solidarische Ökonomie praktizieren.

Geht man theoretisch mal davon aus, dass solche Ökonomie durch eine in ihrer Aufgabenstellung systematisierte Vertragswirtschaft in der Lage ist, die Reproduktion von Menschen vollständig zu bewältigen, dann wäre das funktional erst mal eine Form der Unabhängigkeit gegen Existenzangst und damit eine Minderung des psychologischen Kapitals, das darauf beruht. Selbst wenn z.B. Agrarprodukte billiger aus dem Ausland eingeführt werden als hier für die hierfür aufgebrachte Arbeitszeit bezahlt wird: Könnte nicht die Sicherstellung der Reproduktion durch eigene vollständige Arbeits- und Ernährungskreisläufe einen weit höheren Wert für die Menschen haben? Könnte man solche Ökonomie vielleicht sogar kommunal durchsetzten und unterstützen? Könnten kommunale Gelder zu Investitionen in eine kommunale Reproduktionstechnologie verwendet werden und somit die Grundlagen anderer Gesellschaftsformen schaffen? Würde sich dann nicht auch die kommunale Landschaft, vor allem die politischen Verhältnisse und Bestimmungen, entscheidend verändern?

Sind genossenschaftliche Ansätze wie z.B. die Übernahme unkapitalisierbar bewordener Betriebe oder Wohngenossenschaften nur reine Selbsthilfe oder können oder müssen sie Bestandteil einer Widerstandskultur sein, die zugleich auf neuen sozialen Lebenszusammenhängen gründet? Erledigen sie nur das Geschäft des Kapitals, die Desintegrierten zu versorgen und damit auch zu entsorgen oder können sie auch zu einem Moment der Kulturbildung gegen die Globalisierung werden?

Die Frage der gesellschaftlichen Entwicklung bleibt hierbei zumindest im Bereich der Mehrproduktion unbeantwortet: Wie soll unter dem Standpunkt der bloßen Reproduktion ein gesellschaftliches Wachstum möglich sein und organisiert werden?

 

Thema 12: Internationaler Kommunalismus und die Internationalisierung kommunaler Demokratien

Der Grundgedanke einer aktiven, also Entwicklung bestimmenden kommunalen Wirtschaft verlangt eine umfassende wirtschaftliche Assoziationen vieler Kommunen auf der Basis ihrer spezifischen wirtschaftlichen Potenzen und Ressourcen. Wie sind solche Beziehungen denkbar, ohne dass sie sich dem Diktat der Geldwirtschaft und Sachzwängen unterwerfen müssen?

Wie kann eine weltweite Vertragswirtschaft sowohl die einzelnen kommunalen Belange erfüllen und zugleich faire Beziehungen zu allen beitragenden Kommunen eingehen, ohne dass korrupte Regierungen und private oder politische Machtinteressen sich die wirtschaftlichen Potenziale unterwerfen und aneignen können? Welche Art von Verteidigung ist hierzu denkbar und welche Regierungsform, welche Art von Demokratie kann dies gewähren und sichern?

Eine repräsentative Demokratie kann immer nur die Politik von Meinungsverhältnissen jedweder Art und Herkunft zu den Erscheinungsformen der Sachzwäng eines ökonomischen Systems sein. Darin verhalten, prominieren und vergewichten sich Meinungen, die sich über alle bestimmten Verhältnisse hinweg in gleichgeltender  Popularität als Meinungsproporz zu einer wesentlichen gesellschaftichen Macht werden. Solche Entscheidungsmacht stellt also die Macht eines Populismus gegenüber bestimmten Problemen dar, welche der zwingenden Sache folgen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen hiernach fortbestimmt. Das jedoch ist nur der Schein von Demokatie, die Mystifikation eines Bestimmungsverhältnisses, welche wesentlich nur dem Fetisch einer Versachlichung der Menschen Folge leistet und sie selbst damit politisch der Sache unterwirft.

Eine aktive Demokratie kann nicht auf solcher repräsentativen Prominenz von Meinungen beruhen, sondern muss sich aus dem Vermögen, den Notwendigkeiten und den Bestimmungsverhältnissen zur Entwicklung und Entfaltung kommunaler Lebenszusammenhänge ergeben, der von den konkret bestimmten Verhältnissen bis zu einem politischen Weltzusammenhang reichen. Wie können die hiernach gegliederten Entscheidungsprozesse und Bestimmungsproporze aussehen? Wie und von wem werden sie kontrolliert? Wie lassen sich hierdurch die nötigen Aufwände gerecht aufteilen? Wie ist hierbei das Verhältnis von regionalen Bestimmtheiten und überregionalen zu verstehen und zu organisieren und zu verwalten. Muss das unbedingt eine Staatsform, also ein Machtstatus sein, oder lassen kommunale Beziehungen auch beweglicher bestimmen?

 

Thema 13: Reproduktion des Gemeinwesens (kommunalen Verkehrswesen, Energiewirtschaft, Kommunikation)

Nicht nur die Produktion, auch die Reproduktion hat ihre Grundlage in gesellschaftlichen Lebenszusammenhängen. Besonders die kommunalen Einrichtungen sind hiermit befasst. Die Reduktion der Reproduktionsbedingungen und ihre Zugänglichkeit für alle Menschen ist die eklatanteste Form von Verarmung im Allgemeinen. Die Privatisierung öffentlicher Unternehmungen und Immobilien hat natürlich keine neuen Effizienzien – wie einst suggeriert – erbracht, sondern Abschöpfung sozialer Ressourcen, die sich als Verteuerungen in jeder Hinsicht herausstellten, also letztlich Reduktionen der Löhne (Absenkung der variablen Kapitalanteile) darstellten. Dem entgegenzutreten ist eine elementare Notwendigkeit einer Widerstandskultur.

Dies ist mit heutigem Stand der Technik leichter denn je zu bewerkstelligen, denn es hat sich schon gezeigt, dass die Modularisierung der Technik der Kommunalisierung der Politik immer näher kommt: Kleine Heizkraftwerke und Energiewandler sind oft effektiver als große, auf Masssenverteilung angelegte Konzerntechniken. Auch natürliche Produkte der Landwirtschaft (wie z.B. Äthanol) machen weit mehr Sinn in der Nutzung, als die Produkte großer Raffinerien, die zudem auf fossilen Brennstoffen beruhen. Für die Erzeugung und Bereitstellung von Kommunikations- und Verkehrsmittel gibt es immer weniger politökonomische Rendite. Die Technologie ist selbst auf der Ebene der unmittelbaren Sachbezogenheit angelangt und kann daher auch leicht aus der Verfügung von Kapitalgesellschaften herausgenommen werden. – Ein guter Grund, sich in den kommunalen Vertretungen hierfür einzusetzen.

Aber wie kann das geschehen? Welche Möglichkeiten bestehen, solche Interessen in die Kommunalpolitik einzubringen und dort auch umzusetzen und Gelder für ihre Installion einzusetzen, solange die Kommunen vorwiegend auf Geldeinträge durch Kapitalgesellschaften und Konzenre scharf sind.

 

Thema 14: Daseinsvorsorge, Gesundheit, Alter, Bildung, Jugend, Familie, Alter

Der gesellschaftliche Rückhalt der Menschen stellt sich vor allem in der Daseinsvorsorge dar.  Die Disziplinierung der Jugend-, Alten- Bildungs- und Gesundheitsarbeit durch staatliche und rein wirtschaftliche Bestimmungen zeigt, wie es darum steht. Solange Geld einziger Kalkulationsmaßstab dieser wesentlichen gesellschaftlichen Aufgabe ist, wird der kommunale Geldnutzen den Kapitalinteressen unterworfen bleiben. Hier zeigt sich die Rückentwicklung der menschlichen Gesellschaft zu einer Kultur bloßer Triebhaftigkeit und Begierden besonders deutlich. Schon die Inkakulturen wussten dies besser zu bewerkstelligen (duch reale Alterteilbewirtschaftung).

Auch wenn es teilweise wie eine monetäre Stützung erscheint, so verschärft die kapitalistische Familienpolitik zwangsläufig die Ausbeutung von Frauen und Männer, indem die Familie weitgehend in die allgemeine Reproduktionspolitik intergriert wird. Der reale Reproduktionswert  der Familienhaushalte ist in den letzten 30 Jahren drastisch gesunken, wenn man den Zuwachs der Kosten für Bildung, Kinderbetreung usw. einrechnet.

Wie ist es möglich, kommunale Wirtschaft so zu betreiben, dass eine reale Sozialbewirtschaftung, eine optimale Gesundheits-, Alters-, Kinder- und Jugendversorgung auf der Basis eines sicheren Reichtums gesellschaftlich gewährt ist?

Thema 15: Randgruppenintegration

Randgruppen wachsen im Maß der durchschnittlichen Verarmung der Bevölkerung. Dennoch erscheinen sie meist nur als Privatschicksale, weil ihre soziale Isolation zu ihrem vorherrschenden Problem geworden ist. Weil darin ihr gesellschaftlich bedingtes Problem in einen Teufelskreis einer unerträglichen Zuspitzung getrieben ist, werden Menschen naus den Randgruppen oft auch von denen gemieden, die zwar das Problem teilen, aber sich vor jeder zusätzlichen Belastung schützen müssen. Die Entwirrung und Durchbrechung solcher Zuspitzungen und Zustände erfordert eine engagierte Gemeinwesenarbeit von besonders hierzu geeigneten und ausgebildeten Menschen. Alte und Kranke, Arbeitslose, Obdachlose, Verlendete usw. bedürfen fachkundlicher Hilfe und geeigneter Mittel, um mit ihren Problemen überhaupt leben zu können und vielleicht auch noch zum Kern ihrer gesellschaftlichen Probleme und Beziehungen zu gelangen.

Eine Widerstandskultur sollte daher auch gerade hierfür Fachleute, engagierte Laien und Wissenschaftler bilden, die nicht einfach nur als Krücken der gesellschaftlichen Isolation dienstbar sind, sondern vor allem auch die darin bedrängte Kraft zum Widerstand gegen ihrer Bedrängnis befähigen, die ihrer wirklichen gesellschaftlichen Lage entsprechen. Außerdem eröffnet die Durchbrechung von Gettos der Armut den weniger hiervon betroffenen Menschen neue soziale Einblicke, welche ihre Wahrnehmung des gesellschaftlichen Ganzen erweitern. Dies ist auch deshalb nötig, weil sich um die Not und Bedrängnis vereinzelter Menschen gerne reaktionäres Gemüt ausbreitet, das in der Fortbestimmung von Ausgrenzungen Heilung sucht und für Heilsbotschaften anfällig ist.

Wie können Selbsthilfeeinrichtungen von Randgruppen zu offenen kommualen Einrichtungen werden, in denen auch widerständige Strategieen der Alltagsbewältigung ermöglicht werden, damit diese auch zu einer allgemeinen gesellschaftlichen Öffnung beitragen können? Wie ist eine erweiterte Finanzierung von Sozialwesenarbeit bei dem vorherrschenden Schwund in den Gemeindekassen noch zu erreichen? Welche Strukturen sind nötig, um diese Arbeit im Sinne einer Widerstandskultur durchzuführen?

Thema 16: Persönliche Erfahrungen und Bestärkungen, Subkultur, Selbstverwaltete Betriebe.

Viele Menschen sind durch Konkurrenz, Isolation, Existenzlasten und Identitätskrisen so reduziert, dass sie zu keinem widerständigen Verhalten mehr in der Lage sind. Wie können alternative Lebensverhältnisse der Form nach hergestellt werden, in denen zwischenmenschliche Beziehungen zu einem solidarischen Zusammensein im Interesse des Widerstands kommen. Wie kann dieser vor einem Familiarismus, einem abseitigen Kuscheleck persönlicher Konstruktionen und Macht bewahrt werden, wie zum Moment einer allgemeineren Widerstandskultur werden?

Können alternative Arbeitsstrukturen (z.B. als Arbeitsgenossenschaften, selbstverwaltete Betriebe) Momente des Widerstands sein? Was vermittelt sich darin als gesellschaftliche Entwicklungsmöglichkeit?  Ist Arbeiten ohne Chef auch Arbeiten ohne Kapital? Woher kommt das Geld (z.B. Netzwerke Selbsthilfe?) und was wird hiervon bestimmt – und durch wen? Sachzwang versus persönliche Zwänge, Ich-AG als Wir-AG? Entstehen da nur Fluchtwege in eine etwas heilere Welt oder wirkliche Chancen für eine Widerstandskultur?

Thema 17: Theater und Kunst im öffentlichen Raum

Zweifellos befördern künstlerische Aktivitäten im öffentlichen Raum die Verständigung unter den Menschen, zumindest dadurch, dass sie Auseinandersetzungen und Kommunikation in Gang setzen. Können hierüber die großen Themen Globalisierung, Staatsgewalt, Feudalisierung usw. als wesentliche Fragen des Lebensalltags übermittelt werden? Wie kann dies auch zu wirklich neuen Ausdruckweisen eines Widerstands zusammengeführt, wie in einen kommunalen Zusammenhang gestellt werden?

Thema 18: Aktion und Emanzipation

Es gibt bereits viele öffentlichkeitswirksame Aktivitäten von mutigen und entschlossenen Menschen, die entweder punktuell in politischen Interventionen (z.B. Reichstag-Banner „Der deutschen Wirtschaft“) oder auch kontinuierlich (z.B. Robinwood, Greenpeace, Attac gegen Lidl, kritischer Konsum, Freies Radio) die Lage von Mensch und Natur aufzeigen bzw. akute Schädigungen behindern und mindern. Solche Aktivitäten sind äußerst publikumswirksam, stehen jedoch auch in der Gefahr, zu einer bloß plakativen Kritik zu werden und den Eindruck einer kritischen Institution entstehen lassen, welche innerhalb der gesellschaftlichen Antagonismen zu deren Verewigung beiträgt.

Wie können solche Aktivitäten in eine Widerstandskultur einbezogen werden, die sich gegen Formationen von gesellschaftlichen Widersprüchen wehren muss, wenn sie eine notwendige Gesellschaftsveränderung im Emanzipationsprozess der Menschen von der kapitalististischen Gesellschaft erreichen will?

Wolfram Pfreundschuh