Anwesend ist alles, was gewöhnlich räumlich - und also körperlich - da ist (siehe Dasein), durch sein bloßes Sein - wenn auch noch völlig unbestimmt - zu einem stetigen Anwesen, zur Wohnung des Alltags geworden ist, sei es in einem Moment oder auch über eine bestimmte Zeitdauer, ganz nah oder auch ferner (siehe Dichte). Von daher hat ein solches Da-Sein keine Eigenschaften (siehe Teilung der Arbeit); ihm ist wesentlich nichts zu eigen, nicht eigentümlich. Aber es ist bestimmt durch das, was wirklich an dem ist, was das Anwesende als ein Anwesen für sich, also als Anderes zum Wesen hat, mit dem man zu tun hat. Wo dieses aber im Eigenen nicht wirklich aufgeht, wo von seinen Eigenschaften abgesehen wird, ist das Andere in der Beziehung auf Eigenes nur abstrakt und also wesentlich fremd. Etwas Abstraktes hat zwar Wirkung, kann aber nicht wirklich da sein, weil es nicht inhaltlich, sondern nur in den Formen des Daseins Wirkung hat - eben als bloße Formbestimmng gegenwärtig ist. Es kann daher durch seine Abwesenheit Wirkung haben, wenn es auch in seiner Abstraktion substanziell zugehörig ist, z.B. als Arbeit schlechthin (siehe abstrakt menschliche Arbeit), als Sinn schlechthin (siehe abstrakt menschlicher Sinn) usw.. Es muss daher nicht unbedingt wirklich da sein, wohl aber Substanz haben, z.B. in einer bloßen Form außer sich gegenwärtig sein (siehe Sein), einer Form, die ihre Gegenwart verlangt, weil sie auch in Abwenheit gegenwärtig ist (siehe Formbestimmung). Das formelle Sein erscheint dann zwar nur als bloßer Lebensumstand, als bloße Anwesenheit einer Wirkung, auf die man aber nicht verzichten kann, weil sie notwendig ist, weil man ohne sie Not leidet. In den zur Gewohnheit gewordenen Ereignissen des Lebensalltags, im bloß gewöhnlichen Erleben, verliert jede zwischenmenschliche Beziehung an Gegenwärtigkeit, wo sie nur noch aus dieser Form des Lebens schöpft, sich darin selbst verlebt. Sie verliert den Sinn, den Menschen für Menschen haben und fortbilden können (siehe Sinnbildung) und bezieht ihre Inhalte zunehmend aus der bloßen Anwesenheitt von Menschen. Diese verbleibt dann als eine äußerliche Position, als Umstand des gewöhnlichen Lebens. Aber Menschen sind für Menschen in zwischenmenschlichen Verhältnissen eine fundamentale Notwendigkeit, nicht, weil ihre Beziehung hieraus bestünde, sie inhaltlich nichts wirklich miteinander zu tun hätten, sondern weil und sofern sie sich in diesen Verhältnissen durch ihre Anwesenheit bestimmen, sich inhaltlich aufeinander beziehen, um füreinander da zu sein, auch wenn es nur der Umstand halber und umständlich geschieht. In der Regel ereignet sich dies, wo sie durch ihre bloße Anwesenheit selbst zur Bedingung ihrer Verhältnisse werden, wo sie ausschließlich und ausschließend sich durch ihre zwischenmenschlichen Verhältnisse begründen, ihr Dasein ausschließlich zwischenmenschlich ist. Da wird ihre Natur zum Leib ihrer Beziehung, zur Substanz einer Abstraktion von ihrer gegenständlichen Gesellschaftlichkeit, zum Raum, den ihre Anweseheit ausmacht, zur Quelle aller Einverleibungen, zu einem abstrakt menschlichen Sinn schlechthin. Wo sich die Beziehungen der Anwesenden in ihren Verhältnissen wesentlich entleeren, wo sie inhaltslos, immer abstrakter füreinander werden, scheint ihr Sinn letztendlich abwesend zu sein. Abwesend ist was wesentlich, aber nicht wirklich da ist (siehe Dasein): Ein Wesen, das als Beziehung zwar wahr gehabt wird, aber nur in entgegenwärtigter Form da ist. Das bestimmt die Beziehung selbst zu einem Anwesen, das nurmehr in seiner formellen Bestimmtheit zu erfüllen ist. Es bestimmt sich in der Notwendigkeit, sich durch Vergegenwärtigungen jedweder Art anwesend zu machen - zumindest solange es nicht aufgehoben wird. Das treibt Anwesenheiten hervor, die sich dem wirklichen Dasein im Allgemeinen einziehen, um im Einzalnen noch da zu sein und sich auf diese Weise einem Sog der Abstraktion unterwerfen, weil sie von daher selbst nur im Sog der Negation Wirkung haben. Indem sie dem abstrakt Allgemeinen ihrer Beziehung folgen, werden sie für sich selbst gleichgültig, denn ihre Verhältnisse sind nurmehr durch das Abwesende bestimmt. Natürlich gibt es in diesen Verhältnissen alles, was menschliche Natur ausmacht; doch es wird nicht aus natürlicher Notwendigkeit und Freiheit in eben diesen Inhalten aufeinander bezogen, sondern getragen von der Not, in welcher die Menschen sind, wenn sie von diesen Verhältnissen ausgeschlossen, also abwesend füreinander sind, während sie isoliert voneinander in diesen Beziehungen leben müssen. Substanziell sind die Menschen dann also nicht wirkliche Wesen füreinander, nicht menschliche Wesen, die einander bereichern, sondern Menschen, die Beziehung suchen, um nicht auf sich in ihrer isolierten Existenz verwiesen zu werden. Die Menschen sind davon bestimmt, dass sich nur wahrnehmen können, wenn sie sich durch andere auch wahrhaben (siehe Selbstwahrnehmung). Dies fällt auseinander, wo Ihre Anwesenheit außer ihnen bestimmt ist, ihr Lebensraum als durch gegen sie mächtige Stimmen begrenzt oder erweitert wird, ihr Raum als Bedingung ihrer Wahrnehmung zugleich bedingt ist durch fremdes, was darin wahrgehabt wird. Auf diese Weise beinhaltet die Wahrnehmun eine ihr entnommene, eine von ihr abstrahierende Substanz. Außer mir erscheint der Raum gegeben durch die Örtlichkeit, also durch Orte, in welche ich eintrete oder austrete und selbst Inhalt werde oder ihn durch mich entleere. In dieser selbständigen Form sind das Orte, die ich wechseln kann durch den Umstand meiner Anwesenheit oder Abwesenheit bestimmt. Ich füge mich dem Raum als Körper zu oder nicht und erfahre mich selbst in dem, wie dieser Umstand bestimmt ist. Sieht diese Bestimmung von mir ab, so wird sie zu einer Formbestimmung, wie sie in dieser Abstraktion gegeben ist, wie sie also für mich und von mir keinen Sinn hat. Von daher drückt sich in der räumlichen Anwesenheit auch ein mir abstrakter Sinn aus. Und umgekehrt ist der Raum meiner Anwesenheit dann selbst die Substanz von dem, was eben abwesend ist, die Substanz eines abstrakt menschlichen Sinns. Von daher ist die Anwesenheit nicht nur Umstand und auch nicht bloße Form, sondern wesentliches Mittel des abstrakt allgemeinen Zwecks der bürgerlichen Kultur, für die Selbstwahrnehmung der Menschen, die darin ihre Elementarform haben, in der sie miteinander verkehren. Sie ist die Formbestimmung dieser Kultur. Und das besagt, dass diese Kultur auf der Produktion von menschlicher Anwesenheit begründet ist, also dafür, Verhältnisse zu produzieren und zu erhalten, in denen die Menschen jenseits ihrer wirklichen Lebensproduktion füreinander da sein müssen, um Wahrheit für sich zu haben. Menschliche Lebensäußerung ist immer gegenständlich. Doch wo die Gegenstände nur noch im Zweck rational sind und keinen Sinn mehr für Menschen haben (siehe Geldbesitz), wird ihre menschliche Anwesenheit, ihr Verhalten in ungegenständlichen Verhältnissen, zum Gegenstand ihrer Beziehung, zum Sinn und Zweck ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse. Solche Anwesenheit ist an und für sich eine bloße Formalität, die keinen Sinn hat, weil sie davon abstrahiert. Sinn gibt es immer nur in einer bestimmten Anwesenheit, also einer Anwesenheit, die nur mit diesem oder jenem sein kann, was ihren Inhalt ausmacht. Ohne diesen Inhalt ist Anwesenheit ein vollständig leerer und unbestimmter Begriff, der ihn nur als Körperform unterstellen kann, als räumlich bestimmte Gegenwärtigkeit. Doch zugleich wäre Anwesenheit überhaupt unsinnig, weil sie nichts formuliert außer eben, dass eine Gegenwärtigkeit unterstellt sein muss, weil etwas nicht da ist, das eben dadurch da ist, dass es nicht da sein kann. Sie formuliert eine Abstraktion, die aus der Negation nötig ist, also daraus, dass etwas abwesend ist, dessen Anwesenheit unterstellt wird, dass also ein bestimmter Inhalt fehlt, der substanziell an und für sich nötig ist, so dass ohne ihn nichts ist, was unterstellt sein muss, dass es ein körperliche Substanz gibt, die einen Sinn hat, von dem abstrahiert wird, das also als ein abstrakt menschlicher Sinn wirksam ist. Wenn wir die Begriffssubstanz solcher Leere suchen, wird Anwesenheit der Begriff für ein leeres, also abstraktes Sein, für ein Wesen, das einfach nur da ist wie ein Anwesen, das sich in keiner bestimmten Nähe und Dichte befindet. Dennoch drückt der Begriff aus, dass ohne dies Anwesend-Sein alles ganz anders wäre, dass schon die bloße Anwesenheit von Dingen, Ereignissen oder Menschen die Wahrnehmung in irgendeiner Art und Weise bestimmt, eben gerade dann, wenn sie nichts Bestimmtes wahrnimmt, wenn die Anwesenheit also sich als letztendliche Substanz einer unbestimmten Wahrnehmung erweist, einer Wahrnehmung, die sich lediglich als Form bestimmt und also in der Tat also auch formbestimmend ist. Es beeindruckt eben auch schon die bloße Anwesenheit von dem, was wahrnehmbar ist und auch die Art und Weise, wie dieses da ist, ob man damit alleine oder unter Menschen oder in einer Vorstellung usw. ist, ob gekleidet oder nackt, ob modisch oder altmodisch. Es ist die reine Räumlichkeit eines Wesens, wie es unter denselben Bedingungen - wenn auch meist durch Accessoires, durch Zu-Taten geschmückt - erscheint, in denen es wahrgenommen und erlebt wird, seine bestimmte oder unbestimmte Gestalt, die auf die Wahrnehmung je nach ihrer Dichte auch Wirkung hat, die bewirkt, was sie ästhetisch erfüllen kann, auch wenn keinerlei bestimmte Beziehung und auch kein anderweitiges Verhältnis hierbei besteht, - wenn eben nur zu konstatieren ist, dass etwas oder jemand anwesend, also nicht abwesend ist. Das ist die abstrakteste Tatsache des Wahrnehmens, der abstrakteste Sinn hiervon und hierzu. Anwesenheit bezieht sich auf die Wahrnehmbarkeit von etwas, das wir als leere, als gänzlich unbestimmbare Bedingung wahrhaben, - auch dann also damit befasst sind, wenn wir es nicht wahrnehmen können, selbst wenn es abwesend ist, wo es gewöhnlich anwesend war. Sie ist zunächst eine rein räumliche Gegenwärtigkeit, die bloße Gegenwart, der räumliche Bezug zu Menschen oder Gegenständen oder zu Ereignissen im Erleben der Menschen, wie er in ihren Gefühlen und ihrem Gedächtnis auch ohne konkreten Sinn bewahrt ist. Als solches ist sie eine selbstverständliche Unterstellung der Wahrnehmung, frei von aller Bestimmtheit, im Grunde also gleichgültig und sicherlich nicht sonders bedenkenswert, wäre da nicht ein Zwiespalt in der Wahrnehmung selbst - nämlich einerseits die Gewohnheiten des Wahrnehmens, mit der sich die Umstände des Lebens als Routinen im Menschen niederschlagen, und der Ungewissheit andererseits, in der sie sich verflüchtigen können. Nichts ist in der Wahrnehmung gewiss, was in einer Beziehung auf ihren Gegenstand nicht wirklich wesentlich geworden ist. Von daher wird Anwesenheit und Abwesenheit selbst zu ihren bestimmenden Momenten, wodurch sie mehr oder weniger gegenstandslos, also ungewiss, ungegenwärtig, und durch sich selbst formalisiert ist (siehe Formbestimmung). Anwesenheit kann an und für sich nicht bestimmend für die Wahrnehmung sein, weil sie sich selbst ja nur ereignet, eigentlich dasselbe wie unbestimmtes Erleben ist. Wahrnehmen kann man nur wirklich, was man hören, riechen, sehen usw. kann. Und das muss natürlich anwesend sein. Aber dass Wahrnehmung mehr als dies bloße Auffassen der Sinneseindrücke ist, zeigt sich an ihrem Niederschlag im Gefühl der Menschen. Sie fühlen nur dann, ob etwas wirklich stimmt, wirklich wahr ist, wenn es für das Gefühl auch bei Abwesenheit nicht Zweifel weckt. Die Wahrnehmung enthält nicht nur eine unmittelbar aktuelle Beziehung der Sinnesorgane; sie ist eine kulturelle Beziehung auf die Welt überhaupt. Das unterstellt zwar, dass sie natürlich ist, dass sie der Notwendigkeit der Naturempfindung von Menschen in ihrer Gesellschaft, folgt, dass sie sich also nicht bloß natürlich, sondern auch kulturell geltend macht. Ein Zwiespalt in der Wahrnehmung erweist, dass Menschen nicht selbstverständlich miteinander verkehren, dass sie in einer Spannung zu einander sind, dass ihre natürliche und kulturelle Seinsweise keine Identität hat, unwahr ist. Er zeigt, dass ihre gesellschaftliche Beziehung in ihrer Zwischenmenschlichkeit selbst unmittelbar verkehrt ist, ihre gesellschaftliche Form nicht der Wahrnehmung des Individuums entspricht. Wo die Wahrnehmung in der privaten Form des bürgerlichen Individuums selbst tragend für menschliche Beziehungen wird, da wird ihre zwischenmenschliche Wahrheit zum Problem der Menschen. Ihre vertauschten Wahrnehmungsgewissheiten erweisen eine gesellschaftliche Täuschung, worin sich die Formbestimmung der Wahrnehmung durch die Gesellschaftsform einer Kultur vollzieht. Weil die Kultur dieser Formbestimmtheit nicht ihr wirklicher Lebensausdruck ist, zeigt sie einen Sinn, der ein Unding ist: Nicht mehr deren lebendiger Gehalt, nicht die Gedanken, Stoffe, Taten und Substanzen, nicht die Geschichte, die sie hervorbringt, also nicht ihre Gegenständlichkeit gestaltet die Momente und Ereignisse ihrer Verbindung, sondern ihre bloße Nähe, die Form ihrer Anwesenheit macht diese Beziehung überhaupt aus. Die Ereignisse und Substanzen darin leiten sich dann aus ihrer Anwesenheit, aus ihrer Wirkung auf die Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung ab. Der räumlicher Ausdruck der Sinnlichkeit, Körper, Ästhetik und Design, Sitte und Unsitte bestimmen ihre Verhältnisse. In der Anwesenheit von Menschen ist dann nur noch das Potenzial ihrer Beziehung als ihr Ereignispotenzial tragend, die Wertigkeit und Reizbarkeit ihrer Wahrnehmung, ihr wirklich abstrakter Sinn. In der Anwesenheit von jemandem oder etwas ist an und für sich nur das wesentlich, was durch ein Wesen alleine durch sein Dasein ist. Die Ereignisse, die vorkommen, bewegen die Menschen durch den Sinn, den sie haben wie das Produkt eines Zufalls oder Schicksals. Anwesenheit ist ihr bloßer Umstand, ein Zusammentreffen, das bloß zufällig und für sich unbestimmt ist. Dem Inhalt nach ist die Anwesenheit für sich nichts, simple Form des sich Zutragens einer Folge von Geschehnissen durch die Anwesenden, die Dichte einer Geschichte. Was sich von diesen Anwesenheiten in der Wahrnehmung bewahrt, ist diese Dichte, welche die Intensität des Gedächtnisses ausmacht. Wo Wahrnehmung für sich alle Beziehung ausmacht, wo also zwischenmenschliche Beziehung ihren Sinn findet. da macht dies zunächst die Anwesenheit in einer bestimmten Dichte, also in einer Masse und Nähe, welche die Anwesenden darin erlangen, gleich, was sie für sich sonst sind. Je mehr sie auf sich bestehen müssen, desto bedrohlicher kann solche Beziehung sein, je eher sie sich in anderen Menschen körperlich finden können, sich selbst durch andere empfinden, desto weitgehender lassen sie sich auf ihre bloße Anwesenheit ein. Die Dichte der Anwesenheit macht das Leiden und die Leidenschaft der Beziehungen aus, die auf Wahrnehmung gründen. Solche Beziehungen sind nicht menschliche Beziehungen überhaupt, sondern Beziehungen, die ihre Wahrheit noch außer sich haben, sich nicht wirklich wahr gestalten, aber in Wirklichkeit dadurch wahr füreinander sind, dass sie einander sinnlich wahrhaben. Weil und sofern sie keinen anderen Sinn miteinander haben, können sie nur einen Sinn füreinander darin entwickeln, dass sie körperlich anwesend und alleine schon hierdurch miteinander sinnlich sind. Allerdings sehen sie dann von allem ab, was ihr ganzes Sein ausmacht, was also sich nur in freier Anwesenheit ereignen kann. Wenn die Menschen von ihrem Sein absehen müssen, um Sinn für einander zu haben, vermitteln sie ihr Menschsein schon durch bloße Anwesenheit in selber Räumlichkeit. Die Ereignisse, die darin stattfinden, setzen sie in Beziehung, weil sie darin und dadurch Sinn empfinden und finden, weil also ihr Zusammensein sie in ihrem Befinden vergemeinschaftet, ihre Empfindungen und Gefühle zusammenführt. Dies durch die Dichte der Anwesenheit Vergemeinschaftete kann jedoch nicht konkret sein: Es ist die Einheit in einem abstrakt menschlichen Sinn, worin gerade das Sinn macht, was die Nähe der Anwesenden hervorgebracht hat. Es scheint, als ob die Menschen darin Sinn füreinander haben, dass sie in ihrer Wahrnehmung Körper füreinander sind. Doch dieses Verhältnis ist zwiespältig, weil sie sich selbst auch nur körperlich so erleben, wie sie sich in solcher Anwesenheit vermitteln, wie sie mit dem da sind, was sie in bloß körperlicher Anwesenheit sind. Sie sind selbst Mittel ihrer Beziehung und deshalb gerade außer sich, wo sie dicht bei sich sind. Was der Augenblick erleben lässt hat hierdurch keinen Bestand für sie außer dem, was sie hierbei für sich werden, was sie wirklich für sich wahrhaben. Das Tragende all solcher zwischenmenschlichen Verhältnisse ist daher die Selbstwahrnehmung. Um seine Selbstwahrnehmung zu entfalten darf keine materielle Not herrschen. Es muss also dem schon vorausgehen, dass alle materiellen Nöte aufgehoben sind, dass man also Geld hat. Das ist zwar trivial und war in bürgerlichen Kreisen immer selbstverständlich, aber dass die zwischenmenschliche Beziehung auch nur die beseelte Form des Geldverhältnisses ist, das will niemand wahrhaben. Aber nur unter den Bedingungen des Geldes kann ein Mensch sich so gleichgültig zum Sein anderer Menschen verhalten, dass ihn deren Anwesenheit wesentlich vorkommen kann. Geld ist die Beziehungsform dieser Gleichgültigkeit für sich. Mit Geldbesitz ist jeder Mensch ein kleiner König und hat hierzu nicht viel mehr zu bedenken, als das, was Geld so alles zu bewirken vermag. Und wenn eine ganze Gesellschaft auf Geldbesitz gründet, wenn sich die gesellschaftlichen Beziehungen nur im Zweck des Gelderwerbs ereignen, in Dienstleistungsgesellschaften, da ist jeder, auch wenn er kein Geld hat (und das sind die meisten) hiervon bestimmt, weil Gesellschaft dann nichts anderes ist als die Lebensform von Geldbesitz. Und Geld vermittelt dort nichts als dass man es haben muss, um in Gesellschaft zu sein. Die Menschen in solcher Gesellschaft sind füreinander nichts, außer dadurch, dass sie anwesend sind und hierdurch als Menschen gelten. Indem sich durch Anwesenheit etwas vermittelt, was ohne dies nicht ist, wird sie zum Mittel eines Seins, zu einem Inhalt, der für sich nichts ist, abstrakte Substanz einer Vermittlung. Anwesenheit wird hierdurch zu etwas, das in der reinen Form Vermittlung ausmacht, egal was sonst ist, etwas, das nur zwischen den Menschen und nur in ihrer Gesellschaft da ist, körperliche Gegenwart hat, ohne für sie und in ihnen wirklich körperlich zu sein. Es ist körperlich nur durch sie, gleich, was ihre konkrete Beziehung ausmacht. Aber ohne diese Anwesenheit wäre nichts, und Nichts kann nicht sein. Um da zu sein, muss man sich sehen, hören, riechen, fühlen usw.. Das leere Dasein von lebenden Körpern ist auch dann ein Bezug, wenn die körperlichen Lebewesen sich nicht durch sich aufeinander beziehen, wenn sie füreinander vollständig von jeder konkreten Beziehung absehen, in vollständig abstrakter Beziehung füreinander sind und nur durch ihre Anwesenheit irgendeine Wirkung haben, wirklich sind, ohne eine bestimmte Wirkung zu haben, also in gleichgültiger Wirklichkeit sich aufeinander beziehen. Aber Anwesenheit macht auch in der Beziehung zwischen Menschen, die für sich nichts ist, alles anders. Das bloße Dasein eines Menschen, auf den man sich bezieht oder bezogen hatte, ändert alles, was bis dahin oder danach mit ihm zu tun hat, was gedacht und bedacht, erhofft und verwunschen, geliebt und gehasst war. Seine Anwesenheit relativiert all dies durch seine lebendige Wirkung im wirklichen Leben als Ganzes. Sie bringt alle Lebensmomente - so zerteilt sie sein mögen - auf einmal in Gang: Wahrnehmung, Sinn, Greifbarkeit, Fühlen usw. Es ist der Augenblick sinnlicher Gewissheit, der das gibt und erfordert, was wirklich an Leben da ist, auch wenn es nicht wirklich lebt, was weder in Abwesenheit fortbesteht, noch davon bestimmt ist, was es zuvor war. Wo das Leben zerteilt ist, lebt in der Anwesenheit die einzige Form von unmittelbarer Wahrheit, die gleichgültig gegen ihre Geschichte ist. Darin ist gegenständlich, was durch Gegenstände - ob Menschen oder Sachen - gegeben ist und dies hat für sich keine eigene Notwendigkeit, wäre für sich unnötig: Es ist nicht notwendig, anwesend zu sein, um mit Gewissheit erkennen zu können, was ohnedies wäre. Die Notwendigkeit von Anwesenheit begründet sich aus der Nichtigkeit der Zusammenhänge, aus der unvollkommenen Gegenständlichkeit des Lebenszusammenhangs, aus Lebensäußerungen, die Leben nur in seiner Getrenntheit von Lebensmomenten äußern, zusammen nur als zufällige Erfahrungen ihrer Sinne im Sinn für sich bestehen. Und da Sinn vor allem aus seiner Körperlichkeit heraus sich gestaltet, sich in räumlichem Sein ausbreitet, da er sich in der Wesenheit von Berührung, von Empfinden und Befinden, von Nähe und Finden bestimmt, ist er in seiner Bestimmungslosigkeit, in der Abstraktion lediglich Raum, den er durch seine Anwesenheit ausfüllt. Daher bezeichnet der Begriff Anwesenheit insgesamt etwas höchst Abstraktes, das gleichgültig gegen jeden Inhalt ist, so leer wie eine bloße Gegenwärtigkeit in einem Zusammentreffen von Wesen, die sich begegnen, ihre Näherung und Nähe im Raum, wie sie ohne jeglichen Sinn ist. Anwesenheit ist also eine leere räumliche Bestimmung, auch wenn sie selbst zweifellos sinnlich ist. Es ist die leere Sinnlichkeit von Raum, die räumliche Gegenwart eines lebendigen Wesens, anwesendes Lebens, aber reines Dasein ohne wesentliche Bestimmung, inhaltslos, leere Form. Anwesenheit ist das Quantum der Räumlichkeit im Verhalten von Abwesenheit und Anwesenheit, Nähe und Ferne, von Körper und Geist. Von daher ist Anwesenheit die Realabstraktion der Lebensform schlechthin, der Sinn einer abstrakten Kultur der Menschen. Die Größe, worin sich ihre abstrakte Sinnlichkeit bemisst, worin sich gegenstandslose Sinnlichkeit vergegenwärtigt (siehe Vergegenwärtigung), ist der Raum, worin sie sich ereignet, der Lebensraum - sowohl als Körper, wie als Land oder Natur. Als im Raum vereinigte Getrenntheit der Sinne gibt es Anwesenheit nicht konkret und wäre für sich undenkbar. Wäre die konkrete Wirklichkeit nicht dadurch schon wirklich, dass Sinn da ist, wäre sie nicht schon durch ihre Form wesentlich, so wäre auch diese gleichgültig. Dass sie als Form ist, beweist, dass sie formbestimmt ist, zugleich eben da ist und gleichgültig gegen lebenden Inhalt. Inhaltlich mag dann sein wie es will; erst die Anwesenheit bringt es zur Wirkung, weil darin erkennbar wird, was diese Form ausmacht. Es ist eine Wirkung, die keinen Grund zeigt für das, was sie ausmacht, das was ängstigt, schwächt, erhebt, dämpft usw. wiewohl es dem Inhalt nach nichts dergleichen könnte. Die eigentümliche Kraft, die hierin zu Tage tritt, kann überraschen, überrascht aber nur dadurch, dass etwas, was ist, nicht wirklich da ist, weder im Menschen noch für ihn. Es ist von der Wahrnehmung getrennt wie eine Geschichte, die hinter dem Rücken der Menschen stattfindet und erweist sich als etwas, was nur in der Anwesenheit wahrgehabt wird, eine von der Identität der Wahrnehmung ausgeschlossene Wahrheit, die sich in der reinen körperlichen Anwesenheit auftut, also Körper erfährt, den es für sich nicht hat, was aber die verschiedensten Gefühle, Stimmungen oder Zustände hervorrufen kann, die für sich grundlos zu sein scheinen (z.B. Glücksgefühle oder Angstzustände wie etwa Platzangst). Es ist mit diesem Begriff von Anwesenheit das Rätsel gelöst, warum zwischenmenschliche Verrücktheiten im Gedächtnis der Seele übermächtig gegen ihre Selbstvergegenwärtigung werden und sich dieses wie eine fremde Kraft gegen sie wenden kann, warum sich eine innere Einheit gegen Anwesenheit bilden kann, um diese überhaupt zu ertragen, indem sie zeitversetzt im Wahnsinn hervortritt (siehe auch Selbstvergegenwärtigung) und weil dieser selbst zeitlos ist, bloße Negation des Lebensraumes, worin er befangen ist. Unter diesem Gesichtspunkt hat Elias Canetti die von s. Freud beschriebene "Schreber-Psychose" detailliert nachvollzogen und erstaunliche räumliche Zusammenhänge in ihrem Verlauf entdeckt, die sich für den Betroffenen als Logik des Kosmos herausgestellt hatten. Anwesenheit ist eine Kategorie des Raumes, in welchem ein Wesen unbestimmt ist, also nur räumliche Bestimmung von Tätigkeit und Leiden hat. Als diese kann jedes Ereignis sich in dem fortbestimmen, was keinen Sinn für sich hat und also von räumlicher Nähe und Ferne abhängt. Man sieht sich wieder, trifft sich wieder, liebt sich wieder usw. weil man sich getroffen hat. Und in der Anwesenheit trifft auch wieder und immer der Mensch auf den Menschen, ohne ihn erkennen zu müssen, ohne für sich wirklich zu sein, weil Anwesenheit für sich Wirkung hat, sowohl abstrakt wie konkret. Alle Menschen sind darin gleich und verschieden in ein und demselben Augenblick, sie gleichen einander in dem, wie sie den Augenblick wahrnehmen und unterscheiden sich in dem, wie sie ihn wahrhaben. Anwesenheit wäre eine triviale Bezeichnung für ein Zusammentreffen von Lebewesen, wäre sie nicht unter bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen von Menschen die ausschließliche Form, worin sie wirklich miteinander verkehren - nämlich dort, wo sie ihre Gegenwart nicht gestalten, nicht subjektiv sein können, sich weder geistig noch sinnlich gesellschaftlich verwirklichen. Ihre Ausdehnung als Raum dieses Zusammentreffens macht die privaten Möglichkeiten ihrer Wirklichkeit aus, ist das, worauf es die Menschen zu ihrer Beseelung absehen, Erfüllungszweck ihrer Absicht, die Substanz welche die Seele zu ihrer Selbstverwirklichung drängt, deren Antrieb (siehe Trieb) sie ist. In dieser Form ist Anwesenheit die Bedingung objektiver Beziehungen zwischen den Menschen, Bedingung zwischenmenschlicher Vermittlung (siehe zwischenmenschliche Verhältnisse), also die Substanz, worin Menschen als Mittel füreinander sind und aneinander gewohnt werden, worin sie sich beziehen und zugleich voneinander absehen, worin sie ihre Sinne wahrhaben, ohne wirklich sinnlich zu sein, Substanz der Realabstraktion ihrer Sinnlichkeit. Das Leiden an der Anwesenheit ist daher auch die Einsamkeit, der Verlust der zwischenmenschlichen Vermittlung: ihre Abwesenheit. Geschichte hat darin ihre Zeit verloren und kann sich so nur räumlich beziehen. In der räumlichen Ausdehnung und im Raum des Lebens, im Lebensraum selbst bemisst sich die Anwesenheit quantitativ und ist das Maß der zwischenmenschlichen Verhältnisse, die darin stattfinden können, das Quantum der möglichen Verwirklichung von Anwesenheit, wie sie beabsichtigt ist. In der Nutzung der Anwesenheiten zur Füllung eigener Leere setzt den Sinn jeder Beziehung negativ, zersetzt ihn und hebt Anwesenheit in der Entleibung der Anwesenden auf. Der Raum, worin die Anwesenheiten ihre Dichte bestimmen, wird hierbei zum Umstand einer Sinnauflösung und zur Macht einer sinnlichen Nichtigkeit. Aber der Raum ist darin selbst sinnlich geworden und hat nun einen Sinn für sich: Es ist gleichgültig, was Menschen tun, solange sie bloß anwesend sein müssen, um füreinander da zu sein; es ist nett, schön, lieb und gut, eigentlich alles, was sich das brave Bürgerherz vom Zusammentreffen mit anderen Menschen erhofft. Man ist lieb, um geliebt zu werden, nett, damit es schön ist. Alle Gefühle sind hierin als reine Selbstgefühle wechselseitig bestimmt, als reines Sosein für sich. Und darin sind alle Menschen wirklich gleich, in gleicher Bestimmung durch die Befindlichkeit, die schon durch ihre bloße Anwesenheit gegeben ist - jedenfalls solange sie sich davon bestimmen lassen. Immerhin kann jeder in solchem Raum unbeschadet zeigen, sagen, machen usw., was er fühlt - solange er es nicht wirklich gegenwärtig hat, nicht wirklich empfindet. In den Gefühlen für sich selbst erscheinen alle Lebenszusammenhänge jetzt so, wie sie für fühlende Menschen sein müssen, um die Identität mit ihren Empfindungen zu stiften, eine Identität, welche bloß abstrakt sein kann, bestimmt durch das, was anwesend und beabsichtigt ist und in der Trennung von dem, was nicht da ist. Das Abwesende ist abgesondert und bekommt hierdurch die Bestimmung des Absonderlichen. Es wird zu einem Wesen von anderer Art. Artig sind die Anwesenden, abartig die anderen (siehe Rassismus). Für Menschen ihrer Art bilden sie Gruppen, Talkshows, Vereine usw. Und diese Gruppenbildung ist ein einziges Streben nach Anwesenheit und Selbstvergegenwärtigung, um auch ohne bestimmte Beziehung auf andere Menschen sein zu können. Ein ganzes Heer von Zuschauern zahlen hierfür sogar Gebühren oder Eintritt, nur um das Anderssein einer ihnen äußerlichen Anwesenheit auf der Bühne oder am Bildschirm wahrnehmen zu dürfen, Geschichten aus dem Leben derer zu hören, die darin so gleich mit ihnen sind, wie sie sich fühlen, während sie ihnen gänzlich enthoben leben, in Wirklichkeit gänzlich anders sind. Ein Ziel ist durch all dies auf jeden Fall erreicht: Die Menschen gewöhnen sich aneinander in der Gleichheit ihrer Selbstgefühle und streben daher auch zu einer Menschengruppe, worin dies herrschen kann. Diese Ansammlung von Anwesenheiten, dieser Menschenraum ist die gesellschaftliche Form ihrer Selbstbezogenheit und macht den Antrieb ihrer Masse. Dieser kann so gewaltig sein, dass er alle Wirklichkeit ausblendet, welche dem Inhalt nach gegeben ist (siehe Massenpsyche). Darin zeigt sich das wirkliche Quantum der Begriffssubstanz der bürgerlichen Kultur, dem abstrakt menschlichen Sinn. Dies kann auch negativ sein und macht die Angst vor Menschenansammlungen aus oder Raumflucht nötig: Wenn keine wesentlichen Bestimmungen ein Verhältnis ausmachen, dann bedrängt dies den, der darin Bestimmtheit sucht. Es ist dann die Masse nur durch Meidung und Hervorkehrung ihrer Einzelheit, die Individuation, zu ertragen, der Raum nur durch "Tapetenwechsel". Eine im Raum vermittelte Gesellschaft bildet ihren Sinnzusammenhang nicht durch eine konkret bestimmte Räumlichkeit, sondern im Wechsel von Räumen, durch räumliche Nutzung. So total sich ihre Verhältnisse aus Raum und Landschaft zu bestimmen scheinen (siehe Nationalismus), so gleichgültig ist die wirkliche Bestimmtheit von Räumlichkeit, ihre wirkliche Geschichte. Alle Verhältnisse der Wahrnehmung haben daher keine zeitliche Beziehung. Die Seele beweist dies am deutlichsten auch in ihren Absichten und ihrer Arbeit: Die Traumarbeit. Dort kann Zeit in beliebiger Beziehung stehen und so Zusammenhänge bilden, die in der Zeitfolge unmöglich sind. So auch im Wahnsinn: Geschichte kann darin beliebig "nachhinken" oder vorauseilen (siehe hierzu Pfreundschuh: "Arbeit am Wahnsinn"). Alle seelischen Beziehungen entwickeln sich nur im Verhältnis von Anwesenheit und Abwesenheit, durch die Brüche von räumlicher Trennung und die Gegenwärtigkeit im Getrenntsein (s.a. Isolation). Es beweist sich so von selbst, dass der Raum die Substanz der abstrakt menschlichen Sinnlichkeit ist, also der Sinn, der keinen anderen Sinn hat, als eine bloße und völlig leere Gestalt: Raum. Dies schließlich macht auch, weshalb eine Masse von Menschen (siehe Menschenmasse) zu einer ungeheuren Kraft der Seele und Kultur werden kann (siehe auch Massenpsychologie) und warum hierdurch ihre Körperlichkeit ihr wesentlich durch Abstraktion bestimmter konkreter Raum wird (siehe Körper), der ihr Leben und Erkennen ihnen entfremdet (siehe Körperfetischismus) zum Dasein eines abstrakt menschlicher Sinnes, der alle Absichten ausmacht, die die Menschen solcher Kultur verfolgen. |
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