Die Paralyse der Kritik – eine Gesellschaft ohne Opposition:"Dient nicht die Bedrohung durch eine atomare Katastrophe, die das Menschengeschlecht auslöschen könnte, ebensosehr dazu, gerade diejenigen Kräfte zu schützen, die diese Gefahr ver- ewigen? Die Anstrengungen, eine solche Katastrophe zu ver- hindern, überschatten die Suche nach ihren etwaigen Ursachen in der gegenwärtigen Industriegesellschaft. Diese Ursachen wer- den von der Öffentlichkeit nicht festgestellt, bloßgelegt und angegriffen, weil sie gegenüber der nur zu offenkundigen Be- drohung von außen zurücktreten — für den Westen vom Osten, für den Osten vom Westen. Gleich offenkundig ist das Bedürfnis, vorbereitet zu sein, sich am Rande des Abgrundes zu bewegen, der Herausforderung ins Auge zu sehen. Wir unterwerfen uns der friedlichen Produktion von Destruktionsmitteln, der zur Perfektion getriebenen Verschwendung und dem Umstand, daß wir zu einer Verteidigung erzogen werden, welche gleicher- maßen die Verteidiger verunstaltet wie das, was sie verteidigen." (Marcuse 1935, deutsche Ausgabe 1967 im Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied: "Der eindimensionale Mensch" – Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft) Auch Immanuel Kant hatte eine "Kluft" zwischen dem Subjekt der Erkenntnis und ihrem Gegenstand erkannt, die z.B. von Hegel mit einem Nichts seiner Logik als Form ihrer Bewegung, un also begreifbar gelten sollte. Doch dieses Nichts ist an und für sich unbegreifbar, also sinnlich nicht zu erschließen – "apriorisch". Denn ein Nichts als solches kann es nicht geben. Es ist höchstens eine totale Leere, eine unterstellte Negation im Kopf seiner "Erkenntnis", reine Inhaltslosigkeit einer Spekulation im nichtung Sein einer leeren Substanz ihrer Elemente, ein allgemein ausgeschlossenes Sein, ein abstrakt Allgemeines ohne Sein. Ein vorgestelltes Nichts als solches kann zwar eine negative Kraft formulieren wollen (siehe Abstraktionskraft), kann aber selbst, also für sich nichts Wirkliches sein, dessen Entstehung aus einer Geschichte zu erzählen wäre. Es ist lediglich ein allgemein abwesendes Sein, das Dazwischensein in einem Widerspruch (siehe Dialektik), der Begriff für die Wahrheit einer Nichtigkeit eines Verhältnisses (siehe Wahrnehmungsidentität), einer vollständigen Aufgehobenheit (siehe Entwirklichung ), die sich als totale Ausweglosigkeit verwirklicht und die Kraft einer abstrakten Notwendigkeit betreibt (siehe Abstraktionskraft). "Die Macht zu sehen, ohne gesehen zu werden ... [ist] ... das höchste Insignium der Macht (Jacques Derrida "Der verschuldete Staat, die Trauerarbeit und die neue Internationale." Frankfurt/M.: Fischer 1995 (Original 1993), S. 25). Wo ein positiver Lebenszusammenhang unterbrochen, in sich selbst getrennt wird (siehe Teilung der Arbeit), gewinnt das abwesende Sein Macht über das Dasein. Es entsteht ein Verlust an seiner Substanz, eine Ohnmacht im Dasein seiner Wirklichkeit, eine Nichtung dessen, was ihren Zusammenhang bestimmt, eine Kraft der abwesenden Substanz (siehe Abstraktionskraft) aus der Reduktion im Organismus des Ganzen, das sich in der Kraft seiner nichtig gewordenen Inhalte, durch die in ihrem Nichts durch ihre nichtig Inhalthaltlichkeit in ihrer Form gegen sein organisches Dasein bestimmt, zu einer Formbestimmung seiner Beziehungen wird. Ein Ganzes ist der Zusammenhang vieler Elemente eines eigenen Wesens, die Gesamtheit der Eigenschaften seiner vielfältigen Beziehungen. Ihre Kraft wird zur Abstraktionskraft, zu einer Kraft der Negation, die dem entspringt, was in der positiven Wirklichkeit nicht ist, die Energie von dem, was durch deren Positionen aufgehoben ist. Wo etwas Abwesendes wesentlich ist, kann es nur das Wesen einer Abstraktion sein - eben das, was tatsächlich bleibt, bloße Tatsache ist, wenn man von allem absieht, was wirklich da ist (siehe Dasein). Es ist das reine Material, die bloße Substanz der Elemente. die ihre Wirklichkeit und Macht aus ihrer Elementarform beziehen (siehe z.B. abstrakt menschliche Arbeit in der Elementarform, der Warenform des Reichtums der bürgerlichen Gesellschaft). Ein abwesendes Wesen ist ein Unwesen, ein Wesen der Abstraktion, das Wirkungen hat, die ihren Grund nurmehr außer sich haben können und hierdurch wie durch einen Zauber, wie der Dämonie einer Sachwelt wirken, die für die Menschen zu einem Fetisch wird, weil er das Verhältnis einer ihnen entzogenen, einer entfremdeten Vermittlung verkörpert, als Körper einer Entfremdung wirkt. Der Fetisch steht deshalb für einen magisch-kultischen Gegenstand (siehe auch Warenfetiscismus, Kapitalfetisch), dessen wesentliches Sein nur aus dem Dasein seiner abstrakten Vermittlung vorgestellt werden kann, in der ihre Inhalte nur in einer verkehrten Form wahrnehmbar sind. Sobald eine Abwesenheit erkannt wird, ist auch ein Wesen erkannt, das einfach nicht da ist, Sein und Dasein desselben nicht übereinstimmen. Ein wesentlichliches Verhältnis lässt sich allerdings nicht ohne Not abwenden, abwesend machen. Das Abwesende strebt immer zugleich zu seinem Anwesen, nach Anwesenheit. Ohne diese gerät es auf Dauer in einen wesentlichen, in einen substanziellem Mangel und von daher in Not, die notwendiges Handeln erfordert. Substanz ist das Sein in dem, was hiervon da ist (siehe Dasein), was bleibt, wenn man von allen Inhalten, von allem da Seienden absieht. Und Not ist nichts anderes als das, was bei Abwesenheit not tut, wenn es nicht ist eine Abwendung erfordert. Was der Möglichkeit nach noch frei bliebe, wird dann durch eine Abwesenheit, durch einen Mangel bestimmt, der für das Sein bedrohlich wirkt und von aher nach eine Abwendung verlangt. Was notwendig für ein Verhältnis ist, lässt deshalb keine Freiheit zu, weil dessen Ganzes im Verhältnis des Mangels vom Niedergang bedroht ist. Von daher ist die Not zwar zwingend, tritt aber dennoch nicht als Zwang äußerlich auf, sondern als substanziell inneres Verlangen, als notwendiges Bedürfnis., wie es der Substanz des Lebens entspringt. Wo sich die Beziehungen der Anwesenden in ihren Verhältnissen wesentlich entleeren, wo sie inhaltslos, immer abstrakter füreinander werden, scheint ihr Sinn letztendlich abwesend zu sein (siehe z.B. abstrakt menschlicher Sinn). Abwesend ist was wesentlich, aber nicht wirklich da ist (siehe Dasein). Das Abwesende ist nicht wirklich da, aber es wirkt, weil und sofern es wesentlich ist, für das Sein nötig, sein Dasein also notwendig ist.. Es ist eine unwirkliche Notwendigkeit, die sich hinter dem Rücken des Anwesenden durchsetzt, gerade weil es nicht da sein kann, weil es wesentlich nur abstrakt da ist, aber im Allgemeinen sein muss (siehe abstrakt Allgemeines). Unwirkliches gibt es von daher durch eine Wirkung, die sich gegen ihre eigene Substanz verhält. So z.B. die Wirkung von Konkurrenzverhalten, das einem abwesenden Wert in einem wirklichen Wertverhältnis zukommt. Es ist ein Wesen, das als Beziehung zwar wahr gehabt wird, aber nur in entgegenwärtigter Form da ist. Das bestimmt die Beziehung selbst zu einem Anwesen, das nurmehr in seiner formellen Bestimmtheit zu erfüllen ist. Es bestimmt sich in der Notwendigkeit, sich durch Vergegenwärtigungen jedweder Art anwesend zu machen - zumindest solange es nicht aufgehoben wird. Das treibt Anwesenheiten hervor, die sich dem wirklichen Dasein im Allgemeinen einziehen, um im Einzalnen noch da zu sein und sich auf diese Weise einem Sog der Abstraktion unterwerfen, weil sie von daher selbst nur im Sog der Negation Wirkung haben. Indem sie dem abstrakt Allgemeinen ihrer Beziehung folgen, werden sie für sich selbst gleichgültig, denn ihre Verhältnisse sind nurmehr durch das Abwesende bestimmt. Dieses hat eben durch nichts anderes als durch seine Abwesenheit Wirkung. Weil und solange es substanziell zugehörig ist, muss es zwar nicht unbedingt da sein, wohl aber Substanz haben, z.B. in einer bloßen Form außer sich sein (siehe Sein), die eine Gegenwart verlangt. Das formelle Sein erscheint dann zwar nur als bloßer Lebensumstand, als bloße Anwesenheit, auf die man aber nicht verzichten kann, weil sie notwendig ist., weil man ohne sie Not leidet. Sie ist damit nicht unwesentlich geworden, sondern gerade darin wesentlich, dass sie für die Wahrnehmung unerkennbar ist. In der Abwesenheit kehrt sich das Wesentliche von Anwesenheit heraus, die darin bloßes Ereignis, Abfolge von Erlebnissen war. In der Abwesenheit kehrt sich das implizierte Wesen der Wahrnehmung in seiner Negation hervor, der abstrakt menschliche Sinn, der menschliche Sinnlichkeit unterstellt, zur Bedingung und Substanz hat und die Begriffssubstanz der bürgerlichen Kultur ist. Als diese erscheint das Bedürfnis nach Anwesenheit als Naturempfindung, als bloßes Verlangen nach menschlicher Nähe und Leiblichkeit, Verlangen nach der körperlichen Anwesenheit von Menschen, die in ihrer bestimmten Gewissheit gleichgültig sind. In seiner Wirklichkeit aber hat es diese Abstraktion als Stoff seiner Selbstwahrnehmung und erfährt in der Abwesenheit von Menschen seine Stofflosigkeit, seine Entleibung. In solcher Isolation wird seine Gesellschaftlichkeit als bloße Naturbestimmung erfahren, Lebensermangelung, welche das Leben einsam macht und als Lebensbedürfnis, als Bedürfnis schlechthin in der vollen Verkehrung seines Sinnes erscheint. Abwesenheit macht sich von daher durch ihren Trieb geltend, der nicht mehr erkennen lässt, was da treibt, weil es nichts Bestimmtes mehr sein kann, wiewohl es zwingend zu etwas drängt, das nurmehr der Form nach zur Befriedigung dieses Triebs geeignet ist. In seiner Inhaltslosigkeit ist dieser Trieb des Abwesenden der Begriff der Formbestimmung überhaupt. | ![]() |