"Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt, Verhaftet an den Körpern klebt. Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön, Ein Körper hemmt's auf seinem Gange; So, hoff ich, dauert es nicht lange, Und mit den Körpern wird's zugrunde gehn." (Mephisto in Goethes Faust) Wahrnehmung ist nicht bloßes Auffassen, nicht einfache Kognition als Aufnahme von dem, was sie vorfindet. Es ist die Empfindung wodurch dieses wesentlich für sie ist. Von daher ist sie die Elementarform der Erkenntnis, die Form, in der für die Menschen wahr wird was sie für einander sind und was sie von einander haben. Es erfährt darin also alles sein menschliches Wesen als das, was ihr gesellschaftliches Sein, was ihr Leben im Dasein ihrer Verhältnisse gegenständlich ausmacht, was sie darin für wahr halten, was ansonsten nur verrückt wäre. Jede Wahrnehmung besteht objektiv aus Empfindungen von dem, was sie wahr hat und subjektiv aus dem, was sie für wahr hält und also auch wahr nimmt. Beides vereint sie in Stimmungen, in denen sich ihre Empfindungen in den Launen ihrer Gefühle bewegen und identifizieren (siehe Wahrnehmungsidentität). Weil sich aber Gefühle aus vielen einzelnen Empfindungen bilden, weil sie also allgemeiner bestimmt sind als diese, können sie nicht mit ihnen identisch sein, kann die Wahrnehmung nicht unmittelbar mit sich identische Wahrnehmung, also nicht unmittelbar wahr sein (siehe hierzu Teilung der Wahrnehmung). In einer Scheinwelt herrscht das Scheinbare, der Schein des Anscheins schlechthin. Darin hat nichts wirkliche Substanz. Darin überlagern sich die Eindrücke beliebiger Gefühle, die durch Ereignisproduktion erzeugt und befriedet werden, weil sie keinen eigenen Ausdruck mehr darstellen. Aber sie kultivieren zugleich eine Welt isolierter Empfindungen, reproduzieren verlassene Seelen und verengen die Wahrheit ihrer Wahrnehmungen (siehe Angst), töten sie durch ihre Lebensangst (siehe tote Wahrnehmung) und verwahrlosen daran (siehe auch Dekadenz). Schließlich kehren sie ihren Sinn gegen ihre Kultur, trennen ihren Leib von ihrer Seele und pervertieren sich selbst zu einem Zwang entäußerter Wahrheit (siehe hierzu auch Perversion). Im Gro0en und Ganzen entfalten die vielen darin bezogenen einzelnen Eigenschaften eine Kraft, die sie durch den mächtigen Zusammenhang ihrer organischen Inhalte, durch die Natur ihrer vereinzelten Existenzen erfahren (siehe hierzu auch Warenfetischismus), die ihnen über jede einzelne Erfahrung hinweg schon inne ist - nicht weil sie darin schon angelegt wäre, sondern weil sie erst im Zusammenwirken der einzelnen Inhalte durch die Wirklichkeit ihrer verdichteten substanziell vermittelt ist. verdichteten Substanz vermittelt ist und daraus entsteht. So entsteht hier im Entzug einzelner Beziehungen - mit der Abstraktion ihrer Inhalte auf ihre Substanz - in der Einfältigkeit ihrer schieren Masse - eine Kraft aus ihrer zunehmenden Nichtigkeit, die jedes Einzelne dahin treibt, ihre Form zu verallgemeinern, die aus dem Nichts ihres entleerten Zusammenhangs sprießt, zu einer Bestimmung durch ihre leereForm, zu einem Wesen der Abstraktion wird, die ihre verbliebenen Inhalte vereint und hierdurch zu einem dritten Wesen als Formbestimmung wirkt (siehe hierzuDialektik). Durch die Isolation der Inhalte, durch die Auftrennung ihres Zusammenhangs entsteht eine Macht, die über den Verlust ihrer Lebendigen Tätigkeit gegen sie mächtig wird, weil sie hieraus eine abstrakt allgemeine Wirksamkeit bezieht (siehe hierzu Tote Wahrnehmung). Wo eine Beziehung nicht wirklich wahr sein kann, weil sie sich entwirklicht hat, entsteht eine Sucht nach ihrer bloßen Anwesenheit, auch wenn deren wirklicher Gehalt nur abstrakt als Vorstellung einer Wahrnehmung rein ästhetisch da sein kann. Fetischismus ist die Mystifizierung des Gedächtnisses, wodurch ein Erleben von Glück wie eine Reliiquie bewahrt wird, um darin zu erhalten, was die Erfahtrung eines Heils heilig macht. In dieser Beziehung ist das allerdings zugleich die idealisierte Form eines verlorenen Lebens, eines Selbstverlustes, für den die Selbstkontrolle an einen Fetisch übereignet ist, also in der Entfremdung von sich (siehe auch Selbstentfremdung) aufgehoben erscheint. Man könnte auch sagen, es handelt sich dabei um eine misslungene Selbstkontrolle, also um einen Zustand der Selbstwahrnehmung, die sich durch ihre Selbstkontrolle (siehe auch Kontrollbedürfnis) behaupten muss (siehe auch symbiotische Selbstbehauptung) und ihren Selbstverlust an einem Gegenstand mystifiziert und ihn über diesen zugleich nichtig zu machen sucht. Von daher ist Fetischismus die Befolgung einer Formbestimmung, die Sucht eines reaktionären Bwusstseins, das sich seiner Gegenwärtigen Wirklichkeit zu entziehen sucht (siehe auch reaktionärer Marxismus). Ganz allgemein verstanden ist Fetischismus ein Kult, der durch einen Fetisch vollzogen und versinnbildlicht wird. Hierbei geht es um die Verehrung einer mystifizierten Beziehung (z.B. zu Gott oder Menschen oder Sachen), die durch Rituale, Religien oder Vorstellungen umgesetzt wird. Der Fetisch gilt im hießigen Wortgebrauch auch als Sinnbild einer Fixierung an eine höhere Gewalt, mystisches Verlangen, kultische Unterwerfung unerreichter Lust (siehe hierzu auch Narzissmus), welcher über symbolische Gegenstände gehuldigt wird. Es handelt sich hierbei also um die Verehrung und Huldigung einer vermeintlichen Macht, einer Metaphysik der Macht, welcher sich Menschen unterworfen fühlen, weil sie durch sie zugleich ihr Leben gegeben glauben oder fühlen. Fetischismus ist der Kult einer Verehrung oder Vergötterung von Geistern und Dingen, denen ein übermenschlicher Sinn zugesprochen ist, die also einen Sinn erfüllen, den die Menschen für sich selbst nicht haben, den sie aber allgemein im Fetisch als Bildnis einer für sich seienden Heraussetzung, einer Erhabenheit erleben, weil er ihnen in diesem Sinn erscheint. In solchem Bildnis erscheint das Erhabene selbst wirklich und hat durch diesen Schein eine wirkliche Gegenwart ohne wesentlich wirklich zu sein. Sie ist die Vergegenwärtigung einer Ungewissheit, das nur im Schein wie ein Wissen für sich sein kann (siehe auch Bewusstsein). Es erfährt somit einen Sinn, der seinen Nutzen an einer Sache findet, die einen menschlichen Sinn reflektiert, der in der Sache seine rein geistige Form hat, also nicht sachlich ist. Durch sie und über sie schließt er sich ausschließlich mit sich selbst zusammen und erlebt sich in dem Fetisch, für den die Sache steht, lebt damit eine Abstraktion, die nur für ihn Sinn hat (siehe abstrakt menschlicher Sinn). Die Vermittlung der sinnlichen Beziehungen in der Welt wird im Fetisch zu einem scheinhaften Sinn, der seinen Ausschluss nicht mehr wahrhat, weil er die Täuschung für sich wahrmachen muss um das zu sein, was ausgeschlossen ist (siehe auch Isolation). Fetischismus ist somit nicht nur eine Form des Bewusstseins, sondern ein Zustand entfremdeter Selbstreflexion, die über äußere Gegenstände aufgehoben erscheint (siehe auch Warenfetischismus) oder Menschen zu solchen Gegenständen macht (siehe Körperfetischismus). Er ist sowohl eine Fixierung des Bewusstseins an die Gegebenheiten des Seins, also auch eine beseelte Wahrnehmung, welche an einem Gegenstand wahrmachen muss, was sie für ihre Seele nicht wahrhaben kann. Marx verwendet den Begriff Fetischismus bezogen auf eine Gesellschaft, in der das Verhältnis der Waren (siehe Tausch) wie ein übermächtiges Naturwesen erscheint, das den Menschen mit einem eigentümlichen Wesen gegenübertritt und worin das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen wie ein Verhältnis ihrer Sachen gilt. Er nennt diese Erscheinung dann auch Warenfetischismus. Diese in seinen ökonomischen Schriften (Grundrisse und Kapital) referierte Reminiszenz an die Philosophiekritik hat keinen logischen Stellenwert in der Kritik der bürgerlichen Ökonomie, wohl aber in der Ideologiekritik. Ideologie, die ja auf Vorstellungen von gesellschaftlicher Wirklichkeit gründet, trägt wesentlich zu ihrer Mystifikation bei und bietet somit auch die Begrifflichkeiten für sublime Fetischismen. Der Begriff der "Fetischisierung" wurde von Adorno allerdings darüber hinaus auch zu einer der Ökonomie unmittelbar entnommenen psychologischen Begrifflichkeit gewendet: Verdinglichung des Bewusstseins. Darin ist nicht nur die Adäquanz des unmittelbar praktischen und daher unentwickelten Bewusstseins mit dem Phänomen der Mystifikation des gesellschaftlichen Verhältnisses, dem Warenfetisch gemeint, sondern es wird von Adorno auch die Unterwerfung der Menschen, ihrer Empfindungen und Bedürfnisse, mit den Erfordernissen des Arbeitsprozesses überhaupt gleichgesetzt (siehe hierzu auch Friedmann Grenz: "Adornos Philosophie in Grundbegriffen", Suhrkamp-Verlag 1975, S.43ff). Dadurch wird der Fetischismus zu einem ontologischen Begriff, der nicht mehr die Unentwickeltheit eines bestimmten Bewusstseins im Schein des Warentauschs beschreibt, sondern die Beugung menschlicher Wahrheit durch Arbeit überhaupt. "Verdinglicht" ist, was sich der Notwendigkeit von sachlichen Beziehungen beugt und daher dem Hässlichen zugewandt ist. Seine Wahrheit ist die des Schönen (siehe Ästhetik) und so wird Adornos Fetischismusverständnis zum Inbegriff bürgerlicher Gekränktheit an dieser Welt, in der sich nicht richtig leben lässt ("Es gibt kein richtiges Leben im falschen"). Der Fetischismus wird so zur Fixierung an das beschädigte Leben, das Adorno immer in diesem Gegensatz und also als negiertes (also nicht widersprüchlich verwirklichtes) Leben beschreibt (siehe negative Dialektik). In diesem Sinne wird der Fetischismusbegriff auch von seinen Schülern (z.B. Postone) zu einer nicht nur durch die Geldform der Waren bedingte Mystifikation des Verstandes, die durch schlussforlgerndes Denken und durch Wissen überwunden ist, sondern zu einer umfänglichen psychologischen Unterwerfung unter den "Verblendungszusammenhang" bürgerlicher Wertschätzungen überhaupt. Dies macht ideologiekritische Begrifflichkeit zu einer psychologischen, die sich in ihrer Verwendung als beglifflich gefasster Vorwurf auswirkt (nämlich an die bürgerlichen Verhältnisse fixiert zu sein). Solcher Vorwurf wird neuerdings (z.B. durch die Wertkritiker) auch ausgedehnt auf das Alltagsverständnis von Arbeit. Sie selbst sei erwiesenermaßen überholt und also die Menschen, welche darin ihre Wirklichkeit zu begreifen suchen, selbst einem Fetisch unterworfen. Hierzu wird Bezug auf Marx genommen, der zwar von einem immerwährenden Verhältnis von Notwendigkeit und Freiheit der Arbeit (als Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit im Sinne Hegels) spricht, aber so gelesen wird, als ob darin dem freien Konsumenten das Wort geredet würde, der von einer vollautomatischen Warenproduktion durch Maschinen zu versorgen wäre. Die Gleichsetzung von Arbeit mit Fetischismus, also das Festmachen der "Fetischisierung" an der Arbeit selbst, am Aufwand der Produktion von Gegenständen der Bedürfnisbefriedigung, macht aus jedem arbeitenden Menschen einen "fixierten" Menschen, der bestenfalls keine andere Möglichkeit zu seiner Reproduktion hat (welche auch?) oder an seiner Borniertheit leidet und der sich deshalb gegen die Arbeit auch nur "therapieren" lässt (Bewusstsein muss ja wohl außen vor bleiben, wo es kein Sein hat!). Bleibt die Maschine als Automat der Bedürfnisbefriedigung, menschliche Bedürfnisse also als Notdürftigkeiten der Technologie. Welch aberwitzige Fixierung an die Technik selbst! Die Fetischismuskritik wendet sich so zum impliziten Technologie-Fetischismus im Glauben an die von jedem Aufwand befreiten Muse, die sich ihren Inhalt in der Muße gibt. Natürlich lassen sich damit die Freunde der Muse und des Schönen leicht ansprechen, weil sie damit flugs zum allgemeinen Menschen, zum menschlichen Subjekt gekürt sind; mit der Kritik der politischen Ökonomie hat dies jedoch ebenso wenig zu tun wie mit der Kritik bürgerlicher Ästhetik: Solcher Müßiggang ist nichts anderes.
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