"Das Gewissen hängt mit dem Wissen und der ganzen Daseinsweise eines Menschen zusammen. Ein Demokrat hat ein anderes Gewissen als ein Monarchist, ein Besitzender ein anderes Gewissen als ein Besitzloser, ein Denkender ein anderes als ein Gedankenloser. ... Das Gewissen der Privilegierten ist eben ein privilegiertes Gewissen." (K. Marx, Neue Rheinische Zeitung, MEW 6, 130). Das Gewissen ist eine private Gewissheit, die sich aus den Erfahrungen und Erinnerungen einer persönlichen Geschichte niederschlägt. Es meldet sich daher vor allem dann, wenn ein Mensch sich gegen seine Gewissheit verhält, gegen sie verstößt. Er wird sich hierdurch der Wahrheit seiner Beziehung, wie sie in seinem Gedächtnis ist, ungewiss und leidet an dieser Gewissenlosigkeit. Von daher ist es eigentlich selbstverständlich, dass jeder Mensch nach seinem Gewissen handelt, gleich, ob ihm das bewusst ist oder auch nicht. Wo dies als Gewissensfreiheit herausgestellt werden muss, ist dies ein Hinweis auf Verhältnisse, die keine Gewissheit zulassen, in denen es also sich nicht verstehen lässt, wie man nach seinem Gewissen handeln können soll. Solche Reflexion auf das Gewissen ist daher eher die Subjektivierung einer objektiven Unmöglichkeit, als dass sie für sich ernst zu nehmen wäre. Was z.B. Politiker einer repräsentativen Demokratie zu vertreten haben, ließe sich meist kaum mit einer Gewissheit in Beziehung bringen, auch nicht, wenn dies durch bürgerliche Wissenschaft gestützt ist. Deren Gedankenabstraktionen dienen dem Ungewissen eher, als dass sie sich einer Gewissheit über die herrschende Wirklichkeit nähern könnten. Ein darauf gründendes Gewissen ist ein moralisches Gewissen, welches in vollkommenem Gegensatz zum wirklichen Gewissen stehen kann. In der Psychologie oder Religion wird dies jedoch nicht unterschieden. Im Kategorischen Imperativ wird solche Moral durch eine verallgemeinerten Vorstellung von einem "richtigen Handeln" begründet, die sich aus einer Selbstbezüglichkeit ergeben soll. Und das Staatsrecht geht ausschließlich vom moralischen Gewissen in der Form des bürgerlichen Rechts aus, es sei denn, es wird auf Unzurechnungsfähigkeit "erkannt". |