Kulturkritik-Sendung vom 13. 06. 2008 auf Radio Lora


Ziele und Zwecke einer Widerstandskultur

Zeitdauer: 60 Minuten - Datenumfang ca. 50 MB

Der Inhalt der Sendung ist oft eine Kürzung des entsprechenden Artikels (siehe unten).
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Zwecke und Ziele einer Widerstandskultur

1. Wenn es im Kapitalismus keine Alternativen gibt, brauchen wir Alternativen zum Kapitalismus

So heißt das Thema, das die Initiativen „Münchner Bündnis gegen und Krieg und Rassismus“ und „Pax Christi“ am 28. Juni im EineweltHaus veranstalten werden. Wie solche Alternativen entwickelt werden können, das ist heute auch unser Thema.
Die Situation hatten wir schon in der letzten Sendung zum Entwurf des bayerischen Versammlungsgesetzes besprochen. Die Frage war, weshalb der Staat sich zunehmend gegen seine Bevölkerung rüstet, warum er soziale Bewegungen fürchtet und dazu bereit ist, um sie zu beherrschen wesentliche Elemente des Grundgesetzes aufzuheben. Es wird immer offensichtlicher, dass der Regierung und ihren Beratern klar ist, dass sich die sozialen Konflikte noch verschärfen werden und das Hauptproblem ihrer Politik darin steckt, wie sie den wachsenden Druck auf die Bevölkerung durchsetzen kann, ohne dass dies einen Flächenbrand sozialer Auseinandersetzungen entfacht. Der Niedergang der Kapitalverwertung und die hieraus ergangenen Steuergeschenke an das Kapital hat den Staat in das Dilemma gebracht, dass er von seinen Wählern das fordern muss, was die Spekulationen des fiktiven Kapitals erbracht hatten - nun auch wirklich spürbar durch die Krisen der amerikanischen Immobilienkredite und der daran beteiligten Banken. Es sind inzwischen nicht nur die unbezahlten Steuern, die ungedeckten Produktionskosten des Kapitals, sondern auch die Gelder, die zur Deckung der europäischen Währung an die Europabank und zum Verlustausgleich an Landesbanken bezahlt werden mussten, was die Staatskasse belastet und seine Funktion als Institution einer bürgerlichen Ordnung deutlich unglaubhaft gemacht hatte.
Im Jahr 2007 war das Volumen der Swaps, das sind die sogenannten „faulen Kredite“, welche zum Beispiel die Immobilienkrise in den USA ausgelöst hatten, weltweit auf 62,2 Billionen Dollar angewachsen. Das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt der Welt (54,3 Billionen Dollar). Wenn man diese Situation mal Betriebswirtschaftlich interpretiert, so heißt das, dass das Weltkapital seinen Wert nur decken könnte, wenn die Weltbevölkerung mindestens 14 Monate lang ohne Entlohnung für es arbeiten würde und die Produktion und die Rohstoffe zugleich unentgeltlich wären. Das ist eine Situation, in der jeder Unternehmer, der noch alle Tassen im Schrank hat, aufgeben würde.
Der Kapitalismus ist pleite. Das weiß auch die Politik – Heinar Geißler hat es längst ausgesprochen. Nur wegen dem Ganzen des Systems soll es vertuscht werden – durch eine Hoffnung, die jeder Rationalität widerspricht: Wertwachstum wird wieder entstehen, wenn alle nur schön still halten, brav sind und fleißig arbeiten.
Nein: Wertwachstum entsteht nicht durch tolle Geschäfte und nicht durch große Hebel, nicht durch Hedgefonds und nicht mal durch Aktien. Mit großen Geldmassen kann man zwar einiges kaufen, aber das Wertwachstum selbst entsteht nur durch die Lebenskreisläufe der Menschen zwischen ihrer Arbeit und ihrer Bedürfnisbefriedigung. Nur was sie zum Leben wirklich brauchen, kann Wert haben, auch wenn der Wert nicht durch den Gebrauch selbst entsteht. Aber genau in dieser realen Welt der Gebrauchswerte und Tauschwerte läuft immer weniger. Tauschen kann man eigentlich nur Arbeitsprodukte. Aber wenn man Miete bezahlt, oder Energiekosten oder Telefongebühren oder Computerprogramme oder DVDs oder dergleichen, bezahlt man zum größten Teil nur für Nutzungsrechte, also für Rechtstitel, die als Privateigentum einer großen Finanzgesellschaft oder eines Konzerns gelten, und deren wirklicher Arbeitsanteil schon schnell amortisiert war. Wir bezahlen für ein Eigentum, das fast nur aus einem Recht des Größeren und Stärkeren besteht. Es ist das Recht der Eliten, die es durch bürgerliche Rechtswirkung geschafft haben, ihre Nutzer selbst zu verdingen, sie dadurch in Abhängigkeit zu halten, dass die kaum in der Lage sind, solches Recht selbst zu erwerben, selbst wenn sie alle Produktionsmittel der Welt besäßen. Das Lizenzrecht dient nur dem, der sein Produkt, seine Erfindung oder sein Programm als erster als sein Eigentum rechtlich geschützt hat. Das geistige Eigentum bestimmt momentan die großen Geschäfte und die IT-Branche stellt das größte Kapital der Welt dar. Die immaterielle Produktion ist zu einer gigantischen Weltmacht geworden, in der Konzerne wie Google, Windows und andere das Sagen haben. Das hat Auswirkungen auf alle Wertverhältnisse. Die Masse des fiktiven Kapitals konnte in bisher ungeahnte Höhen schnellen.
So ist die Existenzform des Mehrwerts dahin gelangt, sich immer weniger im Wert von wirklichen Produktionsmitteln zu akkumulieren, sondern in Geld, dessen Realwert es nicht wirklich materiell gibt, das aber durchaus in der Lage ist, reale Produktionsstätten nach eigenem Verwertungsinteresse zu befördern oder zu vernichten, gleichgültig, wie sie in der wirklichen Produktion bestimmt sind. Es fungiert als reine Verfügungsmacht, als Potential zur Bestimmung der Produktivwerte einer künftigen Produktion, als Wertpotenzial unverwirklichter Produkte. Die Wertgrundlage des globalen Kapitalismus beruht vor allem auf diesen fiktiven Werten und hierauf wird auch spekuliert, wenn große Geldmengen in Bewegung geraten. Die Basis des weitaus größten Teils der Geldwerte sind solche spekulierte Wertgrößen, also Werte, die für sich genommen nicht realisiert, sondern lediglich erpresst werden, dadurch erpresst, dass die Menschen das Geld aus ihren Verdiensten hierfür abliefern, das über ihren unmittelbar materiellen Lebensbedarf hinausgeht. Am meisten müssen sie für Rechtstitel zahlen, deren Realwert demgegenüber verschwindend ist: Für Miete, Energie und Kommunikation. Die materiellen Arbeitsprodukte, die Lebensmittel und Haushaltsinventare und technischen Geräte werden zu einem Schleuderpreis in China oder Taiwan produziert oder von Bauern in der EU erpresst. Es herrschen die Eliten der Technik und ihre Geldmanager. Und je mächtiger die Eliten des Besitzstandes, desto größer der Druck auf den Rest der Bevölkerung.
Der Kapitalismus ist absurd geworden. Er funktioniert nicht mal mehr in seiner eigenen Ökonomie, in der politischen Ökonomie des Werts. Dies beweist auch schon der gewaltige Überhang ungedeckter Geldbeträge, besonders auch in der Verschuldung der Staaten, Länder und Kommunen. Dies wird sich nur noch durch Verschärfung der Reglements und Eingriffe des Staates halten lassen, die dieser als Gläubiger des Kapitals und als Funktionär der Geldwährungen und der Nationalökonomie gegen seinen einzigen Bürgen betreibt, und das sind seine Bürger. Wir befinden uns längst in einer Übergangsgesellschaft, welche die einfache Tauschgesellschaft hinter sich gelassen hat und zunehmend zu einem Staatskapitalismus wird. Gesellschaftlich bestimmend ist darin im Wesentlichen nicht mehr der Produktentausch und auch nicht der Arbeitsprozess als solcher, sondern die Formationen der Gewalten, besonders der Staatsgewalt, die im Dienst des kapitalistischen Krisenmanagements zur Wertdeckung fiktiver Kapitalmassen fungiert. Die Verschärfung der Konfrontation mit den Menschen ist zwangsläufig.
Es versteht sich daher von selbst, dass die Emanzipation gegen diese Mächte, welche unsere Natur und Kultur durch ihre Besitzansprüche für ihre Kapitalrestauration zu beherrschen suchen, nur in einer Widerstandskultur geschehen kann.

2. Politischer Widerstand und Widerstandskultur

Die Protestbewegung gegen die Phänomene der Globalisierung ist inzwischen zahlreich und vielseitig. Zu den großen Ereignissen der Mächtigen, zum Weltwirtschaftsgipfel, zu den Sicherheitskonferenzen, den Umweltgipfeln oder auch gegen den Entwurf eines bayerischen Versammlungsgesetzes treten inzwischen viele Menschen an, die zum Teil auch noch alte Widerstandserfahrungen aus den Zeiten der Startbahn West oder Gorleben oder Mutlangen oder Wackersdorf mitbringen. Im Widerstand geschieht für die meisten etwas Elementares: Die gewohnten Gefühle der Ohnmacht schwinden und die Menschen beziehen hieraus eine Kraft, die sie alleine und nur für sich nicht haben können, ein Wissen um ein gemeinsames Ziel, das die Selbstgewissheit im Protest selbst bestärkt, das ihre Verbundenheit wieder erkennbar macht sie eine ganz andere Art von gesellschaftlicher Beziehung leben lässt, in welcher ihre eigenen Anliegen mit vielen anderen zu tun haben. Das lässt bei vielen Menschen die Hoffnung auf ein anderes Leben aufkommen, weil man sie sich mit anderen zusammen immer sicherer um das eigene Anliegen werden und auch den Schutz der Menge erfahren. In dieser Protestkultur werden wichtige Erfahrungen gemacht, die leider im gewöhnlichen Alltag wieder untergehen.
Doch solche Protestkultur wird schon durchaus zum Moment einer Widerstandskultur, wenn sie sich mit dem sonstigen Leben verbindet, wenn sie dazu verhilft, im Alltag einen Widerstand als neuen Lebenszusammenhang mit anderen, durchaus fremden Menschen zu tragen und zu ertragen. Natürlich sucht man dann auch Lebensformen, in welchen dieser Zusammenhang existieren kann. Doch Widerstandskultur besteht nicht aus einem Freiraum, einem bloßen Alternativ-Sein, auch nicht einfach aus einer Selbstorganisation, welche die Arbeit wieder belebt, erleichtert und verschönert oder aus der bloßen Forderung nach besseren Bedingungen in dieser Gesellschaft oder nach einem besseren Staat. Sie mag all dies enthalten. Aber wesentlich beruht sie auf einem konkreten Lebenszusammenhang, den die Menschen nicht in aparten Konstruktionen pflegen müssen, weil sie diese in einem bestimmten Kulturkreis im Grunde längst schon haben. Wenn wir die Formen des bestehenden Lebens durchdringen und auf seinen Sinn schauen, dann können wir überall die Bedürfnisse der Menschen erkennen, die sich nicht durch die Angebote der herrschenden Eventkultur befriedigen lassen, die oft durch die Lebensformen und ihren vielen Lebenshelfern verstellt und entstellt sind, durch die Ängste, Konkurrenzen und Selbstwertprobleme, die die bürgerliche Kultur mit sich bringt, weil sie die Menschen in ihrer Gesellschaftsform selbst vereinzelt, entwertet und benutzt.
Dennoch sind die gesellschaftlichen Mittel und Möglichkeiten menschlicher Beziehungen und Wirklichkeit in Hülle und Fülle vorhanden. Aber in der Form der Vereinzelung widerspricht sich jede Beziehung hierauf selbst. Deren Wahrheit liegt tiefer und muss meist erst entdeckt werden. Wenn der gesellschaftliche Sinn und Zweck dieser Vereinzelung erkannt ist, kann auch ein Bewusstsein des Zusammenhangs der Menschen entstehen. Im Wissen um diese Form tun sich neue Inhalte auf, die durch den Kapitalismus allgemein bedrängt sind. Die herrschende Kultur ist die Kultur des Kapitals, die Kultur der Selbstgefühle und des Selbsterlebens, der Reize und Selbsttäuschungen. Für eine Widerstandskultur wird die Kritik dieser politischen Kultur unabdingbar und bringt die Lebenszusammenhänge der Menschen auf den Punkt: Das gesellschaftliche Zusammenwirken kann nur gelingen, wenn die Menschen darin ihre Bedürfnisse entfalten und in der Beziehung zueinander auch verwirklichen können, wenn sie den Reichtum, den sie besitzen auch in den Eigentümlichkeiten ihres Lebens finden und die gesellschaftlichen Potenzen des Wissens und der Technologien auch wirklich als Lebensbereicherung erfahren können. Derweil jedoch dienen diese eher als Prothesen des Überlebens in einer weitgehend sinnentleerten Welt der Arbeit und Freizeit.
Im Bewusstsein, dass die Gesellschaftsform des Kapitals durch die Entwicklung der Produktivkräfte, des menschlichen Wissens und der Technologie, in ihrem Verwertungsprinzip als Ganzes anachronistisch, also auch lebensuntauglich geworden ist, lässt sich der Alltag als Grundlage einer menschlichen Kultur entdecken, welche die Basis jeder Widerstandskultur ist. Im Bewusstsein, dass die herrschende Kultur, die politische Kultur, der Entwicklung der Menschheit im Wege steht, dass das Kapital auch im praktischen und unmittelbaren Leben ihre Lebensgrundlagen, ihre wirkliche Kultur zerstört und den Menschen zudem zunehmend Mehrarbeit abverlangt, nur um seine Geldverwertung zu sichern, verbreitert sich der Protest auch zu einem Alltagsbewusstsein, das alle Verhältnisse betrifft.
Widerstandskultur besteht im Bewusstsein, dass die Kultur der Menschen wesentlich weiter ist, als es sich mit einer kapitalistische Produktionsweise noch tragen und ertragen lässt. Sie besteht aus dem Kampf gegen die herrschenden Formen des Besitzes, dem Privatbesitz der Wertformen, auf der Basis einer Kultur des menschlichen Lebens, das diesen Formen sich entgegenstellen muss, um sich zu erhalten und zu verwirklichen und ihnen widerstehen muss, also um sich zu entfalten.
Dieses Leben braucht keine Geldverwertungsanlagen, keine Gennahrung, keine Immobilienfonds und keine Energiekonzerne. Es hat längst die Mittel, sich im Einklang mit der Natur zu gestalten und die Anlagen zu bauen oder fortzuentwickeln, die ihm wirklich dienlich sind. Es gibt längst Produktionsautomaten, die den Großteil der nötigen Arbeit leisten könnten, die heute noch Menschen abverlangt wird, die z.B. zu einem großen Teil von chinesischen Arbeitern erbracht und importiert wird, weil diese Menschen noch billiger sind als der Preis, zu dem die Technologie der Weltmächte gehandelt wird. Und es gibt längst die Anlagen, die aus Gülle und Abfällen und aus Windkraft und Sonne den Strom erzeugen können, den wir benötigen. Sie müssen lediglich aus dem Geldhandel herausgenommen und ihrem Sinn und Zweck entsprechend produziert und vermittelt werden. Würde die Geldwirtschaft in eine Vertragswirtschaft gewendet, worin die Menschen die Produktion von Gütern aushandeln, welche sie zu ihrem Erhalt und ihrer Fortentwicklung benötigen, so wären alle Aufwände wesentlich geringer und die Erträge für die Menschen demzufolge weit höher. Würden die Mieten durch sozialen Wohnungsbau, durch Baugenossenschaften von VertragsarbeiterInnen aufgelöst werden, so könnten die Menschen den größten Teil ihrer Kraft für wichtigeres verwenden, als sie es zum Gelderwerb für ihre horrenden Mieten brauchen. Würden die Kommunen Produktionsanlagen besitzen und Verträge mit Landwirten und Bauern eingehen, die für ihre Produkte entsprechend entschädigt werden, so könnten die Arbeitsaufwendungen von ihnen auch so verteilt werden, wie die Produkte selbst. Es wäre auf diese Weise zumindest die Reproduktion der Menschen gesichert, so dass sie ohne Existenzangst sich an eine Mehrproduktion zur gesellschaftlichen Fortentwicklung machen und ihre eigenen Anteile für sich nutzen könnten.
Die Vermittlungsmacht des Kapitals, wäre schlagartig beendet. Es will als Geldagentur zugleich eine Vermögens- und Arbeitsagentur sein und wäre durch die Unabhängigkeit der Menschen von solcher Agenturtätigkeit zweck- und sinnlos. Es braucht überhaupt keiner von den Menschen selbst unkontrollierbaren Macht. Große Projekte werden sowieso auch heute schon durch Verträge geplant und geregelt. Das Arbeitsvolumen macht nicht das Kapital aus. Aber das Kapital bestimmt das Arbeitsvolumen zu einem unverbindlichen Moment seiner Bereicherung. Es bildet hierdurch einen Reichtum an Geld, der sich immer mehr gegen die Menschen wendet, weil er eine Machtfülle erzeugt, die für sie keinen Sinn hat und auf Dauer daher nur ihr Geld entwertet.
Dass wir das Kapital nicht mehr brauchen, das klingt für viele vielleicht wie ein Traum. Doch solche Träume sind der Stoff der realen Geschichte. Befolgen wir nur die Weisungen und Sprüche der Schuldentechnokratie, so bleiben wir fixiert auf die Macht der Geldwerte und werden zwangsläufig im unendlichen Geldbedarf des Kapitals versteinern. Widerstandskultur ist die Bewegung gegen diese Versteinerung. Sie ist nicht einfach Kultur, die von selbst Widerstand wäre. Sie verfolgt eine Politik gegen das politische Subjekt der bestehenden Verhältnisse, das fiktive Kapital, welches nicht nur ihre Arbeit, sondern auch die ganze Natur und Kultur der Menschen, den Inhalt ihres Seins beherrscht.
Politischen Widerstand gibt es daher nicht von selbst und nicht ohne wirklichen Grund. Es reicht nicht, einfach dagegen zu sein, weil man sich als kultivierter Mensch ignoriert, in seiner Würde verletzt fühlt. Es reicht nicht, gegen die Politik der Welt zu protestieren, weil man sie schlecht findet. Der Grund kann nicht einfach nur ein politischer Gegner sein, etwa weil der gemein oder unmoralisch wäre. Das mag zwar alles auch sein, hat aber keinerlei Belang für die wirkliche Geschichte, gibt es doch das Böse immer auch als bloßes Monster einer bösen Vorstellung. Es geht aber um die Wirklichkeit selbst, und die verläuft immer auf dem Boden, auf dem man selbst steht und wirkt. Es ist letztlich gleichgültig, wie sich Politiker und Manager gebärden, wenn man weiß, dass sie nur Charaktermasken eines fatalen Verwertungsinteresses sind. Man muss ihnen den Boden entziehen, ihnen und ihren Gesetzen den Kampf ansagen von dort aus, wo die Menschen wirklich leben. Es geht nicht um die Übernahme ihrer Macht sondern um deren Aushöhlung.
Mit der Staatsgewalt kann man nur Staat machen und der Staat ist immer ein Status, eine Klammer für die gegensätzlichen Interessen, die sich nicht wirklich aufeinander beziehen lassen, weil sie auf bloßen Meinungen und Gegenmeinungen, auf Ideen und Vorstellungen, auf Täuschungen und Selbsttäuschungen beruhen. Die bestehende Welt hat die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen in Klassen zerteilt, die nur in einem beständigen Kampf gegeneinander existieren können. Es kann daher auch nicht um eine bloße Machtumkehrung, um die Vorherrschaft einer bestimmten Klasse gehen. Es geht um die Aufhebung aller Klassenkämpfe hier und heute. Der Kampf der Klassen löst sich nicht auf, wenn sich die Diktatur des Kapitals in eine Diktatur eines sozialistischen Staates kehrt, auch wenn man sich hiervon eine tendenzielle Aufhebung der Klassenherrschaft verspricht. Wodurch sollte die innerhalb eines Staatswesens in Gang kommen? Durch die gute Gesinnung? Durch eine Staatsgesinnung? Die kennen wir zur Genüge.
Es war der schlimmste und folgenreichste Fehler des Leninismus, dass er die Übernahme des Staats anstrebte, um ihn zu einem „Arbeiter- und Bauernstaat“ umzufunktionieren. Lenin glaubte an die „Diktatur eines Proletariats“, welche als Klassengegner des Kapitals dadurch den Sozialismus verwirklichen könnte, dass es die Partei der Staatsgewalt einnimmt. Hieraus war der Stalinismus eine sachlich logische Konsequenz. Die Abgehobenheit des Staatswesens setzt immer ihre eigenen politischen Bestimmungen, wo sie nicht durch ein ökonomisches Gemeinwesen abgelöst wird, das sich aus der Wirtschaft begründet, die eine Gesellschaft auch wirklich ausmacht. Es geht um ein wirklich wirtschaftliches Gemeinwesen, welches das politische Staatswesen des Kapitals ablöst, um eine Verwirklichung der Kritik der politischen Ökonomie.
Wirtschaft kann nichts anderes sein, als die größtmögliche Effizienz des Nutzens bei einem minimalen Aufwand an Arbeit in einem bestimmten Gemeinwesen. Von daher ist Ökonomie sachlich und nicht politisch begründet. Politisch ist die kulturelle Auseinandersetzung darüber, welche Bedürfnisse mit welchem Aufwand befriedigt werden können und wie dies auf andere Gemeinwesen zu beziehen ist. Es geht also nach wie vor um eine optimale Reproduktion der Menschen und um eine Produktion, die ihre wirkliche Geschichte bilden kann. Und es geht um die Beziehung zu anderen Kulturen, durch welche sich die eigene Kultur ergänzen und bereichern lässt – bereichern aber nicht durch Geldwert, sondern als wirkliche Beziehung der einzelnen Gesellschaften, also in der Bildung einer internationalen Gesellschaft der Menschen auf diesem Planeten. Und diese entsteht dadurch, dass sie nicht Geld und Devisen mit ihren Gütern eintauschen, sondern Güter gegen Güter, - dass sie sich über Verträge einigen und nicht über Abstraktionen. Widerstandskultur muss in einer Vertragswirtschaft aufgehen, in welcher sich die verschiedensten Kulturen aufeinander beziehen können.

3. Vertragswirtschaft

Um sich unter gleichen Bedingungen aufeinander zu beziehen, müssen die Menschen auch über die gleichen Mittel verfügen können. Solange die Arbeitswelt von ihrer Lebenswelt getrennt ist, erscheint sie als bloße Notwendigkeit, während die Freizeit als Welt der Freiheit erscheinen kann. Aber die Arbeitswelt bestimmt diese vermeintliche Freiheit. In der Trennung von der Arbeit kommen die Bedürfnisse der Menschen in ihrer Lebenswelt vor, als hätten sie damit nichts mehr zu tun. Während die Arbeit als gesellschaftliches Muss empfunden wird, erscheinen die Bedürfnisse als private Bestrebungen, die befriedigt werden, wenn die gesellschaftlichen Mittel hierfür erworben sind. Während die Arbeitswelt als das einzige wirklich politische Verhältnis der Ökonomie besteht, erscheint die Lebenswelt als das Privatreich der Regeneration und einer kleinen Freiheit durch Freizeit. Die Zeit- und Preisbestimmung der Arbeit, die Bestimmung ihres Werts also, bestimmt alles, sowohl diese Freizeit als auch das Ausmaß von Armut und Arbeitslosigkeit, die Befriedigung der Bedürfnisse wie auch die Notwendigkeiten, durch Gelderwerb überhaupt nur existieren zu können. Und Geld ist kein Maß der Arbeit oder der Beürfnisbefriedigung, es sollte eigentlich ein bloßes Zahlungsmittel sein. Aber Geld ist ein Maß der Werte, das als Maßstab der Preise fungiert und von daher auch den Wert der Arbeit bestimmt. Preise können im Arbeitsprozess – wie auch sonst wo auf dem Markt - nicht erst im Nachhinein gemacht werden – etwa nach dem, was jemand dann bezahlen will oder nach Maßstab des Produktanteils an den Gesamtkosten der Produktion. Sie müssen im Vorhinein ausgehandelt werden, soll das Gesamtrisiko überschaubar bleiben, mit welchem das vorschießende Kapital kalkuliert. Geld ist das Mittel, um getrennte Welten in ihrer Trennung zu fixieren und die zu bereichern, die darüber verfügen können. Es ist das Gegenteil von dem, was eine Vertragswirtschaft ausmacht.
Aber eigentlich bestehen auch heute schon längst alle wirtschaftlichen Beziehungen aus Vertragsverhältnissen, seien es Tarifverträge oder Handelsverträge oder Produktionsvorhaben. Verträge sind die Rechtsbasis aller Verbindlichkeiten, die durch Arbeitsbeziehungen innerhalb der Lebensverhältnisse im Vorhinein als konkreter Wille festgehalten werden, damit im Nachhinein auch Recht und Unrecht in der Verwirklichung und Verteilung beurteilt werden kann. Was solchen Verträge allerdings unter kapitalistischen Bedingungen ihre konkrete Substanz nimmt, ist der Geldwert, durch welchen sie ausgeglichen werden, und das Risiko, das die Vermarktung der Produkte in sich birgt. Und das Geldverhältnis schafft zugleich eigene Bedingungen. Als geldwertes Verhältnis wird in der Wirklichkeit des Tauschhandels, in der Wirklichkeit der Erträge, Währungen und Löhne, alles dadurch getäuscht, dass jeder hierbei andere Bedingungen hat. Was dem einen Gewinn, ist dem anderen Diktat, was dem einen sein Risiko ist dem anderen sein Arbeitsplatz. Auf welchen Geldwert sich die Menschen in solchen Vertragswerken einigen müssen, hängt wesentlich davon ab, wer im Besitz der allgemeinen Bedingungen ist und wer nicht.
Eine Vertragswirtschaft jenseits solcher Täuschungen muss auf gesellschaftlichen Lebensverbindungen beruhen, also zunächst darauf, dass alle Menschen unter gleiche Bedingung gestellt sind. Es muss ihre Reproduktion, also die Erwirtschaftung der Grundlagen für ihr Leben, ein gesellschaftliches Anliegen sein, auf dem erst die Erzeugung eines gesellschaftlichen Mehrprodukts gründen kann. Die Lebensgrundlagen dürfen nicht hiervon bestimmt sein, soll nicht der Kapitalbesitz, sondern die Gesellschaft selbst als menschliche Lebensbedingung und Wirklichkeit gelten.
Vertragswirtschaft bedeutet die Umkehrung der Geldverhältnisse. Nicht nach Geldwerten, sondern nach Beziehungszusammenhängen, durch die sich der Gütertausch strukturieren lässt, wird verhandelt, so dass die Verhältnisse auf Grundlage von Naturalien bestehen, die nach Vermögen und Bedarf, aber auch nach politischer Einsicht und Entwicklungsvorstellungen bemessen werden. Das verhindert Monopolisierung und Monokultuvierung und braucht keine Kapitalfussionen. Die Bewertung erfolgt über Vertragseinigkeit, also nicht über die Verdurchschnittlichung von Wertgrößen, sondern über die Einsicht einer adäquaten Vorteilsnahme durch den Tausch. Wer viele und gute Produkte anzubieten hat, wird zwar umworben sein, aber die Vormacht seiner Angebote besteht nur solange, wie diese auch für andere erschwinglich bleiben und daher Sinn machen. Der Wert der Güter wird damit im Tausch durch ihren Sinn und Zweck bestimmt und nicht aus dem bloß quantitativen Vergleich von Arbeitsprodukten, deren Sinngleichgültig für die Händler ist. Devisengeschäfte und Geldbewertungen fallen dabei aus und der Wert hat seine abstrakte Allgemeinheit abgestreift. Z.B. kann Erdöl dann nur so viel wert sein, wie es das naturale Tauschverhältnis bestimmt, wie sich also z.B. der Maschinenlieferant und der Öllieferant handelseinig werden oder nicht. Beide brauchen einander und beide haben Nachteile, wenn der andere nicht mehr in der Lage ist, sinnvolle Produkte herzustellen. Keine Macht der Welt muss dabei dazwischen treten und kein Petrodollar kann dabei Wert abschöpfen. Nicht die Verdurchschnittlichung der Masse, sondern die gesellschaftliche Beziehung verschiedener Lebenskreise bestimmen das Verhältnis. Wer zuviel Gegenstände für den Tausch erzeugt, der hat sich dann auch wirklich vertan und nur wo das Verhältnis stimmt, können sich die Kulturen durch einander bereichern. Die Entwicklung der kleinen Beziehungen zwischen den Ländern und Kommunen macht auch die Entwicklung der weltweiten Beziehungen aus, die kommunale Geschichte wird selbst zu einem Teil der Weltgeschichte. Darin kann sich das gestalten, was für die Menschen eine wirkliche Reichhaltigkeit ihres Lebens erbringt und es fällt das von ihnen ab, was ihre Überproduktion ansonsten aufzehrt.

4. Die Kultur der Kommunen und die Vergesellschaftlichung der Lebensbedingungen

Aus der Rückführung der Ökonomie auf menschliche Bedürfnisse folgt auch ein gänzlich neues politisches Verhältnis dort, wo die Menschen sich auch unmittelbar gesellschaftlich begegnen. Die Kommunen, Bezirke und Länder sind die Orte, wo die Gesamtheit der Lebensfragen noch konkret zusammentreffen, also auch die Orte, wo eine Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen, mit Sozialfragen und Mieten und Lebensvorsorge noch inhaltlich möglich ist. Es wird daher in einer Widerstandskultur diese politische Form selbst auch wesentlich sein. Es schließt sich hie Politik und Ökonomie zusammen. So können z.B. die Gewerkschaften sich über die unmittelbaren Existenzprobleme mit der Arbeit auch auf die überregionalen Fragen der Politik und des Sozialwesens beziehem, welche die Arbeitsbedingungen und ihre allgemeine politische Realität aufwerfen. Sie können die Wirtschaft unmittelbar selbst beeinflussen und auf Lösungen drängen. Kommt die kommunale und die politische Ebene zusammen, so kann sich ein Druck gegen die herrschenden Verhältnisse sowohl politisch, wie auch ökonomisch entwickeln, der lokal und überregional in gleicher Weise wirksam werden wird. Durch eine Verschränkung von Bürgerbewegung und Gewerkschaftsbewegung kann es zu einer politischen Wende kommen, die alle Lebensverhältnisse betrifft, vor allem die Eigentumsfrage und die Rechtsbestimmung der Bürgervertretung. Die Arbeitnehmer treten aus ihrer Objekthaftigkeit als Lohnempfänger heraus, die Bürger aus ihrer Bürgschaft für die öffentliche Schuldenlast. Gemeinsam übernehmen sie ihre Sache als Bewohner einer bestimmten Region mit einem bestimmten ökonomischen Produktions- und Reproduktionskreislauf, der sich dadurch vollständig erneuert, dass er sich wirklich um die Menschen dreht, die darin leben und arbeiten.
Es verlangt lediglich die Organisation einer Vermittlung von ökonomischen und politischen Notwendigkeiten auf allen Ebenen der bestehenden Gremien, von der Lokalpolitik bis in die Repräsentationsebene der Staatspolitik. Es verlangt, dass z.B. Gewerkschafter, Arbeitslose, Billiglöhner usw. in den Bürgervertretungen ebenso wie engagierte lokale Bürgervertretungen in den Gremien der öffentlichen Politik wirklich mitbestimmen können. Und das verlangt, dass die politischen Bestimmungsverhältnisse umgekehrt werden: Dass nicht populäre Selbstdarsteller je nach Eindruck und Wirkung auf die Meinungsbildung gewählt werden, weil sie sich gut designern können, um dann „nach bestem Wissen und Gewissen“ frei mit den Lebensbedingungen der Menschen zu hantieren, sondern dass Menschen sich von denen anstellen lassen, die sie politisch zu vertreten haben. Politische Vertretung wird so zu einer Arbeit wie jede andere und als „Arbeitgeber“ tritt die Kommune auf, die sich durch bewährte Bürger- oder Gewerkschaftspolitiker vertreten lässt.
Wenn sich auf diese Weise allgemeine ökonomische und konkrete politische Anliegen identifizieren lassen, geht der Protest gegen das bislang Unvermittelte in die Breite, wird sich die Arbeitswelt auf die Welt der Lebensbedürfnisse beziehen und eine Identität von beidem stiften, die in der bisherigen bürgerlichen Gesellschaft nur im Warenwert, im Geld, nur abstrakt und getrennt von den Menschen bestehen konnte. Die Überwindung dieser Trennung ist die Überwindung der Abstraktion. Das Bewusstsein über die gesellschaftliche Lage der Betroffenen wird sich aus den jeweiligen Blickwinkel heraus in ein größeres Wissen der geschichtlichen Lage des gesellschaftlichen Menschen auflösen und seine existenzielle Beschränktheit überwinden können. Es geht dann wirklich um das Ganze: Um die große und kleine Politik, um Krieg und Frieden, Natur und Kultur, und Staat und Gesellschaft überhaupt – und zwar für jeden Menschen, der sich daran beteiligen will.
Man darf sich ruhig einmal auch vorstellen, wie das gehen könnte, ohne dass hierdurch die wirkliche Geschichte schon bestimmt wäre: Es wird die Kommune zu einem konkreten Ort gesellschaftlicher Wirklichkeit, an dem sich die Politik des Widerstands entzünden kann weil hier Widerstandskultur auch wirklich möglich wird. Aus ihr werden direkte politische Mandate angefordert, wirkliche Vertretung in den bestehenden Parlamenten, die damit von unten nach oben bestimmt werden können. Ist die politische Ebene der Legislative und Exekutiven hieraus bestimmt, so wird auch die Gesetzgebung sich daran reflektieren müssen und aus der repräsentativen Demokratie einen öffentlichen Diskurs der Volksvertretung der Gemeinden und ihrem allgemeinen Parlament machen.
Gehen wir noch ein kleines Stück weiter in unseren Vorstellungen: Auf dieser Ebene wie auch vor Ort zugleich wird dann die Abhängigkeit der Gemeinwesen vom Kapital überwunden werden, weil es seine wesentliche Lobby, die Großredner des politischen Ganzen des Kapitalismus, verloren haben wird. Aber zugleich ist dies der schwierigste und folgenschwerste Teil der Geschichte. Es geht dann um die Umwandlung der Steuer in reales Sozialvermögen, um die Umwandlung des Geldes in Vertragseinheiten und um den Abkauf des Immobilieneigentums, der wertmäßig durch Gesetze bestimmt wird, die ohne dies auch Enteignung in der Verfolgung neuer Grundrechte androhen können muss. Es muss insgesamt dahin kommen, dass die Grundrente und das Lizenzrecht auf alle Bewohner übergeht und sich nach ihrem Bedarf bestimmt, Wohnungen also nicht mehr zur Miete anstehen, sondern auf die Einwohner und auch auf deren unterschiedliche Lebensabschnitte hin errichtet und aufgeteilt werden. Das Bankenwesen ließe sich darauf reduzieren, zu einem öffentlichen Finanzwesen von Vertragsverhältnissen und die Bereitstellung der Mittel des Mehrprodukts zu besorgen, um größere Vorhaben damit weiterhin realisierbar zu machen. Auch sie müssen sich der unmittelbaren politischen Kontrolle unterordnen.
Beenden wir nun unsere Träumereien mit den Vorstellungen von einer Gesellschaft, die kein Kapital mehr als Arbeitsvermittlungsgrundlage nötig hat. Die Widerstandskultur hebt sich in einer Gesellschaft auf, worin die ökonomischen Grundlagen die Bedürfnisse der Menschen sind, die sowohl die Notwendigkeiten ihrer Existenz verfolgen, als auch die Freiheit ihrer Entwicklung erstreben. Die politischen Entscheidungen werden auf dieser Basis getroffen und die politischen Entscheidungsebenen entsprechen dem Umfang der ökonomischen Reichweite der gesellschaftlichen Projekte, also dem Volumen des ökonomischen Unterfangens. Die notwendige Produktion für den Selbsterhaltungsbedarf wird einen anderen politischen Entscheidungsrahmen erfordern als die Produktion eines Mehrprodukts. Wenn es um die Herstellung von Schuhen geht, wird also eine andere Ebene verantwortlich sein als wenn es sich um die Verlegung einer neuen Bahnlinie handelt.
Die politischen Repräsentanten werden dann also angestellte Vertreter sein, die als Vermittler der abgestimmten Willensentscheidungen in den Entscheidungsebenen fungieren, also nicht mehr aus Eigendünkel handeln, sondern von ihren Wählern quasi bestimmt werden und ihnen Rechenschaft über ihre Vermittlungstätigkeit schuldig sein. Es ist dies dann eine Arbeit wie jede andere, eben wie die der anderen öffentlichen Dienstleistungen wie z.B. im Gesundheitswesen, der sozialen Verwaltung usw. Eingesetzt werden sie zum einen von einem Gremium von hierfür gewählten Bewohnern der Kommunen und Länder, die zugleich beraten werden von einem wissenschaftlichen Gremium, das sich aus anerkannten WissenschaftlerInnen und Informationseinrichtungen zusammensetzt.
Die Besitzformationen der Grundrente, Grund und Boden, Rohstoffe und Immobilien, des Kommunikations- und Verkehrswesens und der Lizenzen sind dann umgewandelt in einen öffentlichen Besitz an Wohnungen, Energietransport, Kommunikationsnetzen, Straßen, Bahntrassen, Flugzeugen und Zügen usw. Die Menschen arbeiten zum einen für ihre Reproduktion, zum anderen für die Verbesserung ihrer Lebensumstände. Jeder Mehraufwand soll auch als verbesserter Lebensstandard auf die Menschen zurückkommen. Von daher werden die, welche sich dabei mehr engagieren auch anteilig besser entlohnt werden müssen. Es wird also nirgendwo um eine abstrakte Gleichheit oder Gleichmacherei gehen, sondern um die konkret bestimmte und bewusste Fortentwickung des gesellschaftlichen Vermögens und Reichtums im Anteil des Willens und der Leistung der Beteiligungen, die lediglich an der Lebenssituation der Einzelnen relativiert werden (z.B. an Kindheit, Alter, Krankheit und dergleichen) und nicht über ihren Tod (z.B. durch Vererbung) fortwirken sollte.
So, wir haben jetzt genug geträumt. Es sollte hier nur mal die Phantasie gegen die Keule der Sachgewalt gehalten werden. Es sollte vor allem klar werden: Euer Bankrott interessiert uns nicht. Eure Schulden wollen wir nicht haben und Alternativen gibt es genug. An neuen Formen der Ökonomie arbeiten viele Gruppen, z.B. zum Thema Solidarische Ökonomie. Und auch in den Gewerkschaften tut sich einiges, z.B. im Ratschlag vom 20. zum 22. Juni in Berlin mit dem Thema „Visions of Labour“. Ihr könnt diese und andere Veranstaltungen im Kalender der Kulturkritik nachschlagen. Dort findet Ihr auch den Text dieser Sendung und die Audiodatei. Dann also auf Wiederhören bis zum 11. Juli wieder um 19 Uhr. Tschüss.



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