"Welt ging verloren, Christ ward geboren"(aus "Oh du fröhliche, oh du seelige") Der gute Christ weiß um seine Vergänglichkeit und begründet sich im Glauben an seine seelische Unendlichkeit, an einen Erlöser durch einen Gottessohn, wie er vor ca. 2000 Jahren im "Land Judäa", im Land der Juden geboren worden sein soll. Weil die Juden selbst noch auf den Messias warten und dieser Erwartung und den damit verbundenen Geboten der "heiligen Schrift" ihr Leben weihen ist ein politischer Streit um den Gott auf Erden und seinem Hort entbrannt (siehe auch Lebensraum). Dagegen macht die Unterwerfung durch eine Hoffnung über einen "Gnadentod" zur Vergebung einer "Erbsünde" für ein konkretes Heil durch den Tod eines Jesus von Nazaret einen außerweltlichen Sinn, der zur Begründung einer christlichen Ethik einen heiligen Sinn als Heilsversprechen macht. Darin ist die christliche Religion einzigartig. Im unmittelbaren Bezug auf ein natürliches Recht des Lebens sind die drei abrahamitischen Religionen wesentlich unterschieden. So ist das Christentum die Religion der Barmherzigkeit eines sozialen Erlösungsglaubens der im Neuen Testament aufbereitet und ausgebreitet ist. Der wahre, der gerechte Gott des Alten Testaments, soll dagegen der prinzipiell als sittliche Substanz verleihen und sla Grundlegung des bürgerlichen Rechts fungieren. Dadurch wird der barmherzige Gott des Neuen Testaments sozialverträglich, das heißt: mit den Anforderungen der bürgerlichen Kultur kompatibel. Die daran geknüpften Gebote der Nächstenliebe resultieren aus der Befreiuung der Erbschuld durch die selbstlose Selbstaufopferung des Gottessohns am Kreuz, das zum Symbol christlicher Schuld und Finalität geworden ist. Die Nächstenliebe wird durch dieses Schuldverhältnis zur bürgerlichen Form der Menschenliebe (siehe auch Liebe), die zur Grundlage bürgerlicher Sozietät geworden ist. Was das bürgerliche Recht nicht einforndern kann, das fordert der Glaube an Jesus Christus: "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst". Das ist die gedoppelte Selbstliebe, wie sie in der bürgerlichen Kultur allgemein ist: Die Beziehung auf andere in Relation zur Selbstbezogenheit; die Vermittlung seiner Selbstbeziehung auf andere, die sich selbst zum Material ihrer zwischenmenschliche Verhältnisse macht. Die Formbestimmung der Menschen zum Mittel des Überlebens in unwirklicher Welt ist daher für Christen unerkennbar, weil selbstverständlich. Abraham als Held des Glaubens – das ist sicher sehr christlich gedacht, weil das Christentum besonderes Gewicht auf den Glauben legt: Dort gibt es eine Lehre von der Rechtfertigung durch Glauben. Ob jemand vor seinem Gott bestehen kann oder nicht, wird dieser Lehre zufolge vom Glauben der Person abhängig gemacht. Ein solches Denken ist dem Judentum und dem Islam eher fremd. Hier geht es stärker darum, göttliche Handlungsanweisungen zu befolgen. Für Generationen von Rabbinern war Abraham ein Held des Gehorsams. Auch im Koran spielt der Gehorsam eine große Rolle. Ibrahim, wie Abraham im Koran heißt, träumt, dass er seinen Sohn töten muss und berichtet diesem von seinem Traum. Ibrahim sagt im Koran: „Mein Sohn! Ich sah im Traum, dass ich dich schlachten werde. Nun schau, was meinst du dazu?“ Der sagte: „Vater! Tu, was dir befohlen wird! Du wirst, so Gott will, finden, dass ich einer der Geduldigen bin.“ Nicht nur der Vater ist gehorsam, sondern auch der Sohn. Wie in der Bibel darf der Sohn weiterleben. Und wie in der Bibel stirbt statt des Sohnes ein Opfertier.“ Von da her hat sich in der Hionwendung zur Barmherzigkeit auf der einen Seite zum Gehorsam durch das grausame Recht auf Leben und Tod der Menschen getrennt. Das jüdische Volk habe sich über die Jahrhunderte immer stark mit Isaak identifiziert, sagt Anette Böckler, Dozentin am Londoner Leo-Baeck-College: „Also, das steht natürlich im Vordergrund, dass die jüdische Geschichte in den Isaak hineingelesen wird.“ Die historisch-kritische Bibelforschung hat die Geschichte von Abraham und Isaak als eine Abkehr vom Menschenopfer gelesen: Gott entschließt sich dieser Lesart zufolge in der Geschichte, dass keine Menschen kultisch für ihn sterben sollen. Stattdessen opfern die Menschen jetzt Tiere. In diesem Verständnis von sozialer Liebe des unterscheidet sich das Christentum wesentlich von der strengen Gottesgebotenheit des Judentums, das ihm eine erkennende Liebe entgegenhält, menschliche Erkenntnis von Gottes Gebotenheit im anderen Menschen, dem jede sittliche Persönlichkeit auch einzeln verpflichtet ist, gleichgültig, wie sie sich selbst hierin vermittelt. Dieser Unterschied im Liebesverständnis stellt die Schaftsnatur des christlichen Herdenmenschen auch ganz in einen Gegensatz zum Juden, dessen Liebe intellektuell wirkt und eher der Oberschicht zugeordnet wird. Im Judenhass ist daher meist auch der Hass auf "Höheres" und auf Intellektualität eingeschmolzen, der sich auch propagandistisch von Populisten zu einer vermeintlichen Systemkritik nutzen lässt, die sich äußerst Systemkonform umsetzt. Vielleicht rührt von da her auch die Trägheit der christlichen Kirchen gegenüber dem Faschismus. In sich haben Christen vor allem ein widersinniges Verhältnis zur Erkenntnis. War ihre Erbschuld aus dem alten Testament darin begründet, dass die Menschen das Paradies verlassen mussten, weil sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten und somit dem Bösen gefolgt sind, so sind sie zugleich hiervon durch den Kreuzestod erlöst, haben also ihre Erlösung hinter sich (im Unterschied zu den Juden). Durch die Leidensgeschichte von Jesus Christus wird ihnen die Vertreibung aus dem Paradies zur Hinwendung auf das Paradies als Reich Gottes, so sie ihr Leben ihm weihen und dieses als Lebensschuld, als allseitiges Schuldgefühl von übermenschlicher Größe und Wucht eingestehen. Das macht Christen prinzipiell nur beschränkt verantwortlich für ihr Leben, Denken und Fühlen und belässt ihr Erkenntnisvermögen in ihrem Vermögen zur Schuldbekenntnis gegenüber dem Schmerzensreichen und dem übermenschlich Liebenden. Da sie sich durch die Liebe Gottes erfüllt glauben, müssen sie ihre Liebe selbst nicht erfüllen. Die Kritik Nietzsches am Christentum bezieht sich hauptsächlich auf dessen Widersinnigkeit und Selbstbetrug. Von da her stellte er einen weltlichen Übermenschen dem Gottessohn entgegen, den er allerdings in einem widersinnigen Geschichtsverständnis unterbrachte. | ![]() |