"Der krankhafte Überfluss des Kapitals bezieht sich immer wesentlich auf den Überfluss von Kapital, für das der Fall der Profitrate nicht durch seine Masse aufgewogen wird ... Dieser Überfluss des Kapitals erwächst aus denselben Umständen, die eine relative Überbevölkerung (Arbeitslosigkeit) hervorrufen, und ist daher eine diese letztere ergänzende Erscheinung, obgleich beide auf entgegengesetzten Polen stehen, unbeschäftigtes Kapital auf der einen und unbeschäftigte Arbeiterbevölkerung auf der anderen Seite.“ (MEW 25, 261). Arbeitslosigkeit ist nicht Freizeit, sondern ein Zustand, worin Menschen von der aktiven Gestaltung und Mitgestaltung ihrer Welt, von ihrer Arbeitswelt ausgeschlossen sind. Arbeit ist als Umstand und Aufwand für menschliche Lebensäußerung und Bedürfnisbefriedigung in jeder Gesellschaft tragendes Moment des gesellschaftlichen Stoffwechsels, ihres Reichtums und der Kultur, Äußerungsform menschlicher Naturmächtigkeit. Selbst wo sie keinen unmittelbar gesellschaftlichen Sinn mehr hat (z.B. in einer Dienstleistungsgesellschaft) ist sie doch zumindest der Ort sozialer Beziehung, der Ort für den Austausch und die Bildung von Fähigkeiten, Gedanken und Gewissheit über die eigene Gesellschaftlichkeit und Zukunft einer ansonsten isolierten Existenz. Im Jahr 2016 sind 30% der Jugendlichen im südlichen Europa arbeitslos und damit von der Entwicklung ihrer Gesellschaft ausgeschlossen, schon von der Chance auf Ausbildung abgetrennt. Selbst im reichen Deutschland, wo Arbeitslosigkeit aufgrund der Auftragslage in diesem Jahr geringer wurde, wuchs die Armut im Allgemeinen an, weil sich darin Arbeitslosigkeit durch Minderbelohnung und Leiharbeit und Aufstockerei mit Sozialgeldern versteckt. Es ist dies paradoxerweise ein Phänomen des Fortschritts im Kapitalismus, der Tribut des Wirtschaftswachstums an das Wertwachstum, wie er durch Negativverwertung nötig geworden ist, solange die Verwertung der Arbeit von der Mehrwertrate (= Ausbeutungsrate) bestimmt ist. Mit fortschreitender Arbeitsteilung und der Trennung der Arbeitsleute von ihrer Arbeit, ihren Arbeitsmitteln und ihrem Produkt (siehe Entfremdung) werden sie in dem Maß überflüssig, wie der Wert ihrer Arbeit sich durch die Produktivität der Arbeit für das Kapital mindert. Die Menschen werden von diesem Standpunkt aus sukzessive überflüssig, bzw. überzählig, und also zunehmend arbeitslos, solange der Arbeitstag nicht für alle verkürzt wird. Aber mit der Industrialisierung ist zugleich der Verwertungsdruck mit der Masse des involvierten Kapitals gewachsen, sodass die Reduktion des Arbeitstages, also die Minderung der Ausbeutungsrate (siehe Mehrwertrate) auch zunehmend unmöglich wird. Nach seiner Sichtweise entsteht Überbevölkerung. "In den Zentren der modernen Industrie ... werden Arbeiter bald ausgestoßen, bald in größerem Umfang wieder eingestellt, so dass im großen und ganzen die Zahl der Beschäftigten zunimmt, wenn auch in stets abnehmendem Verhältnis zur Produktionsleiter. Die Überbevölkerung existiert hier in fließender Form." (K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 670). Schon die Unterwerfung der Arbeit unter die Besitzverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, also unter das Privateigentum, zwingt die Menschen zur Vereinseitigung ihrer Lebensgestaltung zur bloßen Subsistenz, zur Reproduktion von dem was sie sind und was sie auch nur werden können, also bleiben müssen, zum Dasein als Objekte ihrer Klassenlage. Werden sie hierbei zudem arbeitslos, so sind sie von ihrem Leben, von der Gesellschaftlichkeit ihres Lebens selbst isoliert - getrennt von den allgemeinen Entwicklungen, die in der Gesellschaft geschehen. Da dieses Leben als Besitzer reiner Arbeitskraft - gleich, ob es um produktive Arbeit oder die Arbeit in einer Dienstleistungsgesellschaft geht - nur auf dem Markt (Arbeitsmarkt) durch den Warentausch gesellschaftlich bezogen ist, haben sie existentiell keine Chance, eine eigene Lebensform zu finden. Sie werden durch die Auslese- und Sortiermechanismen des Arbeitsmarktes von der Arbeit ferngehalten und haben ihre Privatheit als eine Abtrennung und Isolation von ihren gesellschaftlichen Lebenszusammenhängen zu erleiden. "Die relative Überbevölkerung (der Arbeitslosen) existiert in allen möglichen Schattierungen. Jeder Arbeiter gehört ihr an während der Zeit, wo er halb oder gar nicht beschäftigt ist. Abgesehen von den großen, periodisch wiederkehrenden Formen, welche der Phasenwechsel des industriellen Zyklus ihr aufprägt, so dass sie bald akut in den Krisen erscheint, bald chronisch in den Zeiten flauen Geschäfts, besitzt sie fortwährend drei Formen: flüssige, latente und stockende." (K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 670). Arbeitslosigkeit entsteht nicht, weil es keine Arbeit gibt, sondern weil die Verteilung der Arbeit nicht über die Länge des Arbeitstags im Verhältnis zur Notwendigkeit der Produktion geregelt wird. Der Kapitalismus ist prinzipiell nicht in der Lage, die Menschen und die Erfordernisse der Arbeit in ein natürliches Verhältnis zu bringen, weil er auf der Nutzung der Arbeitskraft zur Verwertung von Kapital, also zum Erheischen von Mehrwert gründet. Die Bestimmung der Arbeitskraft ist ihre Verwertungsbedingung durch das Kapital. Nicht was die Menschen existieren und ihre Gesellschaft sich entwickeln lässt (Reproduktion und Produktion des Lebens), bestimmt die Arbeit und ihre Kraft, sondern die Situation des Marktes überhaupt, in welchem Güter des Lebens nach Maßgabe ihrer Käuflichkeit und Verkäuflichkeit und unter dem Diktat der Wertreduktion (aber nicht Preisreduktion!) der Lebensmittel (siehe konstantes Kapital, Rate des relativen Mehrwerts) zirkulieren. Die M�glichkeit, seine Verwertungsbedingungen durch die Regelung unnat�rlicher Arbeitszeit zu bestimmen, hat das Kapital durch die Besitzverh�ltnisse, in welchen die Menschen nur als private Individuen gefasst sind, die ihre Gesellschaft nicht als Allgemeinheit der Notwendigkeit erfahren, durch Arbeit Leben, Bed�rfnisse und Reichtum f�r jeden zu schaffen und zu entfalten, sondern als Existenzdruck, dem ein Mensch unterworfen wird. Er muss - um seinen Lohn zu erhalten - eine bestimmte Zeit arbeiten (siehe Arbeitstag), in welcher er sowohl seine Reproduktion erwirtschaftet, wie auch die Produktion des Mehrprodukts. Auch wenn er davon nichts hat, weil es f�r ihn keinen Sinn hat, steht er unter dem politischen Zwang, seine Arbeitskraft hiervon nutzen zu lassen. So entwickelt er selbst auch ohne eigenes Wollen und Zutun die Macht des Verwertungsprinzips, die ihn als Prinzip der Mehrwertproduktion beherrscht. Arbeitslose erfahren den Widerspruch der Individualit�t der Arbeitskraft und ihrer gesellschaftlichen Verwirklichung aufs �u�erste in der Privatheit ihrer Ausgeschlossenheit: Es sind Menschen, die genau aus dem herausfallen, worin sie geworden waren und worin sie gelebt und sich gesellschaftlich gebildet und ge�u�ert haben. Dies ist meist auch mit kulturellen und seelischen Isolationen verbunden, die oft in seelische Erlebenszustände (siehe z.B. Depression) übergehen, die dann z.B. psychische Krankheit genannt werden. Arbeitslosigkeit ist objektiv f�r eine Scheingesellschaft, also f�r das Kapital n�tig als stille Reserve des Arbeitsmarkts und der Kultur. Sie entsteht gerade in Krisenzeiten besondern massenhaft, weil sie die Entwertung der Arbeit marktwirtschaftlich umsetzt (Minimierung des variablen Kapitals durch Herausdr�ngen von Arbeitskr�ften und damit Versch�rfung der Konkurrenz der Arbeitenden). Das ist f�r das Kapital ein doppelter Gewinn: die Produktionskosten werden billiger, weil weniger Menschen entlohnt werden m�ssen und die L�hne der verbliebenen Arbeiter k�nnen bedr�ngt werden, weil sie potentiell gesenkt werden k�nnen, weil der Preis der Arbeitskraft durch Konkurrenz nach unten dr�cken l�sst. Da aber das Kapital zugleich die Lebensmittel zur Realisierung seiner Wertbildung verkaufen muss, hat es die Entwicklung des Marktes, so zuf�llig seine Ereignisse erscheinen m�gen, in seiner Hand und steuert sie mit Hilfe von produktionsstrategischen und politischen Entscheidungen (siehe z.B. Tittytainment). Es ist das Paradox der Krise, dass genau das, was sie ausl�st, die �berh�hung der Produktionspotenzen im Verh�ltnis zur Realisierung ihrer Produkte, nicht mit der Verbesserung der Realisierung durch h�here L�hne und /oder verk�rzte Arbeitszeit bei gleichem Lohn (mehr Konsumtion) abgebaut wird. Das ist, weil das Kapital, solange es als Trieb der Produktion funktioniert und das Sagen in der Politik hat, zur Krisenbew�ltigung nur daran interessiert sein kann, die Produktion auf ein Niveau herunterzudr�cken (z.B. durch politische Beherrschung des Arbeits- und Sozialmarktes, Zerschlagung von Infrastrukturen und �berlieferten Kulturen und durch Krieg zur Bestimmung neuer Ressourcen und Machtpotentiale ihrer Preisbildung), auf dem es mit der "Wertsch�pfung" wieder von neuem beginnt. Mehrwert ist eben immer relativ zum Wert der zirkulierenden Waren, und deshalb bewahrt sich das Wertverh�ltnis letztlich und final nur dadurch, dass es das Verh�ltnis der Menschen auf Dauer zerst�rt (Barbarei). Der Sozialmarkt, der ihre Lebenshaltung abdeckt, wird so zur politischen Handhabe der Bedrohung der Menschen - ein Krisenmanagement, das sich von selbst regelt: Je tiefer die Krise, desto mehr Arbeitslose, und je gr��er der Markt der Reservisten, desto niedriger der Preis der Arbeitskraft. | ![]() |