"Ja renn nur nach dem Glück. Glück hat, wem etwas geglückt, etwas gelungen ist, das seine Sehnsucht entworfen hat und das ihn erfüllt und aus dem Reich der Notwendigkeiten befreit hat. Es ist das Selbstgefühl der Freiheit, einem Gefühl voller Reichtum an Leben, in das ein Mensch entweder zufällig geraten ist ("Glück gehabt") oder was er oder sie durch Zufall - z.B. durch entsprechende Strukturierungen - überzufällig angestrebt und erreicht hat. Niemals aber kann Glück dauerhaft sein, weil nichts bleiben kann, wie es ist und und das Leben sich nicht in Zuständen oder Strukturen einfangen und aufhalten lässt. Es wird unglücklich, sobald es sich aus der Freiheit in einer Beliebigkeit wendet, sich selbständig macht und von den Notwendigkeiten seiner Lebensverhältnisse abkehrt, ablöst und trennt, zur Willkür einer verkehrten Freiheit geworden ist (siehe Liberalismus). Wird an den Formationen von Glück festgehalten (z.B. mit einer Ideologie vom "guten Leben" in einer heilen Welt), so setzen sie sich im Unbewussten seiner Freiheit durch und lassen Bedürfnisse zu einer Absicht werden, ein Glück festzuhalten, das gerade nicht mehr sein kann, weil seine Freiheit jenseits des Notwendigen schon aufgehoben ist. Die unbewussten Absichten werden zu seinem Verhämgnis, weil sie nur den Mangel seiner Wirklichkeit auszulöschen bestrebt sind (siehe Psyche), Bewusstsein zu meiden und Heil durch sich selbst zu finden (siehe heile Welt), sich also insgesamt in der Erscheinung seiner selbst zu fixieren (siehe objektives Selbstgefühl). Kritik wird hierdurch zum Feind gegen sich selbst, weil sie in diesem Verhältnis das Bewusstsein nur unglücklich machen kann. Von daher ist es zur Emanzipation aus dieser Fixierung nötig, "aus einem unglücklichen Bewusstsein ein Bewusstsein des Unglücks zu machen" (Marx). Die Fixierung seiner Illusionen ist die Religion, der "Geist geistloser Zustände". "Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammerthales, dessen Heiligenschein die Religion ist.“ (MEW 1, S. 378f) Glück wird in den bürgerlichen Wissenschaften meist als zufälliges Fortune oder auch als ein besonders inniges Gefühl ausgefüllter Weltseligkeit, als freudige Stimmungslage oder auch als Verheißung (Glück auf!") verstanden. Dass die Menschen nach ihrm Glück streben, ist der Philosophie ebenso geläufig, wie der Psychologie. Man bemüht sich dort, es zu definieren, zu einer allgemeinen Vorstellung zu machen, um deren Verwirklichung es ginge oder deren Wirklichkeit zu beobachten, "empirisch fassbar" wäre (z.B. Mayring: "positiver, langfristiger emotionaler und kognitiver Wohlbefindlichkeitsfaktor"). Welch absurde Tautologie: Glück ist, was glücklich macht. Wo sich Scheinaussagen türmen, da kommen PsychologInnen immer gerne zu dem, was sie als ihr Geschäft begriffen haben: Glück ist "psychische Gesundheit", die "Fähigkeit zu freudigen Erlebnissen" und Lebensqualität (so auch die Gesundheitsdefinition der WHO). Wie schnell doch ein bestimmtes Erleben hier zur "Fähigkeit" gerät: Die Unfähigkeit ist somit als Geschäftsbasis erstellt. Wer keine "Fähigkeit zum Glück" besitzt, der muss behandelt werden. Als "Fähigkeit" kann man es scheinbar auch leicht erwerben. Das kennen wir ja schon von der Werbung. Wohl dem, der dies verkaufen kann! Schlag nach bei Mayring (1991). Dort steht alles über die Herstellung von Glück. Dass hierbei auch einiges auf der Strecke bleibt, ist den professionellen Glücksproduzenten natürlich selbst klar. Das ist wie mit den Schönheitsoperationen. Der Hellinger-Schüler Gunthard Weber, sieht dies als notwendigen Schmerz der Todesnähe, in der sich Glück befände. Dass aber die Herstellung von Glück zwangsläufig einem Heilsgedanken folgen muss, ist weniger deutlich ausgesprochen. Glück mag vieles sein oder bringen, es bleibt im Menschen vielleicht nur als Moment des Gefühls, vielleicht als "Strähne" des Gelingens, vielleicht als Augenblick der Selbsterkenntnis, in welchem seine Erkenntnis als Quelle und Ursprung seines Lebens Wirklichkeit wird, Wirkung seiner Liebe oder seiner Arbeit, ein Moment aufgehobener Entfremdung von sich und seiner Welt. Glück selbst kann man nicht erzeugen; es ist wie eine Rückkunft auf sich, eine Art Revolution in sich. Diese hat die Form der Ereignishaftigkeit, die Prozedur des Erzeugens überwunden und kehrt sich in deren Sinn, in die Eigentümlichkeit der Ursprünge zurück als ein anderes, freieres Wesen. Insofern ist Glück selbst unmittelbar, Ereignis und Tätigkeit in der Überwindung von Formbestimmung und Abstraktion, einfacher Sinn für sich selbst, für eigene Entfaltung und Gestaltung in der Überwindung von Schmerz. Von dieser Seite ist die Bekämpfung von Unglück seine einzige Verwirklichung und Wirklichkeit. Darin steckt der Sinn des Marx'schen Appells, aus dem "unglücklichen Bewußtsein ein Bewußtsein des Unglücks" zu machen. |
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