"Der Arbeitstag ist ... keine konstante, sondern eine variable Größe. Einer seiner Teile ist zwar bestimmt durch die zur beständigen Reproduktion des Arbeiters selbst erheischte Arbeitszeit, aber seine Gesamtgröße wechselt mit der Länge oder Dauer der Mehrarbeit. ... Allerdings erhalten wir eine Minimalschranke, nämlich den Teil des Tags, den der Arbeiter notwendig zu seiner Selbsterhaltung arbeiten muss. Auf Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise kann ... der Arbeitstag sich ... nie auf dies Minimum verkürzen. Dagegen besitzt der Arbeitstag eine Maximalschranke. Er ist über eine gewisse Grenze hinaus nicht verlängerbar. Diese Maximalschranke ist doppelt bestimmt. Einmal durch die physische Schranke der Arbeitskraft. Ein Mensch kann während des natürlichen Tags von 24 Stunden nur ein bestimmtes Quantum Lebenskraft verausgaben. ... Während eines Teils des Tages muss die Kraft ruhen, schlafen, während eines anderen Teils hat der Mensch andere physische Bedürfnisse zu befriedigen, sich zu nähren, reinigen, kleiden usw. Außer dieser rein physischen Schranke stößt die Verlängerung des Arbeitstags auf moralische Schranken. Der Arbeiter braucht Zeit zur Befriedigung geistiger und sozialer Bedürfnisse, deren Umfang und Zahl durch den allgemeinen Kulturzustand bestimmt ist. Die Variation des Arbeitstags bewegt sich daher innerhalb physischer und sozialer Schranken. Beide Schranken sind aber elastischer Natur und erlauben den größten Spielraum." (MEW 23, Seite 246) Entscheidend für ein Urteil über Glück oder Unglück im Leben der Menschen ist die Verfügung über den Anteil am Reichtum des Lebens überhaupt, was von ihnen auf sie zurückkommt, was sie durch ihre Lebenstätigkeit und Lebensäußerung erfüllt oder bedrängt. Von daher kann der reichste Geldbesitzer ärmer sein als der arme Mensch, besitzt er doch nur einen Anschein von Lebensreichtum - vielleicht auch nur den Anteil an einer Scheinwelt. Von daher lässt sich keine Verteilungsgerechtigkeit als solche rein monetär darstellen und vertreten. Sein Glück oder Elend besteht nämlich nicht unbedingt aus seinem Besitz, sondern auch in seiner Kultur, aus dem Bewusstsein bzw. der Bewusstlosigkeit der Wahrnehmung seines Lebens, das für ihn wesentlich fremder sein kann als durch das allgemein fremdbestimmte Leben nötig, wenn und weil er sich selbst nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv fremd bleibt (siehe Selbstentfremdung) und die Selbstwahrnehmung seines Unglücks abtötet (siehe tote Wahrnehmung). Von da her kann jeder Mensch in dieser Welt sein Leben empfinden, wenn er "aus seinem unglücklichen Bewusstsein ein Bewusstsein seines Unglücks" (Hegel, Marx) bildet. "Die besitzende Klasse und die Klasse des Proletariats stellen dieselbe menschliche Selbstentfremdung dar. Aber die erste Klasse fühlt sich in dieser Selbstentfremdung wohl und bestätigt, weiß die Entfremdung als ihre eigne Macht und besitzt in ihr den Schein einer menschlichen Existenz; die zweite fühlt sich in der Entfremdung vernichtet, erblickt in ihr ihre Ohnmacht und die Wirklichkeit einer unmenschlichen Existenz." (MEW 1, Seite 37) Wesentlich für solche Erkenntnis ist das Bewusstsein über das Leben seiner Klasse (siehe Klassenbewusstsein). Konkret ist jeder Mensch seinem Leben fremd, wo er dem Leben einer toten Welt (siehe tote Arbeit) dienstbar sein muss. Konkret ist das allerdings nicht unbedingt als seine Entfremdung zu erkennen. Es stellt sich in dem Quantum seiner Existenz dar, das er für eine ihm fremde Macht sein muss, weil, soweit und solange sein Dasein durch eine Fremdbestimmung seiner Lebenszeit beherrscht ist. Die Klassen einer Klassengesellschaft sind daher unterschieden in dem Anteil an Lebenszeit, die sie einer Fremdbestimmung übereignen müssen. Dieser Gegensatz stellt sich innerhalb derselben waehrung in den Arbeitslöhnen dar, zwischen unterschiedlichen Währung in den Handelsbilanzen zwischen den Nationalstaaten, die ein Bewertungsverhältnis der v der Menschen für ihre Arbeit darstellen. So wundert es nicht, dass im Imperialismus die Löhne, die Erträge aus der persönlichen Arbeitszeit nicht vergleichbar sind, der Arbeitstohn zur Reproduktion eines Menschenlebens in Deutschland z.B. ein 50faches im Vergleich zu einem afrikanischen Leben ist (siehe hierzu Existenzwert). "Eine unterdrückte Klasse ist die Lebensbedingung jeder auf Klassengegensatz begründeten Gesellschaft. Die Befreiung der unter-drückten Klasse schließt also notwendigerweise die Schaffung einer neuen Gesellschaft ein. ... Heißt dies, dass es nach dem Sturz der alten Gesellschaft eine neue Klassenherrschaft geben wird, die in einer neuen politischen Gewalt gipfelt? Nein. Die Bedingung der Befreiung der arbeitenden Klasse ist die Abschaffung jeder Klasse. ... Die arbeitende Klasse wird im Laufe der Entwicklung an die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft eine Assoziation setzen, welche die Klassen und ihren Gegensatz ausschließt, und es wird keine eigentliche politische Gewalt mehr geben, weil gerade die politische Gewalt der offizielle Ausdruck des Klassengegensatzes innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft ist." " (K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 181f.) Der Klassengegensatz der kapitalistischen Gesellschaft stellt sich quantitativ durch die Anteile der Arbeitszeit für sich gegen die Zeit ihrer Fremdbestimmung dar. Der gewöhnliche Arbeitstag einer Bevölkerung realisiert einerseits den Wertanteil aus einer bezahlten Arbeitszeit als Wert im Zahlungsmittel Geld zur Bezahlung der Selbsterhaltung der Bevölkerung und andererseits im Kaufmittel Geld als Wertanteil einer unbezahlten Arbeit, die als Mehrwert - teils zur Investition in eine gesellschaftliche Entwicklung von Infrastrukturen oder fortschrittlicher Produktionsmittel und der Bereicherung der Geldbesitzer und Kapitalisten - verausgabt wird. Unbezahlte Arbeit stellt also den Wertanteil der Arbeit dar, der über den Wertanteil der bezahlten Arbeit zum Selbsterhalt der menschlichen Arbeitskraft (siehe Reproduktion) hinausgeht. Unbezahlte Arbeit entspricht also dem Wertüberschuss der allgemeinen Wertgröße des Kaufmittels Geld für eine zum allgemeinen Produktabsatz (siehe hierzu Sozialprodukt) gesellschaftlich nötigen Arbeitszeit, die über die durchschnittliche Länge des gewöhnlichen Arbeitstags geschaffen wird (siehe Wertbildung). Über die Wertgröße des Werts des Kaufmittels Geld entsteht somit die Wertgröße einer Arbeitszeit, die in aller Regel den Wert der allgemeinen Reproduktionskosten, der Lebensmittel und Arbeitsmittel übertrifft und sich vor allem über den Geldwert als solchen vermittelt. Über alles hinaus, was zur gesellschaftlichen und privaten Reproduktion nötig ist entsteht somit ein gesellschaftlicher Reichtum, der sich nur im Geldwert darstellt. Dieser wird zunächst zur Investition in ein Wirtschaftswachstum, später aber auch in ein reines Wertwachstum über den Kredithandel der Finanzindustrie jenseits der Gebrauchswerte der Realwirtschaft über die Kosten für die Nutzung von Eigentumstitel und der zum Leben notwendigen Ressoucern der Lebensproduktion (Bodenschätze, Mieten, Gebühren, Wertpapiere und Lizenzen) umgesetzt - oder auch nur mit deren Preisbildung verwettet (siehe Derivatenhandel). Der Arbeitstag ist die Zeitdauer, die von der Freizeit der Menschen abgeht, die Zeit, in der sie produzieren müssen, um sich reproduzieren zu können, in der sie "außer sich sind", um für sich existieren zu können. In der Anwendung ihrer Arbeitskraft wird aber nicht nur ihre Reproduktion, sondern die des Kapitals und der ganzen Gesellschaft bewirkt - und mehr noch: ein Mehrprodukt, das einen Mehrwert darstellt für den, der es sich aneignet. Die Länge des Arbeitstags besteht also aus der Zeit für eine notwendige Arbeit, durch welche die Arbeitskraft, Produktionsmittel und Infrastrukturen erneuert werden (siehe variables Kapital und konstantes Kapital), und einer Zeit, die für ein Mehrprodukt verausgabt wird und soviel Mehrwert bildet, wie die Arbeit hierfür nicht bezahlt wird (siehe unbezahlte Arbeit). Von daher ist die Länge des Arbeitstags wesentlich bestimmt durch den Mehrwert, der aus der notwendigen Arbeit eine wertbildende Arbeit macht, also für die Arbeitskraft unentgolten bleibt, über ihren Reproduktionsbedarf und den einer ganzen Gesellschaft hinausgeht und daher ihren Wert nicht den gesellschaftlichen Menschen, sondern dem Kapital als dessen Privateigentum übereignet. Von daher vollzieht sich im Laufe eines Arbeitstages oder Arbeitsjahres oder Arbeitslebens die Entwicklung eines Wirtschaftswachstums, das gesellschaftlich als Wertwachstum des Privateigentums verwirklicht wird. "Intensität und Produktivkraft der Arbeit gegeben, ist der zur materiellen Produktion notwendige Teil des gesellschaftlichen Arbeitstags um so kürzer, der für freie, geistige und gesellschaftlicher Betätigung der Individuen eroberte Zeitteil also um so größer, je gleichmäßiger die Arbeit unter alle werkfähigen Glieder der Gesellschaft verteilt ist, je weniger eine Gesellschaftsschicht die Naturnotwendigkeit der Arbeit von sich selbst ab- und einer andren Schicht zuwälzen kann. Die absolute Grenze für die Verkürzung des Arbeitstags ist nach dieser Seite hin die Allgemeinheit der Arbeit. In der kapitalistischen Gesellschaft wird freie Zeit für eine Klasse produziert durch Verwandlung aller Lebenszeit der Massen in Arbeitszeit." (K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 552) Insgesamt stellt der Arbeitstag also das gesellschaftlich Quantum an Zeit für eine gesellschaftlich durchschnittliche Produktionszeit dar, welche zum einen die gesellschaftliche Reproduktion pro Tag bewältigt und die zugleich ein Geldvermögen erzeugt, das den Privatbesitz des Mehrprodukts darstellt und sogar über den Wert der Produkte hinausgeht durch die Anwendungsmacht der Eigentumstitel, durch die Fähigkeit, Mehrwert aus dem Arbeitslohn für produktive und unproduktive Arbeit (siehe Dienstleistungen) einzunehmen (z.B. Miete, Pacht, Steuer für Staatsverschuldung, Energiekosten, Zinsen und Gebühren). Es ist insgesamt die Zeit, worin Arbeitskraft verausgabt wird, die Anwendungszeit von Arbeit pro Kraft, also die pro Arbeit geleistete Lebenszeit der Menschen, die nur zu einem Teil in die Lebensproduktion der Menschen und die Erzeugung ihrer Lebensmittel und Lebensstrukturen (Infrastrukturen) eingeht. Diese Arbeitszeit hat also weniger zu tun mit der tatsächlichen Produktionszeit, welche die Herstellung eines Produkts erfordert, das als Mehrprodukt Mehrwert darstellt. Sie ist vor allem die Zeit der Verfügung des Kapitals über das Arbeitsvermögen der einzelnen Arbeitskräfte. Deren Quantum bestimmt sich zwar einmal organisch aus dem historischen Verhältnis von "Produktionspotential" (Menschen und Produktionsmittel wie Maschinen und Automation), zum anderen aber wesentlich aus der Verfügbarkeit von Arbeitskräften zum Preis des Arbeitstages. Wie lange arbeitende Menschen zu einem bestimmten Preis genutzt werden können, hängt wesentlich vom Arbeitsmarkt ab (z.B. in Deutschland für durchschnittlich etwa 85 Euro und in Asien für 5 Euro pro Arbeitstag). Der Preis des Arbeitstags ist also vom Arbeitsmarkt, von der Konkurrenz der Arbeitskräfte und letztlich von der Arbeitslosigkeit und der Angst hiervor bestimmt. Und dies verschafft dem Kapital die politische Macht der Verfügung über die Arbeitskraft. Umgekehrt sind die Menschen abhängig vom Kapital selbst, insofern und solange es die gesellschaftliche Naturmächtigkeit der Arbeit, die Mittel der Produktion zu Händen hat. Die Länge des Arbeitstags bestimmt sich aus der organischen Abhängigkeit menschlicher Reproduktion und der Verfügungsmacht über die Produktion, welche sich aus dem Mehrprodukt ergibt. Solange beides in der Wertform existiert, stellt der Arbeitstag das Verhältnis der Arbeitszeiten dar, welche die Menschen zu ihrer eigenen und gesellschaftlichen Reproduktion als variables Kapital und konstantes Kapital einerseits aufwenden müssen und welche andererseits zur Herstellung eines gesellschaftlichen Mehrprodukts aufgewandt werden muss, welches sich als Mehrwert für das Kapital realisiert. Das konstante Kapital stellt hierbei die Mittel für das Kapital dar, wodurch es seinen Mehrwert vermittelst der menschlichen Arbeit schöpfen kann und wodurch es in der Form seines Besitzstands politische Macht hat (siehe Klasse). Beides in einem macht die Länge des Arbeitstags aus: Die Reproduktionszeit der Arbeit (Reproduktion der arbeitenden Menschen und der Werkzeuge, Infrastruktur, Technologie) und die Arbeitszeit für eine darüber hinausgehende Mehrproduktion (Entwicklung des Lebensstandards und des Kapitals wie auch des Finanzkapitals), also die Entwicklung von Reichtum, den gesellschaftlichen Potenzen der Geschichte, wie auch seiner politischen Verfügungsmacht über die Menschen. Unter der Verwertungsbestimmung des Kapitals wird die Arbeitskraft als Ware behandelt und daher nur für das bezahlt, was ihre Reproduktion kostet. Es selbst behält einen Teil des Arbeitstags als unbezahlte Arbeit, deren Wert es verwendet zu eigener Akkumulation oder der Erweiterung seiner politischen Macht (siehe Grundrente) oder Spekulation (siehe fiktives Kapital). Nach wie vor findet die Ausbeutung von Menschen durch das Kapital immer noch im Produktionsprozess über die ganzen Zeitverhältnisse ihres Lebens statt, doch nicht mehr unbedingt über ihre bloßen Arbeitszeiten. Doch zunehmend verteilt sie sich über ihre ganze Existenz, die vor allem durch immer mehr Unkosten immer teurer wird, weil diese nicht mehr nur die Lebensmittel zur Reproduktion der Arbeitskraft betreffen, sondern für die bloßen Umstände und Strukturen ihres Lebens bezahlen müssen. Nicht mehr nur, weil ihre Arbeitskraft als Ware in den Produktionsprozess eingeht, aus welchem sich Mehrwert aus unbezahlter Arbeit für den Kapitalmarkt beziehen lässt, sondern weil der Kapitalmarkt selbst die Kosten des Lebens der Menschen über ihre schlichte Existenz schon durch einen Existenzwert ihrer Währung bestimmt, um hierüber seine Produzenten und Konsumenten als Bürgen der Nationalstaaten in der Konkurrenz ihrer Währungen zu nutzen und negierte Lebenssubstanz aus dessen Preisbildung bezieht (siehe hierzu auch Negativverwertung). In der Bestimmung des Arbeitstags steckt der Kampf um die Verfügung über das Leben als Verhältnis von Freizeit und Arbeitszeit, also von Freiheit des Subjekts und Notwendigkeit der Arbeit. Der Arbeitstag zerfällt vom Standpunkt des gesellschaftlichen Subjekts, also der organischen Produktion einer Gesellschaft, in drei notwendige Teile: Der Zeitabschnitt, welcher zur Reproduktion der Bevölkerung nötig ist, der Zeitabschnitt, welcher für das wirkliche Mehrprodukt (gesellschaftliche Entwicklung des Reichtums) nötig ist und der Zeitabschnitt, welcher alleine durch die Ausnutzung der Arbeitskräfte und -mittel einen Wert erbringt, der alleine in die Entwicklung des Kapitals, also die Entfaltung seiner politischen Macht eingeht (Zirkulierendes Kapital, Grundrente, "freies" Aktienkapital). Vom Standpunkt des Produktionsprozesses ist kapitalseitig die Herstellung des Mehrprodukts und der politischen Macht des Kapitals identisch und wird als Mehrwert zusammengefasst. Der Unterschied von Mehrprodukt und Mehrwert tritt erst auf der Ebene der Revenue der Besitzverhältnisse zutage als das Verhältnis der Besitzer der Arbeitskraft (mit dem Wertanteil des variablen Kapitals), der Besitzer von Anwendungskapital (mit dem Wertanteil des konstanten Kapitals) und der Grund-, Haus- und Wohnungseigentümer (siehe Grundeigentum). In dem Maß, wie das Kapital seine politische Macht über die Arbeit als Verfügung (Besitz) über die Arbeitsmittel (Arbeitskräfte, Werkzeuge usw.) existentiell als Zeitverhältnis von Reproduktionszeit und Mehrwert bestimmen kann, wird sich abstrakt menschliche Arbeit als Quantum unbestimmter Arbeit in der Länge des Arbeitstags als Anteil der Mehrwertproduktion durchsetzen, soweit sich das Besitzverhältnis des Kapitalismus politisch erhält, also die politische Verfügung des Besitzers der Produktionsmittel über die Besitzer der Arbeitskraft besteht. Der Klassenkampf besteht letztlich nur im Kampf um die Länge des Arbeitstags. Er ist die wirkliche und praktische Kritik der politischen Ökonomie. Das Kapital schlägt zurück durch die Vergrößerung der Arbeitslosigkeit durch Kündigungen - solange es dies kann, ohne seine Krise zu verschärfen (siehe auch Armut). Innerhalb des Kreislaufs der Reproduktion (variables Kapital), sofern sie überhaupt noch innerhalb eines Kulturraums besteht, wird nicht in Lohnkämpfen (siehe Arbeitslohn) oder anderen ökonomischen Kämpfen (z.B. Sozialabgaben oder Steuern) die politische Macht des Kapitals wirklich bekämpft, sondern nur im Kampf um die durchschnittliche Arbeitszeit (Arbeitstag, Wochenstunden, Rentenzeit). An der Verfügung über die Länge der notwendigen Arbeitszeit bestimmt sich alles, was im Kapitalismus ökonomisch und politisch entwickelt wird: Die Rate des relativen Mehrwerts, der Anteil am gesellschaftlichen Reichtum, die Kosten der "Soziallasten" usw. An ihm bestimmt sich nämlich, welche Menge an Arbeitszeit (= Wert) der arbeitende Mensch für sich und seine Reproduktion arbeitet und welche Mengen für den Mehrwert, den sich das Kapital tatsächlich (also nicht nur scheinbar) ohne Rückfluss in die Produktion aneignen kann und damit seine Macht über die Arbeit vergrößert. Es ist nicht gleichzustellen, dass, wer mehr Lohn erhält, auch länger arbeiten kann, oder, wer höhere Lebenserwartung hat, auch mehr für seine Rente arbeiten müsse. Die wichtigste Erkenntnis aus dem Wertgesetz ist die, dass sich alle Wertverhältnisse nur wirklich auf das abstrakte Arbeitsquantum, auf menschliche Arbeitszeit beziehen und sich hieran und erst im Nachhinein der Preis entwickelt, der das Geldquantum ausdrückt, das zwischen Lohntüte und Einkaufstasche bewegt wird. Lohnkämpfe sind nur ein Feilschen um einen vorübergehenden wertmäßigen Anteil am Mehrprodukt, der vom Kapital durch Erhöhung der Einkaufspreise wieder schnell eingeholt wird. So bleibt in Wirklichkeit nur der Kampf um die Arbeitszeit, also der Kampf um die Freizeit und Rentenzeit, der wirkliche Kampf gegen die Wertveräußerung an das Kapital, gegen die Potenzierung toter Arbeit gegen die lebendige. Es war Lenins Dilemma, dass er diesen Kampf nicht führen konnte, da er das zu tun hatte, was der Kapitalismus längst getan hatte: eine Industrie aufzubauen. Darin lag schon der Widerspruch der Sowjetrepublik, die eher den fleißigen selbstlosen Arbeiter herauszustellen hatte, als den an Freizeit reichen Genießer seiner Produkte. Jenseits der Arbeit, die unter der Rubrik "Beschäftigte" vermarktet wird, gibt es die der Selbständigen (neuerdings auch Ich-AG). Für sie hat die Länge des Arbeitstags eine positiv konstitutionelle Funktion in der Konkurrenz der Selbständigen. Hier treibt die Selbstausbeutung aus Existenznot zu einer Arbeitszeitdauer, die auf dem gewöhnlichen Arbeitsmarkt nicht erreicht würde. Das kommt von der Zwischenstellung des Selbständigen als Nutzer, Gewinner und Verlierer der Technik, welche die Maschinen produzierende Industrie durch Preise, Lebensdauer und Innovationswechsel ihrer Produkte bestimmt. Der Selbstausbeuter kann als unglücklicher Zwischenmensch Kapital nicht mehr unmittelbar bekämpfen, weil er keine Grenze für seinen Arbeitstag haben kann. Er erscheint sich selbst als Objekt und Subjekt seiner Ausbeutung und letztlich auch seiner Zerstörung. Wenn er nicht mehr auf dem Markt ist, so wird er ja nicht arbeitslos; - er geht als Person des gesellschaftlichen Lebens unter. Die Tendenz, alle Menschen unmittelbar der Konkurrenz auszuliefern, ist das Interesse des modernen Krisenmanagements. Dies setzt voraus, dass im Arbeitsprozess keine Menschen mehr koordiniert werden müssen, entspricht also hauptsächlich den Arbeitsbedingungen der Dienstleistungsgesellschaften. Aber auch die Arbeit, welche einen Teil der Produktmontage besorgt (z.B. Heimarbeit, Kleinbetriebe, die vom Outsourcing leben), gehören hierzu. Deren Kampf um die Länge des Arbeitstages lässt sich durch die Zersplitterung der Arbeitsstrukturen nicht mehr führen, weil sich ihre Arbeit nicht organisieren lässt, und daher unmittelbar der je einzelnen Konkurrenz der Arbeitskräfte oder Kleinstunternehmen unterliegt. Dies macht tradierte Organisationsformen des Klassenkampfes (z.B. Gewerkschaften) zum Teil hinfällig. Hier wird die Selbstausbeutung durch die technische Entwicklung und deren Finanzierung durch die Selbstausbeuter vorangetrieben und weit überdurchschnittliche Arbeitszeiten zur Maschinenfinanzierung vernutzt, die erst auf der Ebene der Maschinenhersteller und Banken sich in Mehrwert verwandeln, sofern dessen Realisierung noch möglich, seine Verwertung also noch real ist. Das wirft das Problem auf, dass nicht nur die Reproduktion der Arbeitskräfte die Werte der Konsumtion bestimmen kann, sondern auch die Konsumtion selbst Wertwachstum bilden muss. Innerhalb kleiner und lokaler Märkte ist dies kaum möglich, da diese von den Reproduktionskosten bestimmt sind. Hier würde Konsumsteigerung unmittelbar die Reduktion von Mehrwert bedeuten. Die Konsumentfaltung geht nur auf einem globalen Markt des frei zirkulierenden Kapitals, weil alleine bei breiter Marktstreuung noch Mehrwertrealisierungen durch Konsumtion möglich sind und vor allem: Weil die Kulturunterschiede das Konsumpotential für neue Absatzmärkte sind. Dies zeigt sich als aggressives Verhältnis der Kapitalmächte gegen die Kulturgewohnheiten anders entwickelter Länder und Völker. Auf der Konsumseite muss der Kampf gegen die Kapitalisierung der Märkte als Verteidigung von Kultur geschehen (siehe hierzu auch Tittytainment), als Verweigerung der Marktbeteiligung. Bei den modernen Formen des industriellen Kapitals, besonders durch die direkte Ausbeutung fremder Wertverhältnisse durch Transnationale Konzerne, kommt zwischen Lohntüte und Einkaufstasche der Devisenmarkt als Ausbeutungsform gegenüber den armen Ländern hinzu (siehe Fremdarbeit). Hierbei wird ein Kulturgefälle selbst noch Medium der Verwertung, indem sich tatsächlich der Unterschied der Löhne als Kapitalbildner wirksam macht. Was die Menschen der Dritten Welt für 2 Dollar pro Tag alles tun, ist nicht für Produkte, die sie selbst brauchen und nutzen - sie sind für eine andere Kultur und die Arbeit im Zusammenbau fremder Gebrauchsteile wird zu einer unmittelbaren Ausbeutung des betroffenen Kulturkreises, der im konstanten Kapital nur verschwindend klein verrechnet wird. Von da her erscheint hier der Kampf gegen das Kapital als Kulturkampf; d.h. er ist ein Klassenkampf gegen fremde Kultur, der das Kapital meint. Es halten inzwischen auch bürgerliche Ökonomen eine Verkürzung der Arbeitszeit für möglich, allerdings nur dann, wenn das Kapital ohne Krise auskommt und davon abgesehen wird, dass der Verwertungsprozess ohne Wertwachstum auskommen könnte. Dies aber macht den Verwertungszwang aus. Geld wird immer inflationieren, wenn es ihm nicht folgt. Aber dennoch eine schöne Illusion, die nur vorstellbar sein wird mit der Aufhebung des Verwertungszwangs (z.B. in einer internationale Kommunalwirtschaft): "Die Arbeit, die noch zu tun sein wird, wird so fair verteilt sein wie nur möglich drei Stunden pro Tag, oder eine 15-Stunden-Woche." (Die Utopie von John Maynard Keynes 1930 über "100 Jahre später" in "Economic Possibilities for Our Grandchildren," In Essays in Persuasion (New York: Norton, 1963), pp. 368-72.) | ![]() |