"Das Aufheben stellt seine wahrhafte gedoppelte Bedeutung dar, welche wir an dem Negativen gesehen haben; es ist ein Negieren und ein Aufbewahren zugleich; das Nichts, als Nichts des Diesen, bewahrt die Unmittelbarkeit auf und ist selbst sinnlich, aber eine allgemeine Unmittelbarkeit.", Phänomenologie des Geistes, A. II., Werke 3, S. 94. "Ihr könnt die Philosophie nicht aufheben, ohne sie zu verwirklichen. ... Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie." - Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. MEW 1, S. 384, 391, 1844 Aufhebung ist die Auflösung einer überkommenen Formbestimmung einer doppelten Bezogenheit (siehe auch Doppelcharakter) und zugleich die substanzielle Bewahrung des Überwundenen in einer anderen, in den ihm adäquaten einfachen Formen. Der Begriff hat daher in der deutschen Sprache eine mehrfache Bedeutung: Etwas vom Boden aufheben, es also erhöhen, etwas Aufbewahren, also für die Zukunft erhalten, etwas beendigen, es überwinden, und etwas in anderer Form oder Bedeutung fortzuführen, ohne dass seine ursprüngliche gedoppelte Form noch fortbesteht. Hegel übernahm diese Bedeutung als umgangssprachliches Wissen über dialektische Zusammenhänge bei der Überwindung eines Widerspruchs. Der Widerspruch macht die Grundlage dialektischer Entwicklung aus und besteht aus Gegensätzen, die in einer inneren Einheit abstrakt verbunden, also Entgegensetzungen innerhalb derselben Substanz sind. Innerhalb dieser handelt es sich um einen "Kampf der Gegensätze", der als Dilemma ihrer Geschichte die Notwendigkeit einer substanziellen Veränderung ihrer Formation darstellt, einen in diesem Kampf wesentlichen Mangel offenbart. Indem jede Seite zur Aufhebung der anderen drängt, ist es der Prozess einer Abstraktion, in der sich der Mangel zu einer Qualität entwickeln muss, ein notwendiges Anderssein erbringen muss, worin er behoben und sein Dasein aufgehoben ist. Da die Gegensätze eins Widerspruchs nur abstrakt verbunden, in ihrer Entzweiung nur abstrakt einig (siehe Einheit) sein können, bestimmt sich ihre Entwicklung auch nur im abwesenden Wesen ihrer Abstraktion, ihrer abstrakt allgemeinen Substanz fort (siehe z.B. auch abstrakt menschliche Arbeit, abstrakt menschlicher Sinn). Widersprüche, deren abstrakte Einheit nicht in ihre substanzielle Inhalte aufgelöst werden können, die also inhaltlich nicht ihrer einfachen Natur entsprechend fortschreiten können, nicht fortschrittlich für ihre Geschichte sein können, werden daher notwendig zu Fortschritten der Abstraktion, zur abstrakten Verfeinerung ihrer Absichten, ihrer Entfremdung ihrer Antriebe, die sich ihre konkret verneinten (siehe Negation), ihrer abwesenden Substanz zu ihrem bloßen, ihrem abgetrennten und verselbständigten Inhalt machen und sich darauf zurückbeziehen, nicht anders, sondern reaktionär werden (siehe auch reaktionäres Bewusstsein). Eine schlechte Entwicklung wäre, wenn dieses Anderssein auf der Vernichtung der Ursprungssubstanz (z.B. Arbeit, Gesellschaft) beruhen würde; es entstände eine schlechte Unendlichkeit in der Permanenz einer Wiederherstellung der Substanz und ihrer Vernichtung (siehe Nichtung). Eine gute Entwicklung kann nach Hegel daher nur gelingen, wenn das in seiner Abstraktion substanziell Enthaltene darüber hinaus fortbestehen kann. Es ist ja abstrakt schon da, aber in einer Form, in der es sich nicht verwirklichen, sich nicht konkret entfalten kann. Für diese "neue" Wirklichkeit gibt es im Verwirklichungsprozess des bereits realen Verhältnisses die substanzielle Abstraktion als Negation, für die eine andere Form nötig geworden ist und die es auch schon abstrakt wirklich, also noch konkret unwirklich gibt, weil nur dies der Grund sein kann, dass es überhaupt zu einem Widerspruch kommen konnte. Solange dieser Widerspruch fortbesteht, leidet er selbst an seiner Substanz, von der permanent abgesehen werden muss, um sie zu erzeugen. Er ist in seiner Form dazu bestimmt seine Substanz zu verwirklichen, die sich in der bestehenden Form nicht verwirklichen kann und daher über diese hinausgreift. Diese Form enthält also die zusätzliche Bestimmung einer positiven Substanz (Position), die in Wirklichkeit nur eine Abstraktion von ihr sein kann (siehe Formbestimmung). So zeigt sich der durch sich selbst unendliche Widerspruch als Widerspruch der Gewisssheiten von Form und Inhalt, in welchem der Inhalt durch die ihm fremde Formbestimmung bedrängt ist und sich nur dadurch durchsetzen kann, dass er die Negativität seiner Form positiv überwindet, also die Negation negieren kann, indem er seine Identität von beidem auch substanziell im Fortschritt seiner Geschichte wahr macht (siehe historischer Materialismus). Dann wird das Substanzielle einerseits aufbewahrt und zugleich als anderes "geboren" (siehe Anderssein), als eine durch seine Veränderung bereicherte konkrete Substanz zur Grundlage weiterer Entwicklung. Hegel hatte als Substanz einer Idealität des Werdens unterstellt, eine Idee, die höher steht als die Wirklichkeit, eine höheree Wahrheit haben soll, und worin Geschichte sich vor allem als Geistesgeschichte entfaltet, diese also auch als die Diremtion des Geistes aufzufassen ist. Marx kritisierte diese Entwicklungsvorstellung als idealistisch, übernahm aber die Logik der Hegelschen Dialektik als geschichtliches Prinzip materieller Entwicklungen, welche die bisherige Geschichte von Entfremdungsverhältnissen ausgemacht hatten, die sich in Klassenkämpfen vollziehen (siehe hierzu auch historischer Materialismus). Um aus dem Ideal, aus der Substanz der Hegelschen Idee herauszufinden, muss Hegel selbst aufgehoben werden. Für Marx ist dies durch den Widerspruch der Hegelschen Begrifflichkeit selbst vorzunehmen, da diese nicht in ihre Geschichte zurückkommen, sondern nur zirkulär auf eine Interpretation ihrer selbst als Weltgeist (siehe auch hermeneutischer Zirkel), nicht auf ein wirkliches Begreifen ihres Daseins kommen kann. Die rein theoretische Manifestation der ewigen diremption des absoluten Geistes von Hegel wird bei Marx zu einer endlichen Geschichte des Kapitalismus, indem er in seinem "Kapital" dessen Unendliche Selbstbezogenheit als ihre Selbstzerstörung nachweist und der Religion des Geistes entgegenhält (siehe hierzu Warenfetischismus) "Eine eigentümliche Rolle spielt ... [bei Hegel] das Aufheben, worin die Verneinung und die Aufbewahrung, die Bejahung verknüpft sind. So z.B. ist in Hegels Rechtsphilosophie das aufgehobne Privatrecht = Moral, die aufgehobne Moral = Familie, die aufgehobne Familie = bürgerlicher Gesellschaft, die aufgehobne bürgerliche Gesellschaft = Staat, der aufgehobne Staat Weltgeschichte. In der Wirklichkeit bleiben Privatrecht, Moral, Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat etc. bestehn, nur sind sie zu Momenten geworden, zu Existenzen und Daseinsweisen des Menschen, die nicht isoliert gelten, sich wechselseitig auflösen und erzeugen etc., Momente der Bewegung. In ihrer wirklichen Existenz ist dies ihr bewegliches Wesen verborgen. Zum Vorschein, zur Offenbarung kömmt es erst im Denken, in der Philosophie, und darum ist mein wahres religiöses Dasein mein religionsphilosophisches Dasein, mein wahres politisches Dasein mein rechtsphilosophisches Dasein, mein wahres natürliches Dasein das naturphilosophische Dasein, mein wahres künstlerisches Dasein das kunstphilosophische Dasein, mein wahres menschliches Dasein mein philosophisches Dasein. Ebenso ist die wahre Existenz von Religion, Staat, Natur, Kunst: die Religions-, Natur-, Staats-, Kunstphilosophie. Wenn aber nur die Religionsphilosophie etc. mir das wahre Dasein der Religion ist, so bin ich auch nur als Religionsphilosoph wahrhaft religiös, und so verleugne ich die wirkliche Religiosität und den wirklich religiösen Menschen. Aber zugleich bestätige ich sie, teils innerhalb meines eignen Daseins oder innerhalb des fremden Daseins, das ich ihnen entgegensetze, denn dieses ist nur ihr philosophischer Ausdruck; teils in ihrer eigentümlichen ursprünglichen Gestalt, denn sie gelten mir als das nur scheinbare Anderssein, als Allegorien, unten sinnlichen Hüllen verborgne Gestalten ihres eignen wahren, id est meines philosophischen Daseins. Ebenso ist die aufgehobne Qualität = Quantität, die aufgehobne Quantität = Maß, das aufgehobne Maß = Wesen, das aufgehobne Wesen = Erscheinung, die aufgehobne Erscheinung = Wirklichkeit, die aufgehobne Wirklichkeit = Begriff, der aufgehobne Begriff = Objektivität, die aufgehobne Objektivität = absoluter Idee, die aufgehobne absolute Idee = Natur, die aufgehobne Natur = subjektivem Geist, der aufgehobne subjektive Geist = sittlichem objektivem Geist, der aufgehobne sittliche Geist = Kunst, die aufgehobne Kunst = Religion, die aufgehobne Religion = absolutem Wissen. Einerseits ist dies Aufheben ein Aufheben des gedachten Wesens, also das gedachte Privateigentum hebt sich auf in den Gedanken der Moral. Und weil das Denken sich einbildet, unmittelbar das andre seiner selbst zu sein, sinnliche Wirklichkeit, also ihm seine Aktion auch für sinnliche wirkliche Aktion gilt, so glaubt dies denkende Aufheben, welches seinen Gegenstand in der Wirklichkeit stehnläßt, ihn wirklich überwunden zu haben und andrerseits, weil er ihm nun als Gedankenmoment geworden ist, darum gilt er ihm auch in seinen Wirklichkeit als Selbstbestätigung seiner selbst, des Selbstbewußtseins, der Abstraktion. Nach der einen Seite hin ist das Dasein, welches Hegel in die Philosophie aufhebt, daher nicht die wirkliche Religion, Staat, Natur, sondern die Religion selbst schon als ein Gegenstand des Wissens, die Dogmatik, so die Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Naturwissenschaft. Nach den einen Seite steht er also im Gegensatz sowohl zu dem wirklichen Wesen als zu den unmittelbaren unphilosophischen Wissenschaft oder zu den unphilosophischen Begriffen dieses Wesens. Er widerspricht daher ihren gangbaren Begriffen.", (MEW 40, S. 581ff) Marx entnahm der Hegel'schen Philosophie eine Dialektik der Erneuerung durch Umsturz als die Möglichkeit der Aufhebung aller Klassenkämpfe in einer Gesellschaft, worin alle Güter ihres Reichtums allen Menschen verfügbar sind und als solche Grundlage menschlicher Geschichte und Sinnbildung werden können. Das wäre die Kommunistische Gesellschaft, die schon jetzt substanziell in der bürgerlichen Gesellschaft vorhanden ist, und wahr werden kann, wenn die Formbestimmungen des Werts, also Geld und Kapital aufgehoben sind. Als Subjekt dieser Aufhebung kann nur wahr sein, was Gesellschaft und ihren Reichtum ausmacht, sie leidet und bildet, erzeugt und bewahrt. Marx übernahm hierfür den Begriff des Proletariats, der allerdings im Lauf der Zeit der Begriffsbedeutung zu einer Reduktion des Geschichtsverständnisses führte (siehe Diktatur des Proletariats). Aber auch ohne die Personifizierung der Arbeit zum Proletariat zeigt die Analyse der bürgerlichen Gesellschaft ihren gesellschaftlichen Widerspruch in der ausschließlichen Entgensetzung von Arbeit und Konsum, Wert und Preis. Von daher zeigt sich auch der unaufgelöste Verlauf der menschlichen Geschichte und Sinnbildung im unvollständigen Aufhebungsprozess ihrer Entzweiung, der fortdauernden Teilung der Arbeit, dem Fortdauern des beständigen Ausschließens der tätigen Menschen von ihrem Produkt als Ganzes. Die Geschichte der Menschheit entwickelte sich schon immer in der Aufhebung der ausschließlichen Herrschaft einer Klasse über eine andere. Dies wird so weitergehen, bis es keine Klassen mehr gibt.
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