"Erst der große Schmerz, jener lange langsame Schmerz, der sich Zeit nimmt, in dem wir gleichsam wie mit grünem Holze verbrannt werden, zwingt uns Philosophen, in unsre Tiefe zu steigen ... Sei es nun, daß wir ihm unsren Stolz, unsren Hohn, unsre Willenskraft entgegenstellen lernen, ... sei es, daß wir uns vor dem Schmerz in jenes orientalische Nichts zurückziehen – man heißt es Nirwana -, in das stumme, taube Sich-Ergeben, Sich-Vergessen, Sich-Auslöschen" (Nietzsche "Die fröhliche Wissenschaft" WW III, S. 12f.). Das Grauen ist das Gefühl einer tödlichen Abgründigkeit, die sich aus dem Nichts, aus dem Interesse einer nichtig gewordenen Wertschätzung ergibt (siehe Lebensangst). Wo Alles keinen Sinn mehr hat, ist es farblos, werden alle Farben grau. Die Grausamkeit bezieht ihren Grund und Sinn aus dem Grauen in der Wirklichkeit einer Abstraktionskraft, aus der Abtötung von Sinn (siehe tote Wahrnehmung), worin die Untoten wieder wach und mächtig werden. So wird Leben durch Angst beherrscht nd an seinen Abgrund gestellt. Und durch die Zerstörung seiner Wahrnehmungsidentität (siehe auch Selbstverlust) leitet sich das Bedürfnis nach seiner Nichtung her und sucht in dieser sich zu verwirklichen (siehe hierzu Todestrieb. Angst entwickelt sich im Sinn einer Umnachtung (siehe Entwirklichung) und bezieht ihre Entfremdung aus ihrem Überleben (siehe auch Nihilismus). Weil Grausamkeit auf alles Andere bezogen ist und sich durch dessen Wohlgefälligkeit bedroht fühlt, muss sie tätig werden und will Marter fremder Lebendigkeit sein (siehe Dekadenz). Grausamkeit ist somit eine Empfindung aus der Negation eines ästhetischen Willens. Aus dessen Notwendigkeit zur Verallgemeinerung wird Angst als Lebensangst allmächtig und sucht sich gegen den lebenden Sinn durchzusetzen. "Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." (Friedrich Nietzsche: "Jenseits von Gut und Böse") Von da her entäußert Grausamkeit einen ästhetischen Willen als unbewusste Tötungsabsicht (Todestrieb). Positiv zielt sie auf die Selbstverwirklichung einer Gesinnung. Der autoritäre Charakter findet und empfindet sich hierbei als Verkörperung eines allgemeinen Willens im Gemeinsinn einer abstrakten Gemeinschaft, als Körper eines allgemeinen Machtwillens, der seine Machtbesessenheit nur in der Grausamkeit verwirklichen kann, weil und sofern er darin alleine mächtig ist. Derart abstrakt gewollte Macht kann nur durch Grauen fortbestehen, durch den Schrecken der Tötung von Leben und Sinn und somit durch pure Abschreckung. Wird sie in dieser Form zum Selbsterlebnis, weil sie sich in der Abtötung Erhabenheit gibt, überhöhtes Leben, ein Leben der Selbstveredelung, das sich nicht anders begründen kann als durch seine Fähigkeit zu töten, so hat Grausamkeit ihre Ästhetik im Sadismus der Verfolgung und Versöhnung des Schönen und Guten: "Selig sind die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen" (siehe auch Religion). Dessen Abstraktionskraft ist die Wirkung einer antäußerten Beziehung. Sie entsteht im Trieb ihres Unfriedens in einer unbefriedigten Beziehung, die sich sinnlich verselbständigt hat, die also gewalttätig wird, wo und weil sie unsinnig geworden, wo sie substanziell außer sich geraten ist und im Trieb ihrer wesentliche Lebensäußerung entstellt und in ihrer Entstellung entstellt sit, die sie verrückt macht. | ![]() |