Kulturkritik-Sendung vom 14. 09. 2007 auf Radio Lora


Widerstandskultur 3:
- Hilft ein bedingunsgloses Grundeinkommen weiter?

Zeitdauer: 60 Minuten - Datenumfang ca. 50 MB

Der Inhalt der Sendung ist oft eine Kürzung des entsprechenden Artikels (siehe unten).
Dort sind zudem auch die verwendeten Begriffe nachzuschlagen.


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Themenkatalog der gesamten Sendungsreihe:

http://kulturkritik.net/was_tun/rundtisch/index.html

Anmoderation:

Kann das bedingungslose Grundeinkommen ein wirklicher Fortschritt für die Menschen unter kapitalistischen Bedingungen sein? 

Arbeitslosigkeit bedroht inzwischen die Menschen auf der ganzen Welt und ist zu einem Dauerthema geworden. Auf den ersten Blick erscheint es absurd, dass immer mehr arbeitsfähige Menschen auf der Welt sind, immer bessere Technik einen immer größeren Anteil der notwendigen Arbeit zur Erzeugung des gesellschaftlichen Reichtums ihnen abnimmt und sie dennoch insgesamt immer ärmer und ängstlicher werden lässt und den Arbeitsdruck potenziert, anstatt ihn zu reduzieren. Es ist ja auch wirklich absurd. Geschichtliche Nachforschungen haben ergeben, dass die Menschen schon in der Frühgeschichte der Menschheit bis zum Mittelalter maximal etwa 5 Stunden Arbeit pro Tag leisten mussten, um die Nahrung zu bekommen, durch die sie leben konnten. Davon könnte man heute nur träumen. Aber immerhin hatten wir ja mal die 35-Stunden-Woche. Inzwischen geht es wieder um eine Arbeitszeit von 40 bis 45 Stunden, obwohl die Reproduktionsarbeit pro Kopf insgesamt immer stärker abnimmt.

Das eigenartige Phänomen, dass immer mehr Technologie die Menschen von Arbeit befreit und zugleich immer mehr Arbeitsleistung von den Menschen gefordert wird, die einen Arbeitsplatz haben, ist spätestens seit den Weberaufständen augenscheinlich ein Phänomen des Kapitalismus, das seit über 200 Jahren diskutiert wird. Durch die Entwicklungen des Kapitalismus zur Weltmacht des spekulativen Kapitals hat sich das nicht verändert. Im Gegenteil: Für die Spekulation werden sogar Betriebe zerstört, welche zur Reproduktion der Menschen locker hinreichen würden.

Zugleich zirkulieren unglaubliche Geldsummen um den Globus, deren Wert alleine leicht die ganze Menschheit ernähren könnte. Und wenn man daran glaubt, das es Geld ist, das die Menschen ernährt, dann erscheint es auch konsequent, ein Grundeinkommen für jeden Menschen zu fordern, durch den er zumindest von Existenzangst freigestellt wird. Der Großdrogist Götz Werner hat uns wunderbare Vorstellungen zu einem Leben ohne Existenzdruck ausgebreitet, einer Arbeit, die nur freiwillig sein soll und vor allem die Menschen weiterbringt, die schöpferisch genug sind, um dabei auch noch geistig zu profitieren. Seit den Vorschlägen von Peter Hartz ist man ja schon daran gewohnt, dass sich Unternehmer der Probleme des Arbeitsmarktes annehmen.

Schon in den 70ger Jahren des letzten Jahrhunderts haben Ökonomen wie Milton Friedman, der Erfinder der neoliberalen Weltökonomie, eine „negative Einkommensteuer“ gefordert, durch welche die Menschen ohne oder nur mit minderem Einkommen zu ihrer Lebenensgrundlage Existenzgeld erhalten sollten, das allein auf steuerlicher Basis verrechnet und eine aufwendige Sozialverwaltung überflüssig machen würde. Aber diesmal hat es fast die ganze Linke erwischt: Die Forderungen nach einem „bedingungslosen Grundeinkommen“ (BGE) sind wie ein Patentrezept gegen alle Übel, die uns heute bedrücken. Und damit ist man bei öffentlichen Auftritten auch ganz gut gestellt. Beim Anprangern des Umgangs mit Beschäftigten und Arbeitslosen, das immer richtig ist, kann man zugleich mit einem Balsam aufwarten, der in vielerlei Begründungen Vorteile verspricht:

  1. Alle Menschen würden darin gleichgestellt, dass sie eine gesicherte Lebensgrundlage brauchen. Jeder Klassenunterschied wäre damit aufgehoben, denn bevor überhaupt ein Finger gerührt wird, sind alle von ihrem Einkommen her gleichgestellt. Nur die Leistungen für ein Mehrprodukt, also das, was darüber hinausgeht, was die Menschen zum Leben brauchen, würde gesondert entlohnt. Von daher erscheint die Forderung quasi real sozialistisch.

  2. Durch das BGE soll de facto Arbeitslosigkeit als Problem der einzelnen Menschen ausgeschlossen werden, so dass die Arbeitslosigkeit gar nicht mehr als Bedrohung gegen Menschen auftreten kann und Existenzangst als Erpressungsgrundlage des Kapitals ausfällt. Die Grundsicherung der Menschen soll als Menschenrecht angesehen und ohne schikanöse Beweispflichten auf Bedürftigkeit gewährt werden.

  3. Zugleich wäre mit dem Betrag des Grundeinkommens ein Mindesteinkommen festgelegt, unter welches keine Lohnauseinandersetzungen mehr gehen könnten. Und dieses Grundeinkommen wäre nach den diesbezüglichen Vorstellungen natürlich sehr viel höher, als es mit den Sozialleistungen bisher angelegt wurde.

  4. Mit der Forderung nach einem BGE würde eine Kluft zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten überbrückt, da sich beide in solcher Grundforderung einig sein könnten, die ansonsten objektiv gegen einander gestellt sind. Beschäftigte müssten sich nicht mehr vor Arbeitslosigkeit fürchten und keine Forderungen stellen, durch die sie hiergegen gesichert wären. Das wäre eine gute Basis, dass sich Arbeitslose und Beschäftigte in ihren Forderungen nicht gegeneinander stellen müssten und sich in ihren Standpunkten einig sein könnten: Dem Kampf um bessere Löhne und Minimierung der Arbeitszeit.

  5. Ein nächster Grund für das BGE ist die Handhabung der Sozialverwaltung, also die Möglichkeit einen aufwendigen und teuren Apparat der Sozialverwaltung dadurch abzuschaffen, dass es sich um eine steuerfinanzierte Existenzgrundlage für alle Menschen handelt, die jedem zusteht und die auch die Grundumsätze einer Gesellschaft zur Selbsterhaltung, also die Konsumnachfrage garantiert.

  6. Es bleibt die Frage nach der Besitzstands- und Steuergerechtigkeit. Wenn jeder ein BGE bezieht, dann ist jeder, der selbst genug Lohn bezieht oder Besitz hat, weiterhin bevorzugt, kann also um so weitgreifender Geld in Aktienkapital anlegen oder beiseite legen oder in Luxusbesitz oder Technologien aufhäufen. Daher erscheint es vielen für ungerechtfertigt und sollte besser ein Einkommen bleiben für jene, die keinen Besitz und kein sonstiges Einkommen haben.

  7. Schließlich steht die Frage über allem, wie das Ganze finanziert werden soll, weil Steuerfinanzierung ja immer Steuererhöhung mit sich bringt. Die Finanzierung des BGE wird ja nicht aus der Kapitalsteuer geschehen, da dies sowohl die Anlagefähigkeit des Aktienkapitals als auch die Marktperspektiven des verbleibenden produktiven Kapitals bedrängen, vom Standpunkt des Staates also den Niedergang der gesellschaftlichen Grundlagen bedeuten würde. Es bedeutet für die meisten Menschen eine gigantische Steuererhöhung – entweder für die Besteuerung ihres Einkommens (Lohn- oder Einkommenssteuer) oder ihres Bedarfs (Konsumsteuer). Ein wichtiger Punkt ist also die Frage, woher das Geld bezogen werden soll.

Unsere Diskussion ist über all diese Punkte gegangen.

Ich diskutierte mit
Renate Börger (sie ist Mitglied bei Attac und Journalistin und Moderatorin bei Radio Lora),
Eckhard Thiel (vom Radio im EineWeltHaus),
Claus Schreer (vom Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus) und
Emanuel Kapfinger (Student, Zeitung Kultur&Kritik).



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