"Dummes aber vors Auge gestellt "Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens" Friedrich Schiller ("Die Jungfrau von Orléons" 1801) "Es gibt keine Sünde außer der Dummheit." Oscar Wilde (1854 - 1900), "In Deutschland wird alles gewaltsam unterdrückt, eine wahre Anarchie des Geistes, das Regiment der Dummheit selbst ist hereingebrochen, und Zürich gehorcht den Befehlen aus Berlin; es wird daher immer klarer, daß ein neuer Sammelpunkt für die wirklich denkenden und unabhängigen Köpfe gesucht werden muß. Ich bin überzeugt, durch unsern Plan würde einem wirklichen Bedürfnisse entsprochen werden, und die wirklichen Bedürfnisse müssen sich doch auch wirklich erfüllen lassen." (Marx, MEW 1, S. 343) In der Masse der Wahrnehmungen wird prominent, was immer wieder zuvorkommt und dadurch aus ihrer abstrakten Allgemeinheit hervortritt und zum quantitativen Maßstab der Normalität wird (siehe Begriffsgröße). Dummheit ist Stumpfheit, verdichtete Form an sich. Sie entsteht in der Einfalt der Selbstgerechtigkeit eines abstrakt verbliebenen Denkens (siehe Begriff), das keinen Begriff seiner Verhältnisse und seines Verhaltens erkennen kann, weil es sich durch die soziale Macht der Selbstbezogenheit seiner Selbstwahrnehmung nur um sich selbst drehen kann (siehe hierzu auch subjektiver Zirkel). Der Begriff kommt aus dem alhochdeutschen von Daumen (thumb), dem groben, stärksten und innersten Finger der Hand. Umgangssprachlich meint das eine Abstumpfung durch die körperliche Masse und Macht einer prominent gewordenen Normalität (siehe Norm) durch ihre Grobheit für die Bewegungen der Hände. Sie entsteht in der Allgemeinheit von Täuschungen, in der Abstumpfung von Bedürfnissen (siehe Tittytainment), die politisch durch Gleichsetzungen vertauschter Beziehungen im Vergleich der Qualität ihres zerteilten Daseins über ihre Quantitaten (siehe gleichgültig) gemacht und bewirkt sind, und sie gedeiht unter der Macht des Kollektivs der Befriedung von an und für sich gleichgültigen gesellschaftlichen Beziehungen (siehe Nationalismus). Weil sie den gleichgültigen Individuen entzogen und fremd geworden sind, werden in solcher Gemeinschaft die Inhalte unbewusster Beziehungen durch ihre Masse sinnlos. Hannah Ahrend mahnte, dass "Realitätsferne und Gedankenlosigkeit in Einem mehr Unheil anrichten könnten als alle die dem Menschen innewohnenden bösen Triebe zusammengenommen". "Eichmann war von empörender Dummheit" (Hannah Ahrend „Gespräche und Briefe mit Joachim Fest") „Das war die Dummheit, die so empörend war. Und das habe ich eigentlich gemeint mit der Banalität“, erklärt Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim Fest. Ihr Bericht von der Banalität des Bösen1 über den Jerusalemer Prozess gegen Adolf Eichmann, der als Leiter des „Judenreferats“ im Reichssicherheitshauptamt für die Deportation von Millionen Menschen in die NS-Vernichtungslager verantwortlich war, hatte gleich nach Erscheinen eine erbitterte internationale Kontroverse ausgelöst. Wie konnte das „Böse“ im Zusammenhang eines derartigen Verbrechens und Täters „banal“ genannt werden ? Arendt antwortet im Gespräch mit Fest, indem sie eine Geschichte aus Ernst Jüngers Tagebuch Strahlungen erzählt: „Fahrt zum Friseur. Dort Unterhaltung über die russischen Gefangenen, die man aus den Lagern zur Arbeit schickt. ›Da sollen böse Brüder drunter sein. Die fressen den Hunden das Futter weg. ‹ “ Dass diese Menschen faktisch am Verhungern waren, war dem Friseur nicht in den Sinn gekommen. „Diese Dummheit“, so Arendt, „hat etwas wirklich Empörendes.“ Eichmann sei in gewisser Hinsicht „intelligent“ gewesen, „aber diese Dummheit hatte er. […] Da ist keine Tiefe – das ist nicht dämonisch! Das ist einfach der Unwille, sich je vorzustellen, was eigentlich mit dem anderen ist.“ Dummheit mag einer allgemeinen Naivität entspringen, die der Einzelne nicht zu durchbrechen vermag. Aber dass Menschen dumm bleiben, liegt auch an ihrem Willen, sich gleichgültig gegen die Menschen und Probleme ihrer Zeit zu verhalten (siehe hierzu auch ästhetischer Wille). Diese Gleichgültigkeit folgt zugleich den Möglichkeiten eines politischen Willens ihrer Existenz, sich ihrer Notwendigkeiten zu entziehen - oder aber sich für irgendeinem Eigennutz (siehe hierzu Oppportunismus) gegen eine substanziell allgemeine Not (siehe Wesensnot) zu behaupten, sich hiergegen selbst behaupten zu können (siehe auch tote Wahrnehmung). Und von daher kann sich Dummheit nur im "Sinn des Habens" (Marx) entfalten (siehe Haben). Von daher verweigert sich Dummheit einem Erkenntnisinteresse, das die herrschenden Begierden und Begehrlichkeiten befragen müsste und sie schutzlos machen würde. Sie folgt dem Schutzbedürfnis eines angesehenen Besitzstandes (siehe auch Geldbesitz) und hat einen Namen: Ignoranz. Sie kommt vom althochdeutschen "tumb" (stumpf) und meint Stumpfheit des Wahrnehmens, Denkens und Fühlens einer toten Wahrnehmung, im vermittelteren Sinn auch Selbstlosigkeit, Borniertheit und Ignoranz gegen die eigenen Empfindungen (siehe auch tote Wahrnehmung). Dies hat nichts zu tun mit einem Mangel an Intelligenz oder Lebenstüchtigkeit - oft sind dumme Menschen sogar besonders fähig in der Handhabung ihrer existenziellen Not, der Alltagsroutinen und Gewohnheiten. Denn darin ist das Allgemeine selbst zu einer unendlichen Bestimmung der Selbstwahrnehmung, zu einer leibhaftig schlechten Negation, zur schlechten Unendlichkeit einer heilen Welt geworden, zur Heimat eines Selbstgefühls objektiver Lebensbedingungen geronnen (siehe z.B. auch autoritärer Charakter), die sich in ihrem Lebensraum selbst zu einer subjektiven Notwendigkeit ihrer Egomanie (siehe auch Narzissmus) verschmolzen haben (siehe auch reaktionäres Bewusstsein). Wer von da her seiner wirklich eigenen Notwendigkeit nicht folgen kann, wer gegen sich selbst unfrei ist (siehe Freiheit), kann auch nur noch der Not seiner Dummheit folgen, hat sich selbst in seinem Meinen und Dafürhalten gegen die Notwendigkeit einer Kritik seiner Wirklichkeit gestellt (siehe auch Wählermeinung). Dummheit ist also nicht abhängig von genetischen Grundlagen, also von Vererbung oder der Genealogie einer Erziehung, einer verewigten Kindheit (siehe auch erzieherische Beziehung). Oft zeigen genetisch oder familiär benachteiligte Menschen in zwischenmenschlichen Verhältnissn eine ausgesprochene Schläue im Umgang mit ihnen bevorteilten Mitmenschen. Dummheit verfolgt immer eine Absicht,die sich gegen jede natürliche Intelligenz richtet. Sie besteht nicht darin, dass ein Mensch etwas nicht versteht, sondern dass er meint, dass er etwas verstanden hat, das in seiner eigentümlichen Wahrheit nicht zu begreifen ist (siehe hierzu auch Meinung). Es ist die Gewohnheit einer Verständigkeit, die keinen Sinn für das hat, was sie verstanden haben will, sie ihren Verstand in der Vernunft seiner Besitzverhältnisse (siehe auch Geldbesitz) aufgelöst hat, weil sie in einer sinnlosen Bestimmung ihre Selbstbestätigung sucht, sich darin nur selbst behaupten will (siehe auch Selbstbehauptung). Durch deren Geltungsstreben wird alles schön und gut und in ihrer Güte entwickelt sich das Böse, das sich jedweden Sinn einzuverleiben muss, um vor der eigenen Dummheit nicht zu erschrecken (vergleiche Hannah Ahrend: "Die Banalität des Bösen"). Dummheit ist ein Phänomen des Denkens und Gedenkens (siehe auch Gedächtnis) und resultiert aus dem Gebrechen eines Gedankens, der sich einer Mystifikation überlassen hat (siehe hierzu auch Kapitalfetisch). Er wird durch seine Gleichgültigkeit gegen seine Bestimmtheit zirkulär, begründet sich aus seinen Resultaten (siehe schlechte Negation) und lebt daher von der Gleichsetzung von Grund und Folge, Ursache und Wirkung, Subjekt und Objekt. Man könnte dies auch als ein abergläubisches Denken bezeichnen, vermittelt es doch seine Bezüge in sich selbst und außer sich zufällig. Jedes Ereignis kann es bestätigen, weil es als nichts für sich gelassen wird, oder es wird zur Bedrohung des Denkens, weil es nur für sich wirkt und also Unheimlich ist. Hierdurch wirkt Denken als abstoßende Selbstbeziehung (siehe auch Egozentrik), also als Rückführung eines Gedankens aus der Vergegenständlichung von Wahrnehmungen, die ihn bestätigen (siehe auch reaktionäres Bewusstsein). Deren wesentlichstes Phänomen ist die Selbstgerechtigkeit. | ![]() |