"Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus - den Feuerbachschen mit eingerechnet - ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als menschliche sinnliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv. Daher geschah es, daß die tätige Seite, im Gegensatz zum Materialismus, vom Idealismus entwickelt wurde - aber nur abstrakt, da der Idealismus natürlich die wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht kennt. Feuerbach will sinnliche, von den Gedankenobjekten wirklich unterschiedene Objekte; aber er faßt die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit. Er betrachtet daher im "Wesen des Christenthums" nur das theoretische Verhalten als das echt menschliche, während die Praxis nur in ihrer schmutzig-jüdischen Erscheinungsform gefaßt und fixiert wird. Er begreift daher nicht die Bedeutung der "revolutionären", der praktisch-kritischen Tätigkeit." (Quellen: Feuerbachthesen oder auch direkt in MEW Bd.3, S. 533 bis 535). Die wissenschaftlichen Erkenntnistheorien unterscheiden ihre Ziele, ihre Wahrheit und also ihre Konsistenz, ihre Wahrnehmungsidentität durch ihr Verhältnis zu ihrem Gegenstand. Im Erkenntnisinteressse der Phänomenologie wird eine Abstraktion für die Ordnung von einzelnen Erkenntnissen angestrebt und betrieben, indem das, was sich in der Wahrnehmung wiederholt und allgemein machen und hieraus positiv formalisieren lässt. Deren Verallgemeinerung fasst solche Wissenschaft in der Anschauung ihrer Gestaltung auf, die sie selbst erst ihrem Gegenstand durch eine "eidetische Reduktion", indem sie ihm also eine Abstraktion ihrer Wahrnehmung zufügt. Ganz im Gegensatz hierzu gehen dialektische Erkenntnismethoden von einer realen Abstraktion in den Verhältnissen ihres Gegenstands als Grund ihres Erkenntnisinteresses aus und suchen einen Zusammenhang im Ausgeschlossenen, das seine einzelne Nichtigkeit, seine Negation in seiner allgemeinen Position geltend macht und nach einer Emanzipation aus ihrem Ausschluss, aus der Analyse ihrer Unwirklichkeit verlangt. Um hierzu ein wissenschaftliches Urteil zu bilden ist eine exakte Analyse vorauszusetzen, die den Zusammenhang ihrer Teile erarbeitet und damit die Grundlage zur Erkenntnis ist, wie das eine Teil aus dem Anderen hervorgehen konnte und so das Ganze schlussendlich erklären kann, was darin als ein abwesendes Drittes zu erschließen ist, das die Teile im Großen und Ganzen abstrakt vermittelt. Das ist die Voraussetzung einer dialektischen Begriffsbildung und somit einer wirklichen und also auch wirksamen Erklärung komplexer Zusammenhänge, wie sie sich ihrer abstrakten Einheit, ihrer Idee zuwenden und mitteilen. "Allerdings muß sich die Darstellungsweise formell von der Forschungsweise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiednen Entwicklungsformen zu analysieren und deren innres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden. Gelingt dies und spiegelt sich nun das Leben des Stoffs ideell wider, so mag es aussehn, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu tun." (MEW Bd. 23, S. 27) Eine Analyse der Wirklichkeit macht diese griffig und begreifbar. Was heute noch als gut und schon morgen als böse zu empfinden ist, mag sich im Zufall ereignen. Doch wo es eine eigene Kraft enthält, die unmittelbar nicht wirklich zu erkennen ist, weil ihre Ursache sich der Wahrnehmung entzieht, ist es nicht mehr so selbstverständlich, wie es erscheint. Es mag dennoch zufällig sein, weil seine Ursache nur heute abwesend, morgen aber schon wirklich wahrnehmbar sein kann. Wo aber ein Zufall ausgeschlossen ist, wenn etwas wie eine fremde Kraft wirkt, weil es wie ein Prinzip sich ereignet, kann es nur über die Zusammenhänge eines Wissens nachvollzogen, also über das Nachdenken hierüber, über wissenschafliche Bearbeitung und Überlegung ent-deckt werden. Weil hierbei zwischen subjektiver und objektiver Wahrheit unterschieden werden muss, wobei dieser Unterschied überhaupt erst in dieser Bearbeitung gebildet wird, ist der Zweifel die notwendige Tätigkeit der Wissensbildung. Die erst aus der Analyse ihrer Inhalte und Substanz erfolgende Erkenntnis ihrer fremden Begründung, der Entfremdung dessen, was gewiss sein soll, ist die Voraussetzung einer wahrhaftigen Kritik, die Grundlage eriner kritischen Theorie. Wo die Beziehungen eines Verhältnisses widersinnig sind, muss ein Zusammenhang erkannt werden, der nicht unmittelbar erkennbar ist, der also aus seiner Abwesenheit heraus in den Eigenschaften der Gegenstände der Wahrnehmung oder auch in ihr selbst wirksam sein muss, einer unwirklichen Wirklichkeit entspringt. Deshalb betreibt eine Analyse die Zerlegung dieser Eigenschaften, um deren Zusammenhang als ihre Natur im Ganzen nachvollziehen zu können. Von daher ist sie die wesentlichste Voraussetzung für eine Begriffsbildung und deren Schlussfolgerungen, aus denen die Abwesenheit ihrer Bestimmtheit, das Wesen einer Abstraktion erklärlich wird. Ihr Resultat ist die Erkenntnis ihrer Abstraktionskraft, ihre Begriffssubstanz, um die Natur eines Zusammenhangs zu entdecken, dessen Erscheinungen sich von seinem Wesen getrennt haben und von daher ihm substanziell entzogen sind. Die Analyse bringt ihn "auf den Punkt", auf den Springpunkt des Lebens, das dahinter steht und abwesend ist. Von daher ist die Analyse eine kritische Tätigkeit des Denkens, indem sie darüber aufklärt, was diesen Widerspruch antreibt (siehe auch Trieb), was also die Elementarform einer Begrifflichkeit ist, die Form, worin ihre Widersinnigkeit Sinn macht, auch wenn sie nur durch ihre Formbestimmung wirklich da sein kann. Analyse ist der Vorgang, worin die unterschiedlichen Bestimmungen einer Sache zu dieser Erkenntnis herausgearbeitet werden, sodass sich hierin auch unterschiedliche Inhalte der selben Form ergeben können, welche ein anderes Sein der Formen erklären (siehe Anderssein). Hieraus ergibt sich das Wissen ihrer Formbestimmung, des Wesens der abstrakten Substanz ihrer Erscheinungsweise, welche die Grundlage jeder Synthese ist (siehe z.B. abstrakt menschliche Arbeit). | ![]() |