"Alle wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl" (Bayerische Verfassung, Art. 151) "Hier wird also der Wille der Gesamtheit geltend gemacht gegenüber dem Willen des vereinzelten Einzelnen. Da jeder der mit sich einigen Egoisten mit den Andern uneinig werden und damit in diesen Widerspruch treten kann, muß der Gesamtwille auch einen Ausdruck haben gegenüber den vereinzelten Einzelnen - "und man nennt diesen Willen den Staatswillen" (Max Stirner p. 257). Seine Bestimmungen sind dann die rechtlichen Bestimmungen. Die Exekution dieses Gesamtwillens wird wieder Repressivmaßregeln und eine öffentliche Gewalt nötig machen." (MEW 3, S. 384) Gemeinwohl ist die Vorstellung von einem Zustand des Wohlergehens einer Gemeinschaft, die als Gesellschaft verstanden wird - oft auch als Wohlfahrt bezeichnet (Wohlfahrstaat oder Sozialstaat). Mit diesem Begriff wird der gesellschaftliche Nutzen wie der einer bloßen Gemeinschaft verstanden und die hierzu ergehenden Entscheidungen danach bewertet, was das so verstandene Gemeinwohl vermehre und anwachsen lässt, was immer unter solchem Wachstum je nach den Wahrnehmungen des Wohlergehens gerade zu verstehen ist (siehe auch Meinung). Und dieses bezieht sich immer auf das Allgemeine, kann also im besten Fall eine Art "Durchschnitt" des gemein gültigen Wohls sein - eben gerade wie es sich im jeweiligen Zustand der Verallgemeinerung von Dafürhaltungen ergibt. Im Kapitaismus ist Geld und Kapital das Allgemeine. Meist wird das Gemeinwohl deshalb auch mit dem "Wohlergehen der Konjunktur" oder mit Wohlstand gleichgesetzt, was aber nichts anderes meinen kann, als ein Wertwachstum, das den Menschen als vermeintliches Wirtschafstwachstum durch die Verbesserung ihres Lebensstandards dienen soll. Soweit dieser angeblich durch das Bruttoinlandsprodukt messbar sein soll, hat sich dennoch noch kein Maß gefunden, welches diese Beziehung zum Lebensstandard der Menschen bestätigen konnte. Lediglich das Niveau des Kapitals und der Kapitalisierung der Gesellschaft erweist sich immer wieder als wohlständig. Es ist das allgemeine Phänomen des Kapitalismus, dass das gemeine Wohl sich letztlich immer wieder als Wohlergehen des Kapitals einstellt, auch wenn es zeitweise in Phasen des anwachsenden Mehrprodukts - z.B. nach Verbesserungen der Technologie und Produktivkraft - auch vorübergehende Besserungen des Lebensstandards der Menschen geben kann. Allgemein bleibt dieser jedoch nicht von Dauer und remortalisiert sich in der Notwendigkeit, ihn zum Lebensunterhalt haben zu müssen. Während sich die Gesellschaft selbst reproduzieren und entfalten muss, entwickelt und entfaltet die Gemeinschaft immer auch ein Interesse an einem allgemeinen Wohlempfinden, das sie zusammenhalten und bestärken soll: ein Gemeinwohl als ihr ideeller Zweck, an dem sich ihre Befindlichkeit messen soll, woran sich auch der soziale Charakter ihrer Produktionsverhältnisse begründet und deren Recht und Rechtfertigung sich ausrichtet. Von daher ist Gemeinwohl eine Zielsetzung, an der sich die Gegenwart so bemisst, wie sich die individuellen Zwecke darin erfüllt verstehen und also die Allgemeinheit ihrer gemeinen gemachten Einzelheit betreiben, eine abstrakte Allgemeinheit der Interessen im Nutzen füreinander. "Jedes dient dem andren, um sich selbst zu dienen; jedes bedient sich des andren wechselseitig als seines Mittels. Es ist nun beides in dem Bewußtsein der beiden Individuen vorhanden: 1. daß jedes nur seinen Zweck erreicht, soweit es dem andren als Mittel dient; 2. daß jedes nur Mittel für das andre (Sein für andres) wird als Selbstzweck (Sein für sich); 3. daß die Wechselseitigkeit, wonach jedes zugleich Mittel und Zweck, und zwar nur seinen Zweck erreicht, insofern es Mittel wird, und nur Mittel wird, insofern es sich als Selbstzweck setzt, daß jeder sich also als Sein für andres setzt, insofern er Sein für sich und der andre als Sein für ihn, insofern er Sein für sich - daß diese Wechselseitigkeit ein notwendiges fact ist, vorausgesetzt als natürliche Bedingung des Austauschs, daß sie aber als solche jedem der beiden Subjekte des Austauschs gleichgültig ist und ihm diese Wechselseitigkeit nur Interesse hat, soweit sie sein Interesse, als das des andren ausschließend, ohne Beziehung darauf, befriedigt. D.h., das gemeinschaftliche Interesse, was als Motiv des Gesamtakts erscheint, ist zwar als fact von beiden Seiten anerkannt, aber als solches ist es nicht Motiv, sondern geht sozusagen nur hinter dem Rücken der in sich selbst reflektierten Sonderinteressen, dem Einzelinteresse im Gegensatz zu dem des andren vor. Nach dieser letzten Seite kann das Individuum höchstens noch das tröstliche Bewußtsein haben, daß die Befriedigung seines gegensätzlichen Einzelinteresses grade die Verwirklichung des aufgehobnen Gegensatzes, des gesellschaftlichen allgemeinen Interesses ist. (MEW 42,169) Was sie dabei zur Gemeinschaftlichkeit einer Gesellschaft verallgemeinert, ist das, was sie vorfindet: Den Nutzen der Dinge. In der sogenanten Gemeinwohlökonomie wird heute z.B. von Christian Felbers (Attac Österreich) eine neure Variante einer Nützlichkeitstheorie von Betham aus dem 18.Jahrhundert aufgelegt, wie sie von Marx bereits beschrieben wurde: "Die Nützlichkeitstheorie hatte von vornherein den Charakter der Gemeinnützlichkeitstheorie, dieser Charakter wurde jedoch erst inhaltsvoll mit dem Hereinnehmen der ökonomischen Verhältnisse, speziell der Teilung der Arbeit und des Austausches. In der Teilung der Arbeit wird die Privattätigkeit des Einzelnen gemeinnützlich; die Gemeinnützlichkeit Benthams reduziert sich auf dieselbe Gemeinnützlichkeit, die überhaupt in der Konkurrenz geltend gemacht wird. Durch das Hereinziehen der ökonomischen Verhältnisse von Grundrente, Profit und Arbeitslohn kamen die bestimmten Exploitationsverhältnisse der einzelnen Klassen herein, da die Art der Exploitation von der Lebensstellung des Exploitierenden abhängt. Bis hieher konnte die Nützlichkeitstheorie sich an bestimmte gesellschaftliche Tatsachen anschließen; ihr weiteres Eingehen auf die Art der Exploitation verläuft sich in Katechismusphrasen. Der ökonomische Inhalt verwandelte die Nützlichkeitstheorie allmählich in eine bloße Apologie des Bestehenden, in den Nachweis, daß unter den existierenden Bedingungen die jetzigen Verhältnisse der Menschen zueinander die vorteilhaftesten und gemeinnützlichsten seien. Diesen Charakter trägt sie bei allen neueren Ökonomen." (MEW 3, S. 398f) Aber es gibt keinen wirklichen Maßstab für ein allgemeines Wohlbefinden. Dieses gibt es nur als verallgemeinerbares Gefühl in Gesellschaften, worin sich die allgemeinene Selbstbezogenheit der Einzelnen in einem Gemeinsinn äußert, in welchem sich die vergemeinschaftete Gewohnheit ihrer Selbstzufriedenheit darstellt und ihre Anwesenheit bestimmt. Dies ist das Gegenteil von Ziel und Zweck der Gemeinschaft, ihr Übersinn, durch den sie sich aufhebt und über die anwesenden Menschen hinweg vermittelt. Totalitäre Systeme beanspruchen von daher die Hoheit über die Definition des Gemeinwohls für sich, indem sie sich durch eine höhere Ebene der Erkenntnis für dieses legitimieren. Ihre diesbezüglichen Selbstveredelung beziehen sie aus Mystizismus und Esoterik. Rousseau dagegen sieht das Gemeinwohl als Produkt eines allgemeinen Willens: „Wenn die Bürger keinerlei Verbindung untereinander hätten, würde, wenn das Volk wohlunterrichtet entscheidet, aus der großen Zahl der kleinen Unterschiede immer der Volonté générale (Gemeinwille) hervorgehen, und die Entscheidung wäre immer gut.“ (Gesellschaftsvertrag, Buch 2, Kap. 3) "Die Mehrheit von uns sind nicht (oder schwach) intrinsisch motiviert, weil sie sich nicht kennen und in sich nichts Sinnvolles erfahren, das sie zu Höchstleistungen ohne jede Konkurrenz treiben könnte. Sie sind innerlich leer und können Sinn nur von außen beziehen. Und wenn die Außenwelt unentwegt schreit: Geld, Karriere, Erfolg und Macht sind die »Werte«, auf die es ankommt, dann »verinnerlichen« viele von uns diese Werte, auch wenn sie noch keinen Menschen glücklich gemacht haben. Da aber so viele dabei mitmachen und die Medien immer wieder solche Personen porträtieren und auszeichnen, eifert ihnen eine große Zahl von Menschen, die sich selbst nicht spüren, nach. An der Wurzel des Problems stehen somit innerlich leere Menschen, die ihrem Leben keinen eigenständigen Sinn zu verleihen vermögen - es mangelt ihnen an Selbstvertrauen, sich selbst als Letztverantwortliche ihres eigenen Lebens und ihrer eigenen Entscheidungen anzuerkennen. Die Gretchenfrage lautet: Woher kommt die innerliche Leere? Wieso können so viele Menschen ihrem Leben keinen eigenen Sinn geben und Glück finden? Der Schlüssel liegt meines Erachtens in der Erziehung. Die meisten von uns wurden nicht vorurteilsfrei »erkannt« und bedingungslos geliebt, was uns erlaubt hätte, unser eigenes Ich zu finden, uns liebend anzunehmen und ebenso tiefe Wertschätzung für andere zu entwickeln; sondern wir wurden zu Gehorsam und Leistung erzogen." (Christian Felber: "Gemeinwohlökonomie - die Wirtschaft der Zukunft", Paul Zsolnay Verlag Wien, 2010, S. 84) In der politischen Philosophie hat das Gemeinwohl eine große Bedeutung zur Bewertung des Intellekts. So schreibt z. B. der griechische Philosoph Platon in seinem staatsphilosophischen Hauptwerk, der Politeia, dass nur Philosophen wüssten, was dem Gemeinwohl dient und deshalb die Regierung übernehmen sollten. Im Prinzip ist das Konzept des Gemeinwohls die Grundlage liberaler Ideologie, die behauptet, dass sich durch die höhere Hand eines unsichtbaren Ausgleichs der Vor- und Nachteile im Austausch der Produkte die Ausgewogenheit der "Marktkräfte" zugunsten eines Wohlstands für alle wie von selbst bewirke. Es hat sich jedoch längst erwiesen, dass in den Interessenkonflikten auf den Welt- und Arbeitsmärkten existenzielle Gegensätze nicht ausgeglichen werden konnten, sondern sich meist verstärken, z. B. Armut und Reichtum, Klassengegensätze oder Dritte Welt, oder allgemeine Interessen wie Bewahrung der Natur. Dies liegt auch an den Marktverhältnissen selbst, wo die Verhältnisse Geldes selbst schon eine Preisbildung auf der Grundlage gegensinniger Bedingungen die Verschärfung substanzieller Unterschiede betreiben. Das allgemein gültige Mittel als Maßstab eines gesellschaftlichen Verhältnisses kann nur abstrakt sein und bleiben, solange die einzelnen Interessen darin nicht mit ihm verwirklicht werden, sich nicht darin gestalten können, weil das Allgemeine in dieser Form immer nur abstrakt existieren kann (siehe Realabstraktion). Die Welt der abstrakten Allgemeingültigkeiten befindet sich in solcher Wirklichkeit im Widerspruch zu ihren konkreten Wirkungen und Verhältnissen. Es ist der Widerspruch des abstrakt Allgemeinen und des konkret Einzelnen, der die ganze bürgerliche Gesellschaft durchtreibt als Widerspruch von Ware und Geld, Eigentum und Besitz, Wert und Mehrwert, gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung. Die allgemeine Gültigkeit dieser Verhältnisse steht im Widerspruch zu ihren konkreten Lebensinhalten. Daher bedeutet Macht in diesem Verhältnis die Herrschaft des abstrakt Allgemeinen über das konkrete Leben, des abstrakt Allgemeinen über die Bedürfnisse der Menschen, die in ihrer Einzelheit sich nur isoliert äußern können. "Eben weil die Individuen nur ihr besondres, für sie nicht mit ihrem gemeinschaftlichen Interesse zusammenfallendes suchen, überhaupt das Allgemeine illusorische Form der Gemeinschaftlichkeit, wird dies als ein ihnen "fremdes" und von ihnen "unabhängiges", als ein selbst wieder besonderes und eigentümliches "Allgemein "-Interesse geltend gemacht, oder sie selbst müssen sich in diesem Zwiespalt bewegen" wie in der Demokratie. Andrerseits macht denn auch der praktische Kampf dieser beständig wirklich den gemeinschaftlichen und illusorischen gemeinschaftlichen Interessen entgegentretenden Sonderinteressen die praktische Dazwischenkunft und Zügelung durch das illusorische "Allgemein"-Interesse als Staat nötig. Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Produktionskraft, die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eigne, vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der sie nicht wissen woher und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können, die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Reihenfolge von Phasen und Entwicklungsstufen durchläuft. Diese "Entfremdung", um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden. Damit sie eine "unerträgliche" Macht werde, d.h. eine Macht, gegen die man revolutioniert, dazu gehört, daß sie die Masse der Menschheit als durchaus "Eigentumslos" erzeugt hat und zugleich im Widerspruch zu einer vorhandnen Welt des Reichtums und der Bildung, was beides eine große Steigerung der Produktivkraft, einen hohen Grad ihrer Entwicklung voraussetzt - und andrerseits ist diese Entwicklung der Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt der in lokalem Dasein der Menschen vorhandne empirische Existenz gegeben ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der "Eigentumslosen" Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat." (MEW 3, S. 34f). In seinem Buch zur Gemeinwohlökonomie hat Christian Felber das Gemeinwohl einer "inneren Leere" der Menschen entgegengehalten (siehe hierzu Pfreundschuh 2012: »Wie "gemein" kann das Wohl der Ökonomie sein?«): "Die Mehrheit von uns sind nicht (oder schwach) intrinsisch motiviert, weil sie sich nicht kennen und in sich nichts Sinnvolles erfahren, das sie zu Höchstleistungen ohne jede Konkurrenz treiben könnte. Sie sind innerlich leer und können Sinn nur von außen beziehen. Und wenn die Außenwelt unentwegt schreit: Geld, Karriere, Erfolg und Macht sind die »Werte«, auf die es ankommt, dann »verinnerlichen« viele von uns diese Werte, auch wenn sie noch keinen Menschen glücklich gemacht haben. Da aber so viele dabei mitmachen und die Medien immer wieder solche Personen porträtieren und auszeichnen, eifert ihnen eine große Zahl von Menschen, die sich selbst nicht spüren, nach. An der Wurzel des Problems stehen somit innerlich leere Menschen, die ihrem Leben keinen eigenständigen Sinn zu verleihen vermögen - es mangelt ihnen an Selbstvertrauen, sich selbst als Letztverantwortliche ihres eigenen Lebens und ihrer eigenen Entscheidungen anzuerkennen. Die Gretchenfrage lautet: Woher kommt die innerliche Leere? Wieso können so viele Menschen ihrem Leben keinen eigenen Sinn geben und Glück finden? Der Schlüssel liegt meines Erachtens in der Erziehung. Die meisten von uns wurden nicht vorurteilsfrei »erkannt« und bedingungslos geliebt, was uns erlaubt hätte, unser eigenes Ich zu finden, uns liebend anzunehmen und ebenso tiefe Wertschätzung für andere zu entwickeln; sondern wir wurden zu Gehorsam und Leistung erzogen." (Christian Felber: "Gemeinwohlökonomie - die Wirtschaft der Zukunft", Paul Zsolnay Verlag Wien, 2010, S. 84) |