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Wolfram Pfreundschuh (13.11.09)

Von der Volksherrschaft des Kapitals
zur demokratischen Erwirtschaftung des gesellschaftlichen Reichtums

Teil 7 : Wie kann eine Gesellschaft demokratisch wirtschaften? Innere Sicherheit

Diese Sendereihe der Kulturkritik heißt „Von der Volksherrschaft des Kapitals zur demokratischen Erwirtschaftung des gesellschaftlichen Reichtums“. Ich hatte darin bisher von zwei Momenten der Gesellschaft gesprochen, die unter den Bestimmungen des Kapitalismus eine widersprüchliche Einheit bilden: Es sind Politik und Ökonomie. Politik ist eine willentliche Beziehung auf eine Gesellschaft, die eine Beeinflussung ihrer Entwicklung sucht und entsprechende Willensverhältnisse als Rechtsverhältnisse konstituiert. Okonomie ist die Lehre des Haushaltens mit Sach- und Kraftaufwendungen für eine optimale Effizienz ihrer Handhabung. Im Kapitalismus greift beides fortwährend ineinander, ohne sich in seinen unterschiedlichen Bestrebungen zu verwirklichen. Es vermengt sich fast unkenntlich zu einer politisch bestimmten Ökonomie und einer ökonomisch bestimmten Politik. Einmal ist es die politischen Form einer Demokratie, die nur repräsentieren soll, sich aber selbst zerfleischt, wenn sie ökonomische Entscheidungen fällen muss, wenn sie zeigen muss, dass sie nichts entscheiden kann, weil sie nur den Notwendigkeiten einer ihr fremden Sache folgen kann. Und ein andermal zeigt sich von der ökonomischen Form her, dass gesellschaftlicher Reichtum nicht wirklich gesellschaftlich existiert, weil er sich nur politisch durchsetzt, sich in Armut verkehrt, weil er auf der politischen Macht des Geldes beruht, das nur den bereichert, der darüber verfügt. Es handelt sich im Kapitalismus weder um ein demokratisches Verhältnis in dem Sinn, wie Demokratie als politische Selbstbestimmung einer Gesellschaft verstanden wird, noch um einen wirklichen Reichtum, der eine Vielfalt der Lebensbedürfnisse befriedigt und ihren Lebenszusammenhang entfaltet und bereichert. Das Verhältnis von Politik und Ökonomie ist hier nur absurd.

Heute komme ich zur letzten Sendung dieser Reihe und will diese Seiten der bürgerlichen gesellschaft in ihre wirkliche Beziehung setzen, zumindest, wie es sich in dieser Beziehung wesentlich herausstellen muss. Wie also kann eine Gesellschaft überhaupt demokratisch wirtschaften, wenn doch ihre politische Form immer auch ökonomisch bestimmt ist, wenn also Politik nicht als freier Wille, wie behauptet, besteht, sondern immer auch aus Notwendigkeiten, welche die Produktionsverhältnisse mit sich bringen?

Wie gezeigt, bezieht sich die Kritik der politischen Ökonomie auf diese Vermengung, also auf eine Ökonomie, die selbst schon politische Macht ausübt, wiewohl sie sich als Wirtschaft ausgibt. Sie ist also nicht einfach wirtschaftlich, besorgt nicht einfach und mit möglichst geringem Aufwand, was die Menschen zum Leben brauchen, sondern konstituiert Machtverhältnisse, in denen die Menschen durch die Formationen der Besitzverhältnisse politisch bestimmt werden. Solange es Kapital als Privatbesitz gibt, bewegt sich die gesellschaftliche Produktion in einem grundlegenden Widerspruch zu ihrer Existenzform des Kapitals, der politischen Macht des Geldes. Und solange die Politik nur repräsentativ demokratisch ist, bewegt sie sich im Widerspruch dieses politischen Rechtsverhältnisses, das sich in seiner demokratischen Repräsentanz permanent Lügen strafen muss, weil es auf Privateigentum, also auf privater Macht gründet, die sich eben auch nur als Macht des Privateigentums gegen die gesellschaftliche Wirklichkeit entfaltet (1).

Wir stehen also vor der sehr umfassenden Fragestellung, mit der sich das heutige Thema ergeben hat: Wie ist das ökonomische und politische Problem des Kapitalismus so zu wenden, dass sich tatsächlich eine für die Menschen wirkliche Gesellschaft ergibt, eine Gesellschaft menschlicher Wirklichkeit, in der sie durch den Reichtum ihrer Produktion sich entwickeln und ihr gesellschaftliches - also politisches - Verhältnis selbstbewusst gestalten können. Man muss also der Frage nachgehen, wie denn überhaupt eine Gesellschaft demokratisch wirtschaften kann und wie das aus einer Gesellschaft heraus zu entwickeln ist, die nur von der Behauptung lebt, dies zu tun. Es gibt hierzu vielerlei Gedanken auf jeder Stufe der geschilderten Problemlagen und ihrer Auflösungsversuche und aus den unterschiedlichsten Richtungen, z.B. die Gedanken zu einer „Solidarischen Ökonomie“, zur Genossenschaft oder auch zu einem lateinamerikanischen Modell der politischen Teilnahme der Bevölkerung im Staat. Um diese zu untersuchen, sollen heute erstmal die Grundlagen zu dieser Fragestellung zur Diskussion gestellt werden.

 

1. Politik zwischen Kultur und wirtschaftlicher Notwendigkeit

Die Grundlagen einer jeden Gesellschaft, wenn man sie in Raum und Zeit, also geschichtlich begreifen will, bestehen aus den Bedürfnissen der Menschen nach Erhalt und Entwicklung ihrer Kultur, und damit auch aus Arbeit, Technologie, Geist und aus der politischen Macht, durch welche deren Gestaltung beschlossen und entschieden wird.

Im Kulturkritischen Lexikon ist Gesellschaft folgendermaßen gefasst:

„Gesellschaft ist das lebende Zusammenwirken der Menschen, notwendige Wirklichkeit des Menschseins. Sie beruht auf dem besonderen Verhältnis der Menschen zu ihrer Natur, die ihnen gegenständlich und also Gegenstand ihres Stoffwechsels und ihrer Arbeit ist. Ihre Gesellschaft selbst ist die Naturmächtigkeit ihres Lebenszusammenhangs, durch welche ihr Erhalt und Fortbestand gesichert und die Entwicklung ihrer Lebensvielfalt, die Vielfältigkeit ihres sinnlichen Lebens, ihr geistiger und materieller Reichtum geschaffen und gebildet wird.

Das gesellschaftliche Leben ist zum einen Resultat der bisherigen Gesellschaften, welche diesen Reichtum der Menschen durch den Aufwand ihrer Naturkraft, ihrer Arbeit, geschaffen haben, Resultat der Lebensproduktion der Menschen, Produkt ihrer Sinnesgeschichte, menschliche Kultur, wie sie sich in den gegenwärtigen Verhältnissen darstellt; zum anderen sind diese Verhältnisse das gesellschaftliche Leben in der gegenwärtigen Form, worin die Menschen ihre Naturmacht reproduzieren, entwickeln und fortentwickeln, die Gestalt ihrer Lebensproduktion, ihrer Werkzeuge und ihrer Kultur.“

Jede Gesellschaft ist in ihrer Geschichte begrenzt durch ein Gebiet, auf dem sie sich definiert und das Fläche, Raum und Natur, also auch Bodenschätze bietet. Aber sie ist zugleich Teil der Weltbevölkerung, also einer allen Menschen gemeinen Gesellschaft, hat also auch Teil aller Schätze, die Menschen und Natur zur Erwirtschaftung des gesellschaftlichen Reichtums der Weltbevölkerung zur Verfügung haben. Wie sich diese verschiedenen Ebenen und Beziehungen und Wechselwirkungen, also die Wirklichkeit der menschlichen Verhältnisse auf der Welt so gliedern können, dass alle Teile widerspruchfrei existieren können, das ist die große Frage einer humanen Politik.

Im einzelnen ist jede wirtschaftliche und kulturelle Gestaltung und Entwicklung einer Gesellschaft wesentlich davon abhängig, wie sich ihre Reproduktion zu ihrem Fortschritt, zur Produktion eines Mehrprodukts und der Entfaltung der Entscheidungs- und Verfügungsmöglichkeiten verhält, in welchem ökonomischen und politischen Verhältnis also der in ihr produzierte Reichtum aufgeteilt und in den Beziehungen der Menschen allgemein verwirklicht ist.

Die kapitalistische Gesellschaft produziert notwendig die Verarmung eines großen Teils ihrer Bevölkerung, weil das Kapital sich über kurz oder lang in seiner politischen Macht nur dann wirklich voll entfaltet, wenn es den Menschen Abgaben abverlangt, die ihnen immer mehr Kraft und Vermögen entziehen. Dessen wesentlicher Widerspruch ist nämlich, dass es auf Wertwachstum beruht und hierfür zugleich eine Technologie benötigt, die Arbeit de facto immer wertloser macht, die also die Arbeit der Menschen entwertet, sie also vom Verwertungszwang zunehmend befreit. Automation ermöglicht die Emanzipation der Menschen von Kraftaufwand und Arbeitszeit, während sich Kapital aus der Ausbeutung von unbezahlter Arbeitszeit vermehrt, und damit sein Wertwachstum die Schranke der menschlichen Emanzipation darstellt. Sein Geldwert geht nur zu einem mehr oder weniger geringen Teil in die Produktion ein. Es wird hauptsächlich durch den Einkauf von Besitzrechten wertvoll, von Verfügungsrecht über Arbeit, Wohnung, Grund und Boden und Natur. Auf den Finanzmärkten wird es bestärkt, wo ihm diese Verfügungen Ertrag bringt. Es ist aber auch ständig vom Verfall bedroht, wenn ihm das nicht gelingt, wenn die organischen Grenzen der Verhältnisse, der Natur und der Menschen erreicht sind.

In seiner widersprüchlichen Bewegung zwischen Fortschritt und Auspressung lebt es in seinen Geldwerten auf und wird auch immer wieder vernichtet, weil es selbst sich nur spekulativ, also nicht planvoll verhalten kann. Deshalb bestimmt es alle gesellschaftlichen Verhältnisse nach den Widersprüchen seiner Verwertungslagen. Die Aussonderung von Menschen aus dem Arbeitsprozess, also Arbeitslosigkeit, entsteht nur dadurch, dass das Kapital von seinem Verwertungsdruck  her gezwungen ist, immer mehr Produkte auf den Markt zu bringen und immer weniger für die Arbeitskraft ausgeben zu müssen. Die aufgewendeten Arbeitszeiten werden auf dem Finanzmarkt solange verwertet, wie die Produkte auch absetzbar sind, wie also die Löhne hinreichen, die Angebote über Wert zu kaufen, die Mieten zu bezahlen, die Energiekosten zu tragen usw.. Und diese Verwertung scheitert auf Dauer zugleich daran, dass unbezahlte Arbeit eben kein Geld erbringt, durch welches die Produkte in hinreichendem Ausmaß abgekauft werden können. Sind die entsprechenden Marktausdehnungen oder Produktvernichtungen nicht möglich, so entwertet sich das Geld, wenn es nicht mal mehr zur Spekulation tauglich ist, weil niemand an seine Verwertbarkeit mehr glaubt. Das Hauptproblem, worin die Widersprüche des Kapitalismus erscheinen, ist also die immer wieder massenhaft werdende Armut der Bevölkerung auf der einen Seite und die Entwertungsverhältnisse auf den Finanzmärkten auf der anderen.

Die Transzendenz des Kapitalismus in eine andere Gesellschaftsform würde als erstes zwei Probleme beheben müssen, an denen der Widerstand gegen seine Logik ansetzen muss, weil sie für den Kapitalismus wesentlich sind: Gegen die Auspressung unbezahlter Arbeit und deren Geldverwertung auf den Finanzmärkten. Als drittes Problem kommt die politische Verfügungsmacht über Zeit und Raum hinzu, also über die Geschwindigkeiten der gesellschaftlichen Bewegungen und über den Lebensraum der Menschen und der Natur.

Das Leben der Menschen wird in seinem Zeitverlauf in jedem Lebensabschnitt von den Zirkulationsgeschwindigkeiten des Kapitals bestimmt, also davon, wie schnell produktive Erneuerungen auf den Markt kommen, welche die Konkurrenz dort beflügelt. Außerdem ist vom Raum her Grund und Boden und die darin lagernden Ressourcen beschränkt. Die Verfügungsmacht hierüber wird alleine durch ein Besitzrecht gesichert, das auf angeeignetem Geldvermögen beruht, das also immer mit dem Geld erkauft wird, das aus den zirkulierenden Geldwerten entnommen ist, also denen gehört, die mehr besitzen, als nur ihre Arbeitskraft, und deshalb damit auch spekulativ handeln und verhandeln können. Zum wesentlich Teil hat nicht ihr Fleiß oder ihr Geschick sie hierzu gebracht, sondern ein Zufall, sei es die Geburt durch vermögende Eltern, oder eine Verwertungslage, die in ihre Existenz eintraf, die dafür günstig war, und ihnen Geld durch Kredite und Wertverwertung einbrachte.

Solche Verfügungsmacht ist eigentlich nur ein Unsinn, gegen den sich die Menschen auflehnen müssen: Der Unsinn, dass immer weniger Arbeit nötig ist, um die Menschen zu erhalten und Zukunft zu entwickeln, aber das Kapital immer mehr Arbeitszeit zu immer geringerem Entgelt kassieren muss, um sich in seinem Anachronismus zu erhalten. Junge Gewerkschafter haben errechnet, dass 3 Millionen mehr Menschen Arbeit hätten, also der weitaus größte Teil der Arbeitslosigkeit behoben wäre, wenn alle nur 30 Stunden pro Woche arbeiten müssten. Einige Ökonomen halten 28 Arbeitsstunden pro Woche für hinreichen, um die Realwirtschaft, also die Wirtschaft zur Reproduktion der Menschen und der Herstellung eines wachstumsadäquaten Mehrprodukts zu gewährleisten, anderen scheint dies schon mit 20 Wochenstunden gegeben. Eine Gruppe von Ökonomen hat errechnet, dass sich die Staatsverschuldung, also die Ablagerung der Entwertungsgeschichte des Geldes, schon in wenigen Jahren auflösen ließ, wenn das Geld nicht mehr durch die Banken geschöpft würde, die dies nur noch durch ihre Zinserwartungen bestimmen. Aber all das aufzuheben ist nur möglich, indem die Existenzformen des Kapitals, die Finanzmärkte und Arbeitszeiten, deformiert und die Kapitalinteressen selbst aufgelöst werden, indem also Kapitalismus unmöglich gemacht wird.

Und das ist tatsächlich ein Problem, weil es nicht mit einem Mal geschehen kann, ohne dass den Menschen ihre Lebensgrundlagen entzogen würden: Würden einfach nur die Arbeitszeiten schlagartig z.B. auf 30 Stunden reduziert, so würde die fortbestehende Konkurrenz der Einzelkapitale die kleineren Betrieb vernichten und die großen noch größer werden lassen, also nur neue Kapitalkonzentrationen in Gang setzen. Und würde die Verzinsung und also die Kreditwirtschaft aufgehoben, so würde niemand mehr Geld leihen können und es würden sich nur die bereichern und fortentwickeln, die es schon haben. Und wäre der Aktienmarkt schlagartig aufgelöst, so würde die gesamte Industrie kollabieren, die nicht nur ihre Wertschöpfung darauf gründet, sondern darin auch den Rückhalt für die betrieblichen Existenzen hat.

Das Geldverhältnis begründet sich eben nicht aus einem Regelwerk, das festlegt, wie Geld politisch so bestimmt werden könnte, dass es für alle gerecht verteilt wäre. Es begründet sich aus dem Warenverkehr und stellt ökonomisch nur ein Äquivalent für die darin zirkulierende Wertmasse dar. Und diese ist abhängig vom Verwertungsgrad der Arbeit, also auch von ihrer Produktivität und ihrer Ausbeutungsrate. Diese Wertmasse und die Produktivität und Ausbeutungsrate der Arbeit hat ungeheure Dimensionen angenommen, die auf immer größeren Finanz- und Warenmärkten sich umsetzen musste. Die Globalisierung war nicht der Einfall einiger Finanzleute und auch nicht nur aus einer bloßen Ideologie, aus der Ideologie des Neoliberalismus entstanden. Es war umgekehrt: Sie war die notwendige Konsequenz einer Wirtschaft, die real nicht mehr durch Gold oder Bodenschätze oder den Warenverkehr auf nationalen Märkten zu decken und zu betreiben war, weil die Produktivität der Arbeit solche Vermögen weit überschritten hatte und nur auf den Finanzmärkten noch Äquivalente dieser Wertsummen durch Wertpapiere darstellbar war. Es gab einfach zuviel Geld. Die Ideologien und Entscheidungen zum globalen Wertehandel gründeten hierauf und entsprachen diesem Sachverhalt in seiner absurden Form, der Form eines ansonsten notwendig wertlos werdenden Geldes. Um sich zu erneuern musste dieses in der Kreditwirtschaft unter die Menschen gebracht werden sodass immer leichtsinnigere schlecht verbürgte Kredite verschleudert wurden, bis die damit bewirkten Hauskäufe die Immobilienwerte derart niedermachten, dass die Wertdeckung immer teurer wurde und die Rückzahlbarkeit der Kredite platzten, und mit ihnen eine ganze Kette von Kreditierungen.

Das ist Geld, wie es als Finanzkapital sich auf die Realitäten des Warentauschs bezieht. So gesehen erscheint alles im Kapitalverhältnis festgezurrt und ausweglos und der Kapitalismus ohne Alternative, wie es ja auch immer wieder gerne behauptet wird. Solange der allgemeine gesellschaftliche Zusammenhang weiterhin auf Geldverhältnissen beruht, solange wird auch eine Beschränkung der monitären Erfordernisse, der Zinsen, der Freizügigkeit und der Spekulation, nichts an den Verhältnissen von Kapital und Arbeit ändern, sondern den Geldverkehr immer mehr in eine Schattenwirtschaft treiben, die alles bestimmt, was auf den Markt kommt, und alle verschulden, die dort herausfallen. Es würde den bereits beginnenden Feudalkapitalismus nur beschleunigen und totalisieren. Die Funktion des Geldes reduziert sich daher auch immer mehr auf seine politisch Macht, die aus dem Besitzrecht an Gütern ihren Wert zieht, die nicht als Arbeitsprodukte vom Markt abhängig sind, sondern vorwiegend als unmittelbare Lebensnotwendigkeiten unabdingbar sind: Grund und Boden, Immobilien, Kommunikation, Energie usw.  Diese bestehen auf dem Markt aus Verpflichtungen, die denen der Feudalwirtschaft ähneln, nur dass sie nicht lediglich ein Zehntel der Abgabe verlangen, sondern meist über die Hälfte der Einkommens.

Wenn wir die Übel des globalen Kapitalismus überwinden wollen, so geht es letztlich darum, den ganzen wirtschaftlichen Zusammenhang weitgehend umzukehren und von den Geldverhältnissen, wie sie bisher geläufig waren, zu befreien. Und hierfür gibt es nur eine Möglichkeit: Es müssen den feudalen Erpressungen Vertragsverhältnisse für wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen bestimmen, die mit deren sachlicher Wirklichkeit verbunden bleiben. Und diese müssen durch kommunale, regionale und internationale Politik abgesichert werden, welche das Festhalten von Geldvermögen verunmöglicht  und Marktbeherrschungen durch wirtschaftliche Durchsichtigkeit und Wertbestimmung durch demokratische Entscheidungen der jeweils betroffenen Menschen ermöglicht. Die Gesellschaft einer durch internationales Recht abgesicherten Vertragswirtschaft, welche aus den Kommunen und Regionen und deren Realwirtschaft sich in die Welt hinein entfaltet, könnte die Feudalmacht des Finanzkapitals überwinden.

2. Kommunalpolitik und Internationalismus

Die politische Wahrnehmung kann den wirklichen Verhältnissen nur dort entsprechen, wo die Wirtschaft auf der ihnen entsprechenden Ebene, also auf der Ebene der Güterbeziehung stattfindet und sich von daher auch entsprechend mitteilt. Die repräsentative Demokratie kann zwar große Reden absondern, in welchen vor allem Ideologien und die ihnen entsprechenden Werte des Kapitalismus vergegenwärtigt werden und welche dann die politischen Entscheidungen bestimmen, nicht aber die wirklichen und wesentlichen Probleme der Gesellschaft ihrer Substanz nach angehen. Da geht es nicht um Wirklichkeit. Es geht lediglich um das Geld als solches, also auch um Geldausgaben in Bereichen, wo kaputtes Geld schlicht durch frisches Geld ersetzt wird, damit Geld überhaupt wieder funktioniert. Es kann dann auch ein Staatskredit über 32 Millionen Euro für einen Quelle-Katalog zweckmäßig sein, auch wenn kurz darauf kein Mensch mehr mit ihm einkaufen kann. Das Geld ist dann futsch, aber es war ja auch schon kaputt – was solls? Immerhin wurde vielleicht das grafische Gewerbe dabei etwas stabilisiert. Diese Form der Geldwäscherei ist nur ein Beispiel der Wirtschaftspolitik eines kapitalpflichtigen Parlaments und hat nun schon einige zig Milliarden vor allem zur Stützung einer schon anachronistisch gewordenen Automobilindustrie gekostet. Die Politik kann das als Ausfluss ihrer Verantwortlich keit und Sorge ausgeben und zudem mit der Vernunft solcher Geldverschwendung zufrieden sein. Sie zielt aber nur auf die Börsenkurse, also auf Geldeinträge, die sie damit in Schwung bringen kann. Mit den Menschen, die das Geld erarbeiten müssen, hat das nichts mehr zu tun. Es ist ja eigentlich auch klar, dass die allgemeine Repräsentation einer solchen Gesellschaft nur die Repräsentation des Geldes, seiner Verhältnisse und seiner Probleme sein kann. Dazu gehört auch eine Opposition, die Meinungen vergegenwärtigt, die sich hiergegen wenden – eben solange, wie sie nicht selbst regiert. Es ist der politische Kreislauf einer ökonomischen Absurdität die nur noch den durch das Kapital selbst bedrohten Geldverkehr zu erhalten sucht. Diese Demokratie ist die vollendete Volksherrschaft des Kapitals, das mit dem Leben der Menschen nichts mehr zu tun hat.

Die repräsentative Demokratie ist eine doppelte Täuschung. Zum einen wird damit der Klassengegensatz von Kapital und Arbeit verwischt und die Interessen der Arbeit in die Interessen des Kapitals verkehrt.  Zum anderen wird behauptet, dass Repräsentation von Meinungen in der Form von Ideologien demokratisch sei. Das hat nichts mit Demokratie zu tun. Ihr muss es um die Selbstbestimmung der Beteiligten gehen. Und die gibt es wirklich und gegenwärtig. Es geht um die politischen Entscheidungen der Bevölkerung zu Sachverhalte , auf welche sie auch wirklich bezogen sind und wodurch sie ihre Lebensbedingungen gestalten. Zu solcher Demokratie gehört eine Verbindlichkeit zwischen Repräsentation von Beurteilungen und den hiervon wirklich Betroffenen. Es gehört dazu sowohl anteilsmäßig wie auch sachspezifisch die Referenz der Beurteilung, die qualitative Beziehung, die sich nicht als bloße Mehrheit in der Zustimmung zu einem Vorurteil darstellen kann. Es verlangt, dass die wesentlichen gesellschaftlichen Bereiche, z.B. Arbeiter, Angestellte, Wissenschaftler, Gesundheitsarbeiter, Dienstleister, Erzieher und Lehrer usw. in den realen Mengenverhältnissen auch durch Abgeordnete oder Räte aus diesen Bereichen vertreten werden. Und es verlangt, dass diese Vertreter rechenschaftspflichtig über ihre Vertretungstätigkeit sind.

Eine parlamentarische Vertretung kann nur wahr sein, wenn sie als ein Dienstleistungsgewerbe für die Bevölkerung tätig ist und wie diese entlohnt wird. Das verlangt nur die entsprechende Befähigung. Es verlangt allerdings auch, dass sich die Bevölkerung als Arbeitgeber dieses Gewerbes in ihren Kommunen und Regionen trifft, dort ihre Beurteilungen zustande bringt und zur Vermittlung beauftragt. Je nach Ebene des Allgemeinheitsgrads und dem Betroffenheitsbereich der Vertretung können entsprechende Gremien hierfür bestimmt und hierarchisiert werden, die von denselben Räten kontrolliert werden, die rechenschaftspflichtig gegenüber der Bevölkerung sind. So sollten sich alle Ebenen der Politik bis in die internationale Politik hinein ergeben.

Wenn sich aus der Allgemeinheit der politischen Ebene eigenständige Institutionen, z.B. eine besondere Bürokratie, ergeben, so müssen auch delegierte Kommissionäre mit entsprechendem Fachwissen die Arbeit dieser Gremien kontrollieren und beraten. Die Zusammenfassung der Ebenen kann auf nationaler Ebene auch ein Parlament machen, das selbst als Dienstleitungsbetrieb der Kommissäre wie bisher der Staat arbeitet, in selber Weise kontrolliert wie auf allen anderen Ebenen auch, immer also in konkreter Rechenschaftspflicht gegen einen Auftraggeber, dem die Ausführung seiner Entscheidungen nötig ist.

3. Geldwirtschaft und Vertragswirtschaft

Geld erscheint jedem Menschen zunächst als einfaches Zahlungsmittel. Als Mittler von Waren verselbständigt es sich aber schnell zu Kapital, weil es als Zahlungsmittel nicht nur Produkte, sondern auch einen Titel als privates Nutzungsrecht, das Recht auf Privateigentum vermittelt.  Hierdurch wird alles, was als Ware gehandelt wird, zu einer Rechtssache, die der Willkür ihres Besitzers ausgeliefert ist. Beim Verzehr von Lebensmittel ist das relativ gleichgültig, gehen diese doch im Gebrauch vollständig unter, weil sie hierbei auch vollständig von dem verbraucht werden, der sie erworben hat. Nicht so beim Gebrauch der Ware Arbeitskraft, bei Grundstücken, Natur-Ressourcen, Wohnungen, Produktionsmittel, Verkehrsmittel , Kommunikationsmittel, Lehrmittel oder Intelligenz und Wissen usw. Durch die Aneignung solcher Titel setzt sich eine Eigenschaft des Besitzens selbst durch, also die Fähigkeit eines Besatzers, die weitere Entwicklung und Verwendung des Besitztums selbst zu bestimmen. Es sind Umstände, durch die er etwas erworben hat, die er im Besitz festhalten kann, z.B. eine günstige Situation oder Herkunft, die Entwicklung einer Landschaft oder eines Hauses, der Verfall einer veralteten Technik usw. Es sind gesellschaftliche Beziehungen, welche die Umstände und den Wert seines Besitzes bestimmen, über deren Nutzung aber er verfügt, als ob er sie geschaffen hätte. Von daher hat er eine private Macht, welche ihn über die Menschen stellt, die sich nur durch Lebensmittel erhalten, sich also nur reproduzieren können. Mit diesem Rechtsverhältnis, dem Privatrecht auf die Verfügung gesellschaftlicher Entwicklungen, kann keine wirkliche gesellschaftliche Beziehung begründet und erhalten werden. Es macht das Klassenverhältnis aus, in welchem  sich die einen Menschen nur reproduzieren, die anderen die Produktion der Reproduktionsmittel bestimmen können.

Anderes würde geschehen, wenn die Menschen ihre Beziehungen, soweit sie über den bloßen Verbrauch, über die bloße Reproduktion der Menschen hinaus gehen, nicht durch allgemeine Privatverfügungen, sondern durch Rechte regeln, die in Verträgen festgelegt werden, in welchen sich die allgemeinen und aktuellen gesellschaftlichen Beziehungen darstellen lassen (siehe hierzu http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=vertragswirtschaft).  Die Basis von solchen gesellschaftlichen Verträgen wäre als erstes eine materielle Grundsicherung für jeden Menschen, der in der Region lebt, sei es durch Geburt oder durch Umzug oder Einwanderung. Es wäre  eine Sicherheit, welcher durch seine Verpflichtung gewährleistet wird, dass er anteilsmäßig hierfür und für die soziale Absicherung arbeitet, soweit er arbeitsfähig ist. Er hat damit auch schon im gleichen Maß Anteil an der politischen Bestimmung der Produkte, die seine Reproduktion, also seine Grundbedürfnisse betreffen.

Zugleich ermöglichen die Vertragsverhältnisse auch Mehrarbeit durchsichtig zu machen und entsprechend zu entlohnen. Die Menschen, die über ihre Grundsicherung hinaus solche Verträge eingehen wollen, werden entlohnt für das, was sie auch wirklich an Mehraufwand erbracht haben, was sie in ihrer Arbeit an Kraft und Fähigkeit über das gesellschaftliche Mindestmaß hinaus umsetzen und vergegenständlichen, das heißt, an Gegenständen veräußern, die über die Grundsicherung hinausgehen. Sie schaffen das gesellschaftliche Mehrprodukt, an dem sie durch die Entlohnung ihrer Mehrarbeit teilhaben, bis dieses selbst verdurchschnittlicht, also zum gesellschaftlichen Lebensstandard wird, sobald dies durch eine allgemein verbesserte Produktion, durch Routine und Automation möglich ist. Bis dahin gehört das Mehrprodukt sachlich der Kommune als Gemeinwesen, die es verwendet, um es als kommunales Mittel für Verkehr, Gesundheit, Bildung, Kultur usw. oder als Produktionsmittel verfügbar zu machen oder um Vertragsbeziehungen zu anderen Kommunen eingehen zu können.

Diese Gesellschaftsform ist nicht neu; sie hat in der Geschichte viele Parallelen, nicht nur bei peruanischen Bergbauer oder indianischen Stämmen, auch in den Vorstellungen einer „Solidarische Ökonomie“, wie sie in der sogenannten Alternativbewegung mehr oder weniger erfolgreich betrieben worden ist oder wird, allerdings meist ohne dass dabei die Funktion des Geldes aufgehoben wurde. Und das ist ein entscheidender Punkt und oft auch der Grund für das Scheitern vieler solcher Ansätze. Solange Geldbesitz mehr gewährleisten kann als kommunale Wirtschaft, wird er sich immer gegen sie durchsetzen. Die offene Beziehung von Reproduktion und Mehrarbeit ist die Bedingung dafür, dass die tragenden Substanzen einer Gesellschaft unterscheidbar sind und deren Zustand und Entwicklung nicht ideologisch oder monetär bewertet werden. Voraussetzung hierfür ist zum einen eine für alle durchsichtige kommunale oder regionale Reproduktionswirtschaft zur Erhaltung eines politisch bestimmten Lebensstandards (siehe hierzu „Über das Menschenrecht auf eine menschliche Gesellschaft“). Und zum anderen eine allgemeine, also für jeden gewährleistete Verfügbarkeit über gesellschaftlich vorhandene und verwaltete Produktionsmittel, die zum Zweck einer bestimmten  Mehrarbeit oder zur Erarbeitung eines besonderen Mehrprodukts zum Gebrauch verliehen und zur entsprechenden Vernutzung ausgegeben werden. Wer mehr haben oder schaffen will, als er zur Reproduktion nötig hat, kann damit sich als Einzelner oder auch als Gruppe oder „Belegschaft“ durch wirkliche Mehrarbeit mit der Stundenvergütung an Mehrleistung bereichern und zugleich die Gesellschaft, z.B. auch durch eigene Erfindungen und Einfälle weiterbringen. Der geschichtlich erworbene gesellschaftliche Reichtum wird auf diese Weise allgemein zur Weiterentwicklung fortgeführt, während die Reproduktion der Einzelnen zugleich sichergestellt ist. Individuum und Gesellschaft bewegen sich auf einer identischen Interessenlage (2).

 

4. Das Verhältnis von Wirtschaftsmacht und Kulturwirtschaft

Auch eine Vertragswirtschaft beruht auf vorgegebenen Verhältnissen, worin Machtunterschiede schon dadurch herrschen können, dass die einen nur durch die Möglichkeiten und Fähigkeiten der anderen existieren können, ohne selbst gleichwertiges entgegenstellen zu können - sei es durch den Zufall der Ressourcen oder durch den unterschiedlichen Entwickungsstand der Technologie oder dergleichen. Macht herrscht, wo ein Ausgleich solcher Unterschiede nicht möglich ist. Lediglich das gemeinsame Interesse an Fortentwicklung kann hier einig machen, denn wo Armut auf der einen, Reichtum auf der anderen Seite herrscht, kann es auch kulturell keine Beziehung mehr geben. Der Hintergrund aller menschlichen Geschichte aber ist ihre Kulturgeschichte, wie sie sich auch in der ökonomischen Form zuträgt: Kulturwirtschaft.

Kulturwirtschaft beinhaltet ein übergeordnetes Wissen über das Verhältnis von Macht und Kultur. Eine bloße Ökonomie verfolgt nur das Prinzip des kleinsten Aufwands bei hochgradiger Effinzienz, also das Prinzip der Nützlichkeit von Arbeit. Das ist aber zu kurz gegriffen, um menschliche Entwicklung fortzubestimmen. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Menschen durch das Wirtschaftsmaß der Nützlichkeit sich insgesamt nicht wirklich und kulturell bereichern, sondern mit ihrer Bereicherung vereinseitigen und also in ihrem Lebenszusammenhang, in ihrer Kultur verarmen. Auch Vertragswirtschaft richtet sich wie jede Wirtschaft nur nach dem Nutzen und dieser ist immer ein Herrschaftsverhältnis zum Gegenstand der Nützlichkeit. Von daher widerspricht solche Wirtschaft dem kulturellen Interesse der Menschen, ihre Beziehungen zu erweitern und zu vertiefen. Der Vorteil der Vertragswirtschaft, autonome Wirtschaftseinheiten gestalten zu können, enthält daher von diesem Standpunkt her genommen einen großen Nachteil: Er isoliert die Regionen im Maß ihres Nutzungsinteresses voneinander und schottet sie gerade dann gegeneinander ab, wo sie sich im Nutzen ihrer Produkte aufeinander beziehen.

Es bliebe alles beim alten, wenn das übergreifende kulturelle Interesse an einer allgemeinen Menschheitsentwicklung  nicht höher gestellt würde, als der Nutzen als solcher und in einer internationalen Beziehung aller Menschen als internationale Kommunalwirtschaft aufgeht. Menschliche Emanzipation kann nur in der Beziehung des Menschen zum Menschen und zur Natur aufgehen. Autonomie schützt zwar vor fremden Zugriff, produziert aber zugleich Entfremdung und reduziert jeden Fortschritt auf die Macht, die er ermöglicht.

Solange Menschen hungern, ist jeder mächtig, der Überfluss an Nahrung hat. Solange sie unwissend bleiben, sind sie auch zu eigener Entwicklung nicht ermächtigt. Sowohl auf lokaler Ebene wie auch weltweit herrscht immer noch ein bislang unausweichliches Machtgefälle, das auch bei vertragswirtschaftlichen Beziehungen wieder Marktvorteile entstehen ließe, durch welche alle Beziehungen und Umstände veröden würden, wenn dies nicht durch eine kulturwirtschaftliche Bestimmung beschränkt wird, durch politische Gesetze, welche die kulturellen Anliegen in den Vordergrund stellen, vor allem das Anliegen, dass jeder Fortschritt als erstes der Reproduktion aller Menschen und der Natur dienen muss. Die Natur kann für die Menschen nur natürlich bleiben, wenn jeder Fortschritt als Fortschritt einer allgemeinen menschlichen Naturmacht angesehen wird, wenn er also dazu verhilft, Natur und Mensch zu schonen und hierdurch die menschliche Kultur voranzubringen. Dieses Verständnis von Wirtschaft ist der Verstand einer Kulturwirtschaft die weiß, dass menschliche Emanzipation nur als Kultur Bestand hat, dass sie selbst nur als Kultur besteht.

Es ist dies eine Wirtschaft, die über den wirtschaftlichen Nutzen hinausgeht, indem sie sich als kulturelles Verhältnis der Menschen verwirklicht, also in dem wirklich ist, was letztlich menschliche Arbeit für menschliche Bedürfnisse erbringt und zugleich die Natur schont, welche zum Leben der Menschen Bedingung ist. Es geht hierbei nicht um die Definition von Kultur und nicht um die von Wirtschaft, sondern um die Aufhebung ihres Gegensatzes durch einen Reichtum, in welchem das Verlangen des Menschen nach dem Menschen zu gegenständlicher Wirklichkeit wird. Es muss zum politischen Imperativ werden, dass alle Produkte so gut sein müssen, dass sie die Verbundenheit der Menschheit befördern und ihre Erhaltung sichern, dass sie also immer als Substanz des allgemeinen menschlichen Reichtums anzusehen sind. In solchem Reichtum ist nicht diese oder jene Kultur, sondern menschliche Kultur gegenwärtig, welche die Basis dafür ist, dass es einmal Gesellschaft als Verein freier Menschen geben kann. Es mag in den einzelnen Kulturen noch erhebliche kulturelle Unterschiede geben. Am Ziel des Imperativs ändert das nichts. Er verlangt, dass keine Kultur eine andere dominiert und kein Geld mehr Macht über das Leben der Menschen hat. Menschliche Kultur geht in menschlicher Tätigkeit auf, weil sie deren Verwirklichung ist. Und Arbeit ist selbst die Tätigkeit der Bedürfnisse, Befriedigung, Genuß menschlicher Gegenständlichkeit, Verwirklichung menschlicher Natur als Kultur überhaupt.

Dadurch, dass Vertragswirtschaft letztlich als internationale Kommunalwirtschaft in Kulturwirtschaft aufgehen kann, eröffnet sie die Perspektive einer wirklich anderen Welt, eines anderen Lebensverhältnisses überhaupt (siehe hierzu auch "Die verhütete Gesellschaft"). Auf dem Weg dahin können wir uns schon jetzt verstehen und deshalb auch dafür Sorge tragen, dass keine Kultur durch eine andere beherrscht, keine Technologie sich gegen die Natur richten darf, kein Mensch durch eine Sache gedungen und kein Kapital als Entwicklungsmacht der Menschen anerkannt wird. Wenn dies gelingt, sind wir auf dem Weg in die Entstehungsgeschichte einer Welt die wie eine internationale Kommune sein kann, die in den Mitteln und Möglichkeiten der Gegenwart schon absehbar ist. Aber auf diesem Weg müssen die überholten Formen der Gegenwart überwunden werden, müssen die Inhalte zum Tragen kommen, welche schon jetzt in dem sind, was existiert. Es müssen sich die Menschen nur aus dem befreien, was sie an der Verwirklichung ihrer allgemeinen Lebenstätigkeit, an der Beziehung von Arbeit und Bedürfnis, Leben und Kultur hindert. So hat das schon vor 150 Jahren Karl Marx formuliert: „Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt.“ (Karl Marx)

Damit sind wir wieder in der Welt angelangt, wie sie heute ist und wie sie sich noch verstellt, weil sie den Menschen entfremdet ist, also keine menschliche Verwirklichung, keine Wirklichkeit der Menschen sei kann. An den Formen der Wirklichkeit entsteht die Täuschung, der Mythos eines Weltenschicksals, dem die Menschen ausgeliefert seien. Gerade da muss die Emanzipation von der Entstellung ansetzen. Es geht um di Verwirklichung eines längst vorhandenen Lebens, das zur Unwirklichkeit verdammt ist. Es geht daher um dessen Transformation, die mit der Deformation überkommener Lebensformen beginnt.


Fußnoten:

(1) Wir erleben momentan beides überdeutlich. Die Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass das Geld auf dem Finanzmarkt immer wieder die Wirtschaft in eine Fiktion des Wertwachstums treibt, weil sie Geld zu verwerten sucht, das nur beschränkt anwendbar ist. Das Geld saugt dort, wo es nicht verwertbar ist, wo es also kein wirkliches Mehrprodukt schafft, alle Werte auf, die es auch durch nichts Wirkliches ersetzen kann. Das Geld, das die Banken auf den Markt werfen und um das die Aktienmärkte kämpfen, zergeht immer wieder in immer größere Blasen, welche zunächst die Krisen des Finanzmarkts und dann auch die reale Wirtschaft, Betriebe und Arbeitsplätze niedermachen. Und das Zerstörte verbleibt als ungeheuere Schuldenlast des Staates, welche seine Bürger zu tragen haben, die gerade noch die Werte für das Geld erzeugen mussten, bevor es sich in erneuerte Schuld auflöste. Das Kapital betreibt diesen Unsinn schon sein über 200 Jahren und verschärft ihn zu immer größeren Verwertungslöchern. Da hinein gestopft werden muss dann wieder realer Wert, also menschliche Arbeit, die nichts anderes zu bringen hat, als die Löcher des Finanzmarktes wieder zu flicken.

Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass die Politik nicht mehr in der Lage ist, diesen Entwertungskreislauf wirklich aufzufangen. Die Mittel, die hierfür früher noch tauglich waren, vor allem die Eroberung von wirtschaftlichem Einfluss auf andere Märkte und Länder durch Kriege und anschließender Marktentwicklung auf verbrannter Erde, sind immer weniger tauglich, die Marktentwicklung für das Kapital sicher zu stellen. Die Politik ist nun auch für alle sichtbar in einem Dilemma. Nur schwer kann sie die Hintergründe verbergen, auch wenn sie sich nur angebliche Fehlleistungen der Banken oder Manager in den Vordergrund stellt. Nein, sie haben nicht falsch funktioniert. Die Banken mussten Kredite verschleudern, um ihr ungedecktes Geld loszuwerden. Und die Manager mussten in Geld schwimmen, um der Wirklichkeit ihrer Taten entzogen zu bleiben. Betrug, Korruption, Insolvenzverschleppung, Lohndumping, Betriebsschließungen usw. waren zur Selbstrettung nötig um privat zu sichern, was gesellschaftlich sowieso schon wertlos war. Ja, es war pure Notwehr der Klasse der Geldbesitzer gegen die Entwertungstendenz ihrer Wirtschaft.

Und so ähnlich funktioniert auch die Selbstrettung des bürgerlichen Staates, die Notwehr der Politik gegen ihre eigene Überflüssigkeit. Aber sie ist noch weit grotesker, als die der Wirtschaft. Das Strecken der derzeitigen Krise auf 20 Jahre Staatsverschuldung ist schon von der Rückzahlung her eine Illusion, wäre die ganze Wirtschaftsleistung 20 Jahre dazu gezwungen, einen Berg von 1,6 Billionen Euro abzutragen. Bislang in relativ guten Zeiten war man schon glücklich, wenn alleine die Neuverschuldung sich reduzieren ließ. Aber Geld funktioniert auf dem Finanzmarkt eben anders: Es wird durch Banken geschöpft und durch Banken vertan und durch National- und Länderbanken vergeben und kreditiert. Es handelt sich bei dem Geld, das in der sachbezogenen Wirtschaft zirkuliert, bei dem Geld also, das noch wirklich als Zahlungsmittel auftritt, gerade noch um ca. 3-5 % der vorhandenen Werte. Die anderen Werte bestehen nur noch aus Verpflichtungen durch Schuldverhältnisse, sei es in Form von Wertpapieren, Devisen, Staatsschulden oder Kredite. Aber das ist alles nicht so schlimm, wenn man weiß, dass es letztlich ja des Bürgers Pflicht ist, das Allgemeine zu erhalten und also sich auch der übergroßen Schuld pflichtschuldigst zu beugen. Die einfache Vorstellung eines besseren Lebens hat auch schon mal ganze Volkswirtschaften vom Übel der Gegenwart erlöst und mit dem Heil einer großen Zukunft, mit der Fiktion von Größe und Weltmacht versorgt. So lässt sich auch im Abgrund leben. Es genügt vielleicht schon, wenn die Westerwelle noch weiter in den Osten schwappen kann. Arbeitsloigkeit und Niedergang ist man dort ja längst gewohnt.

Die Verschuldungsspiralen der Nationalwirtschaft  können auf Dauer weder durch Ökonomie noch durch Politik aufgehalten werden. Alleine die Zinsen für die Staatsverschuldung von derzeit ca. 74 Milliarden Euro pro Jahr fressen alles auf, was erwirtschaftet werden könnte – mal ganz zu schweigen davon, dass die Tilgung nicht von denen getragen wird, die sie verursacht haben, sondern von den Bürgern, die nichts anderes einsetzen können, als ihr Leben und ihre Kraft. Die Politik kann die Probleme nicht mehr lösen, sondern diese nur in immer engerer Logik forttreiben, weil sie nicht mehr auf den Punkt kommen kann, wo sich das System wieder auf Null stellen lässt. Die alten Mechanismen versagen. Die Illussion ist ungemein teuer.

Ein dritter Weltkrieg "lohnt sich" nicht mehr wirklich, auch wenn permanente Kriege die Deckungskrisen der Wirtschaft und Politik in der Waage halten müssen. Es ist inzwischen schon vielen  ganz normalen Nationalökonomen und Politkern klar, dass die Wirtschaft sich innerhalb des bestehenden Systems nicht mehr erholen kann. Nur die herrschende Politik und das herrschende Kapital wollen das grausame Spiel noch weitertreiben, weil sie eben davon leben. Die anderen müssen mit einer versteinerten Welt zurecht kommen. Hoffnungslosigkeit, Depressionen und Aggressionen machen sich breit, wenn die Beteiligung an der gesellschaftlichen Entwicklung keine Zukunftsperspektive mehr ist.

Den Preis zahlen die Menschen. Die einen durch ihre Arbeit, die anderen mit der Armut, in sie sie geraten, wenn sie aus den Arbeitsverhältnissen herausfallen oder schon draußen sind. Allein schon das Vorhaben der sogenannten Steuerreform wird die Länder und Kommunen schwer belasten. In Niedersachsen spricht man schon vom Kollaps der Landespolitik. Das konkrete Sozialverhältnis in den Städten und Gemeinden wird immer mehr Armut zu bewältigen haben, weil immer mehr Armut und immer weniger Sozialgeld durch die Zerschlagung der Arbeitsstätten oder Arbeitsplätze da sein wird. Und wer die soziale Entwicklung unter solchen Bedingungen kennt, der weiß auch, dass sich hier der gesellschaftliche Niedergang in der Verwahrlosung von großen Teilen der Bevölkerung forttreibt und reaktionäre Erregungen in Gang setzt. Die sozialen Probleme werden auch die politischen zu Platzen bringen.

Die ökonomische Form der bürgerlichen Gesellschaft hat die politische Form ihrer Repräsentanz voll im Griff. Die bürgerliche Gesellschaft, die Gesellschaft, die sich durch versammelte Meinungen in ihren Parlamenten repräsentiert sehen will und sich durch Gütertausch ökonomisch erhält, ist längst am Ende. Der Kapitalismus in der jetzigen Form aber noch lange nicht. Der Verschuldungskapitalismus könnte noch einige Zeit so weiterlaufen, wenn dem Verbrauch von Menschen, Natur und Kultur nicht endlich durch die Menschen selbst ein Ende gesetzt werden kann. - Doch wie kann dies gehen?


(2) Die Gesellschaft selbst funktioniert dann also wirtschaftlich ähnlich wie eine besser gestellte Genossenschaft, die zugleich politisch elementar bestimmt wird. Mit der politischen Bestimmung des Lebensstandards muss allerdings auch der Lebensraum und die Ressourcen bestimmt und entsprechend aufgeteilt werden. Damit jeder eine Wohnung haben kann, muss entsprechend viel Wohnraum in kommunaler Verfügung vorhanden sein. Und da jedem Wohnraum zusteht, also allgemeiner Rechtstitel ist, macht das für die bisherigen Wohnungsbesitzer auch keinen Unterschied, die ihn lediglich in Privatform besitzen konnten. Auch sie haben einen Vorteil gewonnen, dass sie nicht unbedingt ein Leben lang in den selben Räumen verbringen müssen. Die Herstellung von Wohnraum ist eine gesellschaftliche Verpflichtung, die zur Grundsicherung gehört.

Allerdings wird es bei der Verteilung von Wohnraum Probleme geben, da die Wohnqualität je nach Lage äußerst unterschiedlich sein kann. Es wird bei besseren und schlechteren Wohnlagen bleiben, die lediglich innerhalb der Lebensspanne durch Wohnungswechsel ausgeglichen werden kann. Aber es wird immer auch Komfort geben, der nur von denen genutzt werden kann, die auch zur Mehrproduktion beigetragen haben. Auch eine gerechte Aufteilung und Vergütung der Arbeit enthält das Problem der adäquaten Quantifizierung der Arbeitsleistungen. Zwar sind alle Menschen, die arbeitsfähig sind, zu einer der Reproduktion des Lebensstandards entsprechenden Leistung (inklusive Sozialabgleich) unter gegebenen Produktionsmitteln verpflichtet, aber ihr einzelnes Verhältnis zu dieser Leistung kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt Unterschiede, die sich subjektiv dadurch ausgleichen, dass jeder etwas findet, was ihm am besten entspricht; es gibt aber auch objektive Unterschiede, die sich nicht ausgleichen lassen – z.B. allgemein ungewollte Arbeiten wie vielleicht Müllabfuhr, Kanalreinigung oder ähnliches. Hierfür müssen unangenehme Arbeiten höher gewichtet werden, als angenehme. Innerhalb einer Lebensspanne lässt sich dies dann ausgleichen oder verrechnen.

Die Anrechnung der Leistungen wird natürlich auch das Problem des Zahlungsmittels sein. Vergangene Produktion kann nicht mit gegenwärtiger gleichgestellt gelten. Produktion verläuft in der Zeit und beeinflusst deren Produktivitätsgrad. Das Zahlungsmittel kann weder Vorschuss noch vergangenen Wert darstellen. Es ist immer höchst aktuell und entwertet sich in bestimmten Zeitspannen prozentual, weil es sonst individuellen Überfluss und also private Verfügbarkeit über neue Produkte darstellen würde. Es muss daher möglichst variabel sein, am besten als Chipkarte, mit welcher, so nötig, auch zeitlich beschränkt gültige Werte gebucht oder Wertscheine ausgedruckt werden können. Solches Zahlungsmittel kann eigentlich nur regionale Geltung haben, weil es durch den sozialen Wirtschaftsraum bestimmt ist, den räumlichen und zeitlichen Eigenschaften der Arbeit darin entsprechen muss. Ein Regionalgeld muss also selbst räumlich und zeitlich beschränkt gelten und seinen Wert verändern, wenn es über eine bestimmte Zeit festgehalten wird oder die Region verlässt. Es muss dann auch kompatibel zu übergeordneten Währungen, z.B. zum Euro sein, ohne seine Bestimmungen an ihn zu übertragen. Beim Geld geht es daher um eine Mischwährung, die regional bestimmt wird, von daher reines Zahlungsmittel der Selbsterhaltung ist, zugleich aber auch das regionale Mehrprodukt als Vertragsobjekt oder als Handelsware bietet, indem es dessen Wertanteil währungskompatibel vermittelt.

Solange es nur aufwärtskompatibel ist, bietet es Schutz vor dem Engagement einer Fremdwährung. Es muss aber auch abwärtskompatibel sein, solange Produkte aus kapitalistischen Produktionen benötigt werden. Hierfür müssen ökonomische Regeln erstellt werden, die in der Lage sind, die wirtschaftliche Autonomie der Regionen sicher zu stellen. Innerhalb der Vertragsbeziehungen der Regionen regelt sich das Geldverhältnis analog der politisch gewichteten Zeitwerte.  Soweit unterschiedlicher Bedarf sich gleichstellen lässt, also der eine in gleichem Maß das benötigt, was der andere hat und umgekehrt, wird keine Wirtschaft mächtig werden. Machtprobleme entstehen durch einen Unterschied im Vermögen der einen und dem Reichtum der anderen. Hier kann natürlich nach wie vor alles entstehen, was auch im Kapitalismus politische Macht begründet, nämlich dass die weniger Vermögenden zur Monokultivierung gezwungen werden und sie hierdurch die Reicheren bestärken, sich selbst gegen sie durch die Unterbewertung ihrer wirtschaftlichen Leistungen verarmen müssen. Dem kann nur entgegnet werden durch die Überführung von Wirtschaftsmacht in Kulturwirtschaft.