Eine Änderung, die unmittelbar auf ein bloß anderes Sein (siehe Anderssein) zielt, kann keine Entwicklung finden, weil sie nur das Dasein als ganz Anderes totalisiert, es also in anderer Form bestärkt (siehe hierzu auch Ontologie). Umgekehrt kann auch das Dasein nicht so bleiben, wie es ist, wenn seine Änderung notwendig geworden ist. In dieser Notwendigkeit selbst erweist sich die Beziehung auf Anderes aber schon im Inhalt seiner Form gegeben, die ihm gegenüber unangemessen ist, die also schon Anderes reflektiert, indem sie außer sich als Formbestimmung wirksam geworden ist, und den inneren Mangel als Fremdbestimmung aufhebt und bloßlegt, die das Eigene außer sich bestimmt, die es für sich hat. Was die Geschichte an positiven Lebenszusammenhängen gebildet hat, lässt sich nicht einfach zurücknehmen, weil die gesellschaftliche Beziehungen ihrer Lebenswirklichkeit darauf gründen. Zum Beispiel lässt sich eine Stadt nicht einfach auflösen oder in bloße Wirkungslosigkeit zersetzen. Und auch nicht ihre Infrastruktur, ihre Straßen, Berufe oder Einrichtungen. Werden ihre Zusammenhänge unterbrochen, so müssen hieraus neue entwickelt werden, die ihre Form durch andere Verbindlichkeiten, andere Verbindungen und Inhalte erneuern. Was in sich selbst getrennt - bzw. zerstückelt - wird, verliert an wirklicher Beziehung und ihrer Wechselseitigkeit (siehe auch Teilung der Arbeit), an Wirklichkeit des organischen Zusammenhangs. Jede Trennung ist zunächst ein "Schmerz" (Hegel), eine Nichtung dessen, was zusammengehört, eine Reduktion im Organismus des Ganzen, das sich nicht mehr wirklich ergänzt, wesenlos wird, zu verwesen droht. Es verliert an Kraft der inhaltlichen Bezogenheit seiner lebendigen Regungen. Und es verwandelt diese durch die Form seiner Abwesenheit, der Erregungen seiner nichtig gewordenen Inhalte. Sie speisen aus einer Kraft ihres entwirklichten Wesens, aus der Energie ihrer aufgehobenen Form ein unbändiges - weil ungebundenes - Verlangen nach ihrer wirklichen Aufhebung in einem anderen Sein, einem Anderssein für sich durch die Veränderung ihres Inhalts in der Erneuerung des Ganzen durch Befriedung ihrer Abstraktion, durch die in ihrem Nichts verendeten Beziehung, durch die aus ihrer nichtig bezogenen leeren Form im subjektiven Begehren nach einer lebendigen, einer ihrem Lebensinhalt entsprechenden Form. Durch ihre in ihrer Beziehungslosigkeit nichtig gewordene Inhalthaltlichkeit entsteht der neue Inhalt aus der Form seines Anderseins, der zunächst gegen ihr Dasein bestimmt ist, um sich in Anderem zu erneuern. Er wird zunächst zur Formbestimmung einer nichtigen Beziehung, zu einer hieraus geborenen Idee der Negation seiner überkommenen Beziehungen, die darin entwirklicht sind, zum objektiven Antrieb ihrer Selbstveränderung, zur Idee ihrer veränderten Subjektivität. Es ist daher nicht das Eigene oder die Eigentlichkeit (siehe Heidegger), die nach Änderung verlangt; es ist der Inhalt der Fremdbestimmung, die als eine Formbestimmung hervorgetreten ist, die schmerzhaft ist, solange sie den eigenen Inhalt nicht eröffnet, der nur in fremder Form da sein kann, der also da ist, ohne sich in seinem Dasein als Eigenes zu erweisen, sondern als fremde Kraft, als Macht der Entfremdung herrscht, weil er in seiner Formbestimmung anachronistisch ist. Ohne die Aneignung der in der fremden Form bestimmten Lebensinhalte kann es keine wirkliche Änderung geben. Eigenes ist niemals total, weil es für sich nichts Ganzes sein kann, weil es immer in Gesellschaft ist, in seiner Einzelheit immer auch allgemein bezogen, in gesellschaftlicher Beziehung existiert. Wo es in seiner Individualität absolut wird, verliert es daher auch seine Freiheit, eben die Chance, sich aus seiner bornierten Formbestimmmung zu emanzipieren. Soweit sich Individuen nur versammeln, um ihr Eigentum für sich zu haben, sich also nicht in einem Verhältnis zu ihrem Eigentum als gesellschaftliches Eigentum zu verhalten, werden sie in einen unendlichen Streit um ihre Eigentümlichkeit geraten, weil sie sich ihrer gesellschaftlichen Synergie entziehen. Es ist dann der Streit um ihre bloß quantitativen Anteile, der Streit um die Verteilungsgerechtigkeit innerhalb ihres Besitzstandes (siehe auch Klasse). Ohne Beziehung auf ihre gesellschaftliche Wirklichkeit wird dieser Streit zwangsläufig total, ihre Vorstellung von Selbstverwirklichung totalitär. Totalitarismus beruht auf der Behauptung eines im Anderssein begründeten Bestärkung einer herrschenden Formbestimmung, als auf einer gänzlich fremd gewordene Notwendigkeit des Eigenen, des Eigentums. Darin ändert sich nichts anderes als die Art der Gestaltung ihrer Form, als Vertauschung ihrer Ausdrucksweisen (siehe Täuschung). Änderung muss daher die Wendung eigener Lebensverhältnisse gegen die fremde Bestimmung der Form sein, ihre Subversion. Anderes Sein bliebe sonst immer nur ein von eigenem Sein unterschiedenes Sein, also lediglich nicht identisches, aber auch nicht Negation. Die Frage zwischen Evolution und Revolution, die damit implizit beantwortet ist, ist die Frage nach dem Sein desselben in Verschiedenem, also überhaupt die Frage nach dem wirklichen und wirklich möglichen Grund der Veränderung zwischen eigener Entwicklung und Formbestimmung, zwischen seiner Fortbestimmung in einer Entfremdung oder seiner Emanzipation zu menschlicher Lebenswirklichkeit. Sie besteht darin, dass es nicht sein kann, obwohl es nötig ist, weil es in Wahrheit schon da ist. Darin ist die Beziehung von anderem auf dieselbe beschrieben, z.B. die des Wissens auf das Sein, das Bewusstsein, das nichts anderes sein kann, als bewusstes Sein, als Wissen seiner Inhalte im Sein, wie es ist (siehe Dasein), auch wenn es nicht wirklich da ist. Wäre es - wie die Widerspiegelungstheorie behauptet - als Bewusstsein bloße Reflexion des Seins, hätte es dieses zwar zu seinem Inhalt, wäre aber sich dessen nicht bewusst (siehe z.B. Positivismus, Phänomenologie). Es ist von da her bewusstes Sein nur in einem anderen, in der Kritik von diesem, hat denselben Inhalt wie dieses, steht aber in einer eigenen Beziehung hierzu, die ihre Entfremdung von diesem begriffen haben muss, um wahr sein zu können. Es kann diese Beziehung im Wissen aber auch nicht ausschließlich und nur dies eine sein, nur einen Inhalt als Gegenstand für sich haben. Ökonomische Verhältnisse - zum Beispiel - sind nicht alles Sein, was Bewusstsein zum Inhalt haben kann. So ist Kultur etwa ein anderes Sein als es Wirtschaft ist, weil ihr Wesen anders ist, nicht unbedingt nützlich sein muss. Von daher gibt es auch ein kulturelles Bewusstsein. Bewusstsein ist also immer auch auf anders bestimmtes Sein bezogen, nicht Bewusstsein an sich, das pure Philosophie, bloße Interpretation bliebe. Kritik unterstellt daher ein Wissen um die Getrenntheit zu seinem Gegenstand und schließt von daher auch permanente Selbstkritik der Wissenschaft ein. Dies unterscheidet Kritische Theorie von bürgerlicher Wissenschaft. | ![]() |