"Ihren Ursprung hatte diese ideologische Strömung in der "Radikalen Linken" (RL), die sich in den Jahren 1989 bis 1991 in Westdeutschland unter der Losung "Kraft der Negation" den Kampf gegen den wieder erstarkenden deutschen Nationalismus auf die Fahnen schrieb. Die RL schaffte es, mittels populärer Parolen kurzzeitig die Mehrzahl der linken Politprominenz der Bundesrepublik um sich zu scharen - von gestandenen Parteikommunisten, über Noch- oder Nichtmehr-Grünen bis hin zu autonomen Straßenkämpfern. Nachdem die "Niewieder-Deutschland-Kampagne" im besoffenen Wiedervereinigungstaumel des Jahres 1990 jedoch wirkungslos verpufft war, setzte ein rapider Zerfall der RL ein, der Anfang 1992 zu ihrer Auflösung führte. Ein Teil der verbliebenen Zusammenhänge - hauptsächlich Autoren des Monatsmagazins konkret sowie die vom "Kommunistischen Bund" abgespaltene "gruppe K" - nahm während des ersten Weltordnungskrieges gegen den Irak im Jahr 1991 Partei für die Angreifer. Die damaligen Argumente für den Frontwechsel ehemals radikaler Systemgegner überraschten sowohl durch ihre erstaunliche Dürftigkeit als auch dadurch, dass die frischgebackenen Bellizisten es tatsächlich schafften, eine absurde Debatte in die Reihen der Linken hineinzutragen: Deutschland gleich böse, also Israel gleich gut; Irak gegen Israel, also Saddam gleich Hitler; USA gegen Saddam, also Krieg gleich antifaschistischer Kampf." (Junge Welt vom 18.10.2003, Wochenendbeilage) Die Antideutschen stellen eine Gruppe in der neueren Linken dar, die sich von einer "traditionellen Linken" dadurch absetzen will, dass sie ihr Antisemitismus und Nationalismus vorwirft. Die ideologische Grundlage der Antideutschen reduziert sich auf die negative Dialektik Adornos durch eine antinationalistische Position, die sich vor allem auf Deutschland als Subjektkritik der Deurtschen überhaupt bezieht, denn hier sei aus einem in der deutschen Geschichte besonders tief sitzenden Antisemitismus die Geschichte seiner Tötungsindustrie begründet worden. Die Antideutschen verstehen sich zwar teilweise noch als KommunistInnen, die sich aus einer antideutschen Ideologiekritik begründen, welche sich ursprünglich auf Marx beziehen wollte, bewegen sich aber inzwischen vor allem als Subjektkritik innerhalb der Negativen Dialektik von Adorno, wie sie von Moishe Postone rezipiert worden war und sich auf dessen Interpretation des Warenfetischismus als Grundlage des Nationalismus, als ideologische Struktur des Antisemitismus bezog (siehe hierzu auch Karl Reitter 2004: Ein Popanz steht Kopf - Zu Postones Buch: "Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft"). Der deutsche Nationalismus, der nach der Wiedervereinigung Deutschlands wieder erstarkte, war in den 90ger Jahren der Auslöser einer Nationalismuskritik, die sich auch mit den nationalsozialistischen Grundlagen in der Philosophie, besonders mit Martin Heidegger, befasste. Auch der in der Konfrontation der Nah-Ost-Kriege wieder verstärkt aufkommende Antisemitismus, die Einbeziehung eines wiedervereinten, also auch bestärkten Deutschlands in die Weltpolitik und die mit der Globalisierung in den kapitalkritischen Bewegungen geweckten Ursprungssehnsüchte nach nationaler Integrität waren wohl Anlass zur Befürchtung einer Rückwendung der Geschichte zur Kleinstaaterei und geistigen Bornierung, nach dem Wiedererstarken des "autoritären Charakters", der sich - so Adornos Verständnis - in Deutschland durch die Rigidität totalitärer Bedürfnisse bis hin zu einem erneuerten Nationalsozialismus getrieben habe. Mit dem Fall der Mauer, dem sogenannten "Zusammenbruch des Realsozialismus", kam zu dieser Art von Kulturkritik eine politische Lähmung der marxistischen Linken, welche mit den immer deutlicher werdenden Belegen für faschistoide Strukturen des "staatskapitalistischen Sozialismus" (siehe Linksfaschismus) auch in die Notwendigkeit der Überdenkung ihrer politischen Begriffe (siehe Diktatur des Proletariats, Revolution, Klassenkampf) kam. Für viele war das ein Grund mehr, sich wieder auf eine rein philosophische Ideologiekritik zu beschränken, wie sie Adorno in seiner "Dialektik der Aufklärung" zur notwendigen Grundlegung der politischen Kritik anempfohlen hatte. In der darin begriffenen Auflösung des analytischen Denkens zur Negativen Dialektik wurde dieses wieder - eigentlich ganz im Sinne der soeben kritisierten Aufklärung - rein imperativ – zu einer Moral, die weit tiefer greifen wollte als jede politische Analyse der Ökonomie sein kann, zum Adornitischen Imperativ, "Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole". Adornos Tugenden sind leicht verständlich und reichten von der Verurteilung des Klavierspiels der Gefangenen in Ausschwitz bis zur Abweisung des modernen Jazz. Und so war nicht mehr das Nachdenken über Ausschwitz bestimmend für den politischen Verstand des eigenen Handelns, sondern die höchst denkbare Tugend gegen das Undenkbare, wie es Adorne bezeichnet hatte: Der adornitische Imperativ. Und das schien auch angesichts der durch Spaßgesellschaft und Globalisierung wieder angefachten Angst vor einer spürbaren Faschisierung der Bevölkerung und auch der Wissenschaften (Biologisierung psychologischer und Begriffe einer ästhetischen Willensbildung) adäquat. Doch Faschismus wurde bei Adorno fast ausschließlich als eine Kategorie des reinen Bewusstseins bzw. seinem Verblendungszusammenhang als Psyche behandelt, wodurch die Menschen ohne eigene Not verführt erscheinen konnten. Jedenfalls wurde damit eine analytisch fundierte Theorie der Wirklichkeit unnötig und von daher war ein breiter Bogen der Kritik gespannt, welche als Kritische Theorie sowohl der Arbeiterbewegung wie auch der nationalsozialistischen Bewegung in identischer Absicht den Boden eines umgreifenden Antisemitismus aufspürte, der zumindest per Analogschluss als "struktureller Antisemitismus" zu entlarven sei. Kritk des Kapitals wurde auf diese Weise schnell umgedeutet auf Kritik des Judentums, dem ja von den Nazis die Raffgier nachgesagt worden war. So konnte praktisch allen politischen Entwürfen schon in ihrem Ursprung ein totalitärer Anspruch mit der Herausstellung eines ihr eigenen "strukturellen Antisemitismus" ausgetrieben werden. Eine Kritik der bisherigen Arbeiterbewegung und des Parteienkommunismus war in dieser Richtung zum Teil auch sicherlich nötig und hätte eine Kritik der dort mitschwingenden völkischen Ansätze und der Diktatur des Proletariats abverlangt und immerhin eine gewaltige Analyse erfordert. Aber als bloße Kritik des totalitären Denkens blieb dies lediglich die Kritik einer Denkform. In dem von Adorno aufgeführten gedanklichen Umfang argumentiert er gerne marxistisch - etwa aus den ersten Kapitels des Kapitals von Marx - und sprach auch hie und da vom Klassenkampf, aber er bezog dies alles auf einen "erneuerten Marxismus", der in der Beschreibung auf einen von seinem sachlichen Gehalt abgelösten Warenfetischismus reduziert worden war. Die Marxsche Theorie wurde von ihm auf eine psychologische Philosophie der Verdinglichung zurück gewendet, die ihre Wertform lediglich als Ideologie erkannt wissen wollte, als das Undenkbare schlechthin, wie Adorno es bezeichnet hatte - undenkbar, weil es selbst Nichts sei, nur verkehrt als negative Dialektik existiere, als ein in sich falsches Leben, das selbst negiert werden müsse, um richtig zu werden. Das war als sogenannter Postmarxismus die Grundlage zunächst der Wertkritiker, die sich dann bei den Antideutschen fortbestimmte, indem sie die Denkform selbst wesentlich auf das Deutsche "Ich" reduzierten, um darin ihre beispiellose Psychosophistik zu begründen. Aber mit der Psychologisierung dieser "Verdinglichung", wie Adorno diese Verkehrung verstand, wurde eine neue - angeblich ideologiekritische - Radikalität aufgemacht, wie sie vor allem von den Antideutschen in viele linke Gruppierungen eingebracht wurde. So wollte Moishe Postone den Antisemitismus aus dem Warenfetischismus abgeleitet wissen, weil dieser selbst schon die Wertform der "abstrakt menschlichen Arbeit" darstelle, quasi deren Erscheingsform sei. Aus dem Wert, dem "gemeinsamen Dritten" im Verhältnis der Tauschwerte zu den Gebrauchswerten, woraus Marx die Wertsunbstanz erschlossen hatte, wurde somit ein bloßes Phänomen, das sich gerade so wie in der Tauschverhältnissen des Warentauschs wie auch im Denken der Menschen abspiele, wodurch die Phänomene auch als eine "Antinomie" des Bewusstseins zu seinem "wahren Wesen" erscheinen sollten. Im gedanklichen wie politischen Vakuum der linken Bewegung um die Jahrtausendwende wurde der damit angeblich "marxistisch abgeleitete Antisemitismus" zu einer begierig aufgegriffenen Aufklärungsroutine: "Moishe Postone vertrat 1979 in seinem Aufsatz "Antisemitismus und Nationalsozialismus" die These, Antisemitismus entstehe aus dem Nicht-Verstehen des Kapitalismus. Demnach führe die Trennung von Abstraktem (zum Beispiel finanziellem Kapital) und Konkretem (die produzierende, sichtbare Arbeit), die im Kapitalismus auftrete, dazu, dass die produzierende Arbeit und das dazu nötige industrielle Kapital als "das Gute" und Wert-Schaffende, wohingegen die abstrakten Sphären, wie das Finanzkapital als "das Böse" angesehen würden. Und da seit dem Mittelalter jüdische Menschen mit dem Finanzkapital verbunden würden, sei über die Verbindung von Judentum und "bösem Finanzkapital" ein Hass auf Jüdinnen und Juden hervorgebracht worden." (https://revoltmag.org/articles/die-post-antideutsche-hegemonie-muss-fallen/) Im Unterschied zu den Marxisten, die sich auf die Kritik der politischen Ökonomie auf der Basis der Arbeitswerttheorie beziehen, behaupten sie diese Postmarxisten als falsch, bzw. von Marx "eigentlich" nicht als substanzielle Werttheorie gemeint, wenn, dann als "Schwäche" seiner Theorie. Wert selbst sei bloßer Widerspruch, Denkform als solche, reine Ideologie. Und damit sei die Realabstraktion, die er betrieb, unmittelbar auch bloße Gedankenabstraktion. Das ist der Kern ihres neuen "Materialismus", für welchen die Abstraktion des Wertverhältnisses nicht materiell von etwas abstrahieren, sich als bloßes Quantum gegen ihre stoffliche Qualität verselbständigen, sondern selbst keine andere Wirklichkeit als die des Gedankens habe und also selbst als bloße Mythologie Gegenstand der Kritik sei. Denken stehe darin zu sich als Erscheinung seiner selbst. "Das Denken ist Erscheinung eines als das Unwesen zu dechiffrierenden Wesens, das ohne diese seine Erscheinung nicht sein könnte: Es ist die Bestimmung dieses Wesens, zu erscheinen, um zu sein. Das Denken ist keine "Ableitung" minderer Güte und Qualität – es ist Erscheinung des Wesens in seiner sich an sich selbst verhüllenden Qualität. Es produziert "notwendig falsches Bewußtsein", weil keine andere Form des Bewußtseins einer in sich verkehrten Gesellschaft zu haben ist, weil anders denn notwendig falsch der Wert als negative Synthesis nicht in Gedanken zu bringen ist, weil anders der Wert als Inbegriff der Identität von Identität und Nichtidentität nicht in einen Kopf passen mag." (aus dem Papier "Das Konzept Materialismus" von der Initiative Sozialistisches Forum) Der Kopf also sei der Austragungsort der Widersprüche des Kapitalismus, an welchem jede stoffliche Wirklichkeitsform aufgehoben sei und seine "Identität" aus dem "Widerspruch" von "Identität und Nichtidentität" bestünde - ein Widersinn in sich, der nötig ist, wenn Wirklichkeit als Denkformation hergenommen wird. Die Identität des Denkens sei die ausschließliche Identität und Widerspruchsform der gesellschaftlichen Verhältnisse. Solchem identitäres Denken ist der Begriff reines Material seiner selbst. Daher sei auch die von Marx begriffene Abstraktion der Philosophie von der menschlichen Praxis unmittelbar schon das schlechthin Andere, das Verkehrte, das als Têlos der Wahrheit zu begreifen wäre. Theorie wird hierdurch selbst zur Praxis eines Gedankens, wie er ja tatsächlich in der "guten deutschen Tradition" des Idealismus - jetzt allerdings als antideutsches Ideal - da steht. Für solche Superdeutschen ist Denken eben nicht Erkenntnis wirklicher Abstraktion und also als Begriff des Kapitalismus zugleich dessen Kritik, eine Kritik, die nur praktisch in konkreten Beziehungen der Menschen wahr werden kann. Es gebe für solches Denken nur den absoluten theoretischen Begriff, der zwar durchaus auch mal alsBegriff einer abstrakt menschliche Arbeit (siehe Wertsubstanz) zu fassen sei, der aber keine Wirkung - also auch keine Wirklichkeit - jenseits des Denkens selbst zeitige, sondern als Arbeit schlechthin - und das sei abstrakte Arbeit eben auch wirklich, eben wirklich reale Gedankenabstraktion - abzuweisen sei. Solche Abstraktion wird daher auch nicht beziehbar auf eine wirklich durch die durchschnittliche Zeitdauer der Anwendung von menschlicher Arbeit unter dem Kommando der Abstraktion, und daher nicht notwendig durch die Benutzungszeit von Menschen für eine ihnen äußerliche Arbeit bestimmt (siehe Wertgröße). Sie sei schlichte Fantasie zu einer an und für sich unnötigen Arbeit, weil alle Arbeit in einer postmodernen Gesellschaft in Wahrheit eben schon überwunden sei. Der "Begriff des Kapitalismus", der Wert, sei "im Wesentlichen" daher selbst einfach nur die Barbarei. Was darin begriffen sei, das sei kein politisches Verhältnis der Ökonomie, sondern pervertierte Politik schlechthin, eben Deutschland. Denn Deutschland sei die wesentliche politische Form dieser Barbarei, weil sich diese hier erschlossen habe: "Die Barbarei als eine qualitativ neue, als eine dem Kapital einerseits entsprungene, andererseits entronnene Gesellschaftsform, die Barbarei als die negative Selbstaufhebung des Kapitals auf der Grundlage des Kapitals, die Barbarei als genuin deutsche Gesellschaftsform, die die Konsequenzen zieht aus dem Zusammenbruch des Kapitals – kein Materialismus ist mehr denkbar, der dies nicht als im Herzen der Kritik der politischen Ökonomie zu bedenken hätte, und kein Materialismus zudem, der, im Angesicht der historischen Erfahrung, nicht darum kämpfte, die Einheit der Kritik zu bewahren, das heißt nicht sich das Bewußtsein durch Umstände, Faktoren, Sonderwege etc. pp. historisch und soziologisch zerstäuben zu lassen. Nicht geht es darum, den Nazifaschismus aus dem Kapital "abzuleiten" (wie die Bürger sagen), sondern darum, der katastrophalen Entfaltung des Kapitals zu seinem Begriff, der Barbarei, kritisch innezuwerden. Es gibt kein Anderes der Totalität." (aus dem Papier "Das Konzept Materialismus" von der Initiative Sozialistisches Forum) Hier weht das Pathos einer Zeit herüber, die noch vom Totalitarismus einer Moral befangen war, von der sich das Denken noch nicht wirklich emanzipiert hatte. Das Nachdenken über Gründe und Ursachen gerät ihm selbst zur Identitätsfrage, weil es sich im reinen Anderssein der Totalität, eben als eine ganz andere Totalität begründet wissen wollte, die in ihrer diesseitigen Gebrochenheit lediglich die Sehnsucht nach dem ganz Anderen enthalte als etwas Fernes, das doch zugleich nah ist, im Diesseits zwar gebrochen, aber als Keim der Zukunft doch ganz, hier zerstört, aber dort doch heil, verwundet, aber in seinem Schmerz eben Kunst. In dieser Unbestimmtheit herrscht abstrakte Selbstbestimmung, absoluter Moralismus als Selbstbegründung, bloße Selbstbehauptung, die sich über alle Ursprungssehnsucht erhebt, indem sie sich in ihre geistigen Ursprünge zurückversetzt, das Reale meidet, indem es das Ideal der Wahrheit lebt, zumindest sich selbst als Wahrheit erscheint. Es ist das Pathos der Sophistik, die hier ganz praktisch daherkommt. Durch den Verweis auf das große Verbrechen blüht "das Undenkbare" als Unbedachtes in seiner pervertierten Geistesgestalt wieder auf und erinnert in der Willkür seiner Argumentation und Einvernahme genau an den Pathos, in seinem Edelmut den Niederungen funktionaler Zwänge entronnen sein wollte. Der Gedanke und das Verbrechen werden in ihrer Totalität sonderbar ähnlich und selbst zum Mittel für die Perpetuierung des Bestehenden, indem darin alles subsumiert ist wie zugleich auch alles darin beantwortet sein soll. Nach Auschwitz könne nur noch Schweigen herrschen, kein Klavier sei mehr mehr zu stimmen, kein Gedicht mehr möglich sei. Das meinte Adorno, nachdem die KZ-Häftlinge ihre Bilder gezeichnet hatten, um Ausdruck und Bestärkung für sich zu haben, nachdem sie ihre Lieder in den Baracken gesungen hatten, um Mut zu finden, um durchzuhalten. Manchen hatte es das Leben gerettet. Aber die larmoyante Selbstgerechtigkeit ist eben das Glück der Moralisten im Kampf gegen ihre Ungeister, den Gespenstern der Finsternis, dem zur Selbstaufführung gebrachten Traum der Spießer von einem ganz anderen, von einem richtigen Leben, von einem alternativen Totalitarismus, von einer Erleuchtung des neuen Menschen aus dem verkehrten, der Aufhebung des deutschen Nationalismus in einem bloßen Imperativ gegen seine ungeheuerliche Verwirklichung, gegen das Undenkbare, das "nicht wiederholt" werden solle. Für all dieses steht dann ein Begriff, mit dem alles zu machen ist und der daher auch bereits zum beliebigen Vorwurf gerät: Antisemitismus schlechthin und in allen Schattierungen und Formationen. Adorno hatte die Kritik der politischen Ökonomie in die Philosophie zurück geholt, zum philosophischen Télos gegen die Verdinglichung schlechthin gewendet und damit die Dopplung der Ökonomie zur Kritischen Theorie, zur Kritik des "fetischisierten Denkens" als Superphilosophie eines Psychosophismus getrieben, der lediglich davon zehrte, dass er das Verbrechen nicht denken konnte und sich daher für das Undenkbare verewigt wissen wollte: Die große Rache des Gedankens, nicht mehr denken zu können - vielleicht auch einfach nicht mehr zu wollen. In diesem Pathos des Moralismus beherrschen die Antideutschen gerade das, was die Deutschen in ihrer an sich heilen Gedankenwelt schon immer besonders ereifern. Jetzt ist es lediglich ex-nationalisiert. Die Antideutschen sind jetzt vor allem die Braven, die ihren "Garten der Liebe" zu pflegen verstehen, indem sie sich durch eine Nation identifizieren, die das deutsche Verbrechen vergegenwärtigt - Israel - und damit eben das Unkraut zu kennen vermeinen, welches das Gegenlabel hat: Deutsch. Ihr konkretes Leben, das in Deutschland durch eben die internationalen Wertverhältnisse schon abstrakt genug vermittelt ist, muss überhaupt nicht konkret gedacht werden - es besteht vor allem aus einem uneingestandenen Manichäismus, der Abweisung des Schlechten, der schlechten Gedankenabstraktionen, wie sie in Politik und z.B. auch Religion zu finden sind. Nicht die Herausarbeitung der Abstraktion aus dem konkreten Leben ist hierdurch nötig, die Analyse abstrakter Lebensverhältnisse, um sie zu konkreten menschlichen Lebensverhältnissen zu verändern, sondern die Selbstbehauptung eines gerechten Lebens. Sie sind die Superdeutschen, die aus ihrem bloßen Moralismus heraus eine Kritik betreiben, die sich mit der Gewalt totalitärer Machtinteressen ähnlich auflädt, wie sich die nationalsozialistische Erlösungspropaganda z.B. in den sogenannten Feuersprüchen der Nazi-Studentenschaft zur Bücherverbrennung für eine "gereinigte Wissenschaft" aufgebaut hatten. Kritik, die sich selbst als bloße Negation zu ihrem Gegenstand verhält, kann ihn nicht aufheben; sie wird zur Farce einer formalen Negation, die wesentlich mit ihm identisch bleibt. Antinationalismus, der sich nicht zu einem Internationalismus entwickelt, bleibt wesentlich nationalistisch, weil er sich weiterhin aus den nationalen Grundlagen heraus verhält. Die Nation als politische Form einer Region kann nur durch eine Politik überwunden werden, welche diese Form als Lebensform von Menschen erkennt, die sich aus der Beziehung menschlicher Lebensformen überhaupt im Laufe der Geschichte ergeben hat und nur überwunden wird, wo das Lebensverhältnis der Menschen selbst sich ändert. Wo Politik aus rein formeller Negativität sich ableitet, kehrt sie sich zwangsläufig in eine ihrem Gegner artverwandte politische Haltung um. Es ist daher kein Wunder, dass Antideutsche Kriege, z.B. den Irakkrieg unterstützen und die weltpolizeilichen Selbstlegitimationen der USA beklatschen. In der Gleichsetzung von allen Totalitarismen, wie sie auch kulturpolitisch z.B. in der Schwulen- und Lesbenverfolgung, in der Frauenunterdrückung oder im nationalistischen Habitus von Widerstandskämpfern auftreten, wird lediglich eine höhere Form totalitärer Ideologie gewonnen, die - und das ist das eigentlich Perfide - sich aus internationalistischer Erkenntnis gerade gegen das gebildet hatte, was jetzt nichtig gesetzt und zur Vernichtung frei gegeben wird. Die Gleichschaltung des Gegners durch abstrakte Astsozialionen befördert eine Abstraktion, die in sich selbst maßlos ist. Marxismus wird dann selbst zum Mittel solcher Interessen und der "Kampf gegen Antisemitismus" zu deren Hintertür, schließlich auch zur Blendgranate eines ebenso extrem nationalistischen Militärapparats. Die politische Realität von Nationalismus ist auch für die politische Moral der Antideutschen vor allem der Antisemitismus, da dieser dessen ungeheuerlichste Ideologie ist. Es ist aber der externalisierte Nationalismus, der den Antisemitismus begründet, die Angst vor einer antinationalen Internationalen. Wo aber Moral einziger und positiver Grund für Ideologiekritik ist, bleibt sie ihrem Gegenstand äußerlich und kann sich dem Inhalt nach nicht dauerhaft von ihm unterscheiden; sie muss sich darüber erheben, um nicht mit ihm identisch zu werden. Das ist auch das Dilemma des Adornitischen Imperativs, dem jedes konkrete Denken unmöglich geworden war. Dies brachte die Arbeit der Abstraktion an der Abstraktion in die Denkbewegung des Idealismus zurück - kritisch gemeint als wirkliche Bewegung des Wertes selbst, dessen Realabstraktion jetzt selbst zum Gegenstand von Gedankenabstraktionen wurde. Durch theoretische Herleitungen von Postone entstand eine Konzentration auf den politischen Grund des Antisemitismus, nachdem dieser die Adornitische Auffassung des Warenfetischismus dahin getrieben hatte, dass der Antisemitismus eine wesentliche Legitimationsübung im Selbstverständnis der bürgerlichen Gesellschaft und der ihr zugrunde liegenden "Wertvergesellschaftung" (siehe hierzu auch Wertkritik) sei, welche als "Fetischisierung" des Konkreten diene. Umgekehrt wurde das Judentum - ganz im Widerspruch zur Wirklichkeit - als eine Bewegung des antinationalen Menschen stilisiert, der quasi dem Kommunismus dadurch nahe stünde, dass er sich auf dem Weg zu dem "ganz Anderen" (Horkheimer) befände. Dies schien auch überhaupt das Problem des Kommunismus zu lösen, der als eine wirkliche Emanzipationsbewegung sich in der Revolutionierung der bestehenden Verhältnisse immer schwerer tat. Man sprach jetzt in einem Missverstand dieses Begriffs lieber von Transformation. Demzufolge reduzieren die Antideutschen ihren politischen Blickwinkel vorwiegend auf eine anti-antisemitische Bewegung, die sich allerdings im Unterschied zu sonstigen Anti-Antisemiten in ihrer Wahrheitsbehauptung im Sinne Adornos psychologisch radikalisiert hat, indem dessen Begriff von Verdinglichung zum Begriff allumfänglicher Fetischisierung und Mystifizierung wurde, für deren Füllung eine Popularisierung der Marx'schen Begrifflichkeit herhalten musste. Adornos kulturkritische Ansätze gereichten in dieser quasi psychologischen Erkenntnistheorie, in der nur wahr sein kann, was unabhängig ist von dieser Welt, zu einer Begrifflichkeit objektiver Subjektivität, wie er sie in seiner negativen Dialektik zwar angelegt, aber in seinen Ausführungen in dieser Stringenz noch vermieden oder nur im Widerspruch seines Denkansatzes hatte (siehe Ästhetik bei Adorno). Seine Kulturkritik wird so zur Psychologie der Hinterfragung dessen, was in der Absicht von moralischen Äußerungen und politischen Aktivitäten eigentlich läge, welcher Wille letztlich im Denken und Fühlen der Deutschen quasi überhistorisch angelegt sei. Die Argumentation hört oft schon beim Konstatieren eines deutschen Statements auf. Der Begriffs-Moralismus macht stumpf gegen jede Wirklichkeit, weil er sich in allem bestätigt sieht. Die reinen Begriffe stehen fortan gegen die wirkliche Bewegung der Welt. Ihnen gliedert sich daher auch gerne die Dummheit der Weltverneinung ein. Seit dem Irak-Krieg sind die Antideutschen zu einem großen Teil als Bellisten aufgefallen, die sich gegen die Friedensbewegungen und vor allem gegen die Anti-Globalisierungsbewegung wenden (siehe hierzu den Streit in der Zeitschrift konkret). Darin sehen sie Nationalkonservatismus, Antiamerikanismus und Antisemitismus. Sie halten die neuen Weltordnungskriege für ein notwendiges Übel, das quasi als Tribut an die Zukunft einer menschlichen Gesellschaft unumgänglich sei (siehe zu diesem Thema auch Sloterdijk). Für die antideutsche Zeitschrift BAHAMAS handelt es sich beim Golfkriegseinsatz der USA sogar um einen "antifaschistischen Krieg" (siehe hierzu "Paranoia über alles"). Wie das "Pfeifer-Dossier" von Franz Schandl zeigt, haben die inquisitorischen Auswüchse solcher Denke inzwischen den Charakter einer Sekte. | ![]() |