"Nachdem einmal die herrschenden Gedanken von den herrschenden Individuen und vor allem von den Verhältnissen, die aus einer gegebnen Stufe der Produktionsweise hervorgehn, getrennt sind und dadurch das Resultat zustande gekommen ist, daß in der Geschichte stets Gedanken herrschen, ist es sehr leicht, aus diesen verschiedenen Gedanken sich "den Gedanken", die Idee etc. als das in der Geschichte Herrschende zu abstrahieren und damit alle diese einzelnen Gedanken und Begriffe als "Selbstbestimmungen" des sich in der Geschichte entwickelnden Begriffs zu fassen. Es ist dann auch natürlich, daß alle Verhältnisse der Menschen aus dem Begriff des Menschen, dem vorgestellten Menschen, dem Wesen des Menschen, dem Menschen abgeleitet werden können." (Karl Marx, MEW 3, S.48) Ein Gedanke sucht den Sinn des Ganzen der Verhältnisse zu erschließen, um ihn aus dem Unsinn einer astrakt allgemeinen Denkgewohnheit zu befreien. Er entsteht im Gedächtnis durch das Bedenken und Gedenken von Erinnerungen, so wie sie verstanden wurden (siehe auch Empathie). Der Gedanke setzt daher einen Verstand ihrer Wirklichkeit und Geschichte voraus und ist von daher für sich frei von Ideen und Idealen und hat keinen Begriff nötig. Der Begriff entsteht erst in der Notwendigkeit des Begreifens. So ist auch der Begriff von Freiheit aus der Notwendigkeit begründet, frei zu sein, das heißt, sich aus der herrschenden Notwendigkeit durch ihre Aufhebung zu bestimmen (siehe Emanzipation), weil die wirkliche Lebensgefahr für den Menschen die Unfreiheit ist. "Die Lebensgefahr für jedes Wesen besteht darin, sich selbst zu verlieren. Die Unfreiheit ist daher die eigentliche Todesgefahr für den Menschen." (MEW 1, S. 60) Ein Gedanke ist zunächst der Sinn einer Erkenntnis, die sich im Denken ihren geistigen Zusammenhang sucht, - ist letztlich ein Bedenken von Sinn überhaupt, über das, was seine Substanz ausmacht und was seine Wahrheit erweisen kann. Das Nachdenken über die Formen des Lebens ist Nachgedachtes, worin sich ein Sinn offenbart, der ohne dieses unentdeckt, wesenlos bliebe. Ohne Sinn für das Leben, das Erstaunen über seine Gebilde und Zusammenhänge bleibt Denken tot. Umgekehrt ist ein Gedanke auch das Ergebnis eines Denkakts, entstanden aus Einsicht in die Wirklichkeit, Produkt des theoretischen Bewusstseins. Zwischen Denken und Bedenken besteht das Verhältnis geistiger Schöpfung: Die Heraussetzung aus der Notwendigkeit des Gegebenen, Verarbeitung des Alten zu Neuem als Emanzipation menschlicher Subjektivität, als Ausdruck ihrer wahren Freiheit. Diese setzt aber ihren Sinn schon außer sich voraus. „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind“ (Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, A51/B75). Ein Gedanke hat keine ihm chon eigentümliche notwendige Gegenwärtigkeit, ist aber immer auch Gedenken, ist also eine Praxis des Gedächtnises im Nachgang von Erinnerungsbilder: Was nicht eingedacht ist, das entschwindet dem Gedanken. Im Eingedenk seiner Sinne und seines Wissens macht der Mensch sich einen Gedanken. Dieser hält sich im Gedächtnis fest als ein Wissen des Unerkennbaren, des Begriffs, der zur Wirklichkeit drängt, weil er sie erklärt und sich in der Analyse der Wirklichkeit bewährt, sie also wirklich, also praktisch bewahrheitet. "Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen." (MEW 1, S. 386) In einer Theorie sind Gedanken systematisch formuliert. Ihre Wahrheit erhalten sie erst in der Bestätigung durch ihr Wirklichsein. Bis dahin ist jeder Gedanke im Zweifel. | ![]() |